Natursteig Sieg 2022-2024 Teil1

2022 Natursteig Sieg

Im März 2022 beginnen wir mit unseren Freunden Moni & Bernhard ein neues gemeinsames Projekt, den Natursteig Sieg. Der Weg führt uns in 115 Kilometern von Siegburg entlang der Sieg nach Windeck-Au. Die Sieg entspringt im Jägerhain in Walpersdorf im Rothaargebirge auf ca. 603 Metern Höhe, ganz in der Nähe des Lahnkopfs, wo auch Eder und Lahn ihren Ursprung haben. Mit einem Höhenunterschied von 558 Metern durchfließt die Sieg das Siegerland, das Mittelsieg-Bergland und mündet in der Kölner Bucht in der Köln-Bonner Rheinaue in den Rhein. Der Natursteig Sieg tangiert auch das Bergische Land und verläuft auf seinen ersten Etappen teilweise parallel zum Bergischen Weg.

Krokusse Mitte März
Krokusse Mitte März

Das Jahr 2022 hat einen fast schneelosen Winter bereits hinter sich gelassen, als wir es endlich schaffen das bereits verschobene Projekt Natursteig-Sieg endlich anzugehen. Corona bleibt nun im 3.Jahr in Folge Thema unseres Alltags. Gerade im Moment müssen in den Kliniken Patientenbetten herunter gefahren werden, da viele Mitarbeiter in Pflege und ärztlichem Dienst Quarantänefristen einhalten müssen. Die Kölner Uniklinik vermeldet nach der gerade zu Ende gegangenen jecken Zeit einen Anfall von über 700 infizierten Beschäftigten. In anderen Bereichen sieht es ähnlich aus und die „Never Ending Story“ um Schulen und Kindergärten kann man nur noch mit kompletter Verwirrung zur Kenntnis nehmen.

Zitronenfalter
Zitronenfalter

Wir haben 2 Jahre lang unser gesamtes berufliches und privates Zusammenleben auf dieses Thema abgestimmt und sind darüber nicht depressiv geworden. Die „Daily News“ dieser Tage könnten es aber schaffen den letzten Glauben an unsere Zivilisation zu verlieren. Der russische Präsident Putin, den ich während der „Trump-Show“ der letzten Jahre fast als besonnenen Staatslenker empfunden habe straft uns nun mit einem Vernichtungskrieg auf die Ukraine Lügen. Europa stellt sich mit Wirtschaftsanktionen und Waffenlieferungen gegen dieses Vorgehen und wir beobachten eine eisige Zeitenwende mit schwer zu reparierenden Schäden auf diplomatischer Ebene. Sogar der Einsatz des ABC-Waffenalphabets ist wieder Teil der Drohgebärden und würde das Schicksal der Menschheit auf diesem Planeten besiegeln.

Hönscheid- Nette Geste am Wegesrand - Lichtblick in einer bedrohlichen Zeit
Hönscheid- Nette Geste am Wegesrand – Lichtblick in einer bedrohlichen Zeit

Die heutige Wanderung hilft uns dabei den Kopf frei zu bekommen und wir treffen uns mit unseren Freunden bei Müschmühle nördlich von Hennef an einer Schule an der L478. In etwa auf der Hälfte der ersten 2 Etappen des Natursteigs Sieg können wir hier ein Auto parken und haben so an beiden Tagen eine Wegstrecke um die 14 Kilometer zu gehen. Es ist an diesem Wochenende ein Höhenprofil von 890 Metern im Aufstieg und 791 Höhenmetern im Abstieg zu absolvieren.

Siegburg-Abtei Michaelsberg
Siegburg-Abtei Michaelsberg

Am Rande von Siegburg beginnt die erste Etappe des Natursteigs Sieg. Der Wetterbericht gestattet uns das Regenzeug im Auto zu lassen und dafür die Sonnenbrille zu putzen. Leider lässt der Baumbestand auf dem ersten Stück unseres Wegs nur einen verdeckten Blick auf die altehrwürdige Abtei Michaelsberg zu. Die Abtei des Benediktinerordens bestand von 1064 bis 1803 und wurde nach der Säkularisation und Nutzung als „Irrenanstalt“ seit 1914 wieder von niederländischen Benediktinern besiedelt. Bereits um 800 gab es eine Burg der Ezzonen, der Grafen vom Auelgau.

Weide mit Wegkreuz
Weide mit Wegkreuz

Nach Unterquerung der A3 geht es über freies Feld mit einer Allee an einem Bildstock am Haus zur Mühlen vorbei. Der Bildstock erinnert an einen Mord im Mittelalter. Die mysteriöse Geschichte handelt von „Johänneken“, einem Jungen aus Troisdorf, der auf seinem Schulweg zur Klosterschule der Minoriten in Seligenthal im Jahr 1287 ermordet wurde. Es gab weder Beweise noch Hinweise auf einen Täter und trotzdem wurden die Sündenböcke schnell gefunden. Mit der Legende eines Ritualmordes nebst dem Vorwurf der Verhöhnung Christi wurden 16 Juden in Siegburg, darunter alle Kinder einer Familie Opfer mutmaßlicher mittelalterlicher „Fake News“. Der Chronist Isaak Samuel von Meiningen hat die Geschehnisse dieser blutigen Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung vom 4.September 1287 für die Nachwelt erhalten.

Es geschah am hellichten Tag- Der Mord an Johänneken vor 735 Jahren
Es geschah am hellichten Tag- Der Mord an Johänneken vor 735 Jahren

An Krokussen am Wegesrand entlang tauchen wir in den Wald ein und haben eine Begegnung mit einem Reh. Wir umrunden die Ortschaft Kaldauen und erreichen im Kaldauer Wald den ersten Gipfel mit 169 Metern. Hier oben blicken wir auf eine riesige Rodungsfläche von 4 Hektar, an der eine Tafel mit dem Versprechen „Hier entsteht ein Zukunftswald“ die Neubepflanzung mit 6000 Traubeneichen und 6000 Weißtannen ankündigt. Wir drücken die Daumen für dieses Projekt, es entgeht uns allerdings nicht, dass eigentlich alle Baumarten Schäden aufweisen. Überall in NRW sind die Wälder in einem gruseligen Zustand, mit einem massiven Sterben aller Fichtenbestände.

