35 Jahre im DAV- Ein Rückblick
35 Jahre bin ich Mitglied im Deutschen Alpenverein und blicke hier einfach mal auf das zurück, was mich damals eigentlich dazu bewogen hat diesem Verein beizutreten, dem ich bis heute treu geblieben bin. Dabei kam auch die eine oder andere Erinnerung wieder hervor.
Ich war damals ziehmlich genau 17 Jahre alt und war eigentlich auf der Suche nach einer Gruppe, der ich mich in Sachen Alpinskifahren anschließen konnte. Bergsteigen bzw. Bergwandern waren ehrlich gesagt nicht meine eigentlichen Ambitionen. Skiurlaub mit den Eltern war einfach nicht mehr angesagt. Meine Sportarten waren Tennis, Basketball und eben Alpinski.
Ein entfernter Onkel war Mitglied im Alpenverein und über diesen Kontakt wurde mir geraten doch mal bei den regelmäßigen Treffen der Jugendgruppe der Sektion Essen vorbeizuschauen- die würden wohl auch Skifahren.
So sollte es sein- im Sommer 1980 gesellte ich mich zu einem Gruppenabend der damaligen Jugendgruppe in einem Gemeindezentrum in Essen- Rüttenscheid. Alpinskifahren war hier eher nicht das Hauptthema- hier ging es um Bergsteigen und Klettern und ich erfuhr anhand gezeigter Bilder, daß man regelmäßig in die nähere Umgebung und in die umliegenden Mittelgebirge zur Ausübung dieses Sports aufbrach. Das ganze zog mich von Stund‘ an in seinen Bann. Hier waren keine spießigen Lodenträger versammelt, die meine damaligen Klischees bezüglich Alpenverein erfüllt hätten- hier trafen sich coole Leute, die in steilen Felswänden haarsträubende Dinge taten. Ich hatte viele Fragen und bereits nach diesem ersten Gruppenabend neue Freunde, mit denen ich teils auch nach 35 Jahren noch Kontakt habe. Ich verspürte große Lust die Sache mit dem Klettern einfach mal auszuprobieren. und so stand meine erste Verabredung an einem der folgenden Wochenenden.
Es war ein sonniger Tag, als man mich zu meiner ersten Kletter- Excursion mit zur „Hofer Mühle “ mitnahm. So nannte man einen von der Sektion gepachteten Steinbruch in Essen- Heiligenhaus. Man zog mich im Nachstieg durch die eine oder andere Tour und ich schwitzte Blut und Wasser. Ich erhielt an diesem Tag quasi einen Schnellkurs in Sachen Klettern. So waren „HMS“, „Achterknoten“ und „Abseilachter“ nach diesem Tag keine Fremdworte mehr für mich. Und auf dem Weg zu einer optimierten Klettertechnik erfuhr ich noch, daß der Einsatz des Knies absolut tabu sei. Am Abend war ich dann Einer von diesen verwegenen Burschen, denn hey !- eine“ IV+ “ gehörte bereits mit zum Repertoire.
Neben den nahen Steinbrüchen „Hofer Mühle“, „Isenberg“ bei Langenberg und dem Hönnetal bei Iserlohn lockten die Klettergebiete von Sauerland und Eifel. Mein absolutes Lieblingsklettergebiet jedoch war der Ith im Weserbergland. Ein sonniges Wochenende auf dem Ith- Zeltplatz mit ausgedehntem Isomattenfrühstück und langen geselligen Abenden beim Einbecker Ur- Bock waren ein Stück Freiheit und Abenteuer. Hier war unser Basecamp im heimischen Yosemite- das „Kameldach“ war unser „Big Wall“. Wir trugen EB’s die Ur- Reibungskletterschuhe aus California und taten seltsame Dinge wie zum Beispiel Abseilen vom überhängenden Kameldach mit Stirnlampe mitten in der Nacht. Kletterhallen mit Neonbeleuchtung gab es 1980 noch nicht.
