Nepal 2024- Trekking im Sagarmatha-Nationalpark
Im letzten Jahr führte uns eine Kultur- und Wanderreise erstmals nach Nepal, es war unsere erste Asienreise überhaupt. Die damalige Tour mit unserem Guide Santosh Giri führte uns von Kathmandu etwa 200 Kilometer westwärts zur zweitgrößten Stadt Nepals nach Pokhara. Santosh Giri hat uns auf dieser Reise bereits sehr viel über die Kultur und Religion seines Landes verraten. Die Annapurna-Range mit dem zehnthöchsten Berg der Erde konnten wir von Pokhara aus sehen.
In diesem Jahr werden wir uns von Kathmandu nach Osten begeben. Hier wollen wir im Sagarmatha- Nationalpark eine Trekking Tour unternehmen. Als höchster Berg der Erde ist der Sagarmatha, besser bekannt als Mount Everest mit 8848m der prominenteste Berg. Wir sind sehr darauf gespannt, ihn mit eigenen Augen zu sehen. Unser Trekking wird die Marke von 4000 Höhenmetern nicht übersteigen, trotzdem haben wir vor drei Wochen im Skiurlaub ein Nachtquartier von 3000 Höhenmetern ausgewählt, um zumindest etwas Höhengewöhnung zu erlangen.
Unser Flug geht am Montag, den 08.04.2024 um 10:30h von Düsseldorf nach Istanbul und Schwager Frank ist so nett, auf seinem Weg zur Arbeit für uns einen kleinen Umweg über den Flughafen zu machen. So sind wir zeitig am Check-In-Schalter, wo wir eine Weile warten müssen bis hier der Betrieb Fahrt auf nimmt. Nach dem Frühstück am Gate geht es pünktlich los an den Bosporus. Nach der Ankunft um 14:50h Ortszeit in Istanbul (+1Std) haben wir endlos Zeit auf dem riesigen 2018 eröffneten Flughafen, der 2023 als siebtgrößter Flughafen der Welt eingeordnet wurde. Die Rechnung für ein Menü in einem der Fast-Food Restaurants erscheint uns auch fast rekordverdächtig.
Ja, die Reise an den Himalaya ist eine Geduldsprobe und der um 20:15h Ortszeit anschließende Weiterflug nach Kathmandu wird eine weitere sein. Mit einer Gesamtflugzeit von etwa 6 Stunden über die Zeitzonen nach Osten (+ weitere 2,45 Stunden) erreicht der Airbus A330 am Dienstagmorgen gegen 6:00h Ortszeit die Hauptstadt Nepals. Wir haben einen Fensterplatz auf der linken Seite und ich kann beobachten, wie sich das erste Sonnenlicht an den Gipfeln der hohen Berge fängt. Besonders schön leuchtet eine Bergflanke auf, wo ich zunächst die Annapurna 8091m vermute. Ich erfahre später aber, dass es sich wohl um den fast 7000m hohen Dorje Lhakpa handelt. Eine Weile muss der Flieger über der Dunstglocke des Kathmandu-Tals kreisen. Nach Nordosten durchbrechen weitere Gipfel den Dunst, wo sich auch der Everest befinden müsste.
Wir erledigen die Formalitäten rund um Gepäckausgabe, Visumabholung und Rupien-Tausch und verlassen den Flughafen entlang der langen Reihe von Abholern mit ihren Papptafeln. Wir erblicken auch die Aufschrift unseres Reiseveranstalters. Unser Abholer ist Bir Sing Tamang, der unser Guide für die nächsten 10 Tage auf unserem Trip sein wird. Wir erwarten noch ein weiteres Paar, denn wir haben im Vorfeld erfahren, dass unsere Gruppe mit Guide diesmal fünf-köpfig sein wird. Die Temperaturen im 1300 Meter hohen Kathmandu sind schon am Morgen ausgesprochen warm, denn wir befinden uns in den Subtropen.
Es sind Gudrun und Christoph aus München, mit denen wir uns bald im Kleinbus auf den Weg zum bekannten Hotel „Malla“ am Touristenviertel Thamel machen. In der Lobby treffen wir uns zur Begrüßung nebst kurzem Briefing mit der Repräsentantin unseres Veranstalters Pasang Lhamu Sherpa und unserem Guide Bir Sing. Beide sprechen unsere Sprache perfekt und Bir Sing stellt sich uns vor. Er ist 62 Jahre alt und hat 2 Kinder. Er selbst ist Buddhist und im Dorf Sautang aufgewachsen. Er gehört zur Volksgruppe der Tamang, arbeitet seit mehr als 30 Jahren für den deutschen Reiseveranstalter als Guide und hat in seinen Anfängen auch als Träger gearbeitet. Seine erwachsenen Kinder gehen heute eigene Wege. Sehr interessant ist, dass sein 31 Jähriger Sohn christlicher Priester geworden ist. Seine Tochter hält sich derzeit während ihres Studiums in München auf.