Bekanntes Terrain auf den ersten Etappen- Gemeinsamer Wegverlauf mit dem Bergischen Weg
Bekanntes Terrain auf den ersten Etappen- Gemeinsamer Wegverlauf mit dem Bergischen Weg

Was sind das eigentlich für Wege, die uns durch unsere Wälder führen? Viele der Wege haben sich aus Trampelpfaden etabliert, die bis zum Ende des 12.Jahrhunderts als Verkehrswege zwischen den Orten dienten. Orientierung gaben Wegkreuze, markante Bäume, Kirchtürme und andere Landmarken. Erst im späten Mittelalter etablierten sich sichere Verkehrswege auf den Höhenlagen. Die Verlagerung der Verkehrswege in die Täler war erst durch Trockenlegung der sumpfigen Uferauen möglich. Vor dem Abstieg zum Kloster Seligenthal haben wir noch einen Fernblick auf die Wahnbachtalsperre, die wir auf dem Bergischen Weg passiert haben.

Seligenthal- Ehemaliges Franziskanerkloster
Seligenthal- Ehemaliges Franziskanerkloster

In der Villa Waldesruh lassen wir uns die Möglichkeit von Kaffee und Kuchen nicht entgehen. Der von der Wahnbachtalsperre kommende Wahnbach hat bei den Hochwassern des letzten Jahres auch hier für Überschwemmung gesorgt. Das im September 2019 eröffnete Hotel hat neben Corona auch diese Widrigkeit überstanden. Mit dem weiteren Weg erreichen wir bekanntes Terrain, denn der Natursteig Sieg trifft nun auf den Bergischen Weg. Im Januar 2019 sind wir daher am ehemaligen Franziskanerkloster in Seligenthal bereits vorbei gekommen. Die Quelle am Wegesrand, das Johannesbrünnchen machte das Kloster wegen seiner Heilkräfte zur Pilgerstätte und brachte den Mönchen einen Quell an Gläubigen.

Steilanstieg hinter Seligenthal
Steilanstieg hinter Seligenthal

Nach einem knackigen Aufstieg öffnet sich der Blick über die Sieg zurück zum Michaelsberg in Siegburg. Die Siedlungsgeschichte der Fluss- und Kulturlandschaft geht mit den ersten Ackerbauern und Viehzüchtern wahrscheinlich bis auf 5000 v.Chr. zurück. Ein Gräberfeld mit Keramikfunden belegt die landwirtschaftliche Bestellung von 1000-400 v.Chr. rund um Geistingen. Der erste Beleg einer Besiedlung im Raum Hennef ist auf das Jahr 885 datiert. Der fränkische König Ludwig III. machte mit der Urkunde einem Abt Heinrich Grundbesitz zum Geschenk. In sonnigen Hanglagen wurde Wein angebaut, was Anfang des 20.Jahrhunderts aufgegeben wurde. Die Weinberge verwilderten und wichen Streuobstwiesen als neuer Einnahmequelle.

Blick über die Sieg nach Westen mit Abtei Michaelsberg
Blick über die Sieg nach Westen mit Abtei Michaelsberg

Obwohl das Frühlingserblühen noch aussteht schwärmen bereits die ersten Bienen von ihren Stöcken aus. Nach einem weiteren Aufstieg erreichen wir den höchsten Punkt unserer heutigen Tagesetappe am Mühlenberg mit 192m, über dessen Hochebene wir den letzten Abstieg zu unserem geparkten Auto an der Schule in Müschmühle nehmen. Den Abend und die Nacht verbringen wir in unserem Hotel im historischen Ortskern von Stadt Blankenberg, dessen Burganlage erstmals im Jahr 1181 erwähnt wurde. Immerhin trägt der Inschriftbalken unseres Fachwerk-Hotels die Inschrift 1735, erbaut von den Eheleuten Bey. Die Gaststätte versorgt hungrige Wanderer bereits seit Beginn des 20.Jahrhunderts. Mit Dorothee habe ich 2019 auf dem Bergischen Weg auch hier logiert.

Auf dem Mühlenberg-Plateau
Auf dem Mühlenberg-Plateau

Wir lassen es uns am Abend mit unseren Freunden gut gehen in der Gaststube und schlafen gut in unseren Kammern mit den knarzenden, schiefen Böden. Vieles ist noch aus der Erbauungszeit erhalten, wie die schweren Eichentüren mit den eisernen Beschlägen. Beim Frühstück am Morgen lassen wir uns Zeit bis wir wieder mit einem Auto zur Schule in Müschmühle zurückkehren. Auf einem Zettel bitten wir ein weiteres Mal um Nachsicht für die Nutzung des leeren Schulparkplatzes als Wanderparkplatz.

Hotel Sonnenschein-Stadt Blankenberg
Hotel Sonnenschein-Stadt Blankenberg

Seit Hennef sind wir nun auf der 2. Etappe des Natursteigs Sieg unterwegs und geraten bald an ein Hinweisschild mit einer Wegsperrung durch einen Hangrutsch am Flussufer der Bröl. Wir ignorieren die vorgeschlagene Umleitung und passieren bald die bereits freigeräumte Stelle problemlos. Der eigentliche Hindernis-Parcours folgt mit ein paar umgefallenen Bäumen.

Müschmühle-Sonntagmorgen an der Bröl
Müschmühle-Sonntagmorgen an der Bröl

Bei Müschmühle mündet die Bröl in die Sieg am westlichen Ende des Nutscheids, dem Höhenzug, dem wir an seinem nordöstlichen Ende in Waldbröl auf dem Bergischen Panoramasteig bereits begegnet sind. Der Nutscheid ist die Wasserscheide zwischen Bröl und Sieg und führte einst eine bedeutende Handelsstraße auf seinem Rücken. Der Verkehrsweg war die wichtigste Handelsverbindung des südlichen Bergischen Landes vom 12. bis zum Anfang des 18.Jahrhunderts. Seit 500 v.Chr. von den Kelten und später von den Römern wurden über diesen Weg bereits Eisenerze aus dem Siegerland in die Rheinebene gebracht. Im Mittelalter wurden Höhensperren als Schutz gegen Feinde und gegen Umfahren angelegt, denn an Schlagbäumen ließen die Grafen Zölle eintreiben.

Der bereits geräumte Hangrutsch
Der bereits geräumte Hangrutsch

Wir steigen durch sonnigen Wald auf bis auf 220 Meter Höhe am Oberhalberg, wo wir vom höchsten Punkt der 2.Etappe einen Fernblick auf das Siebengebirge haben. Immer noch laufen wir parallel mit dem Bergischen Weg. Noch sind die Bäume und Sträucher kahl, die Knospen an den Zweigen verheißen ein baldiges „Frühlingserwachen“.

Bewährtes Team auf dem Nutscheid
Bewährtes Team auf dem Nutscheid

Nach dem Abstieg nach Oberhalbach folgt ein sofortiger Aufstieg nach Hönscheid. Von hier wendet sich der Weg nach Süden zum 210m hohen Stachelberg, dessen Südhang steil zur Sieg abfällt. Mit einem Tiefblick auf Bülgenauel inmitten einer Siegschleife können wir im gleißenden Gegenlicht vor der Kulisse des Siebengebirges auch die Türme unseres Tagesziels Stadt Blankenberg erkennen.

