Eine persönliche Zeitreise von 1978- 2019
Direkt im Anschluss an unsere diesjährige Woche im Trentino verbringen wir unsere zweite Urlaubswoche Anfang September in Berlin. Es ist der Wunsch meiner Mutter, mit der wir in jedem Jahr für eine Woche unterwegs sind diesmal unsere Hauptstadt zusammen zu bereisen. Auch unsere Tochter Anne kommt Mitte der Woche mit dem Zug nach und gesellt sich zu unseren Streifzügen durch Deutschlands Regierungs- Metropole.
Während ich diesen Reisebericht schreibe wird mir klar, das der Mauerfall sich in ein paar Tagen am 9. November zum 30 mal jährt. Vor 41 Jahren war ich zum ersten Mal in Berlin. Auf meinen ersten Fotos von Berlin im Jahr 1978 war ich zarte 15 Jahre alt und im Rahmen einer Jugendreise des Essener Weigle- Hauses in Ost- und Westberlin unterwegs.
Ich habe noch verblasste Erinnerungen an die geteilte Stadt, deren Westteil 40 Jahre lang als Insel im Arbeiter- und Bauernstaat der DDR nur über Transitstrecken zu erreichen war. Nach dem Fall der Mauer im Herbst 1989 wurde Berlin im Jahr 1990 gesamtdeutsche Hauptstadt mit Sitz der Bundesregierung.
Ich erinnere mich an die schikanierenden Grenzkontrollen vor 41 Jahren sowohl beim Grenzübertritt an der innerdeutschen Staatsgrenze in Marienborn, als auch bei der Einreise in den Ostteil der Stadt am Bahnhof Friedrichstraße mit seinem Tränenpalast. Oft habe ich mir die Frage gestellt, welche Seite am Antifaschistischen Schutzwall vor wessen Faschismus geschützt werden muss. Der Tränenpalast ist heute ein Museum mit großzügiger Verglasung, die zu DDR- Zeiten wohl verdunkelt war, wie mir eine Museumsangestellte bei unserem jetzigen Besuch berichtet. Auch die Grenzstation Marienborn wurde als eindrucksvolles Museum erhalten.
In meinen unscharfen Erinnerungen habe ich einen dunklen, stickigen Raum mit vielen Menschen vor Augen- Bei der Passkontrolle durch einen augenscheinlich völlig humorlosen Grenzpolizisten befürchtete ich eigentlich nur noch die sofortige Inhaftierung – psychologische Abschreckung für was ? Als freiheitlich- demokratisch erzogener junger Mensch war dieser erste Besuch im Ostteil der geteilten Stadt ein Kulturschock der besonderen Art und spiegelte die insgesamt beklemmende Situation des kalten Krieges zwischen Ost und West wieder.
Ich erinnere mich auch an Sigmund Jähn, der im gleichen Jahr als erster Deutscher das Weltall bereiste und so als Nationalheld der DDR auf Plakaten gefeiert wurde. Im Alter von 82 Jahren stirbt er kurz nach unserem diesjährigen Besuch. Wir sind damals am Alexanderplatz mit dem Aufzug in das Drehrestaurant des Funkturms hinaufgefahren. Mit den 10 Ostmark aus dem Zwangsumtausch gönnten wir uns ein Mittagessen. Ich erinnere mich, das von zahlreichen Gerichten in der Karte nur wenige verfügbar waren. An der alten Wache unter den Linden gab es eine Wachablösung der NVA- Soldaten, deren markigen Stechschritt ich noch vor Augen habe.
Auf der Museumsinsel haben wir uns im Pergamonmuseum den berühmten Pergamonaltar (2.Jh. v. Chr.) angesehen. Gewohnt haben wir damals in einer Kirchengemeinde im märkischen Viertel, einer Satellitenstadt im Norden Berlins im Bezirk Reinickendorf. Es gab auch eine geschichtliche Führung durch den zerschossenen Reichstag, damals noch ein Museum.
Ich habe Berlin bis zu unserem jetzigen Aufenthalt weitere 7 Mal besucht. 1982 war der zweite Besuch mit DDR- Transit. Kurz vor dem Abitur hatte ich die Gelegenheit mit einem Schulfreund eine Woche in Charlottenburg in West- Berlin zu wohnen. Bei unseren Erkundungszügen durch die West- Berliner Stadtteile sind wir auch immer wieder auf die Mauer gestoßen, die seit 1961 Berliner von Berlinern getrennt hat.