Unser Tatendrang hält sich in Grenzen, denn wir fühlen uns nach der langen Anreise über die übersprungenen Zeitzonen recht angezählt. Wir sind froh auf unserem Zimmer die müden Economy-Class geplagten Glieder auszustrecken, um erst einmal ein paar Stunden zu schlafen. Gegen Mittag sind wir wieder munter und stürzen uns ins Chaos Kathmandus. Der Kulturschock hält sich in Grenzen, denn wir haben das Treiben hier ja schon einmal erlebt. Ziel ist auch diesmal das historische Zentrum der Stadt mit den Tempeln und dem Königspalast am Durbar Square.
Wir geraten bei unserem Rundgang in eine der großen Feierlichkeiten in der Stadt. Gruppen in unterschiedlichen Farben tragen Sänften durch die Gassen, über denen große bunte Schirme rotieren. Diesmal ist es das Pahchare Chariot Festival der Newari-Bevölkerung, das in jedem Jahr im Anschluss an das Ghodejatra Festival stattfindet. In aller Regel geht es um religiöse Inhalte und so geht es hier um den Sieg der Gottheit Durga über einen Dämonen, der der Legende nach in früheren Zeiten Kinder getötet und verschlungen haben soll. Die Welt des Hinduismus wimmelt von Göttern, Gottheiten und Dämonen, denen zu Ehren zahlreiche Festivals über das ganze Jahr stattfinden.
Wir folgen einer der Gruppen zum gut gefüllten Marktplatz Asan Bazar, wo sich die Gelben und Blauen eingefunden haben, während die Grünen und Roten noch in der Stadt kreisen. Der gesamte Platz ist mit begeistert feiernden Menschen gefüllt und auch die Fenster und Balkone sind voller Zuschauer. Beim Fotografieren muss ich der schweren Sänfte der Gelben ausweichen, eine der dicken Tragestangen rauscht knapp an meinem Gesicht vorbei. Die jungen Träger und Trägerinnen scheinen alle Mühe zu haben ihr Gefährt auf dem richtigen Kurs zu halten.
Wir entrichten unseren Eintritt am Durbar Square und haben diesmal die Gelegenheit den Königspalast zu besuchen, der im letzten Jahr nach dem Erdbeben von 2015 noch geschlossen war. Eine Ausstellung bietet einen Ritt durch die bewegte Geschichte Nepals. Der Grundstein für die Vereinigung der ehemaligen Fürstentümer und der drei Königreiche in den Jahren 1743-1796 zum Königreich Gorkha wurde unter der Herrschaft Prithvi Narayan Shahs gelegt. Annexionspolitik mit dem Anschluss weiterer Gebiete erbrachte die größte Ausdehnung des Landes Anfang des 19.Jahrhunderts. Weitere Expansionsbestrebungen scheiterten endgültig mit der Niederlage im Gurkha-Krieg (1814-1816). Seit 2008 ist Nepal eine noch sehr junge, krisengeschüttelte parlamentarische Republik, in der 30 Millionen Einwohner aus 100 verschiedenen Volksgruppen zusammenleben.
Wir durchstreifen die Räume und das Gelände des alten Königspalastes und kommen mit einer freundlichen Dame ins Gespräch. Sie weiß viel über ihr Land, auf meine Nachfrage ob sie eine Lehrerin sei verneint sie das, sie sei aber eine Mutter die ihren Kindern gern bei der Ausbildung zur Seite stehen möchte. Am Nachmittag holen wir uns noch die Audienz der Kindgöttin Kumari ab. Noch einmal zieht eine Chariot-Prozession der Roten an uns vorbei. Durch die wuseligen Gassen Kathmandus machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel. Die Sonne steht bereits tief über der Dunstglocke der Millionenstadt als wir am Platz mit der Stupa Shree Gha vorbeikommen. Am Abend treffen wir uns mit unseren Mitreisenden im Hotel zum Abendessen.
Am Mittwoch haben wir am Morgen noch etwas Zeit für ein ausgedehntes Frühstück im Garten des „Malla“. Um 11:30h treffen wir uns in der Lobby mit Bir Sing, denn wir werden mit dem Kleinbus abgeholt, um heute ein ganzes Stück ostwärts nach Mulkot zu fahren. Einen Teil unseres Gepäcks, den wir nicht unbedingt für unser Trekking benötigen, geben wir bis zu unserer Rückkehr im Hotel ab. Es sind gut 100 Kilometer mit 4,5 Stunden reiner Fahrzeit bis zu unserem nächsten Zwischenquartier in Mulkot am Sunkoshi-River. Es geht über 2 Pässe, der eine mit einer großen Shiva- Statue an der Passhöhe. Etwa auf der Hälfte der heutigen Strecke machen wir eine Mittagspause in Bhakundebesi in der Momo-Factory. Köstliche Momos, gedünstete oder gebratene Teigtaschen mit Gemüse- oder Fleischfüllung sind hier angesagt.
