Apulien/Salento 2021

2021 Apulien III, Salento

Ende August treten wir unsere dritte Reise an den italienischen Stiefelabsatz an, die wir seit der ursprünglichen Buchung im Frühjahr des letzten Jahres in den Wirren von Corona zwei Mal verschoben haben. Für Süditalien hätten wir uns normalerweise nicht den Hochsommer ausgesucht, konnten die Flugtickets aber leider nicht mehr auf den Herbst umbuchen. Wir halten die Reise nach den aktuellen Bedingungen als geimpfte Personen unter Beachtung der nun schon seit eineinhalb Jahren gelebten Hygienestandards für unbedenklich.

Leaving Düsseldorf
Leaving Düsseldorf

Die vierte Welle läuft, über 4 Millionen Menschen in Deutschland wurden positiv getestet, über 90000 sind seit Beginn der Pandemie gestorben. Mittlerweile sind über 60% der deutschen Bevölkerung 2-fach geimpft. Obwohl die grassierende Delta-Variante besonders virulent um sich greift füllen sich die Intensivbetten weniger rasant als in den ersten Wellen der Pandemie- in erster Linie ein Erfolg der Impfung und ein Effekt der zunehmenden Herdenimmunität- wer das immer noch nicht gerafft hat, dem ist leider schwer zu helfen. Die Altersgruppe der Schwerkranken hat sich deutlich in Richtung jüngerer Lebensdekaden verlagert- es sind in der Regel Patienten ohne Impfschutz. Schwere Erkrankungsverläufe sind bei Geimpften kaum zu erwarten, trotzdem flaut die Nachfrage nach der Impfung immer mehr ab.

Kaktusfeigen
Kaktusfeigen

Wir fliegen am vorletzten Samstag im August am späten Nachmittag von Düsseldorf aus nach Bari, wo wir gegen 19 Uhr auf dem Flughafen Bari-Palese landen. Der Flughafen in der Hauptstadt der Region Apulien ist seit 2005 nach dem verstorbenen Papst Johannes Paul II mit dem Beinamen „Karol Wojtyla“ verknüpft. Alles läuft reibungslos und schon bald sitzen wir in unserem Leihwagen und machen uns auf den Weg zu unserem ersten Quartier, das wir 45 Kilometer südlich von Bari in einer Agriturismo in dem Höhenzug der Murgia in Cassano delle Murge vorgebucht haben. Wir erreichen das Hotel ausreichend früh für ein erstes italienisches Abendessen mit allem was dazu gehört.

Landstraße im Salento
Landstraße im Salento

In der folgenden Nacht findet in unserem Zimmer ein weiteres Festmahl statt, bei dem dutzende von Mücken zur Attacke auf unsere Blutbahn blasen. Die Nacht scheint fast gelaufen, als ich nach mehr als einer Stunde das blutige Handtuch mit unzähligen „Besiegten“ ins Badezimmer werfe um den Rest der Nacht in Frieden zu ruhen. Nach einem übersichtlichen italienischen Frühstück machen wir uns dann auf den Weg zu unserem Quartier für die nächsten 9 Tage in Cellino San Marco südlich von Brindisi. Von hier aus wollen wir die Halbinsel des Stiefelabsatzes, den Salento erkunden. Bei 2 Aufenthalten in den Jahren 2018 und 2019 haben wir die nördlicheren Provinzen Apuliens mit dem Gargano und der Basilikata bereist.

Negroamaro oder Primitivo?
Negroamaro oder Primitivo?

Es sind heute 163 Kilometer für die wir uns Zeit lassen. Entspannt fahren wir über Landstraßen an Noci vorbei, wo wir vor 2 Jahren auf einer Masserie in einem typischen Trullo gewohnt haben. Südlich an Martina Franca vorbei über Grottaglie halten wir Richtung Adria auf unser Ziel zu. Einige Fotostopps an annähernd reifen Weinstöcken, Feigenbäumen und Kakteen vollbeladen mit Kaktusfeigen verzögern unsere Anfahrt. Wir erreichen unser Ziel in Cellino San Marco am frühen Nachmittag. Wir wohnen hier im Hotel „Felicita“ auf einer Ferien-Anlage des prominenten Sängers Al Bano Carrisi.

Piazza Felicita in der Tenute Al Bano
Piazza Felicita in der Tenute Al Bano

Ich habe Erinnerungen an die Musik des damaligen Gesangsduos „Al Bano und Romina Power“, das in den 70 er und 80er Jahren die deutschen Schlager-Charts mit italienischen Klängen bereicherte. Carrisi trug auch als Solo-Künstler die italienische Musik in die Welt hinaus und genießt als Sänger in Italien hohes Ansehen, wie mir italienische Freunde und Bekannte versichern. So werde ich auch belehrt, dass man Al Bano keineswegs einfach in die Schlagerschublade stecken dürfe. Die Boulevard- Presse beschäftigt sich seit Jahren mit der Trennung des Traumpaares und dem mysteriösen Verschwinden der Tochter. Al Bano ist eine Größe in der Region. Nachdem er seine Heimat nach abgebrochenem Schulabschluss für seine Gesangskarriere verlassen hat kehrte er nach dem Tod des Vaters Don Carmelo nach Cellino San Marco zurück. Heute ist der 78 jährige Medien-Star erfolgreicher Unternehmer und Winzer auf dem Weingut seines Vaters Don Carmelo.

Altes Foto- Al Bano und Adriano Celentano
Altes Foto- Al Bano und Adriano Celentano

Ich bin zunächst etwas skeptisch, denn die Ferienanlage ist recht groß und die Wohneinheiten auf dem Gelände verteilt. Im Stil einer Altstadt mit Burgmauern und Türmen entsteht so die Illusion eines geschichtsträchtigen Ortes. Wir erfahren, dass hier alles nach den romantischen Vorstellungen des Erbauers neu entstanden ist. Manches ist vielleicht „too much“- allen voran die vielen Lichterketten an den Mauern und Olivenbäumen, die nachts nicht nur leuchten sondern auch blinken.