Take Off am Stachelberg
Take Off am Stachelberg

Wir schauen eine Weile respektvoll den Paraglidern zu, die am hiesigen Startplatz zu ihren Höhenflügen abheben. Mein Freund Frank hat dieses Thema für sich neu entdeckt und hat mich motiviert mal mit einem Basiskurs in das Thema Gleitschirmfliegen reinzuschnuppern. Anfang Juni ist es so weit…- ich bin sehr gespannt!

Die Sieg unter der Burganlage von Stadt Blankenberg
Die Sieg unter der Burganlage von Stadt Blankenberg

Der Abstieg entlang der westlichen Rim-Kante führt uns steil hinab an die Ufer-Auen. Nach Überquerung der Sieg folgt ein letzter Aufstieg zur Burganlage von Stadt Blankenberg. Unsere Freunde bringen uns noch zu unserem Auto und in entspanntem Tempo fahren wir nach Hause. Wir erleben derzeit einen Allzeit-Höchststand der Treibstoffpreise (Benzin- 2,30€/L und Diesel- 2,36€/L).

Sheriff von Stadt Blankenberg
Sheriff von Stadt Blankenberg

Wir blicken bereits auf zwei Drittel des Jahres 2022 zurück, als wir es mit unseren Freunden Moni und Bernhard endlich wieder schaffen uns unserem gemeinsamen Projekt zu widmen. Es ist das erste Oktoberwochenende, an dem der anhängende „Tag der deutschen Einheit“ die Möglichkeit für drei Wandertage bietet. Der Wetterbericht ist allerdings eher ernüchternd und vor allem am Samstag alles andere als einladend für Outdoor-Aktivitäten.

Besucherbergwerk Grube Silberhardt
Besucherbergwerk Grube Silberhardt

Um die deutsche Einheit ist es bei den derzeitigen Entwicklungen mit absehbarer Rezession und laufender Inflation nicht gut bestellt. In unseren östlichen Landesteilen ziehen wieder mehr unzufriedene Bürger zum Protest auf die Straße. Die destabilisierenden Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt bereiten große Sorge. Auch Corona ist nicht vom Tisch, die Herbstwelle läuft an und siehe da – die Oktoberfestivitäten sorgen nicht nur in München zur Füllung der Krankenhausbetten. Auch mich erwischt es ein paar Tage später nach Patientenkontakt.

Glück Auf!-Der Steiger kommt
Glück Auf!-Der Steiger kommt

Wir reisen gemeinsam mit einem Auto ins Windecker-Land und suchen hier in Windeck-Öttershagen die Erzgrube Silberhardt auf. Bei dem gruseligen Wetter ist die interessante Exkursion in die Grube mit einer 800 jährigen Bergbaugeschichte eine sinnvolle Alternative. Silber und Erze wurden hier seit dem Mittelalter abgebaut.

Historische Bergmanns-Lampe- Der Frosch
Historische Bergmanns-Lampe- Der Frosch

Wir kommen in den Genuss einer fachkundigen Führung durch Heino Vest. Er hat zwar nicht als Bergmann gearbeitet, kann uns aber als Metallurge eine Menge über die Gesteine und die Grube erzählen. Mit Herzblut führt er uns durch das kleine aber feine Museum, in dem die Kopie des Annaberger Bergaltars (1512) die beschwerliche Arbeit in einem mittelalterlichen Silber-Bergwerk bis zur Münzprägung bildlich darstellt. Das Silber musste vom Blei getrennt werden, denn Blei ist ein Edelmetallfänger- erfahren wir von Herrn Vest.

Unter Tage auf Silberhardt
Unter Tage auf Silberhardt

Durch das Stollenloch begehen wir die oberste Sohle etwa 270 Meter weit in den Berg. Einige Sohlen liegen unter uns, unter dem Grundwasserspiegel. Entlang der Sieg erstreckt sich das Siegerländer Erzrevier, in dem neben der Grube Silberhardt eine ganze Reihe von Bergbaubetrieben ansässig waren. Heino Vest nimmt sich viel Zeit und schließt für uns am Ende der Führung noch eine Tür auf, hinter der sich die umfangreiche Mineraliensammlung der Grube verbirgt. Selbst als Kinder des Ruhrgebiets konnten wir hier unser Bild über den Bergbau ein Stück erweitern.

Kinder des Ruhrgebiets und des Bergischen Lands
Kinder des Ruhrgebiets und des Bergischen Lands

Der Westerwald bietet nur ein überschaubares Angebot an Hotels und aus verschiedenen Gründen haben wir in einem Hotel in Wissen eingeloggt. Im Frühjahr sind wir ja die ersten beiden Etappen des Natursteigs Sieg gegangen. Jetzt wohnen wir viel weiter östlich in Wissen, direkt an der 10.Etappe, die rund um Wissen verläuft. Wir beschließen daher kurzerhand diese Etappe zu gehen und die Lücke mit den Etappen 3-9 später zu schließen.

Doppel-Regenbogen auf der Fahrt nach Wissen
Doppel-Regenbogen auf der Fahrt nach Wissen

Das Hotel befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei „Germania“. Die lange Brautradition endete an diesem Standort mit dem Abriss des Sudhauses im Jahr 2015. Wir beziehen unser Zimmer und haben noch etwas Zeit das benachbarte Schloss Schönstein zu besuchen, das hier an der Sieg erstmals im Jahr 1255 erwähnt wurde. Das in Privatbesitz befindliche Schloss ist bis heute bewohnt. Entlang der Sieg laufen wir zurück zum Hotel, wo wir zusammen einen schönen Abend im gemütlichen Restaurant mit seiner rustikalen Brauhausküche verbringen.

Schloss Schönstein an der Sieg
Schloss Schönstein an der Sieg

Schon in der Nacht hat es ordentlich geregnet und der Blick nach draußen am Sonntagmorgen weckt die „Wanderlust“ noch nicht so ganz. Das Studium des Wetterberichts beim Frühstück macht zumindest Hoffnung, dass es nicht ganz so gruselig wird, wie zuletzt prophezeit. Entlang der Sieg passieren wir die Mündung des Wisserbachs, dem seinerseits 100 Meter vorher der Brölbach zufließt. Der Wisserbach entspringt südlich von Friesenhagen und bietet ideale Laichbedingungen, u.a. für den neu eingebürgerten Lachs.

Landschaft nördlich der Sieg
Landschaft nördlich der Sieg

Der erste Aufstieg bringt uns auf die Höhen nördlich der Sieg. Eine Gedenktafel erinnert an einen Bombenangriff am 8. März 1945 auf den Hof Holschbach. 4 Geschwister, alle um die zwanzig Jahre alt und eine hier verweilende Familie mit Sohn aus Bonn verloren dabei ihr Leben.