Die Mauer um Berlin war 160 Kilometer lang, mit einem Todesstreifen aus Minenfeldern, Wachtürmen, Scharfschützen mit Schießbefehl und Selbstschussanlagen. Entgegen der offiziellen Darstellung des „Antifaschistischen Schutzwalls“ ging es darum die Republikflucht in den Westen zu verhindern. Viele haben es versucht, manche haben es auch geschafft mit teilweise filmreifen Aktionen. Mindestens 140 Menschen wurden erschossen, manchmal unmittelbar vor dem Erreichen sicheren Territoriums.
Am 09. November 1989 fiel die Mauer nach 28 Jahren und somit nach 41 Jahren auch die sozialistische Diktatur der DDR. Mit ihrer verquasten Ideologie eines „Arbeiter- und Bauernstaats“ wurde die betagte Staatsführung vom Freiheitsdrang der eigenen Bevölkerung förmlich überrannt. Ich habe diesen Tag und die damaligen Fernsehbilder noch vor Augen- hier machte sich lange angestauter Freiheitsdrang Luft. Einsicht in das volle Ausmaß der perfiden Methoden des SED- Regimes erhielt die Öffentlichkeit nach Öffnung des Stasi- Akten- Archivs.
Zwei Jahre nach dem Mauerfall fuhren wir 1991 mit Freund Arnd und unseren Freunden Uwe und Antje nach Berlin. Uwe und Antje haben wir über unseren Klettersport kennengelernt. Die Beiden sind Ostberliner und haben den real existierenden Sozialismus zwangsläufig kennengelernt. Sie haben Ende Oktober 89 „rüber gemacht“, kurz bevor die Mauer fiel. Es ist eine spektakuläre Geschichte über eine als Kletterreise in die Karpaten nach Rumänien getarnte Tour, die mit unzähligen Unwägbarkeiten die Flucht über die deutsche Botschaft in Ungarn in den Westen möglich machte.
Nach ein paar Stunden im Übergangslager Weiden in der Oberpfalz begann für Uwe und Antje ihr neues Leben im Westen. Nur der Vater war eingeweiht und konnte als Rentner die Ausbildungsunterlagen nach Westberlin schmuggeln. Die Gespräche mit Uwe über seine Jugend in der DDR brachten uns Einblicke in das Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Auf die Frage wie weit sein Denken von der Staatsdoktrin beeinflusst war sagte er mir mal: „Wir wussten immer wann wir Rotlicht einschalten mussten“
An diesem Wochenende zeigten uns Uwe und Antje auch ihre damalige Wohnung in Ostberlin, nicht weit vom Alexanderplatz entfernt. Wir wohnten bei Uwes Eltern nordöstlich von Berlin in Biesenthal, wo sie sich außerhalb von Berlin neben ihrer Plattenbauwohnung in der Stadt eine grüne Oase geschaffen haben. Uwe zeigte uns auch wehmütig seinen Trabi, der in der Garage auf dem Grundstück seiner Eltern stand.
Auf meinen alten Bildern hat der Reichstag noch keine Kuppel und die Quadriga auf dem Brandenburger Tor ist zu Restaurierungsarbeiten demontiert. Der Palast der Republik steht noch an der Stelle, an dem derzeit das Berliner Stadtschloss seinen Wiederaufbau erfährt.
Ein Essen im Ostberliner Roten Rathaus zwischen Nicolaiviertel und Alexanderplatz war in sofern ein Erlebnis, dass Service und Freundlichkeit den Erwartungen der freien Marktwirtschaft noch nicht gerecht wurden- will sagen die Bedienung war einfach nur pampig und unfreundlich.
Im September 1996 wohnte ich fußläufig zum Virchow- Campus der Charité Berlin um dort einen mehrtägigen Kurs für meine anstehende Facharztprüfung zu besuchen. Es war die Zeit in der in Berlin Mitte gebaut wurde was das Zeug hält und Krananlagen das Stadtbild dominierten. Zum Richtfest an der Großbaustelle Potsdamer Patz im Jahr 1998 dirigierte der Star- Dirigent Daniel Barenboim 19 Baukräne zu Beethovens Ode „An die Freude“.