Die Welt war noch herrlich analog- man telefonierte mit Wählscheibe und Kabel. Im Auto dudelten aus dem Cassettenradio Songs wie „Geschichte wird gemacht“ von den „Fehlfarben“. Manchmal gab es Bandsalat. Die „Neue Deutsche Welle“ schwappte in dieser Zeit über Deutschland hinweg und brachte auch viele andere Weisheiten zu Tage wie „Eisbären können nicht weinen“ von der Band „Grauzone“.
In diesen ersten Jahren fuhr ich mit der Sektion in die Tannheimer Berge und nahm 1981 im Sommer an meiner ersten alpinen Gruppenfahrt in den Wilden Kaiser teil. Hier unternahm ich meine ersten Klettertouren mit etwas mehr Tiefblick. Vom Stripsenjochhaus waren es Totenkirchl- Nordwand, Hintere Goinger Halt (Nordgrat) und Christaturmkante , die mir durchaus Respekt vor dem alpinen Felsklettern abverlangten. Wie leicht gerät man in ein Zeitproblem, was ist mit dem Wetter?, ist der Standplatz sicher ?…..- Fragen, die sich im Klettergarten nicht stellten.
Ich bin nie ein großer Felskletterer geworden- ehrlich gesagt ich habe mich immer in einer gut gesicherten „Genußtour“ wohler gefühlt als in einer kniffeligen Kletterpassage. Die klassischen Schwierigkeitsgrade der UIAA von I-VI waren zur damaligen Zeit noch die Meßlatte, die anlag. Erste Stars der Sportkletterszene wie Wolfgang Güllich und Stefan Glowacz begannen bald diese Schwierigkeitsbewertung nach oben auszubauen. Die von Kurt Albert auf den Plan gerufene Rotpunktkletterei schien die Schwerkraft scheinbar außer Kraft zu setzen. Ein „Sechser“ war bald eben nicht mehr der höchste Schwierigkeitsgrad, den man frei klettern konnte. Wenn heute die Athleten der Weltspitze eigentlich „Nichtmachbares“ machbar machen und mittlerweile den XII. Schwierigkeitsgrad entdecken bleibt mir nur noch demütiges Staunen.
Die Ziele der Jugendgruppe in den nächsten Jahren waren 1982 die Hohen Tauern, 1983 die Lienzer Dolomiten, 1984 die Zillertaler Alpen, 1985 das Stubai, 1986 die Ötztaler Alpen, 1987 die Hohe Tauern, 1988 Brenta, 1989 Hohe Tauern .
1982 verbrachte ich mit 3 Freunden zusammen abgefahrene 6 Wochen weit weg von zu Hause. Im Anschluß an die Gruppenfahrt gingen wir einen Teil des Dolomitenhöhenwegs Nr.6. Wir waren nach einigen Tagen im nassen Zelt alle infektgeplagt und stiegen ab nach Pordenone. Per Zug und Zelt ging es über Venedig, Verona und Florenz bis nach Rom. All das ging damals noch ohne Probleme- Städtereise mit Zelt, wenig Geld und unglaublich viel Idealismus. Mit der Rückfahrkarte in der Tasche verbrachten wir die letzten Tage in Rom mit restlichem Klimpergeld und kratzten die Marmelade etwas dünner aufs Brot.
1983 blieb mir in Erinnerung wegen eines Notbiwaks. Bei hereinbrechender Dunkelheit am Wildsender in den Lienzer Dolomiten habe ich mich im Abstieg in das falsche Tal verstiegen. Bei sternenklarer Nacht wurde es bei leichter Kleidung trotz eines kleinen Feuers sehr ungemütlich.