Pilze am Weg
Pilze am Weg

Das Himmelsgrau bleibt gnädig mit uns- es bleibt trocken von oben und am feuchten Waldboden finden sich gute Bedingungen für Pilze. Nach Querung des Wisserbachs an der L278 bringt uns der Weg noch einmal hinauf auf knapp 300 Höhenmeter. Für eine Weile bricht die Sonne durch die Wolken und scheint uns wohlig ins Gesicht. Wir queren ein weiteres Bach-Tal mit dem Lauberbach, einem weiteren Zufluss des Wisserbachs.

Ein paar Sonnenstrahlen auf der Höhe
Ein paar Sonnenstrahlen auf der Höhe

Mit dem letzten Aufstieg erreichen wir nach 15 Kilometern die Ortschaft Birken-Honigsessen. Der seltsame Name hat seinen Ursprung aus den historischen Bezeichnungen „Hone“ (Honnschaft) und „Sessen“ im Sinne von Niederlassung. Das Dorf entwickelte sich 1505 aus einem Lehnsgut. Beschäftigung fanden viele im Bergbau, wie in den örtlichen Gruben Eisenhardt und Geyersecke. Leider ist uns der Bus vor der Nase weggefahren und wir müssen ein Taxi bemühen, um uns zurück zum Hotel zu bringen.

Rustikale Brauhaus- Küche im "Germania"
Rustikale Brauhaus- Küche im „Germania“

Ausreichend müde gehen wir zeitig schlafen und obwohl das Hotel recht zentral am Bahnhof liegt könnte es eine ruhige Nacht sein, wenn automobile Narzissten es nicht darauf anlegen würden das zu ändern. Mehrfach werde ich wach- nein nicht wegen der Eisenbahn, die man auch hören kann. Es ist das Ärgernis von röhrenden Motor-Trompeten, die sich jeder „Spacken“ mehr oder weniger legal an seine Rostlaube dengeln darf um damit Mensch und Tier zu terrorisieren. Kreischende Reifen reißen mich aus dem Schlaf- es ist nur ein Irrer, der mitten in der Nacht den Kreisverkehr abdriftet 🙁

Autoikone- Cadillac Fleedwood 1959
Autoikone- Cadillac Fleedwood 1959

Am Montag lassen wir uns Zeit beim Frühstück, da der Bus nach Birken-Honigsessen erst um 10:15h vom Bahnhof los fährt. Der Feiertag beginnt ebenfalls bedeckt und wir laufen durch den am Morgen noch menschenleeren Ort. Vor einer großen Garage steht eine US-amerikanische Autoikone aus der Zeit der großen „Schlitten“, in der der Spritverbrauch von Autos noch keine Rolle spielte. Es ist ein schwarzer 1959er Cadillac Fleetwood.

Spinne wartet auf Beute
Spinne wartet auf Beute

Durch feuchten Wald geht es bergab bis zur Überquerung der K77. In den Wiesen haben Spinnen ihre Netze gesponnen und warten darunter geduldig auf Beute. Pilze zeigen sich überall am Waldboden. Wir gewinnen wieder an Höhe und gelangen an den Weiler Nochen. Von den reifen Äpfeln an den hiesigen Apfelbäumen, die offensichtlich nicht geerntet werden nehmen wir uns alle ein paar mit. Auch heute blinzelt die Sonne nur kurz durch die Wolken. Der nächste Abstieg bringt uns an die Bundesstraße K72 und an den Brölbach.

Wiese mit Äpfeln
Wiese mit Äpfeln

Am Zusammenfluss von Wipperbach und Brölbach erinnert ein Gedenkkreuz an den Knappenweg, über den die hiesigen Bergleute über hundert Jahre lang zur 1836 gegründeten Grube „Vereinigung“ nach Katzwinkel gelaufen sind. Entlang des Brölbachs laufen wir über die ehemalige Trasse der Grubenbahn, die über 9 Kilometer das Erz zur Verhüttung nach Wissen brachte. Teilweise mit Gefälle und bergauf mit dem Einsatz von Pferden wurde die bereits 1766 gegründete „Alte Hütte“ beliefert. Nach 1890 kamen Dampfloks zum Einsatz. Nichts erinnert heute noch an die Schwerindustrie in dem idyllischen Tal, auf dessen Auen Kühe und Schafe weiden.

Felseinschnitt für die ehemalige Grubenbahn im Brölbach-Tal
Felseinschnitt für die ehemalige Grubenbahn im Brölbach-Tal

Nach der Einmündung des Kölzener Bachs stärken wir uns auf einer Bank für den letzten gut 200 Höhenmeter- Aufstieg, der uns am Kucksberg (287m) vorbei führt. Eine Tafel erinnert an die gigantischen Waldschäden des Orkans „Kyrill“ vom 18.01.2007, der hier im Kreis Altenkirchen besonders stark gewütet hat. In Deutschland fielen 32,2 Mio. Kubikmeter Holz dem Sturm zum Opfer. Ein Drittel der Schäden entstanden allein in Sieger- und Sauerland.

Aufstieg am Kucksberg
Aufstieg am Kucksberg

Nach Süden steigen wir hinab nach Wissen und passieren im Wald das Naturdenkmal der „Drei Buchen“. An den besonders großen Bäumen, die die Zeiten gut überstanden haben finden sich viele Einritzungen im Stamm. Wir erreichen wenig später Reste des ehemaligen Zwangsarbeiter- Lagers, in dem von 1940-1945 Kriegsgefangene unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert waren. Die erhaltene Toilettenanlage des Lagers gibt einen Eindruck dazu. In den Bäumen finden sich Ritzungen mit kyrillischen Buchstaben nebst Hammer und Sichel, die ein sowjetischer Zwangsarbeiter hinterlassen hat. Ob er wohl wieder nach Hause gekommen ist?

Am Naturdenkmal "Drei Buchen"
Am Naturdenkmal „Drei Buchen“

Mit 28,9 Kilometern hat uns die vorweggenommene 10. Etappe mit einem Auf- und ab von 640 Höhenmetern rund um Wissen geführt. Wir erreichen die Sieg am Schloss Schönstein und ein paar Sonnenstrahlen begleiten uns noch zurück zu unserem Auto am Hotel in Wissen.

Traktor-Ausfahrt bei Süchterscheid
Traktor-Ausfahrt bei Süchterscheid

In der zweiten Novemberhälfte wollen wir nun wieder chronologisch an Stadt Blankenberg anschließen und die dritte und vierte Etappe mit einem Stück der fünften Etappe fortsetzen. Aber es bleibt kompliziert- das Vorhaben in Blankenberg zu parken müssen wir leider verwerfen, da in der hübschen Altstadt ein Mittelalter-Fest stattfindet und alle Zufahrten gesperrt sind. Der Plan wäre gewesen am Ende der 3. Etappe in Merten mit dem Zug nach Stadt Blankenberg zurückzufahren.