Im Mai 2009 verbrachte ich mit Dorothee und Anne ein verlängertes Wochenende in Berlin. Unser Quartier bezogen wir dabei im Westen der Stadt, in der Jugendherberge am Wannsee. Mit dem U- und S- Bahn- Netz kommt man in Berlin wunderbar ohne Parkplatzstress rasch an jeden Ort in der Stadt.
Seit 1990 ist Berlin ja wieder die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und mit dem Hauptstadtbeschluss im Jahr 1991 wurde auch der Umzug des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin beschlossen.
In der Zwischenzeit wurden gigantische Bauprojekte wie das Regierungsviertel, der Berliner Hauptbahnhof und der Potsdamer Platz in Angriff genommen. Kurz vor der Jahrtausendwende erhielt der Reichstag seine markante Kuppel des Architekten Sir Norman Foster. Neben den aktuellen beeindruckenden Entwicklungen im Zentrum Berlins besuchten wir zusammen auch einige historische Sehenswürdigkeiten der Stadt. 2009 wurde der Berliner Hauptbahnhof nach 11 Jahren Bauzeit als Prestigeobjekt der Deutschen Bahn fertiggestellt. In 5 Ebenen treffen hier die Gleise der Fern- und Regionalbahnen mit dem S- und U- Bahnsystem der Stadt zusammen. Ein gigantischer und allemal beeindruckender Glaspalast.
Stationen bei diesem Aufenthalt waren Check- Point Charly, das Sony- Center am Potsdamer- Platz, das Naturkundemuseum, Regierungsviertel mit Holocaust- Mahnmal, der Tiergarten mit der Siegessäule, Alexanderplatz und Hackesche Höfe, Ku’damm mit Gedächtniskirche, Story of Berlin Museum und der Berliner Dom. Das am Kudamm- Karree gelegene Story of Berlin Museum bietet Einblick in eine Atombunker- Anlage der Stadt, die im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage des bis 1974 errichteten Gebäudekomplexes eingerichtet wurde. 3592 Menschen sollten hier unter martialischen Bedingungen einen Atomangriff überstehen- ein gruseliges Erbe des kalten Kriegs. Auf der Heimreise besuchten wir noch das Schloss Sanssouci in Potsdam.
2 Wochen später Ende Mai 2009 war ich wieder für eine Weiterbildung in der ehrwürdigen Charité in Berlin. Diesmal wohnte ich direkt in Berlin Mitte in der Nähe der Oranienburger Straße und dem Bahnhof Friedrichstraße. Die Veranstaltung fand in der anatomischen Fakultät der Charité statt. Im Foyer des Waldeyer-Hauses im historischen Gebäudekomplex der Charité befindet sich auch heute noch ein öffentlich zugänglicher Teil der anatomischen Sammlung.
Bei der Besichtigung der Exponate mit einigen Kollegen gesellte sich ein emeritierter Professor der Fakultät zu uns. Er konnte uns viel berichten über die Ausstellungsstücke, die teilweise noch aus der Gründungsphase der Anatomie in Berlin stammen. Auch das Skelett einer der legendären „Langen Kerls“ aus der Leibgarde König Friedrich Wilhelms I. (1688-1740) steht in einer der Vitrinen. Das Gerippe ist eines der ersten Exponate der 1710 durch Friedrich I. gegründeten Klinik, deren französischer Name soviel bedeutet wie „Barmherzigkeit“. 223 cm beträgt die Körpergröße des Soldaten, der allerdings unter schwerer Rachitis litt. Der freundliche Professor schloss uns dann auch noch den historischen Hörsaal auf. An diesem Ort hat sich Medizingeschichte ereignet, seit 1865 werden hier Mediziner ausgebildet.
Nach dem abendlichen Chill-Out mit einigen Kollegen in einer Straßenkneipe an der Oranienburger Straße stolperten wir über das Kunsthaus Tacheles. Das Haus war ein Relikt vom Anfang des 20. Jahrhunderts und wurde 1990 durch die alternative Künstlerszene Tacheles vor dem geplanten Abriss bewahrt. Das Tacheles wurde fester Bestandteil der Berliner Kunst und Kulturszene. Für uns war es ein surrealer Ausflug in eine schillernde Welt der alternativen Künstlerszene. Bei unserem jetzigen Trip erfahren wir , das sich die Szene seit 2013 in den Stadtteil Marzahn verlagert hat- nun soll das Gebäude saniert werden, berichtet uns ein Bauarbeiter am Bauzaun.