Der Pool der Anlage
Der Pool der Anlage

Unsere geräumige Wohnung an der Außenmauer der Anlage mit einem tonnenförmigen Gewölbe ist stilvoll eingerichtet und bietet alles für einen angenehmen Aufenthalt. Wir verbringen diesen ersten Nachmittag am großen Pool der Anlage und reservieren einen Tisch im Ristorante „Don Carmelo“. Am heutigen Samstagabend begleitet uns ein Gesangsduo auf der Bühne inmitten des Restaurants. Zum schmackhaften Menü probieren wir einen Rosato aus der Negroamaro- Traube, die in der Region neben dem Primitivo vornehmlich angebaut wird.

Romantischer Platz im "Don Carmelo"
Romantischer Platz im „Don Carmelo“

Nach dem chilligen Nachmittag am Sonntag wollen wir am Montag nach Otranto fahren. Es sind 84 Kilometer, die wir über die Superstrada über Lecce und Maglie zurücklegen müssen. Nun ist das so eine Sache mit der Mittagszeit in Italien. Zwischen 12 Uhr und 15 Uhr werden Kirchen und Museen auch in touristischen Bereichen gnadenlos geschlossen. So schaffen wir es auch nur noch einen kurzen Blick in die Kathedrale Santa Annunziata aus dem 12. Jahrhundert zu werfen bis wir gebeten werden die Kirche wieder zu verlassen. Allein der Mosaik-Fußboden aus der Erbauungszeit der Kirche mit der Darstellung von 700 biblischen Geschichten ist den Besuch wert. Einen erneuten Besuch zu einer früheren Zeit nehmen wir uns 2 Tage später noch einmal vor.

Santa Annunziata-Otranto
Santa Annunziata-Otranto

Otranto ist eine Stadt, die 1480 von den Türken eingenommen wurde. Die Besatzer zwangen die Bevölkerung dem christlichen Glauben abzuschwören- als Alternative wurde der Verlust des Kopfes angeboten. 800 im Jahre 2013 heiliggesprochene Märtyrer zogen dies vor. 600 von 800 Schädeln befinden sich in einer Seitenkapelle in der Kathedrale.

Die Kapelle der Märtyrer Otrantos
Die Kapelle der Märtyrer Otrantos

In Otranto ist zumindest das Castello Aragonese in der Mittagszeit geöffnet. Die Erbauung des Kastells geht auf das 10. Jahrhundert zurück und es folgten nach Zerstörungen über die Jahrhunderte mehrfache Umbauten. Kaiser Karl V., römisch deutscher Kaiser hat einige Festungen in Apulien zu seiner Amtszeit Anfang des 16.Jahrhunderts strategisch ausgebaut. So werden die Befestigungen in Monopoli und Lecce ebenfalls mit der Person Karls V. in Verbindung gebracht.

Fundstücke aus der Neusteinzeit 6.-4. Jahrtausend v.Chr.
Fundstücke aus der Neusteinzeit 6.-4. Jahrtausend v.Chr.

Eine Ausstellung mit prähistorischen Exponaten u.a. aus der Grotta dei Cervi, einem großen Höhlensystem bei Porto Badisco südlich von Otranto ist in den Räumen der Festung untergebracht. Die Höhle mit vielen steinzeitlichen Malereien aus dem Neolithikum (7.-4. Jahrtausend vor Chr.) ist der Öffentlichkeit leider nicht zugänglich.

Dorothee mit Banksy's "Game Changer" (2020)
Dorothee mit Banksy’s „Game Changer“ (2020)

Eine aktuelle Ausstellung über den Street-Art- Künstler „Banksy“ sehen wir uns auch gerne an. Der zeitgenössische Künstler, der seine Identität hinter einem Pseudonym verbirgt hat sich mit seinen Graffitis seit mehr als 20 Jahren weltweit einen Namen gemacht. In seinen mit Schablonen aufgesprühten Kunstwerken kommuniziert der Künstler Botschaften in Guerilla- Taktik. Längst werden seine Werke für Höchstpreise gehandelt. Das für über 1 Million Euro bei Sotheby’s versteigerte Bild „Girl with Balloon“ zerstörte sich durch einen im Rahmen versteckten Schredder zum Entsetzen der Bieter zum Teil selbst- Eine gelungene Kritik des Künstlers am kommerziellen Kunsthandel?

Denkmal für die Märtyrer Otrantos vor der Stadtmauer
Denkmal für die Märtyrer Otrantos vor der Stadtmauer

Wir verlassen die Altstadt Otrantos und gelangen vor der Stadtmauer zum Meer hin an das Denkmal für die Märtyrer Otrantos. Entlang der Ufermauer laufen wir zum Parkplatz. Am Nachmittag entsteht der Plan ein Bad im Meer zu nehmen. Viele Menschen haben sich in Otranto direkt unterhalb der Kaimauer in der Bucht eingerichtet. Wir haben die romantische Vorstellung einen weniger stark frequentierten Strandabschnitt zu finden. Wir fahren dafür ein Stück die adriatische Küste nordwärts. Dort wo hinter der Küste die Alimini- Binnenseen liegen suchen wir den Strandabschnitt „I due mori“ auf.

Italien macht Urlaub
Italien macht Urlaub

Ein Stück müssen wir von den übervollen Parkplätzen hierher laufen. Am Strand finden wir ein Szenario vor, das wir uns so auch in der Hauptreisezeit nicht ausgemalt haben. Soweit das Auge reicht ist der Strand dicht bevölkert. Ganz Italien scheint am Strand zu sein, Boote ziehen Halligalli-Spass- Geräte auf dem Wasser hinter sich her. Wir nehmen ein Bad im Meer und ergreifen die Flucht als an der Wasseroberfläche auch noch ein Defäkat an uns vorbei dümpelt.