Markanter Baum mit Wegzeichen
Markanter Baum mit Wegzeichen

Wir fahren etwas entnervt von dem Rummel um das Fest nach Süchterscheid, einem Dorf etwa auf der Hälfte der dritten Etappe und parken an einem Hofladen, wo wir gerne etwas für zu Hause mitnehmen. Unter anderem kaufen wir Nüsse von der 2022er Ernte eines großen Walnussbaums direkt vor der Tür.

Mit Moni und Bernhard auf dem Natursteig Sieg
Mit Moni und Bernhard auf dem Natursteig Sieg

Dorothee hat nach ihrem Covid-Infekt immer noch Probleme Schritt zu halten und trifft nach ein paar Kilometern die Entscheidung zum Auto zurückzukehren, um uns am Ende der dritten Etappe in Merten mit dem Auto einzusammeln. Danach bringt sie uns nach Stadt Blankenberg, damit ich mit Moni und Bernhard die dritte Etappe komplett machen kann. Insgesamt sind es dann auf der dritten Etappe knapp 15 Kilometer Strecke mit 281 Metern Aufstieg.

Überquerung der Sieg in Merten
Überquerung der Sieg in Merten

Kühles Novemberwetter begleitet uns auf unserem Weg nach Merten. Über den matschigen Waldboden machen wir gut Strecke und erreichen in Merten die Brücke über die Sieg. Hoch über der Sieg befindet sich das Schloss Merten, in dem heute ein Alten- und Seniorenheim untergebracht ist. Dorothee erwartet uns hier bereits.

Merten- Basilika St.Agnes
Merten- Basilika St.Agnes

Bis zur Säkularisierung im Jahr 1803 war die Anlage ein Augustinerinnen-Kloster, dessen Gründung auf das Jahr 1160 zurückgeht. Stifter waren die Grafen zu Sayn, die als Herren der Burg Blankenberg einige Kloster im Siegtal gründeten. Mitten im heutigen Schloss-Gelände steht die romanische Basilika St. Agnes, die wir leider verschlossen vorfinden. Mit dem Erwerb einer Reliquie der Hl. Agnes von Rom hatte Merten lange den Status eines wichtigen Wallfahrtsorts inne.

Stadt Blankenberg- Blick auf Auel und in das Siegtal
Stadt Blankenberg- Blick auf Auel und in das Siegtal

Von hier bringt Dorothee uns mit dem Auto nach Stadt Blankenberg, von wo nun noch der Lückenschluss nach Süchterscheid ansteht. Ich gehe mit Moni und Bernhard diesen Teil in der Gehrichtung West-Ost und Doro fährt wieder nach Süchterscheid, um uns von dort entgegen zu kommen. Bernhard möchte vor dem Abmarsch gerne noch Kaffee trinken und so kehren wir in der Gaststätte „Zum alten Turm“ in der Blankenberger Altstadt ein. Der Gastraum ist schon weihnachtlich mit einem Tannenbaum dekoriert.

Mittelaltermarkt- Stadt Blankenberg
Mittelaltermarkt- Stadt Blankenberg

Auch auf einen kurzen Rundgang über den Mittelalter- Markt lassen wir uns noch ein, bevor wir auf dem Natursteig Sieg wieder Fahrt aufnehmen. Wir verlassen Stadt Blankenberg entlang der südlichen Stadtmauer und tauchen wieder ein in den Novemberwald, in dem die Bäume einen Großteil ihres Blattwerks bereits abgeworfen haben. Irgendwann auf den verbleibenden 8 Kilometern treffen wir auf Doro, mit der wir dann gemeinsam zum Auto am Hofladen in Süchterscheid laufen.

Unterwegs im November-Wald
Unterwegs im November-Wald

Etwas südlich der Sieg, bereits in Rheinland-Pfalz in Asbach-Löhe haben wir unser Nachtquartier festgemacht. Der Gasthof „Zum Alten Fritz“ wurde nach dem Opa benannt, der die Gaststätte in 60er Jahren gegründet hat. Wir beziehen unser Zimmer und freuen uns auf unser Abendessen. Wir werden hier am Abend nicht enttäuscht. Das Ehepaar Beate und Rainer Rüth sind beide gestandene Köche und das lassen sie Ihre Gäste auch schmecken. Wir sind sehr zufrieden uns den „Alten Fritz“ ausgesucht zu haben und lassen uns am Morgen viel Zeit beim Frühstück.

Asbach-Löhe- "Zum Alten Fritz"
Asbach-Löhe- „Zum Alten Fritz“

Dorothee möchte auch am Sonntag für sich Tempo rausnehmen und bringt mich und unsere Freunde nach Merten zum Start auf die 4.Etappe. Sie selbst parkt das Auto auf einem Waldparkplatz am Anfang der 5.Etappe bei Wilbertzhohn nördlich der Sieg bei Eitorf um uns von dort langsam entgegenzulaufen. Heute sind es 13,7 Kilometer, die immerhin über 456 auf- und 294 abgestiegene Höhenmeter führen.
Auch heute geht es feucht-kalt ohne Sonnenschein durch Novemberwald über die Höhen nördlich der Sieg.

Über dem Sieg-Tal
Über dem Sieg-Tal

Das Mengbachtal führt uns in einem nördlich ausladenden Bogen von der Sieg weg um uns dann am Gegenhang wieder Richtung Eitorf zurückzubringen. Einige Pilze gibt es am Wegesrand zu bestaunen. Hinter der Eitorfer-Hütte öffnet sich der Blick kurz auf Eitorf im Sieg-Tal. Nach dieser Annäherung an die Sieg wendet sich unser Natursteig wieder nordöstlich ab Richtung Bohlscheid.

Pilze und Käfer
Pilze und Käfer

Vor Bohlscheid sind wir auf Dorothee getroffen, mit der wir nun das letzte Stück zum Auto zusammengehen. Der Weg führt durch den Begräbniswald Eitorf, einem Wald in dem lediglich Plaketten an den Bäumen an die hiesigen Urnengräber erinnern. Mit 737 Höhenmetern Anstieg und 28,5 gelaufenen Kilometern Strecke in den Beinen fahren wir zeitig heim.