Unser Fahrer Krishna bringt uns sicher über die kurvenreiche Strecke voran mit Kurs Südost. Neben unserer Trekking-Gruppe fahren noch ein Vater mit seiner Tochter aus Hamburg und ihr Guide im Bus mit. Die Beiden haben eine Tour gebucht, die etwas höher hinaus geht und mehrfach über Pässe von mehr als 5000m führt. Endziel dieser Tour ist der Island-Peak 6100 m. Ein besonderes Höhentraining dafür stand im Vorfeld nicht auf ihrer Agenda, eine gute Grundfitness sehen sie als ausreichend an. Beide haben wohl bereits Höhenerfahrung auf einer Tour in Südamerika gesammelt.
Das Nachtquartier im Akshit-Resort ist eine einfache Unterkunft am Sunkoshi (Goldfluss), die wir am späten Nachmittag erreichen. Bir Sing macht mit uns einen Spaziergang über die Hängebrücke an das andere Ufer bis zu einem Masi-Dorf. Die hier unter einfachsten Verhältnissen lebenden Menschen aus der Volksgruppe der Masi sind traditionell Fischer. Malerisch versinkt die Sonne hinter dem Fluss, in dem ein Fischer vom Ufer aus sein Netz auslegt. Am Abend essen wir im Restaurant Dal Bhat- einfach und sehr gut. Eine Weile sitzen wir noch zusammen, suchen aber bald das Nachtlager auf, denn der Wecker steht morgen früh auf 03:25h.
Am Donnerstagmorgen treffen wir uns um 4:00h auf eine Tasse Kaffee im Neonlicht des Speisesaals und erhalten dort ein Frühstückspaket. Es ist stockdunkel bei der Abfahrt von Mulkot und Krishna fährt uns souverän durch die Nacht über ausgesetzte Straßen und Pässe oberhalb des Sunkoshi. Direkt oberhalb von Mulkot führt die erste Passhöhe an einem Kloster vorbei. An der Mauer entlang der Straße sind unzählige Spiegel angebracht, deren Symbolik im Buddhismus für umfassende Weisheit und Reinheit des Geistes steht. Hinter der Mündung des Tamakoshi wechseln wir ans rechte Ufer des Sunkoshi und halten uns flussaufwärts entlang des Tamakoshi bis Ramechap. Wie geplant erreichen wir den auf 475m gelegenen Flughafen gegen 6:00h. Im Jahr 2022 wurde die ursprüngliche Flugverbindung nach Lukla von Kathmandu hierher ausgelagert.
Bereits in den letzten Tagen war der Flugbetrieb stark eingeschränkt. Wir haben eine ähnliche Wettersituation wie im letzten Jahr und bei unzureichenden Sichtbedingungen ist ein Flug nach Lukla zunächst nicht möglich. Gegen 8:00h wird die Freigabe für den Flugbetrieb erteilt und nacheinander starten die zweimotorigen Turboprop-Maschinen, die nach dem Start eine Steigkurve über dem Tamakoshi-Tal fliegen, bevor sie mit Kurs Nordost die Höhen „erklettern“, deren Gipfel bald die 4000 Meter übersteigen. Die kurze abenteuerliche Landebahn „24“ von Lukla liegt 2846m über dem Meeresspiegel, wobei die Piste bei einer Steigung von 12% nach 527 Metern an einer Mauer im Berghang endet. Erst seit 1999 ist die Landepiste asphaltiert.
Die ersten Maschinen der Tara-, Sita- und Summit-Air, haben bei dieser ersten Runde die Leute nach Lukla gebracht, deren Flüge am Vortag gecancelt wurden. Wie an jedem Flughafen haben wir eingecheckt und das Security-Procedere durchlaufen. Maximal 15 Kilo inklusive Handgepäck dürfen wir mit an Bord nehmen. Mit unseren Bordkarten in der Hand gehen wir davon aus, dass wir unseren Flug bald antreten können. Das wird heute aber nicht geschehen, denn alle Lande-Versuche der Gruppen, die noch vor uns dran sind schlagen zweimal sichtbedingt und zuletzt um 15:00h wegen starker Turbulenzen fehl. Als flugbegeisterter Mensch habe ich den Anflug auf Lukla am heimischen Flugsimulator immer wieder ausprobiert- ich hoffe die Piloten haben es besser drauf 😉 Wie wir später hören, gab es große Nachfrage nach Papiertüten beim dritten durchgeschüttelten Anflug-Versuch auf Lukla.