Eine Herbstreise verschlug uns 2011 nach Wittenberge im Landkreis Prignitz im Nordwesten Brandenburgs an die Elbe. An zwei Tagen nutzten wir die Bahnverbindung nach Berlin. Am ersten Tag nahmen wir an der U-Bahn Haltestelle Gesundbrunnen an einer Führung in einem erhaltenen Luftschutzbunker aus dem 2. Weltkrieg teil. Der Verein Berliner Unterwelten e.V. veranstaltet derartige Touren. Direkt nebenan befindet sich der wunderschöne Humboldthain, ein Park mit einer WWII- Ruine, einem Hochbunker mit einem Flak-Turm. Von hier konnten wir eine schöne Aussicht über Berlin genießen. Nach einem Bahndesaster mit komplettem Ausfall der Verbindung nach Wittenberge klappte der zweite Transfer dann besser. Erstmals begingen wir die Reichstagskuppel und besuchten am Abend die Rocky Horror Picture- Show im Admiralspalast.
2017 führte mich wieder eine Weiterbildung nach Berlin. Diesmal wohnte ich im Stadtteil Friedrichshain. Ich hatte dabei die Gelegenheit an einer Führung im Bundeskanzleramt teilzunehmen.
Das Bundeskanzleramt wurde nach 4 jähriger Bauzeit fertiggestellt. Die Kommandozentrale der Republik ist das größte Regierungshauptquartier der Welt und ist acht mal so groß wie das Weiße Haus in Washington. Offiziell belaufen sich die Baukosten auf rund 300 Millionen Euro. Die 9 Etagen des Hauptgebäudes werden von den Seitenflügeln mit insgesamt 300 Büroräumen flankiert. Wie man hört wird es bereits zu eng, so dass ab 2023 vierhundert neue Büroräume und eine Kindertagesstätte geschaffen werden sollen. In dem repräsentativen Gebäude mit großzügigen Treppenaufgängen befindet sich in der ersten Etage die Bildergalerie der bisherigen Bundeskanzler.
Wir erhielten Zutritt zum Allerheiligsten, dem großen Kabinettssaal. Hier berät sich die Kanzlerin mit ihrem Kabinett. In der Mitte des Tischs steht eine goldene analoge Uhr, deren 4 Ziffernblätter von allen Seiten eingesehen werden können, seinerzeit vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer angeschafft.
Soviel zu meinen vergangenen Aufenthalten in Berlin- Wir fahren nun am Sonntag entspannt über die viel befahrene A2 und erreichen bereits am Nachmittag unser Hotel für die nächste Woche im Stadtteil Spandau. Es liegt inmitten der Fußgängerzone und fußläufig zur Zitadelle, die nordöstlich der Spandauer Altstadt an der Mündung der Havel in die Spree liegt. Das bedeutendste und besterhaltene Festungswerk der Hochrenaissance wurde in den Jahren 1559-1594 auf der Anlage der alten Burg erbaut. Der Bergfried (Julius Turm), von dem man einen schönen Blick auf die Spandauer Nicolaikirche (15.Jh.) inmitten der Altstadt hat ist noch als Teil der alten mittelalterlichen Burg aus dem 13. Jh. erhalten.
Zum Aufstieg im Turminnern passiert man eine schwere Tresortür, die letztlich Zeugnis des hier von 1874-1919 gelagerten Reichskriegsschatzes ist. Es handelte sich um Kisten mit Goldmünzen im Wert von 120 Millionen Mark, die nach dem Deutsch- Französischen Krieg hier eingelagert wurden. Auf dem Gelände der Zitadelle können wir gleich mehrere Ausstellungen durchstreifen. Wir erfahren einiges über die Zitadelle und die Stadtgeschichte Spandaus, u.a. über die hier ansässige Filmindustrie, die seit dem ersten Weltkrieg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war.
In der Exerzierhalle findet man eine Kanonensammlung mit Geschützen vom 17. Jh. bis in die Neuzeit. Sehr passend dazu ist die benachbarte Kunstausstellung „Der naive Krieg“ mit Bildern und Exponaten, die zum Nachdenken anregen. Glorifiziertes Heldentum kontrastiert mit Grabenkunst, den kleinen Kunstwerken, die Soldaten im Schützengraben geschaffen haben. Die Kriegsverbrecher des Nazi Regimes waren übrigens nie in der Zitadelle von Spandau inhaftiert. Das Kriegsverbrechergefängnis war 3 Kilometer entfernt und wurde nach dem Tod von Rudolf Hess 1987 abgerissen.