Naturdenkmal Eiche
Naturdenkmal Eiche

Das letzte Januarwochenende des noch jungen Jahres 2023 lockt uns wieder an die Sieg. Das Wetter passt und die Temperaturen liegen leicht unter dem Gefrierpunkt. Es hat kürzlich etwas Schnee gegeben, von dem nur noch Reste übrig geblieben sind. Das Thema Corona verliert immer mehr an Bedeutung, dafür hält der Ukraine-Krieg die Welt weiterhin in Atem. Die Nato- Staaten haben sich nun für die Lieferung schwerer Waffen entschieden. Deutschland schickt modernste Leopard- Kampfpanzer und sofort ertönen die ersten Rufe nach Kampfjets.

Corona-Denkmal
Corona-Denkmal

Skurril erscheint mir bei der ganzen Sache vor allem, dass lediglich 2 Parteien dieses Vorgehen nicht befürworten und jetzt- Achtung Satire!- Gerade die Partei, deren ideologische Vorfahren die Armee für den Vormarsch bis Moskau direkt mitgeliefert hätte, äußert Ängste vor einer Eskalation der Lage– die Partei, die neben Umweltfragen auch Abrüstung und Pazifismus als Kerngeschäft deklariert hat stellt nun die Experten für schwere Kriegswaffen- ja die Welt ist sehr kompliziert!!

Natursteig Sieg 2023
Natursteig Sieg 2023

Wir treffen uns am Samstagvormittag mit unseren Freunden Moni und Bernhard an einem Parkplatz in Herchen. Wir sind recht früh da und kaufen so noch etwas im Hofladen auf einem Apfelhof bei Herchen ein. Von unserem Treffpunkt aus fahren wir mit einem Auto zum Startpunkt an den Waldparkplatz am Begräbniswald Eitorf, wo wir den Natursteig Sieg fortführen. Über die Höhen verlangen uns mehrere Talabstiege ein sportliches Höhenprofil von 371 auf- und 504 abgestiegenen Höhenmetern ab. Dabei beschreibt die Wegführung der 5.Etappe einen nördlichen Bogen um Oberrieferath herum und endet dann in südlicher Richtung in der Ortschaft Herchen an der Sieg.

Winter an der Sieg
Winter an der Sieg

Seit Anfang Dezember haben wir unsere Lungen beim Wandern nicht mehr so richtig durchgeblasen, dafür aber über die Festtage etwas Winterspeck zugelegt. Das rächt sich sofort beim ersten Aufstieg, den wir uns mit angestrengten Beinen und schwerer Atmung hochkämpfen. Wir sind froh, dass wir endlich wieder zusammen unterwegs sind und passieren bald im Wald die Hubertus Kapelle von 1924.

Restschnee im Winterwald
Restschnee im Winterwald

Die Temperaturen liegen am Gefrierpunkt und wir sehen heute das seltene Phänomen von Haareis-Bildung auf Totholz. Diese auch als Eiswolle bezeichneten Gebilde kommen bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt auf nassem Totholz vor. Ein winteraktiver Pilz drückt mit seinen stoffwechselbedingten Ausgasungen Wasser aus dem Holz, das dann in wachsenden Fäden zu Eis erstarrt. Eine hohe Luftfeuchte ist ebenfalls Voraussetzung für diese spezielle Erscheinungsform von Eis.

Haareis Degustation
Haareis Degustation

Ein etwas morscher Unterstand im Kaltbachtal bietet sich mit seinen windgeschützten Bänken für eine Rast mit Tee und Broten an. Der nun in Südrichtung verlaufende Weg entlang des Kaltbachs führt uns durch erhebliche Kahlschläge von Fichtenwald wieder langsam auf Höhe. Der Borkenkäfer hat auch hier an der Sieg ganze Arbeit geleistet. An der zerfressenen Innenseite der abgeschälten Baumrinde zeigt sich die Ursache für das Baumsterben. Der Schädling zerstört die Rindenschicht, in der die Lebensadern des Baumes verlaufen.

Bachquerung vor dem nächsten Aufstieg
Bachquerung vor dem nächsten Aufstieg

Oberhalb von Röcklingen blicken wir auf einen Mäander der Sieg hinab. Auf einen Abstieg folgt ein steiler Aufstieg über den Dehlenbachweg, über eine Anhöhe zu dem Apfelhof, an dem wir morgens eingekauft haben. Bald öffnet sich der Blick auf die ersten Häuser von Herchen vor dem Siegtal und wir erreichen den Parkplatz mit unserem Auto.

Geburtshaus des F.W.Raiffeisen
Geburtshaus des F.W.Raiffeisen

Wir haben leider kein Zimmer mehr im Hotel „Zum Alten Fritz“ in Asbach-Löhe bekommen, wo wir im November genächtigt haben. Wir sind nach einiger Recherche auf die „Alte Vogtei“ in Hamm an der Sieg aufmerksam geworden und werden hier auch herzlich willkommen geheißen. Die Wirtsleute Daniela und Markus Wortelkamp betreiben hier ein Romantik Hotel, in dem uns die Kochkünste von Markus Wortelkamp neugierig gemacht haben. In den Fluren und im Gastraum befinden sich viele Accessoires aus vergangenen Jahrhunderten. Auch in unserem Zimmer trifft Tradition auf moderne Ausstattung.

Der Gastraum der alten Vogtei
Der Gastraum der alten Vogtei

Das 1753 erbaute Haus hat Geschichte geschrieben, hier wurde 1818 Friedrich Wilhelm Raiffeisen als eines von 9 Kindern geboren. Selbst in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen gilt er als Begründer landwirtschaftlicher Genossenschaften, die den Bauern Vorteile bei Einkauf und Handel verschaffen. Getreu der Devise „Einer für alle, alle für einen“ bieten diese Genossenschaften unbemittelten Landwirten Hilfen an, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist mit der Ernte. So haben sich viele der Landwirtschaft nahestehende Unternehmen und Banken den Namen des berühmten Sozialreformers auf ihre Fahne geschrieben.

Romantik Menü
Romantik Menü

Die „Alte Vogtei“ ist eine Perle im Siegerland und wir verbringen einen wunderbaren Abend im Gastraum mit einem Romantik-Menu, das bei mir keine Wünsche offen lässt. Die Weinbegleitung lässt mich ruhig und selig schlafen. Wir fühlen uns sehr wohl in unserem Quartier und wir frühstücken uns am Morgen noch einmal durch das reichhaltige Angebot am Buffet. Wieder parken wir ein Auto am Ende unserer heutigen Wanderung, an der Landstraße L312 zwischen Werfen und Leuscheid im Talgrund des hohen Siefen. Für diesen ersten Teil der 6.Etappe werden wir heute 15,2 Kilometer mit 542 Höhenmetern im Auf- und 433 Metern im Abstieg marschieren. Der Weg führt uns zunächst oberhalb der nach Westen ausladenden Siegschleife in Herchen zum Bahnhof von Herchen.