Da auch die abreisende Summit- Gruppe in Lukla festhängt, steht uns Krishna noch zur Verfügung und bringt unsere Taschen zum Hotel in Ramechap, das Bir Sing für unsere Übernachtung organisieren konnte. Wir selbst laufen das Stück durch den Ort zu Fuß und beziehen unser Zimmer. Bir Sing bittet uns zu einem Spaziergang vom Hotel aus ans Ufer des Tamakoshi. Begleitet werden wir vom Repräsentanten des Summit-Clubs in Ramechap. Direkt vor dem Hotel ist ein kleiner Park, in dem ein Pipal-Baum steht. Der Pipal-Baum, botanisch Ficus religiosa genannt ist eine Pappelfeige mit Luftwurzeln, der Höhen von 30 Metern erreichen kann. Sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus ist der Pipal-Baum heilig. Im Buddhismus ist es der Bodhi-Baum, unter dem der Prinz Siddharta Gautama vor 2500 Jahren seine Erleuchtung erhalten hat.
Wasserbüffel stehen in den breiten Sand- und Kiesbänken entlang des Tamakoshi. Auch hier befinden sich Fischerhütten einer Masi-Ansiedlung. Richtung Flughafen scheint sich der Himmel zu verdunkeln und über dem Talgrund trübt die Sicht staubig ein. Es kommt Wind auf und schon fliegt uns ein Sandsturm um die Ohren, vor dem wir im Laufschritt zum Hotel flüchten. Es sind die Auswirkungen eines Gewitters das an uns vorbeizieht und hoffentlich Wetterklärung für morgen bringt. Auch heute Abend essen wir gemeinsam Dal Bhat, das einfache Essen auf der Grundlage von Reis und Linsen.
Am Freitag um 05:30h treffen wir uns wieder nur auf eine Tasse Kaffee und nehmen ein Lunchpaket mit zum Flughafen. Noch einmal müssen wir das Procedere am Flughafen durchlaufen. Der Jubel ist groß, als die ersten Maschinen mit Reisenden aus Lukla zurückkehren. Wir boarden gegen 07:00h bei der Tara-Air, die Flugzeuge des Typs DHC-6 Twin-Otter 300 am Start hat. 19 Passagiere passen in die Maschinen, die auf dem recht kurzen Flug sogar von einer Stewardess begleitet werden.
Später finde ich noch Details über unsere Maschine mit der Luftfahrt-Kennung 9N-AEV. Das Flugzeug wurde 1980 in Dienst gestellt, ein geplatzter Reifen führte 2018 zu einer Bruchlandung auf dem Jumla Airport, bei der niemand verletzt wurde. Es folgte eine Reparatur der Flugzeugnase und des Bugrades. Alle Flugzeuge auf der Route nach Lukla sind STOL-Aircrafts- das steht für „Short Takeoff and Landing“. Ich wundere mich ein wenig über den geringen Luftdruck in den Reifen der Maschinen, der möglicherweise auch der kurzen Landebahn geschuldet ist.
Ein wenig muss ich schon durchatmen, als die Stewardess noch die letzten Sicherheitshinweise erteilt. Das Flugzeug ist betagt und ich lenke meine Gedanken weg von der Tatsache, dass Flugunfälle in der Vergangenheit hier leider traurige Realität waren. Der Pilot gibt vollen Schub und schon bald klettert die Twin Otter langsam in die Steigkurve. Beim Blick aus dem Fenster ziehen im Dunst recht nah Bergflanken an uns vorbei. Die Sicht ist nicht top, aber ausreichend. 25 Minuten dauert der Flug, als der Pilot zu einer Rechtkurve ansetzt. Die Landebahn erscheint unvermittelt mit dem erlösenden Touchdown und dem Klatschen der Fluggäste. Auch ich kann mir einen kurzen Jubelruf nicht verkneifen. Endlich sind wir angekommen- in Lukla.
Direkt gegenüber dem Flughafengebäude liegt die Summit-Lodge, in der wir am Ende unseres Trekkings gebucht sind. Heute werden wir hier im gemütlichen Gastraum zusammen frühstücken. Bir Sing bespricht mit uns den Plan für den heutigen Tag. Wir haben durch den gestrigen Flugausfall einen Tag verloren, was nach seiner Meinung leicht zu kompensieren ist, wenn wir die recht kurze erste Etappe bis Phakding mit der für heute vorgesehenen zweiten Etappe bis Monjo zusammenlegen. Die Lodge in Phakding 2600m ist für heute auch nicht mehr verfügbar. Es ist noch früh und bis Monjo sind es 15 Kilometer mit aufsummiert 670 Höhenmetern. Von Lukla gilt es zunächst 300 Höhenmeter ins Tal des Dudh Koshi abzusteigen, bevor der Weg ein ansteigendes Profil aufnimmt. Bei unserem reichhaltigen Frühstück, das keine Wünsche offen lässt freuen wir uns regelrecht darauf endlich loszugehen.