Nach einem Rundgang durch das Zentrum Spandaus treffen wir auf das älteste erhaltene Gebäude im gesamten Berliner Raum, das Gotische Haus aus dem 15.Jh. Das Kaufmannshaus beherbergt ebenfalls ein kleines feines Museum mit stadtgeschichtlichen Exponaten.
Direkt vor der Tür unseres Hotels steigen wir am Montag in die U- Bahn und fahren ins Zentrum Berlins. Unser erster Anlaufpunkt ist das touristische Treiben am Checkpoint Charlie, dem ehemaligen amerikanischen Grenzübergang für West- Militärs und Diplomaten. Die Mündungsrohre sowjetischer und amerikanischer Panzer standen sich am 27.Oktober 1961 gegenüber. Einschränkung der Rechte der West- Alliierten durch die SED- Führung führten zu dieser brisanten Situation, bei der die Welt einmal mehr den Atem anhielt.
Dem Getümmel am Checkpoint Charlie entfliehen wir zu Fuß Richtung Gendarmenmarkt, dem schönsten Platz Berlins mit dem Berliner Konzerthaus, flankiert vom Deutschen- und Französischem Dom. Der Ende des 17. Jahrhunderts angelegte Platz wurde im 2. Weltkrieg zerstört und erst 1976 -1993 wieder aufgebaut. Ein herrlicher Platz, dessen Tische in der Sonne zu einer Mittagspause einladen.
Unsere Exkursion führt uns weiter zum Bebelplatz, einem weiteren hübschen Platz Berlins, umsäumt von der Staatsoper Unter den Linden und repräsentativ- klassizistischen Gebäuden des ehemaligen Forum Fridericanum, die heute von der Humboldt- Universität zu Berlin genutzt werden. Die Gestaltung des Platzes geht auf den Preußenkönig Friedrich II zurück.
Auf dem Bebelplatz ereignete sich am 10. Mai 1933 die Bücherverbrennung, an der 70000 Studenten, Professoren, SA- und SS- Schergen die Werke großer Freidenker und Schriftsteller verbrannten, die nach Nazi- Doktrin als „Un- Deutsch“ galten. Die Mühe bräuchte man sich heute gar nicht mehr zu machen- denke ich mir- Im postfaktischen Zeitalter sind ordentlich gepushte Fake- News möglicherweise sogar effektiver als ein paar verbrannte Bücher, um Meinungen mit eigenen Interessen zu manipulieren.
Vor der Humboldt Universität befinden sich die Denkmäler Alexander von Humboldts, des großen Naturforschers und seines Bruders Wilhelm. Wir schlendern nun den Boulevard Unter den Linden entlang Richtung Brandenburger Tor. Auf der Mittelallee der Prachtstraße grüßt uns der „Alte Fritz“ von seinem Reiterstandbild. Dem großen Preußenkönig hat man Mitte des 19. Jahrhunderts zum 111. Jahrestag seiner Thronbesteigung dieses monumentale Denkmal gewidmet.
Schon von weitem sieht man die nach Osten blickende Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Am Hotel Adlon Kempinski gönnen wir uns einen Blick in die Hotelhalle eines der luxuriösesten Hotels Deutschlands, das nach dem Fall der Mauer an seinem historischen Platz neu aufgebaut wurde. Umrahmt vom Botschafts- und Regierungsviertel bietet das neue Hotel Adlon das Prädikat „The Leading Hotels of the World“. Über den Pariser Platz passieren wir das Brandenburger Tor zum Platz des 18. März. Das Datum des 18.März 1848 geht auf die erste Phase der Deutschen Revolution zurück und gilt als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.
„Wir sind das Volk“, Worte des Revolutionsdichters Ferdinand Freilingrath leitete 1848 die Demokratie in Deutschland ein und war Ausdruck des Freiheitsstrebens der 1989 die Mauer zu Fall brachte. Es ist unerträglich, das diese Worte nun von marschierenden Wutbürgern missbraucht werden.