Nazi-Spielstätte "Thingplatz" Herchen
Nazi-Spielstätte „Thingplatz“ Herchen

An einem Friedhof mit den typischen Steinkreuzen eines Soldatenfriedhofs vorbei gelangen wir an ein Gebäude aus Bruchstein, das wir zunächst für eine Burg halten. Es ist aber kein Bergfried einer mittelalterlichen Burg, sondern ein Ehrenmal am Thingplatz von Herchen. Ein Thing ist eigentlich so etwas wie ein altgermanischer Gerichtsplatz. Eine Tafel klärt uns auf, hier war ein Versammlungsort an dem Theaterstücke aufgeführt wurden- Nationalsozialistisches Kasperletheater um Kampf, Heldentum und Heldentod, vermischt mit altgermanischen Traditionen als Teil der Propagandamaschine der Nationalsozialisten. Die Inschrift im Inneren der Rotunde sagt alles aus über diese Form der Gehirnwäsche, die an vielen Orten in Deutschland so betrieben wurde:

„Geboren als Deutscher- Gelebt als Kämpfer- Gefallen als Held- Auferstanden als Volk“

Hoch über der Sieg bei Herchen
Hoch über der Sieg bei Herchen

Der Natursteig Sieg verläuft im Weiteren recht anspruchsvoll oberhalb der Sieg um den von der Siegschleife umschlossenen Teil von Herchen herum. Haareis finden wir auch heute reichlich auf dem herumliegenden Totholz. An einem Startplatz für Gleitschirme vorbei erreichen wir kurz die Rim-Kante des Sieg-Canyons mit angrenzenden Feldern und Apfelbäumen, unter denen die Äpfel des letzten Herbstes in der Wiese verfaulen.

Viel Totholz im Mikado-Wald
Viel Totholz im Mikado-Wald

Wieder geht es auf schmalen Hangpfaden durch den Winterwald, in dem wir auch beeindruckende Sturmschäden passieren. Eine wunderbare Aussicht bietet sich uns von der Düsseldorfer Hütte, einem Pavillon mit Ausblick. Mitte des 19.Jahrhunderts entstanden hier Bilder von Künstlern des Düsseldorfer Künstlervereins „Düsseldorfer Malkasten“. Die Hütte, von rheinischen Malern erbaut lockte viele Besucher an.

Blick von der Düsseldorfer Hütte auf die Siegschleife bei Herchen
Blick von der Düsseldorfer Hütte auf die Siegschleife bei Herchen

Im weiteren Verlauf des Höhenpfades rund um Herchen bieten sich immer wieder Ausblicke auf den Ort und auf den von Norden her gegangenen Teil des Weges. Mittlerweile kommt auch etwas Sonnenschein durch den verhangenen Himmel, der mir endlich Farben und Kontraste auf meine Bilder legt. Bei Stromberg überqueren wir die Sieg, auf der ein Schwanenpaar vorbeizieht.

Die Sieg in Stromberg
Die Sieg in Stromberg

Nun erwartet uns ein langer Aufstieg, der uns an der Sieg von 100 Höhenmetern auf über 330 Höhenmeter südöstlich der Siegschleife von Stromberg hinaufführt. Es öffnet sich ein weiter Tiefblick in das Siegtal nach Westen über Eitorf hinweg. In den Wäldern am Leuscheid befinden sich prähistorische Ringwall-Anlagen, an denen Bernhard und ich im angeregten Gespräch achtlos vorbeimarschieren. Unbemerkt gehen wir hier wohl mit unseren Frauen getrennte Wege und bemerken das erst ganz oben auf der Anhöhe. Mit moderner Technik können wir uns allerdings gegenseitig orten und finden dann auch bald wieder zusammen.

Am Leuscheid - Hoch über Eitorf
Am Leuscheid – Hoch über Eitorf

Es folgt nun noch der Abstieg in nördlicher Richtung an die L312 wo wir ein Auto abgestellt haben. Das Tageslicht verliert sich bereits als wir die letzten Meter durch die matschigen Wiesen des Igelsbachs zurücklegen. In einem weiten Bogen wird uns der Natursteig Sieg wieder in nördlicher Richtung zurück nach Herchen führen um sich von dort dem Lauf der Sieg nach Osten wieder anzuschließen. Das an diesem Wochenende zurückgelegte Wegstück hat uns gut gefallen.

Natursteig Sieg-Team 2023
Natursteig Sieg-Team 2023

Ende März treffen wir uns mit Moni und Bernhard am Bodelschwingh- Gymnasium in Herchen. Hier stellen wir ein Auto am Ende unserer heutigen Wanderung auf dem leeren Parkplatz ab und bitten mit einem Zettel auf dem Armaturenbrett um Verständnis, hier am Wochenende zu parken. Unser Weg knüpft heute mit knapp 10 Kilometern Wegstrecke am letzten Endpunkt an der L312 an und komplettiert die östlich um die Sieg verlaufende Schleife, um Werfen herum nach Herchen.

Pläster-Wetter am Samstag auf dem Natursteig Sieg
Pläster-Wetter am Samstag auf dem Natursteig Sieg

Für den Samstag ist seit Tagen Dauerregen angekündigt und so laufen wir heute durchgehend mit Regenzeug. Auf dem pampigen Untergrund haben wir unsere Hosen bald bis an die Hüften mit Schlamm besprenkelt. Der erste Anstieg von etwa 90 Höhenmetern bringt uns auf den Studchen 312m. Genusswandern ist das heute nicht. Der Frühling hat an den Bäumen bereits Knospen und Kätzchen sprießen lassen, die Temperaturen gehen nachts allerdings noch in den tiefen einstelligen Bereich.

Sturmschäden am Weg
Sturmschäden am Weg

Unser heutiger Pausenplatz ist ein Pavillon an einer Quelle. Es ist eine besondere Quelle, der wunderwirkende, heilende Kräfte nachgesagt werden. Eine Legende aus dem 13. Jahrhundert beschreibt das Wunder, das sich hier zugetragen haben soll. Der gefürchtete Raubritter Guntram von Grenz von der nahen Festung Grenz bei Dierdorf ließ wegen eines niederen Wildfrevels einen Köhler blenden, worauf auch Mathilde, die Tochter des Ritters das Augenlicht verlor. Die Mutter starb aus Kummer darüber, der Vater in einer Schlacht. Auf der Flucht vor den feindlichen Besatzern in das Kloster in Herchen kam Mathilde an die hiesige Quelle. Mathilde benetzte ihre Augen mit dem Wasser und konnte wieder sehen. Die Äbtissin ließ die Quelle mit Steinen einfassen und ein Kreuz errichten.