Wir tragen lediglich unser Tagesgepäck im Rucksack mit uns. Pro Paar ist uns ein Träger zugeteilt, der unsere Reisetaschen zur nächsten Lodge bringt. Pro Person sind es maximal 13 Kilo, die das Trägergepäck wiegen darf. Unsere Taschen wiegen beide unter 10 Kilo. Chicring Sherpa und Harka Khem sind die beiden Träger die uns in den nächsten Tagen begleiten. Chicring ist 36 Jahre, er hat drei Söhne und eine Tochter, Harka Khem ist der ältere der Beiden und hat ebenfalls mehrere Kinder. Die Sicht öffnet sich und der Flugplatz mit seinen vier Stellplätzen für die Flugzeuge liegt jetzt in der Sonne. Es ist spannend noch bei ein paar Starts und Landungen zuzuschauen, bevor wir uns auf den Weg durch Lukla machen.
Eine besondere Verehrung erfahren die Erstbesteiger des Mount Everest, die in Form goldener Statuen am Rande des Flugfeldes stehen. Es sind Sir Edmund Percival Hillary und sein nepalesischer Seilpartner Tenzing Norgay aus dem Volk der Sherpa, die am 29.Mai 1953 als erste Menschen den Gipfel des höchsten Punktes der Erde erreichten. Im letzten Jahr jährte sich dieses Ereignis zum 70. Mal. Es ist ein reges Treiben auf der Hauptstraße Luklas. Bauarbeiter erledigen Straßenarbeiten, zwischen Geschäften werden Packtiere beladen, dazwischen Bergtouristen wie wir.
Am Ende der Straße verlassen wir den Ort durch das Pasang Lhamu-Gate. Pasang Lhamu Sherpa war die erste Frau, die nach insgesamt 4 Versuchen am 22.April 1993 auf dem Everest Gipfel stand. Leider verlor sie aber bei schlechtem Wetter im Abstieg ihr Leben. Hinter dem Tor führen Treppen hinunter zur Amtsstube der Regierung, in der die Permits für den Nationalpark ausgestellt werden, was Bir Sing für uns erledigt. Nun machen wir uns auf den Weg ins Khumbu-Tal, immer wieder passieren wir Heiligtümer wie Mani-Mauern mit uralten Ahnensteinen, die grundsätzlich von der linken Seite umgangen werden.
Eine erste Stupa mit buddhistischen Gebetsmühlen erreichen wir in Cheplung. An Gebetsmühlen geht man ebenfalls links entlang und dreht sie im Uhrzeigersinn mit der rechten Hand. Den niedrigsten Punkt erreichen wir in Numing Ghat an der Einmündung des Thado Koshi Khola in den Dudh Koshi. Nun beginnt der Anstieg nach Phakding wo wir bald am Weg in einem Restaurant unsere Mittagspause einlegen. Gestärkt mit einem Teller Nudeln (vegetarisches Chowmein) passieren wir bald die Lodge, auf der wir gestern erwartet wurden. Dieses Quartier werden wir auf dem Rückweg noch in Anspruch nehmen.
Unzählige Träger mit mehr oder weniger Gepäck auf dem Rücken teilen sich mit uns den Weg. Tragtiere wie Esel und Dzo’s gilt es auszuweichen, am besten an einer Ausweichstelle hangwärts. Dzo’s sehen den Yaks recht ähnlich, sind aber die männlichen Nachkommen von Yak und Kuh, die sich durch hohe Leistungsfähigkeit und Wärmetoleranz auszeichnen. Sie haben ebenfalls lange spitze Hörner und es macht Sinn den Tieren an Brücken und Abgründen Vorrang zu gewähren.
Oft ist der Weg mit Natursteinen gepflastert und in steilen Aufstiegen mit hohen Treppenstufen versehen. Die Höhe der Treppenstufen fordert massiv die Oberschenkelmuskulatur. Der Einsatz von Stöcken, auf die ich wegen meiner Foto-Aktivität meist verzichte, hätte absolut Vorteile unter diesen Bedingungen. An den Felswänden zeigt uns Bir Sing die großen Nester von Wildbienen, deren Honig möglicherweise wegen des häufig anzutreffenden Rhododendron als giftig gilt. Zu medizinischen Zwecken ist er allerdings sehr gefragt. Über Toc Toc geht es weiter nach Bengkar, wo wir vor dem Schlussspurt noch einen Tee trinken. Ein besonders wohlschmeckendes Heißgetränk ist ein Aufguss von Ingwer mit Zitrone und Honig.