Vom Brandenburger Tor in direkter Verlängerung des Boulevards Unter den Linden blickt man auf die Straße des 17.Juni, die heute als Berliner Partymeile direkt nach Westen zur Siegessäule führt. Das Datum des 17. Juni bezieht sich auf das Jahr 1953, als der große Volksaufstand der DDR durch die Sowjet- Armee gewaltsam niedergeschlagen wurde. Gekrönt von der Siegesgöttin Victoria, in Berlin auch Gold- Else genannt, steht die Säule für die Siege der Deutsch- Dänischen und Deutsch- Französischen Kriege im 19. Jahrhundert. Eingeweiht 1873 wurde die Säule 1938- 1939 vom 1,7 Kilometer westlich entfernten Königsplatz an diese Stelle verlagert.
Das Brandenburger Tor, als frühklassizistisches preußisches Triumphtor Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, stand zu DDR- Zeiten auf Ost- Berliner Seite. Ich habe noch das Foto mit der Mauer, die vor dem Brandenburger Tor in einer Linie, nur wenige Meter hinter dem Reichstag ans Spree- Ufer zog. Ein Schild informierte in großen Lettern >Achtung- Sie verlassen jetzt West- Berlin<. Heute ist der Verlauf der Mauer an vielen Orten im Asphalt kenntlich gemacht. Am Spree- Ufer stehen dann auch einige Kreuze zur Erinnerung an die durch den „Schießbefehl“ der NVA zu Tode gekommenen Menschen.
Wir fahren zum Berliner Dom und suchen uns in der späten Nachmittagssonne einen Tisch am Spreeufer zum Abendessen. Auf meinen Wunsch geht es dann noch einmal zum Treptower Park, wo ich den „Molecule Man“, ein 30 Meter hohes Kunstwerk in der Abendstimmung fotografieren möchte. Die Großplastik besteht aus 3 Aluminium- Figuren des Künstlers Jonathan Borofsky, die scheinbar auf dem Wasser tanzen. Entlang der Spree gelangen wir über die Puschkin- Allee über den Landwehrkanal auf die Schlesische Straße quer durch Kreuzberg. Über die Oberbaumbrücke geht es auf die andere Spreeseite nach Friedrichshain und mit der U- Bahn zurück nach Spandau.
Am Dienstag verlassen wir Berlin für einen Tag und nutzen die Gelegenheit per Schiff von Spandau aus über die Havel nach Potsdam zu fahren. Die entspannte Bootsfahrt führt entlang des Grunewalds über den Wannsee, an der Pfaueninsel vorbei nach Potsdam. Einige Sehenswürdigkeiten liegen auf dem Weg.
Vom Grunewaldturm, der zum 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. errichtet wurde soll man eine schöne Aussicht auf Havel und Wannsee haben. Am nördlichen Westufer des Wannsee passieren wir die Villa, in der 1942 fünfzehn hochrangige Nationalsozialisten die Massenvernichtung aller Menschen jüdischen Glaubens und anderer Minderheiten in Deutschland organisiert haben. Diese Wannseekonferenz steht heute dafür, das Unvorstellbares Realität in Deutschland geworden ist. Die systematische Vernichtung von Millionen Menschen unter den Nationalsozialisten darf niemals als „Vogelschiss der Geschichte“ abgetan werden- Worte, die aber jüngst im Deutschen Bundestag verlesen wurden.
Vorbei geht es am Schloss Cecilienhof, dem letzten Schlossbau der Hohenzollern unter Kaiser Wilhelm II. Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Potsdamer Konferenz, Schauplatz der Verhandlungen der Alliierten über die Neuordnung Deutschlands fand hier im August 1945 statt. Erwähnt sei noch die Glienitzer Brücke, Ort des Agentenaustauschs zwischen Ost und West .
In Potsdam wollen wir den Sommersitz Friedrich des Großen, das Schloss Sanssouci noch einmal besuchen. Unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. war Potsdam bereits Garnisonsstadt. Sein Sohn Friedrich der Große machte Potsdam zur Residenzstadt. Der Brandenburgische Landtag tagt heute im ehemaligen Stadtschloss des Königs. Potsdam selbst wäre eine Reise wert, vom Schiffsanleger streifen wir den Platz an der Nikolaikirche mit seinen repräsentativen Gebäuden. Vom Stadtschloss nehmen wir den Bus nach Sanssouci. Die Führung durch die prunkvollen Gemächer ist immer wieder eindrucksvoll.