Sunset am Southernmost Point Santa Maria di Leuca
Sunset am Southernmost Point Santa Maria di Leuca

Über Maglie fahren wir zum Southernmost- Point Apuliens zum Leuchtturm von Santa Maria di Leuca und schaffen es gerade noch rechtzeitig um halb acht den Sonnenuntergang einzufangen. Wir sitzen noch eine Weile auf dem Vorplatz des Santuario di Santa Maria de Finibus terrae bis der Leuchtturm sein Leuchtfeuer aufs Meer aussendet. Die Wallfahrtskirche stammt in der heutigen Form aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich befand sich ein Minerva- Tempel an diesem Ort, ein ehemaliger frühchristlicher Bau wurde nachweislich im Jahr 343 geweiht.

Piazza vor dem Santuario di Santa Maria de Finibus terrae
Piazza vor dem Santuario di Santa Maria de Finibus terrae

Über Gallipoli und Lecce fahren wir durch die Nacht zurück nach Cellino San Marco. Wir beenden den Tag in unserem Zimmer mit einem Picknick und einem Glas kühlem Mediterrano- Rosé aus Al Banos Keller.

Leuchtfeuer am Südende Apuliens
Leuchtfeuer am Südende Apuliens

Am Dienstag fahren wir nach Lecce, der Provinzhauptstadt und geraten in eine Vollsperrung auf der Superstrada SS16 als Folge eines Verkehrsunfalls. Mit möglichst dichtem Auffahren wird gedrängelt und geschoben bis es dann doch mal nicht mehr passt. Auch das Einscheren nach dem Überholen mit Blinker und ausreichendem Abstand scheint uncool zu sein. Wir geben unser Vorhaben auf, verlassen die Superstrada und suchen in Valesio die archäologische Ausgrabung einer Siedlung der Messapier auf. Das „ Volk zwischen 2 Meeren“ lebte in vorchristlicher Zeit im Salento. Das Gelände erscheint uns nicht wirklich zugänglich zu sein und etwas entnervt durch die Mittagshitze und unsere morgentliche Pleite kehren wir erst einmal zu unserer Unterkunft zurück und sammeln mit einem Bad im Pool neue Energie für den Nachmittag.

Lecce-Amphitheater- Blick Richtung Piazza Sant‘Oronzo
Lecce-Amphitheater- Blick Richtung Piazza Sant‘Oronzo

Einen neuen Versuch für den Besuch der Universitätsstadt starten wir am Nachmittag. In Lecce gestaltet sich die Parkplatzsuche etwas schwierig bis wir an der Piazza Giuseppe Libertini einen Parkplatz ergattern. Endlich können wir die Altstadt Lecces in Augenschein nehmen. Als erstes wenden wir uns der Piazza Sant‘Oronzo zu. Wir finden hier ein römisches Amphitheater aus dem 2. Jahrhundert und eine antike Säule, auf der sich laut Reiseführer der Schutzheilige der Stadt befindet. Der heilige Oronzo soll einen Ausbruch der Pest in Brindisi beendet haben. Die römische Säule, Geschenk der Stadt Brindisi, ist eine der beiden Säulen die einst das Ende der Via Appia in Brindisi markiert haben. Oronzo befindet sich bei unserem Besuch allerdings nicht auf seiner Säule.

Parature und Luminarie auf der Piazza
Parature und Luminarie auf der Piazza

Wir drehen eine Runde um das Amphitheater und laufen über die Piazza Sant‘Oronzo, auf der im Zeichen der derzeitigen Patronats- Festivitäten ein traditionelles Ständerwerk, die „Parature“ aufgebaut ist. Auf den weißen Spalieren hatte man früher unzählige Öllämpchen aufgestellt deren Funktion heute helle LED- Technik übernimmt. Diese Tradition der „Luminarie“, hängt mit der Pestepidemie um das Jahr 1600 zusammen. Ihren Ausgang soll diese Lichter- Tradition des Salento in Scorrano genommen haben. Hier versprach die heilige Domenica die Kranken zu heilen. Sie sollten nach ihrer Genesung ein Licht im Fenster aufstellen, und es wurden nach und nach immer mehr….

Basilika di Santa Croce
Basilika di Santa Croce

Wir wenden uns der prunkvollen barocken Basilika Santa Croce zu, mit deren Bau 1549 begonnen und der Mitte des 17. Jahrhunderts abgeschlossen wurde. Wir haben ein Kombi- Ticket für insgesamt 4 Kirchen erstanden und die nächste Kirche an der Piazza Duomo ist die Kathedrale Maria Santissima Assunta, die im Jahr 1144 geweiht wurde und Mitte des 17. Jahrhunderts den heutigen barocken Umbau erfahren hat. Unter der Kathedrale befindet sich eine Krypta aus dem 16. Jahrhundert.

Florenz des Barocks
Florenz des Barocks

Lecce hat mit seinen barocken Kirchen und Gebäuden den Beinamen „Florenz des Barocks“ erhalten. Wir schauen noch in die Kirche San Matteo, in der einige Figuren ein Bad im Spot der tiefstehenden Nachmittagssonne nehmen. Wir beenden nun unser Bad in den barocken Innenräumen Lecces.

In der Kathedrale von Lecce
In der Kathedrale von Lecce

Der Besuch des Castello ist nur mit einer Führung möglich. Bereits in Staufischer und Aragonesischer Zeit gab es ein Kastell, das Anfang des 16. Jahrhunderts durch Karl V. zu einer modernen Festung umgebaut wurde. Die Wände des Gefängniskellers wurden von den hier Inhaftierten mit in den weichen Kalkstein gekratzten Schriften und Bildern verziert. Die Figuren, Wappen, Inschriften und Symbole sind heute ihrerseits historische Zeugnisse, geschaffen von Insassen mit sehr viel Zeit, lange vor der Erfindung des humanen Strafvollzugs. In den Kasematten finden sich auch Hinterlassenschaften aus den Weltkriegen. Hier wurde die Munition gelagert, die über Rampen zu den Waffen auf das obere Level gezogen werden konnte.