Gegen 17:00h erreichen wir die Everest Summit-Lodge in Monjo auf 2850m. Die Treppen haben es meinen Beinen gut besorgt und ich bin froh angekommen zu sein. Nach einer herzlichen Begrüßung an der Lodge wird uns im Gastraum Tee serviert. Die Zimmer in den Lodges sind grundsätzlich unbeheizt. Bis auf etwa 4000 Meter gibt es neben sehr einfachen Unterkünften auch Lodges mit etwas mehr Komfort. Wir haben uns bei dieser Tour für die zweite Version entschieden, die ein mit Wärmeflasche oder Heizdecke beheiztes Bett und ein Bad mit WC und warmer Dusche beinhaltet.
Wir sind froh eine Weile in unserem Zimmer auszuruhen. Um 19:00h treffen wir uns frisch geduscht zum Abendessen im Gastraum. Nach einer heißen Suppe werden uns von zwei jungen Damen herrliche Sachen auf den Teller gezaubert. Wir erfahren, dass die Beiden noch zur Schule gehen und kurz vor ihren Abschlussprüfungen stehen. Für die Anreise aus dem Tal mit Jeep und zu Fuß benötigen sie eineinhalb Tage, denn ein Flug wäre zu teuer. Wir genießen den wunderbaren Service, bei dem freundlich von den äußerst delikaten Sachen nachgereicht wird. In unserem warmen und komfortablen Bett genießen wir die herrliche Nachtruhe.
Am Samstag lassen wir uns Zeit beim reichhaltigen Frühstück. Zum Omelette werden gebratene Würstchen, Kartoffeln und Gemüse gereicht. Nepali und Sherpas feiern heute Neujahr, und zwar das Jahr 2081. Beim Blick aus dem Fenster ist es sonnig-wolkig, zwei Berge stechen aus dem Wolkenmeer empor, der 5771m hohe heilige Berg Khumbila und der Thamersku 6623m. Wir haben heute 670 Höhenmeter auf dem Weg nach Namche Bazar vor uns. Gegen 9:00h machen wir uns auf den Weg. An der gegenüberliegenden Hangseite fällt ein mit bunten Fahnen geschmücktes Kloster ins Auge.
Ein Stück oberhalb von Monjo erreichen wir den offiziellen Parkeingang des Sagarmatha-Nationalparks. Der Park gehört seit 1979 zum UNESCO-Welterbe. Auch hier muss Bir Sing uns noch einmal kostenpflichtig anmelden. Mit 2000 nepalesischen Rupien (1000NPR=7€) für die Permits in Lukla fallen hier als Eintritt für den Nationalpark noch einmal 3000 NPR pro Person an. Am 3D- Modell des Parks erläutert uns Bir noch einmal den Verlauf unserer Tour durch das Khumbu-Tal.
Hinter dem Eingangstor des Parks durchlaufen wir ein weiteres Tor mit buddhistischen Darstellungen und den Gebetsmühlen, die wir beim Vorbeigehen in Gang setzen. „Om Mani Padme Hum“ ist ein Mantra, dessen Inschrift sich oft auf Gebetsmühlen und Mani-Mauern wiederfindet. Es bedeutet „Du Juwel in der Lotusblüte“. Das Drehen der Gebetsmühlen soll als Teil der buddhistischen Gebetspraxis die geistige und körperliche Aktivität in Einklang und so gutes Karma bringen. Es ist ein schönes Ritual und gutes Karma können auch wir gebrauchen.
Der Weg führt zunächst steil hinab nach Jorsale an den Milchfluss, dessen Seite wir zweimal über Hängebrücken wechseln müssen, weiter hinauf durch das Khumbu-Tal. Immer oberhalb des Talgrunds blicken wir auf den milchig-türkisblauen Dudh Koshi, dessen Wasser aus den Gletschern der hohen Grenzberge zu Tibet gespeist wird. Ein Highlight taucht vor uns auf- es ist die Hillary-Brücke, die in atemberaubenden 70 Metern Höhe das Tal des Dudh Khosi überspannt. Am Brückenkopf erreichen wir die 2900m-Marke. Eine nicht endende Herde von Maultieren passiert gerade die Brücke talwärts.
Auf der anderen Seite im weiteren Aufstieg, bei etwa 3000m Höhe ist ein erster möglicher Everestblick leider von Wolken verhangen. Der Steig windet sich nun zunehmend aus der engen Schlucht des Milchflusses in die Höhe. Ein leichter Kopfschmerz bei mir verschwindet mit Trinken. Bereits routiniert im Umgang mit den vielen Eseln und Dzo’s gewähren wir den Tragtieren Vorrang. Doro geht den nun steiler werdenden Aufstieg auch über 3000m ohne Probleme, was bei der Tour im letzten Jahr durch eine Störung in ihrem blutbildenden System nicht der Fall war. Ich empfinde die gemauerten und zementierten Stufen weiterhin als sehr ermüdend.