Baumpilz am Weg
Baumpilz am Weg

Soweit, so gut- wir sind froh einigermaßen trocken von oben unsere Mittagspause zu verrichten. Verwundert verfolgen wir die Anreise mehrerer Autos über den Waldweg oberhalb der Quelle. Schon bald erfahren wir den Grund der Aktion, bei der nun einige Leute Flaschenkästen und große Kanister hinunter zur Quelle tragen. Die aus Köln angereisten Leute beginnen mit dem Abfüllen von Wasser aus der Quelle im großen Stil und ich stelle mir die Frage, ob das Wasser in Köln wohl knapp geworden ist. Möglicherweise werden in Köln nun aber viele Wunder geschehen 🙂

Regenwurm-Wohlfühlwetter
Regenwurm-Wohlfühlwetter

Wir überlassen den Wasserträgern das Feld und machen uns wieder auf den feuchten Weg. Mit 230 auf- und 308 abgestiegenen Höhenmetern erreichen wir das Ende der 6. Etappe in Herchen. Unser Übernachtungsquartier ist diesmal wieder der Gasthof „Zum alten Fritz“, in dem wir zuletzt im November Quartier bezogen haben. Raus aus den klammen Klamotten, eine heiße Dusche und ein Nickerchen vor dem Abendessen lassen das feuchtkalte Wetter vergessen. Auch diesmal freuen wir uns auf ein feines Abendessen bei Ehepaar Rüth.

Zum Alten Fritz
Zum Alten Fritz

Am Sonntag lassen draußen die Niederschläge langsam nach und wir uns Zeit beim reichhaltigen Frühstücksbuffet. Wir verlassen den „Alten Fritz“ mit letzten Regentropfen und ich entscheide mich heute gegen Regen-Rüstung. Ab Mittag wird uns sogar Sonne prophezeit- mal sehen. Ich gehe heute die volle Etappe von 14,4 Kilometern mit einem anspruchsvollen Höhenprofil von 490 Höhenmetern, die sich aus mehreren knackigen Anstiegen ergeben mit Moni und Bernhard. Dorothee fühlt sich noch nicht wieder fit nach einem Magen-Darm Infekt am Ende unserer Nepal-Reise vor 2 Wochen.

Rehe am Morgen
Rehe am Morgen

Doro bringt unser Auto nach Dreisel, dem heutigen Tagesziel auf der 7.Etappe des Natursteigs Sieg. Von hier geht sie einen Rundkurs, der sie an den letzten Aufstieg unseres Teilstücks führt, von dem wir gemeinsam das letzte Stück nach Dreisel laufen. Ich laufe mit Moni und Bernhard von der Schule in Herchen los. Die Sieg hat Hochwasser und ist über die Ufer getreten. Nach einem ersten Aufstieg begegnen wir einer Gruppe Rehe. Auf über 190 Meter geht es dann hinauf auf eine Anhöhe über der Sieg, an die sich ein steiler Abstieg hinab ans Flussufer anschließt.

Sieg-Hochwasser
Sieg-Hochwasser

Ein Stück geht es entlang der gefluteten Uferauen, bevor sich der Weg erneut steil bergauf auf über 200 Höhenmeter aufschwingt. An einem Pavillon ist der Blick frei auf Windeck mit dem Siegtaldom, der mit seiner Doppelturmfassade im neoromanischen Stil um 1880 erbaut wurde. Mit dem nächsten Abstieg um etwa 100 Höhenmeter entlässt uns der Weg in die Steilhänge oberhalb der Sieg.

Blick auf Windeck mit dem Siegtal-Dom
Blick auf Windeck mit dem Siegtal-Dom

Ein Schild teilt uns mit „ Besonders gefährlicher Waldweg“, die Sperrung des Weges ist nicht eindeutig genug deklariert. Ein Jogger kommt uns entgegen und bestätigt uns die Begehbarkeit des fraglich gesperrten Terrains. Es ist ein ausgesetzter, matschiger Pfad im Steilhang, der durchaus Trittsicherheit einfordert. Immer wieder gilt es umgestürzte Bäume zu über- oder unterklettern, die sich quer über den Weg gelegt haben. In einer Waldschneise hat ein Sturm ein wahres Mikado-Feld mit abgestorbenen Fichten verursacht. Auch am anderen Ende der Steilhang-Traverse liegt ein umgestürztes Schild, an dem eine Sperrung auch nicht klar ersichtlich ist.

Auf schmalem Pfad
Auf schmalem Pfad

Wir erreichen noch einmal die überfluteten Uferauen der Sieg, bevor sich der Weg heute zum letzten Mal auf eine Anhöhe von über 270 Höhenmetern aufschwingt. Obwohl nur 14 Kilometer, so mühsam erscheint mir heute dieser lange Aufstieg zu einem Sendemast an einem Wasserreservoir, wo Dorothee auf einer Bank auf uns wartet. Wir trinken etwas und machen uns dann gemeinsam an den Abstieg nach Dreisel. Wir erreichen den westlichen Teil der Ortschaft, werden aber nun noch in einem großen Bogen durch das idyllische Naturschutzgebiet der ehemaligen Siegschleife bei Dreisel geführt. Es ist zwar trocken geblieben, die Sonne hat sich aber doch sehr rar gemacht. So kommt an einer Scheune ein blühender Kirschbaum nicht voll zur Geltung. Uns begegnen auch die ersten Osterlämmer, die tollkühn mit Freudensprüngen über die Wiese turnen.

Osterlämmer
Osterlämmer

Ein Schild erläutert das fragile Ökosystem in den Wiesen der ehemaligen Siegschleife am Beispiel des hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. Der vom Aussterben bedrohte Schmetterling kommt in NRW nur hier vor und benötigt gleich mehrere Voraussetzungen zum Überleben. Ein wechselfeuchtes, blütenreiches Grünland mit dem Vorkommen des Wiesenknopfes, sowie Knotenameisen, die ihre Nester in ungedüngten Wiesen anlegen. Die Falterweibchen legen ihre Eier in der Blüte des Wiesenknofes ab, an denen die geschlüpften Raupen fressen. Diese fallen im Spätsommer von der Blüte und werden von den Ameisen ins Nest getragen. Die Raupen geben einen ameisenähnlichen Duft ab und sezernieren eine zuckerhaltige Flüssigkeit über eine Rückendrüse. Unbehelligt von den Ameisen bedient sich die Raupe bis zu ihrer Verpuppung an Ameiseneiern und –larven. Dies ist nur ein Beispiel für das Zusammenhängen unzähliger Faktoren für die vielen bedrohten Tier- und Pflanzenarten, hier und überall in Europa und auf der Welt.

Doro und Moni mit Kirschblüte
Doro und Moni mit Kirschblüte

Bevor wir in Dreisel am Parkplatz an der Sieg ankommen verabschieden uns noch ein paar nette Ponys. Anfang Mai haben wir unser nächstes Wochenend- Abenteuer an der Sieg eingeplant.

Arnd Korbmacher

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