Gefängnis-Grafittis im Castello
Gefängnis-Grafittis im Castello

Wir suchen uns einen Tisch im Ristorante „Bona Sciana“ am Südende der Piazza Sant’Oronzo gegenüber des Amphitheaters. Eine Blaskapelle der Citta di Lecce zieht über die Piazza und gibt ein Konzert. Wir essen zu Abend und laufen dann über den festlich beleuchteten Platz am Kastell vorbei, wo am Abend ein Konzert- Event ansteht. Viele Menschen warten hier entlang der Straße auf die Ankunft eines Künstlers, der mit einer Polizeieskorte begleitet auf das Gelände gefahren wird. Kreischende Fans stürmen auf das Auto zu in dem winkend der aus den Medien bekannte Singer und Songwriter namens Sangiovanni sitzt, der bereits die Spitze der italienischen Charts angeführt hat.

Patronatsfest- Beleuchtung an der Piazza Sant'Oronzo
Patronatsfest- Beleuchtung an der Piazza Sant’Oronzo

Am Mittwoch fahren wir mit einer deutlich ausgefeilteren Planung noch einmal nach Otranto. Im Hafen liegt nun ein Kreuzfahrtschiff das gerade seine Reisenden mit Booten zum Landgang entlässt. Wir laufen geradewegs zur byzantinische Kirche San Pietro aus dem 9./10 Jh. Die byzantinische Kreuzkuppelkirche war ursprünglich komplett mit Fresken aus dem 11.-13. Jahrhundert ausgemalt. Diese 1000 Jahre alten Zeugnisse zeigen biblische Szenen wie Fußwaschung und Abendmahl. Der heilige Petrus soll im Jahr 43 auf seiner Reise nach Rom in Otranto Station gemacht haben.

Fresken San Pietro 11.-13.Jh.
Fresken San Pietro 11.-13.Jh.

Die 1088 geweihte und Mitte des 12.Jh. fertiggestellten normannischen Kathedrale Santa Annunziata ist das nächste Highlight, das wir uns nun in Ruhe anschauen können. Einen kurzen Blick auf den Mosaikfußboden der Kirche haben wir ja bereits erhascht. Der Priestermönch Pantaleone aus einem Kloster südlich von Otranto schuf von 1163-1165 einen biblischen Bilderreigen auf einer Fläche von 800 Quadratmetern aus kleinen bunten Kalksteinchen. Wir wohnen als Zaungäste auch einer Hochzeitszeremonie bei, bei der der Einzug des Hochzeitspaars auf dem fast 900 Jahre alten Fußboden die lange Geschichte der Christenheit greifbar macht.

Hochzeitsmarsch auf historischem Boden
Hochzeitsmarsch auf historischem Boden

In der rechten Seitenkapelle befinden sich die abgeschlagenen Schädel der Märtyrer Otrantos aus dem Jahr 1480. Direkt davor führt uns eine Treppe hinab zur Ende des 11.Jh. fertiggestellten Krypta. 42 freistehende Säulen mit 23 Wandsäulen geben mit ihren Kapitellen einen Querschnitt durch spätantike und frühmittelalterliche Steinmetzkunst. Es sind die Orte an denen man darüber nachdenkt, wo die Menschheit her kommt und wo sie sie sich hin entwickeln wird.

Otranto- In der Krypta unter der Kathedrale Santa Annunziata
Otranto- In der Krypta unter der Kathedrale Santa Annunziata

Wir laufen noch durch ein paar Gassen abseits der vielen Souvenirläden und des Haupttouristenstroms und gelangen in der Via Padre L.Scupoli zum Restaurant „Patronale“. Das kleine Restaurant liegt direkt in der Nähe der Basilika „San Pietro“, die man von hier durch einen Tor-Durchgang sieht. Wir nehmen ein feines Mittagessen ein, verlassen das historische Zentrum der Stadt am Nachmittag und fahren südöstlich von Otranto zur Via Orte bis zu einem Parkplatz, von dem ein Fußweg zum Torre del Serpe führt.

Hafen von Otranto
Hafen von Otranto

Die Ruine des in der Römerzeit erbauten und in friderizianischer Zeit restaurierten Turms steht wie ein hohler Zahn an der Küste. Vom Kastell in Otranto haben wir den Turm der wohl die Funktion eines Leuchtturms hatte bereits gesehen. Um den Turm ranken sich Legenden, in denen eine riesige Schlange nachts das Lampenöl austrank und deswegen von den Einwohnern getötet wurde. Turm und Schlange finden sich daher noch heute im Stadtwappen von Otranto.

Torre del Serpe
Torre del Serpe

 

Dunkle Gewitterwolken ziehen auf und in dem exponierten Gelände entscheiden wir uns zu einem raschen Rückzug. Wir fahren die Küstenstraße weiter Richtung Süden am Leuchtturm von Punta Palascia vorbei. Bei Gewitterstimmung und Regen folgen wir der Küste am Torre Sant’Emiliano vorbei bis Porto Badisco, wo sich auch die nur von Forschern zu begehende Grotta dei Cervi befindet.

Muro Leccese- Reste der messapischen Stadt
Muro Leccese- Reste der messapischen Stadt

Wir kehren um, fahren zurück nach Norden und haben eine Schrecksekunde auf dem regennassen Asphalt. Bei völlig entspannter Fahrweise und moderatem Tempo übersteuert das Auto in einer Kurve derart, dass ich machtlos in die Gegenfahrbahn rutsche. Es ist eindrucksvoll wie nur wenige Regentropfen die blankpolierten süditalienischen Straßen in Rutschbahnen verwandeln.