Bereits gegen 13:00h erreichen wir den alten Sherpa-Ort Namche Bazar auf 3400m. Am öffentlichen Waschplatz waschen Frauen die Wäsche. Wir steigen an wasserangetriebenen Gebetsmühlen hinauf in den Ortskern mit seinen vielen Geschäften. Namche Bazar ist eine alte Sherpa-Siedlung, an der sich die Wege in die Täler des Sagarmatha-Nationalparks aufteilen. Namche ist das Tor zum Hoch-Himalaya und das Verwaltungszentrum der Khumbu-Region. Neben einer guten Infrastruktur mit Polizeistation, einer Bank, einer Zahnklinik und zahlreichen Geschäften findet jeden Samstag ein Wochenmarkt statt. Alle Waren müssen durch Träger und auf Lasttieren befördert werden, und zwar auf dem gleichen Weg den wir gekommen sind.
Im oberen Ortsrand erreichen wir das Namche-Hotel, wo wir im großen Gastraum Platz nehmen, um etwas zu essen. In westlicher Richtung ragt das mächtige, vergletscherte Massiv des Kongde Ri mit 6187m hinter dem Ort auf. Bir Sing verteilt die Zimmerschlüssel und wir beziehen unser einfaches Zimmer, in dem alles Notwendige vorhanden ist. Beim Blick aus dem Fenster nach Südost erblicken wir die Gipfel des Thamersku 6623m und des Kusum Kangguru 6367m. Da es nur eine Feuerstelle im Gastraum gibt, können auch hier die Betten elektrisch beheizt werden. Die Nachttemperaturen befinden sich im niedrigen einstelligen Bereich.
Wir wenden uns den vielen Geschäften dieses Handelsplatzes der Sherpas zu. Es fängt an zu regnen und wir sehen uns im hübschen Souvenirladen Everest-Yak um, wo wir ein paar Mitbringsel für zu Hause erwerben. Bei dem Regen kehren wir zurück in unser Zimmer und mummeln uns nach dem Duschen für ein Stündchen ins vorgeheizte Bett. Um 19:00h finden wir uns jeden Abend mit Gudrun, Christoph und Bir Sing im Gastraum zum Abendessen ein. Wir haben uns bereits mittags etwas aus der Speisekarte ausgesucht. Wir gehen wieder zeitig schlafen, denn das Frühstück ist für 7:00h bestellt.
Am Sonntagmorgen erstrahlen die 6000er rund um Namche, als wir an den nordöstlichen Ortsrand aufsteigen, wo Bir Sing uns zu einem Aussichtspunkt führt. Der Blick öffnet sich mit dem Panorama rund um den höchsten Berg der Erde. Wir befinden uns an der Tenzing Norgay-Gedenkstätte und mit erhobenen Eispickel steht sein bronzenes Abbild vor Nuptse I 7864m, Everest 8848m, Lhotse 8516m, Shartse I 7591m und vorgelagert auf der rechten Seite dem kühnen Zahn der Ama Dablam mit 6814m. Der Bereich des Everest unterhalb des Südsattels wird vom Felsgrat zwischen Lhotse und Nuptse verdeckt. Wunderbar steht über allem der Gipfelaufbau mit dem vorgelagerten Südgipfel. Selbst der Hillary-Step lässt sich mit dem 300mm-Objektiv lokalisieren.
Bei den großen Greifvögeln, die über uns kreisen handelt es sich Bir Sing nach um Lämmergeier. Ihre Aufgabe ist die Kadaverbeseitigung toter Tiere in der Natur und das besorgen sie schnell und mit großer Gründlichkeit. Einen Vortrag über die alte tibetanische Tradition einer „Luftbestattung“ habe ich vor Jahren von einem Augenzeugen gehört. Dieser war kein geringerer als der Bergsteiger Reinhold Messner, der am 8. Mai 1978 zusammen mit Peter Habeler den Everest ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat. So verstörend wie mancher dieses Ritual vielleicht finden mag, es ist nur eine andere Form der Reinkarnation, die tief im buddhistischen Glauben verankert ist. Offiziell ist diese Form der Bestattung heute im chinesisch besetzten Tibet verboten.
Wir durchstreifen kurz das Museum und machen uns dann an den weiteren Aufstieg im Angesicht des gegenüberliegenden Massivs des Thamersku 6623m. Wir gewinnen schnell Höhe auf dem steilen Treppenweg. 3850m haben wir am Sherpa-Panoramahotel in Syamboche erreicht, wo uns die Terrasse noch einmal zum Everest-Panorama und einem Ingwer-Tee einlädt. Mittlerweile haben sich Wolken an die hohen Gipfel geheftet. In Syamboche gibt es ein altes Flugfeld, das aber heute nur noch in Notfällen von Hubschraubern angeflogen wird. Etwas weiter erreichen wir einen Sattel, den der Höhenmesser mit 3868m ausweist. Durch flechten-bewachsenen Rhododendron-Wald steigen wir gut einhundert Höhenmeter ab und erreichen bald den Ortseingang von Khumjung.