1990 war es dann eine Fahrt zur Civetta in die Dolomiten. Neben einer komplette Umrundung der Civetta gelang uns von der Coldai-Hütte die Überschreitung des Gipfels über 2 Klettersteige. Meine heutige Frau Dorothee war im 2. Jahr mit dabei. Bei frühjährlichen Verhältnissen gab es eine Schrecksekunde bei einem Ausrutscher im Firn- Dorothee konnte den Ausrutscher abfangen, da Sie einen Pickel in der Hand hielt. Dieses Ereignis hat mich noch lange verfolgt.
Die Zeit der gemeinsamen Sommerfahrten als Jugend-/Jungmannschaftsgruppe ging zu Ende. Auch die Wochenendunternehmungen wurden in den nächsten Jahren seltener. Der sogenannte „Ernst des Lebens“ stand immer mehr im Vordergrund . Nach Abschluß meines Examens 1991 trat ich ins Berufsleben ein und wirklich freie Wochenenden wurden seltener. Dafür verfügten wir jetzt als „Dinkys“ (Double Income- No Kids ) über ein höheres Reisebudget. Dies ermöglichte uns auch etwas weiter entfernte Ziele anzugehen. Die Hochzeitsreise 1994 führte uns in den Südwesten der USA. 1995 war es der Nordwesten der USA und eine Reise in die Karibik in die Dominikanische Republik. 1996 bereisten wir Florida und Island.
1997 wurde unsere Tochter geboren, die selbstverständlich seit ihrem 2. Lebensjahr Alpenvereinsmitglied ist. Neben Sonne, Sand und Wasser weckten wir bei unserer Tochter auch früh die Begeisterung für die Fortbewegung auf den eigenen Beinen in den heimischen Mittelgebirgen. Auch bei unseren Freunden stellte sich in den folgenden Jahren Nachwuchs ein. Als Familiengruppe der Sektion Essen schafften wir es so zwei mal im Jahr ein Wochenende zusammen auf einer Hütte zu verbringen.
Mit 4 Jahren gab es für unsere Tochter den ersten Kontakt zum Skilaufen. – mit 5 Jahren „spaguffelte “ unser Kind durch die Schweizer Bergwelt- bei entsprechendem Rahmenprogramm zum Erstaunen der Eltern ohne Ermüdungserscheinungen und ohne Respekt vor irgendwelchen Abgründen. 2005 unternahmen wir zusammen längere Wanderungen im Trentino, 2006 in Norwegen und 2008 in Schottland. Unsere erste Hüttentour mit Kind war dann 2007 der Lasörling Höhenweg, 2011 der Stubaier Höhenweg , 2012 die Verwallrunde und die LechtalerAlpen, 2013 die Sarntaler Hufeisenrunde und zuletzt 2014 eine Tour im Sellrain.
Es gab andere Ziele in diesen Jahren, die wir zusammen bereist haben, die ich hier nicht alle einzeln aufzähle. Wann immer es möglich war versuchten wir dabei uns eine Landschaft auch zu Fuß zu erarbeiten.
Zu Fuß unterwegs zu sein und nur das dabei zu haben, was man auf dem Rücken trägt ist die intensivste Art zu reisen- zu dieser Überzeugung ist allerdings schon lange vor uns Johann Wolfgang von Goethe gekommen , von dem der folgende Aphorismus stammt.
„Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirklich gewesen“
Getreu dieser Devise habe ich mit meiner Frau an zahlreichen Wochenenden in den letzten 2 Jahren den Rheinsteig von Bonn nach Wiesbaden begangen. Seit Anfang des Jahres ist es nunmehr der Moselsteig, der uns der Mosel folgend von der französischen Grenze bis nach Koblenz bringen wird. An den 360 km werden wir noch eine Weile beschäftigt sein und das ist gut so.
Unsere Tochter wird in diesem Jahr Abitur machen und ist auf dem Weg sich beruflich zu orientieren. Dabei stehen eigene Interessen für sie im Vordergrund und gemeinsame Erlebnisse werden seltener.
Mal sehen was ich in 15 Jahren schreiben kann wenn ich auf 50 Jahre im DAV zurückblicken kann.
Ziele gibt es genügend.
A. Korbmacher
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