Fiat 500 "Bambino"
Fiat 500 „Bambino“

Wir fahren westwärts Richtung Maglie nach Muro Leccese. Hier schauen wir uns die frei zugänglichen Reste einer messapischen Ortsbefestigung an, die ab dem 4.Jh.v.Chr. mit einer Länge von 3750 m ein Gebiet von 107 ha umschloss. Im Ort selbst befindet sich eine der ältesten Kirchen der Terra d’Otranto aus byzantinischer Zeit. Es ist das unscheinbare Kirchlein Santa Marina aus dem 9. Jh. mit freigelegten Wandfresken von vor 1087. Im Innern befindet sich der älteste Freskenzyklus um den heiligen Nikolaus von Myra im gesamten Mittelmeerraum. Bei fest verschlossenen Türen bleibt uns dieser Einblick leider verwehrt.

Muro Leccese- Santa Maria
Muro Leccese- Santa Maria

Wir erhoffen uns etwas mehr über die Messapier im archäologischen Museum in Maglie zu erfahren. Auf der Fahrt dorthin werden wir von einem Starkregenguss überrascht, bei dem die Straßen sich rasch in Wasserwege verwandeln. Das Museo Civico öffnet erst um 18:00h- in einer Bar gegenüber verkürzen wir uns die Wartezeit. Besonders interessant sind über 10000 Jahre alten weiblichen Steinfiguren aus der Alt-Steinzeit. Im GPS-Adventure- Mode geht es mit Priorität „kürzeste Strecke“ an Galatina vorbei zurück nach Cellino San Marco.

Maternale Darstellungen aus der Altsteinzeit
Maternale Darstellungen aus der Altsteinzeit

Das mit den Olivenbäumen etwas ganz und gar nicht stimmt war uns bisher noch nicht wirklich bewusst. Die Bäume stehen teilweise wie herbstliche Bäume die ihre Blätter verloren haben auf den Feldern. Viele Bäume wurden gefällt und auf manchen Olivenhainen stehen alte stämmige Bäume an denen sämtliche Äste abgeschnitten wurden. Wir recherchieren dazu im Internet und erfahren hier von der Katastrophe, die die Olivenbäume im Salento bedroht.

Das Werk von Xylella Fastidosa
Das Werk von Xylella Fastidosa

Das Problem ist seit Jahren bekannt und heißt „Xylella Fastidosa“, ein aggressives Bakterium. Es trocknet die teilweise Jahrhunderte alten Bäume durch einen Biofilm im Xylem, dem Leitgewebe der Pflanze aus. Es kann viele andere Zier- und Nutzpflanzen angreifen und war bis zu seiner Entdeckung 2013 nur auf dem amerikanischen Kontinent bekannt. Der Verdacht liegt auf einer Lieferung Oleander aus Mittelamerika. Für die Verbreitung des Bakteriums sorgen Zikaden. Der wirtschaftliche Schaden wurde 2019 bereits auf über 1 Milliarde Euro geschätzt. Das Ganze ist ein echtes Trauerspiel, denn für befallene Bäume gibt es keine Heilung.

Freskenschatz in Santa Caterina d'Alessandria 15.Jh.
Freskenschatz in Santa Caterina d’Alessandria 15.Jh.

Am Donnerstag fahren wir wieder Richtung Süden über Lecce nach Galatina. Im historischen Zentrum finden sich einige herrschaftliche Palazzi. Im 14.-15. Jahrhundert erlebte die Stadt unter der Herrschaft der Orsini del Balzo ihre Blütezeit. Neben einigen barocken Kirchen ist die Ende des 14. Jahrhunderts fertiggestellte Franziskanerkirche ein „Must See“. Hinter der Westfassade in klassisch apulischer Romanik verbirgt sich im Inneren der Kirche der größte Freskenschatz Apuliens aus dem 15. Jahrhundert.

Paradies-Szene
Paradies-Szene

Maria d’Enghien, die Witwe des 1406 verstorbenen Raimondello Orsini del Balzo hat die Ausmalung der Kirche in Auftrag gegeben. Apokalypse, Genesis, das Leben Jesu und der heiligen Katharina von Alexandria sind Szenen dieses Bilderreigens. Auch der benachbarte Kreuzgang des Convento Frati Minori und die Museumsräume des Klosters enthalten barocke Malereien. Neben Exponaten, wie einem geschnitzten Chorgestühl und Reliquien ist die Geschichte um den Fingerknochen der heiligen Katherina von Alexandria und wie dieser den Weg in das Kloster gefunden hat erwähnenswert.

Museum im Franziskanerkonvent
Museum im Franziskanerkonvent

Raimondello Orsini del Balzo selbst hat im Heiligen Land am Berg Zion, am Grab der heiligen Caterina gebetet. Der Franziskaner-Historiker P. Bonaventura da Lama beschreibt die Geschehnisse im 17. Jh. wie folgt: Als sich Raimondello von der Heiligen verabschiedete, „entriss er ihr mit den Zähnen den Finger, der den Ring trug, den Christus ihr geschenkt hatte, als er sich mit ihr vermählte, steckte ihn über das Ohr und bedeckte ihn mit seinen Haaren, damit er nicht gesehen würde“, und nahm ihn mit. Rabiate Reliquienbeschaffung oder doch nur ein Souvenir ?

Enthauptungsszene im Kreuzgang des Franziskanerklosters
Enthauptungsszene im Kreuzgang des Franziskanerklosters

Nach einem Kaffee in einer Bar fahren wir dann mittags an die Westküste nach Gallipoli. Die weiße Altstadt Gallipolis liegt mit seiner Festung auf einer Insel, die nur durch die 1603 errichtete Altstadtbrücke erreichbar ist. Wir erleben eine verzweifelte Parkplatzsuche am Hafen, bei der freigewordene Parkplätze von Personen freigehalten werden bis der ebenfalls suchende befreundete Fahrer telefonisch informiert vor Ort eintrifft. Dieses absurde Verhalten stößt nicht nur bei uns auf wenig Verständnis und Empathie, sondern auch zu heftigem Hupen und aufbrausenden Ansagen.