Eine Augenweide bei sonnigem Wetter ist der Blick aus dem weitläufigen Park mit seinen Weinbergterrassen auf das barocke Lustschloss. Als Gemäldesammler ließ Friedrich II. östlich des Parks eigens für seine Sammlung eine Gemäldegalerie errichten, darunter Werke von Rubens und Caravaggio. So prunkvoll sein Schloss, so bescheiden seine Grablege. Kartoffeln auf der Grabplatte erinnern an den Kartoffelbefehl, mit dem Friedrich II. die Kartoffeln in Preußen anbauen ließ.
Am Mittwoch fahren wir wieder nach Berlin Mitte zur Museumsinsel. Jüngst wurde die neue Empfangshalle, die James-Simon-Gallerie eröffnet, eine würdige Eingangshalle für die 5 Museen auf der Spree- Insel, die seit 1999 auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes steht. Wir entscheiden uns für das Neue Museum, es ist ein Museum für Vor- und Frühgeschichte, beheimatet das Ägyptische Museum und die Antikensammlung.
Berühmte Exponate sind der Berliner Gold Hut (1000 v. Chr.) und die Büste der Königin Nofretete (14.Jh. v. Chr.) Berauscht von 700000 Jahren Menschheitsgeschichte, in Bezug auf das älteste Fundstück, einen Faustkeil endet unser Besuch der Museumsinsel. Am Abend treffen wir unsere Tochter am Berliner Hauptbahnhof.
Am Donnerstag nehmen wir an einer sonnigen Schiffs- Rundfahrtfahrt auf der Spree durch das Regierungsviertel und zur Museumsinsel teil. Vom Bootsanleger in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstrasse fahren wir anschließend mit der U- Bahn zum Regierungsviertel. Wir haben mittags eine Reservierung im Dachgartenrestaurant des Deutschen Bundestags und damit auch die Möglichkeit die Aussichtsterrasse und die Kuppel zu begehen. Seit 1999 hat der Reichstag wieder eine Kuppel, mit einem Durchmesser von 40 Metern und einer Höhe von 23,5 Metern. Das trichterförmige Lichtumlenkelement mit zahlreichen Spiegeln versorgt den Plenarsaal mit Licht und dient gleichzeitig als Belüftungselement.
An diesem Tag besuchen wir noch die Betonstehlen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, unter denen sich die Räume befinden in denen der Besucher mit der unsagbaren Grausamkeit und Unmenschlichkeit konfrontiert wird, die Deutschen jüdischen Glaubens unter einer Deutschen Regierung wiederfahren ist. Demokratie und Freiheit sind der einzige Garant dafür, das sich derart Entsetzliches nie wiederholt.
Am Abend suchen wir noch einmal das Spreeufer am Bundestag auf. Zu Einbruch der Dunkelheit findet eine Film-, Licht- und Tonprojektion an der Fassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses statt. Mit dem Titel „Dem deutschen Volke — Eine parlamentarische Spurensuche- Vom Reichstag zum Bundestag“ wird die Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland und des Reichstagsgebäudes eindrucksvoll präsentiert. Unter den vielen Leuten auf den Treppen am Spreeufer sind auch viele Jugendliche, die diese halbstündige Gratis- Geschichtsstunde gerne mitnehmen. Anne, meine Tochter hat sich hier mit einer Freundin verabredet, die in Berlin studiert. Zusammen suchen wir uns danach noch eine nette Location an der Oranienburger Straße.
Auch am Freitag lässt uns das Wetter nicht im Stich und wir suchen am Vormittag den Kurfürstendamm, kurz Ku’damm im Bezirk Charlottenburg- Wilmersdorf auf. Hier trifft man auf die ersten Adressen der Haut Couture mit Prada, Dolce & Gabbana, den passenden Schmuck gibt’s bei Cartier. Vorbei geht es am Traditions- Café Kranzler zur Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche.
Die Kirche wurde im zweiten Weltkrieg zerstört, nur der Turm der zu Ehren Kaiser Wilhelm des I. Ende des 19.Jahrhunderts erbauten neoromanischen Kirche blieb als „Hohler Zahn“ stehen. Die Mosaiken im Innern handeln vom Leben des Kaisers, den Befreiungskriegen und dem Deutsch- Französischen Krieg. Die Kirche steht heute als Mahnmal für den Frieden. Im benachbarten Kirchenraum des neuen Turms ist ein besonderes Kunstwerk ausgestellt. Es ist die >Madonna von Stalingrad<, gemalt Weihnachten 1942 auf der Rückseite einer russischen Landkarte im Kessel von Stalingrad. Der Truppenarzt, Pfarrer und Maler Kurt Reuber starb 1944 in russischer Gefangenschaft.