Gallipoli
Gallipoli

Wir laufen zurück über die Brücke um uns vom Festland einen Überblick über das Castello Angiolino und die Altstadt zu verschaffen. Die mächtige Wehranlage ist nach byzantinischer Zeit zur Zeit der Staufer zur Burg und Anfang des 16. Jahrhunderts zur heutigen Festung umgebaut worden. Zurück auf der Altstadtinsel betreten wir über die Markthalle das Kastell. In der Ausstellung hängen Bilder der jährlichen Prozessionsfeierlichkeiten, in anderen Räumen erfahren wir, wie Gallipoli im 17. und 18. Jahrhundert zum wichtigsten Ölhafen Europas avancierte. Apulisches Olivenöl leuchtete in Europa bis nach St. Petersburg. Die Kuppel des ehemaligen Waffenarsenals im Sala Ottogonale dient als Projektionsfläche für eine gut gemachte 360 Grad Videoinstallation über Gallipoli.

Innenhof Castello Gallipoli
Innenhof Castello Gallipoli

Wir dringen ins Herz der Altstadt vor auf deren höchstem Punkt sich die Catedrale Sant’Agata befindet. Der romanische Dom musste im 17.Jahrhundert der heutigen barocken Kirche weichen. Einen Blick erbitte ich mir in die benachbarte alte Apotheke mit einer Inneneinrichtung aus dem Jahr 1814. Durch die hübschen Altstadtgassen laufen wir an die westliche Seite der Altstadt, wo sich unterhalb der Stadtmauer ein Sandstrand befindet. Wir finden weitere Kirchen verschlossen vor und stolpern am Südende der Altstadt in das Dominikanerkloster, dessen Türe offensteht.

Strand von Gallipoli
Strand von Gallipoli

Das Kloster der ehemaligen Basilianer aus dem Jahr 1517 beherbergt ein kleines Meeresmuseum und unserer engagierter Museums-Guide unternimmt mit uns per Cyber-Brille einen Tauchgang mit Meeresbewohnern, die auf Wunsch zugeschaltet werden können. Der weiße Hai ist dann auch durchaus beeindruckend. Beim Verlassen des Klosters blicken wir nach Süden auf das gleißende Meer hinüber zur Leuchtturminsel Isola Sant’Andrea, auf der sich ein Naturschutzgebiet befindet.

Isola Sant’Andrea
Isola Sant’Andrea

In der Via Carlo Micetto kommt mir am Barber Shop Fernando die Idee mir meine Haare kürzen zu lassen, wofür ich vor unserer Reise keine Zeit mehr gefunden habe. Fernando hat gerade eh nichts zu tun und bittet mich mit den Worten „Si Si- Prego!“ hinein. Ratz- Fatz- schnippelt mir der Figaro die Mähne runter und mit frischer „Friese“ geht’s weiter durch die Gassen 🙂

Gasse in Gallipoli
Gasse in Gallipoli

Am Hafen ziehen dunkle Wolken auf und bei unserer Fahrt entlang der Westküste nach Norden setzen Starkregen- Güsse die Straße ordentlich unter Wasser. In Porto Cesareo finden wir das Ristorante „„Lu Puzzu“, in dem wir vor der Heimfahrt zu Abend essen.

Gewitterstimmung an der Westküste bei Gallipoli
Gewitterstimmung an der Westküste bei Gallipoli

Den Freitag beginnen wir am Pool unserer Anlage und machen uns erst am Nachmittag auf den Weg an die Ostküste. Wir fahren dabei in einem ausladenden nördlichen Bogen südlich von Brindisi im Adventure Mode über die Feldwege eines weiten Agrarlands. Ein futuristischer Kraftwerkskomplex liegt vor der Küste. Es ist das modernste thermoelektrische Kraftwerk Italiens mit dem schönen Namen „Frederico II“. Eine breite eingezäunte Schneise mit Pipeline und Straße zerschneidet die Landschaft vom Ölhafen in Brindisi bis zum Kraftwerk.

Innenraum S.Maria di Cerrate (Außenansicht als Titelbild)
Innenraum S.Maria di Cerrate (Außenansicht als Titelbild)

Unser eigentliches Ziel ist die Abbazia S. Maria di Cerrate östlich von Squinzano. Seit dem 5.Jh. lebten an dem Ort Basilianermönche. Der Grundstein für die romanische Basilika wurde Anfang des 12. Jh. gelegt. Die Kirche war im 12./13. Jahrhundert vollständig ausgemalt. Putzschichten wurden im Laufe der Geschichte aufgetragen und erst bei einer Restaurierung wieder freigelegt.

S.Maria di Cerrate- Fresken 12./13.Jh.
S.Maria di Cerrate- Fresken 12./13.Jh.

Für einen besseren Halt der Putzschicht wurden die alten Fresken mit einem Hammer eingeritzt. Im 15. Jh. entstanden neue Fresken, die mit modernen Methoden der Konservierung wieder abgelöst werden konnten. Diese werden in benachbarten Museumsräumen ausgestellt. An der rechten Seite befindet sich ein durcheinander gewirbeltes Puzzle der alten Fresken, da hier die Steine ohne Rücksicht auf die vorhandenen Bilder neu zusammengesetzt wurden.

Figurenkapitell
Figurenkapitell

Die Säulenloggia mit den filigranen Figuren- Kapitellen wurde wohl ein Jahrhundert später angefügt. Das Kloster wurde 1531 aufgelöst und war danach ein Hospital für unheilbar Kranke. Der benachbarte Brunnen stammt aus dieser Zeit.

Blick in die Säulenloggia
Blick in die Säulenloggia

Wir unternehmen von hier eine Rundwanderung von 7,4 Kilometern durch die Olivenhaine hinter der Küste und kommen dabei auch an der historischen Masseria Monacelli vorbei, hinter der sich ein 4- Sterne Luxus- Ressort verbirgt. Die herrlichen Olvenhaine mit alten Baumbestand finden wir auch hier in einem furchtbaren Zustand vor. Scheinbar hilfesuchend recken die alten Stämme die abgesägten Äste in den Abendhimmel- ein Anblick, der mich durchaus berührt. Wir essen am Abend im „Don Carmelo“ in unserer Tenute.

Sterbende Olivenbäume
Sterbende Olivenbäume

Am Samstagvormittag haben wir uns zu einer Führung durch unsere Ferienlage mit Besichtigung des Weinkellers und des Privatwaldes von Signore Carrisi angemeldet. Die Führung ist in italienischer Sprache und wir verstehen so manches. Bei einer Runde durch den Bosco Curtipitrizzi sehen wir die Pferde, die sich hier frei bewegen können. Offensichtlich an die Besuchsgruppen gewöhnt kommen sie auch neugierig angelaufen.

Keller der Cantina Carrisi
Keller der Cantina Carrisi

Im Weinkeller der Cantina Carrisi lagern in Eichenfässern die guten Tropfen. Primitivo und Negroamaro- Trauben sind die Grundlage für die gefragten Rotweine. Der hochpreisigste Wein in der Enoteca nennt sich „Platone“ und ist ein Verschnitt aus den beiden Trauben. Für zu Hause nehmen wir uns davon ein Fläschchen mit. Draußen vor der Tür ist Herr Carrisi plötzlich aufgetaucht und wird sofort von seinen Gästen belagert. Selfie hier- Selfie da, dann bekommt er auch noch ein Baby in den Arm gedrückt. Al Bano bemüht sich um einen freundlich-gelassenen Gesichtsausdruck. Wir haben ein wenig Mitleid mit dem 78 jährigen.

Al Bano Carrisi
Al Bano Carrisi

Im Salento gibt es ein alljährliches Spektakel um die „Notte della Taranta“ mit verschiedenen Schauplätzen im Salento. Das große Abschlusskonzert mit nationalen und internationalen Musikern findet in Melpignano statt. Diese Großveranstaltung wird in diesem Jahr von Al Bano Carrisi moderiert.

Mauerkatze
Mauerkatze

Die Heilung des Tarantismus, also von den Symptomen eines Tarantel- Bisses durch Musik ist tief verwurzelt im Volksglauben in der Region in Süditalien und unterliegt dabei heidnischen, christlichen und historischen Überlieferungen. Betroffen von dieser Erkrankung waren vor allem Landarbeiterinnen zur Zeit der Weizenernte. Wissenschaftlich betrachtet passen die beschriebenen Symptome nicht wirklich zum Tarantel-Biss, der zwar schmerzhaft aber an sich harmlos ist. Ein wesentlich kleineres Spinnentier ist die Mittelmeer- Schwarze Witwe, deren schmerzloser Biss mit Injektion eines Neurotoxins das Auftreten von Hysterie, Halluzinationen und Krämpfen als typischen Symptomen eher erklären könnte.

Mythos Tarantismus
Mythos Tarantismus

Wenn ein Tarantato, also ein mutmaßlich von einer Tarantel Gebissener die typischen Symptome aufwies gingen Spieler von Tamburin, Geige, Akkordeon, Mundharmonika etc. zum Tarantato- Haus und begannen die Rhythmen der „Pizzica“ oder der „Tarantella“ zu spielen. Einem Exorzismusritual ähnlich führte der Tarantato dazu stundenlange ekstatische Tänze bis zur Erschöpfung auf. Wissenschaftlich betrachtet könnte dadurch das Gift schneller eliminiert werden- Heilung durch Musik.

Kiefernwald des Parco naturale regionale Porto Selvaggio
Kiefernwald des Parco naturale regionale Porto Selvaggio

Noch einmal möchten wir am Nachmittag eine Wanderung unternehmen, die wir in etwas abgeänderter Form aus unserem Wanderführer übernehmen. Der Rundkurs mit 6,3 Kilometern liegt an der Westküste, am Golf von Tarent bei S.Caterina. Die Runde führt uns durch den Kiefernwald des Parco naturale regionale Porto Selvaggio. Mit Blick auf den Torre dell’Alto gelangen wir an die Felsküste, der wir auf einem mehr oder weniger gut erkennbaren Pfad nach Norden folgen. Für ein Naturschutzgebiet liegt in den Dünen unglaublich viel Plastikmüll rum. Badegäste können sich mit einem Elektro-Shuttle durch den Wald an die Küste bringen lassen. Hinter dem Torre dell’Alto können wir den Küstenverlauf nach Süden bis Gallipoli verfolgen.

Küste am Torre dell'Alto
Küste am Torre dell’Alto

Es ist ein schöner Weg in der warmen, aber nicht zu heißen Nachmittagssonne. Nach Norden können wir bald den Torre Oluzzu erkennen, der das Ziel unserer Küstenwanderung nach Norden markiert. Der Weg wird mehr und mehr zu einem Felsenweg und führt uns an der verschlossenen Grotta del Cavallo vorbei, in der ein Gerüst in die Tiefe führt. An den Klippen schauen wir den Klippenspringern zu, die sich mutig aus den Felswänden ins Wasser stürzen. Auch wir brauchen für den Abschluss unserer Tour etwas Mut, denn eine Klettereinlage mit Tiefblick führt uns über die Felsen hinauf in den Kiefernwald am Torre Oluzzu, durch den wir im letzten Sonnenlicht zurück zum Parkplatz laufen. Im nahen Galatone essen wir im einfachen Ristorante „Arte et Cucina“

Küstenwanderung
Küstenwanderung

Am Sonntag stehen nach einem Bad im Pool die Zeichen auf Regen. Wir entschließen uns noch einmal nach Otranto zu fahren. Ich hatte es beim letzten Besuch versäumt mir die Seitenkapelle mit den Schädeln der Märtyrer genauer anzuschauen. Noch einmal fahren wir von hier ein Stück die Ostküste hinauf nach Rocca Vecchia. Südlich des Orts befindet sich auf einer Halbinsel die Area di Archeologica di Rocca Vecchia. Auf dem Gelände wurden die Reste einer Siedlungsgeschichte gefunden, die bis in die Bronzezeit im 14.-13. Jh. v. Chr. zurückreicht. Auch die Reste einer Messapischen Siedlung aus dem 4.-3.Jh.v.Chr. und einer mittelalterlichen Burg wurden hier freigelegt.