Das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) lohnt einen Besuch. Das Traditionskaufhaus wurde 1907 gegründet und gehört zu den größten Warenhäusern weltweit. Die Lebensmittelabteilung präsentiert sich als zweitgrößte weltweit. Am Skulpturenbrunnen in der Parkanlage am KaDeWe essen wir in einem Steak- House zu Mittag und fahren dann vom U- Bahnhof Wittenbergplatz zum Check Point Charlie. Ganz in der Nähe hat Berlin seit 2006 eine Attraktion mit Thrill- und Aussichtsfaktor.
Es ist der Welt- Ballon, der an einem Stahlseil 150 Meter über dem Zentrum der Stadt aufsteigt. 5500 Kubikmeter Helium generieren die physikalische Aufstiegskraft für bis zu 30 Personen. Geflogen wird nur bei windarmen Bedingungen, trotzdem wackelt es am Anfang etwas bis der Ballon sich an dem 22mm dicken Stahlseil ausgependelt hat. Das Wetter ist ideal, die Aussicht über Berlin großartig.
In der warmen Nachmittagssonne halten wir uns zu Fuß Richtung Potsdamer Platz und kommen an einen Streifen Berliner Mauer, hinter der sich die Fundamente der ehemaligen Gebäude der Geheimen Staatspolizei mit eigenem Gefängnis und der Reichsführung SS befanden. Es waren die Zentralen des nationalsozialistischen Terrors. Der Besuch der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ macht Gänsehaut über das, was die selbsternannten Herrenmenschen hier getrieben haben.
Auf einer Bank sitzen wir draußen noch eine Weile in der Sonne und beobachten den Welt- Ballon hoch über der Mauer. Ich poste das Foto an Freunde und erhalte auch gleich eine Antwort mit der Frage:“ Republikflucht?“ 😉 – Gott sei Dank ist dieses Thema seit 30 Jahren vom Tisch !
Unsere Woche in Berlin endet am Potsdamer Platz mit seinen eindrucksvollen Hochhäusern. Im Sony- Center mit seiner Zeltdach- Konstruktion lassen wir bei einem Cocktail unsere Eindrücke dieser Woche noch einmal sacken, bis es am Samstag nach Hause geht.
Bereits 2 Wochen später fahre ich wieder für einen Kongress nach Berlin. Die Veranstaltung findet in Berlin- Neukölln in der Nähe der Sonnenbrücke über den Neuköllner Schifffahrtskanal statt. Mein Hotel liegt südlich der Bahngleise vom U- Bahnhof Neukölln an der Silbersteinstraße in einer arabischen Welt aus arabischen Restaurants und Geschäften. Dorothee kommt am Samstag Nachmittag nach.
Auf der Agenda steht dabei am Samstag das Technikmuseum auf dem Gelände des alten Anhalter Bahnhofs. Eine tolle Sammlung von Flugzeugen, Eisenbahnen und allem, was die die Herzen Technikinteressierter höher schlagen lässt gibt es hier zu sehen. Am Abend gönnen wir uns im feinen Restaurant >Pots< am Potsdamer Platz ein entspanntes Abendessen.
Leider war eine geschichtliche Führung durch das Reichstags- Gebäude bei unserem letzten Aufenthalt nicht möglich, da im Plenarsaal neuer Teppichboden verlegt wurde. Das holen wir diesmal am Sonntag Vormittag nach. Nach dem Umbau des Gebäudes im Jahr 1994 wurden zahlreiche Graffitis Russischer Soldaten freigelegt, die teilweise restauriert in die Neugestaltung der Innenräume integriert wurden.
Am Nachmittag fahren wir zum Olympiapark im Stadtteil Westend. Vom 77 Meter hohen Glockenturm haben wir einen exzellenten Ausblick nach Osten auf das gesamte Stadtgebiet Berlins. Unter uns liegt die Waldbühne, westlich liegt Spandau und der Wannsee. Vor uns breitet sich das Maifeld vor dem Olympiastadion von 1936 aus, dem Schauplatz der XI. Olympischen Spiele- von den Nationalsozialisten missbraucht als Propaganda- Show eines friedlichen und weltoffenen Deutschlands.
Es gibt so viel zu entdecken in unserer alten neuen Hauptstadt- Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Besuch.
Arnd Korbmacher
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