Fundgrube der Archäologie- Rocca Vecchia
Fundgrube der Archäologie- Rocca Vecchia

Im Felsplateau oberhalb der Küste befindet sich ein Loch das in die darunter liegende Grotta della Poesia führt. Für den Zugang zur eingezäunten und verschlossenen Grotte benötigen wir zwar ein Ticket, der Blick hinein bleibt uns leider verwehrt. Immerhin befinden sich im Innern prähistorische Inschriften. Überall ist die Felsküste unterspült und in einen Felsenpool springen Schwimmer von den Klippen.

Naturpool bei Rocca Vecchia
Naturpool bei Rocca Vecchia

Wir essen am Abend noch einmal im „Don Carmelo“ und beim Versuch schnell das „Check In“ für den Rückflug zu tätigen stockt mir kurz der Atem, denn unser Rückflug wurde kurzerhand storniert. „Annulated“- steht da auf dem Display des Smartphones. Das Essen wird darüber zur abgekürzten Notwendigkeit und ich hänge mich für 2 Stunden in die Warteschleife der Lufthansa um dann mit hässlichen Störgeräuschen und nachfolgendem Dauerton aus der Leitung zu fliegen. Es folgen weitere 2 Stunden monotoner immer unerträglich werdender Warte- Musik bis sich die Stimme des gleichen Lufthanseaten meldet wie beim ersten Versuch. Auf mein Flehen mich bitte zurückzurufen falls die Leitung wieder einstürzt antwortet er gelassen. „Das darf ich nicht und das kann ich auch nicht“.

Eingang unseres Apartements
Eingang unseres Apartements

Ich höre das Klackern von Computertasten im Off und bete um die Leitung. Totmüde und erleichtert erhalten wir um 1:30h die Mail mit der Ersatzverbindung, die uns wie geplant am Dienstag, aber mit Zwischenstopp in München planmäßig nach Hause bringen wird.

Feigen-Snack
Feigen-Snack

Den Montag beginnen wir nach dem gestrigen Nachtdienst etwas angezählt. Wir genießen noch einmal den Pool und unsere Ferienanlage. Auf dem Gelände leben einige Katzen und direkt vor unserer Wohnung beobachten wir in einer Höhle unter den Wurzeln eines Olivenbaums eine Katzenmutter mit ihrem 3-köpfigen Nachwuchs. Wir pflücken noch einmal dicke saftige Feigen vom Baum und packen schon mal für die morgige Abreise unsere Sachen zusammen. Durch die Buchungsänderung müssen wir am Dienstag bereits mittags am Flughafen in Bari sein.

Kleine Kunstwerke im "Casamatta"
Kleine Kunstwerke im „Casamatta“

Für unseren letzten Abend haben wir eine Tischreservierung in einem besonderen Ristorante in Manduria vorgenommen. Auf dem Gelände des Vinilia Wine Resort befindet sich das mit 1 Stern ausgezeichnete „Casamatta“. Das Team um Chefkoch Pietro Penna verwendet hauptsächlich regionale Zutaten. Das Degustationsmenü besteht aus kleinen Kunstwerken, die unsere Gaumen sehr erfreuen. Schön ist auch hier der offene Blick in die „Werkstatt“ in der mit Hingabe an den Köstlichkeiten gearbeitet wird. Das burgähnliche Gebäude war der Sommersitz einer Adelsfamilie. Der Innenraum des Restaurants besticht mit schlichter Eleganz. Interessant ist die Deckenbeleuchtung, die aus den traditionellen „Luminarie“ Apuliens besteht.

Pietro Penna mit seinem Küchenteam
Pietro Penna mit seinem Küchenteam

Am Dienstag gehen wir alles ganz entspannt an und fahren sogar noch Umwege, weil wir denken wir hätten alle Zeit der Welt um rechtzeitig den Flughafen in Bari zu erreichen. Wir machen noch Fotostopps, unter anderem um noch ein paar schöne Bilder von der erhöht im Hinterland liegenden weißen Stadt Ostuni zu machen.

Ostuni
Ostuni

Wir pokern hoch, denn als Doro die aktuelle Verkehrslage um Bari checkt verliert sich unsere Entspannung schnell. Boarding 13:35h- Abflug 14:05h- verdammte Axt !!- wir haben knapp 12:00h als wir vor Bari die Autobahn verlassen, da die Echtzeit- Staumeldung auf dem Highway einen Verkehrskollaps prophezeit. Dorothee dirigiert uns über Triggiano südlich um Bari herum und obwohl sich alle Ampeln gegen uns verschworen zu haben scheinen rollen wir um 12:44h auf den Parkplatz des Autovermieters. Alles passt letztlich perfekt und wir erreichen das Gate kurz vor dem Boarding- es hätte aber nichts mehr dazwischen kommen dürfen.

Leaving Puglia- Gargano, Vieste und Lago di Varano
Leaving Puglia- Gargano, Vieste und Lago di Varano

Der ursprünglich über die Lufthansa gebuchte und letztlich annullierte Eurowings Flug wurde auf einen Flug mit einer Embrair 195 der Air-Dolomiti umgebucht. Wir fliegen entlang der kroatischen Küste nach München und werden nach kurzem Zwischenstopp mit einem Airbus A-319 der Lufthansa zurück nach Düsseldorf gebracht.

Das Salento ist eine Reise wert!
Das Salento ist eine Reise wert!

 

Arnd Korbmacher

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