Vor dem Eingangstor in den Ort sind Arbeiter damit beschäftigt den Weg zu pflastern. Die Pflastersteine dafür werden per Hand aus den Felsen geschlagen. Eine sehr lange Mani-Mauer geleitet uns an eine weiße Stupa. Dahinter befindet sich die Hillary School, die wie viele Schulen und Projekte auf den Everest-Erstbesteiger zurückgehen. So hat man ihm zu Ehren auch hier eine goldene Büste erstellt. Es gibt Diskussionen um den ersten Mann auf dem Everest, da es nur von Tenzing Norgay Gipfelfotos gibt. Geeinigt hat man sich offiziell auf Hillary als Erstbesteiger- warum es kein Gipfelfoto von Hillary gibt?- „Es wäre der unpassendste Ort meinem Sherpa das Fotografieren beizubringen“- gab Hillary dazu bekannt.
Auf einem Platz spielen junge Mönche in ihrer Mönchskutte Volleyball. Im Hidden Village-Restaurant essen wir Kartoffelpfannkuchen und frittierte Äpfel zu Mittag. Gudrun geht es nicht gut- sie hat sich einen Infekt eingehandelt und ruht sich auf einer Bank in der Stube etwas aus. In Khumjung besuchen wir das Buddhistische Kloster, in dem derzeit eine mehrtägige Zeremonie abgehalten wird. Es verfügt über eine umfangreiche Bibliothek buddhistischer Schriften, die in Schubladen an den Wänden aufbewahrt werden. Zu meiner Freude ist Fotografieren erlaubt und nach dem Abstreifen unserer Schuhe betreten wir den Gebetsraum, in dem Mönche aus Schriften vorlesen. Das tun sie asynchron, was sich für uns zu einem murmelnden Geräusch zusammenfügt.
Hier wird der Skalp eines Yetis, eines der legendären übergroßen und behaarten Fabelwesen aufbewahrt, um dessen Existenz sich viele Geschichten und Sagen ranken. Auch Reinhold Messner gab vor vielen Jahren die Sichtung eines solchen Schneemenschen zu Protokoll, wobei er sich später der Meinung, dass es sich möglicherweise um einen Tibetischen Braunbären oder Tibetbären gehandelt hat angeschlossen hat. Der hiesige Yetiskalp bleibt ein Mythos, weckt aber zumindest das Interesse der Besucher das Kloster von Khumjung zu besuchen.
Jetzt beginnt der Abstieg Richtung Tagesziel in Tashinga. Im kleinen Ort Sanasa ist der Weg mit Souvenirauslagen flankiert. Wir kaufen den Leuten ein paar Kleinigkeiten ab und steigen über einen Panoramaweg mit Tiefblick auf den Milchfluss weiter ab. Wir bekommen auf Distanz das Wappentier Nepals, den Blutfasan zu Gesicht. Unterhalb des Wegs stehen wenig scheue Himalaya- Steinböcke.
Ein Abzweig führt uns über einen Pfad zur Everest-Summit-Lodge in Tashinga 3500m. Auf den heute 9,3 Kilometern erbrachte das Profil einen Anstieg von 617 und einen Abstieg von 545 Höhenmetern. Wir werden auch hier in Tashinga freundlich empfangen. Zum Tee gibt es Möhrenkuchen, nach der Dusche ruhen wir im warmen Bett etwas aus. Die Küche am Abend ist auch hier vorzüglich und reichlich und wir werden sehr angenehm am Tisch bedient.
Gudrun hat in der Nacht zu Montag nicht gut geschlafen und laboriert mit ihrem Infekt. Da sie sich recht schlapp fühlt, entscheidet Christoph mit ihr an der Lodge zu bleiben und einen Ruhetag einzulegen. Wir frühstücken zusammen und verabschieden uns mit den besten Genesungswünschen von den Beiden. Damit hat auch Chicring Sherpa heute als Träger eine Pause. Im Bereich der Lodge stehen Rhododendron-Sträucher in voller Blüte. Mit Bir Sing steigen wir im Sonnenschein hinab zum Fluss, den wir über eine Hängebrücke queren. Harka Khem ist längst unterwegs zu unserem nächsten Tagesziel und leider auch Endpunkt unseres Trekkings, zur Rivendell Lodge in Deboche.
Fast 600 Höhenmeter Aufstieg sind es zum Kloster Tengboche auf 3867m, dem wir einen Besuch abstatten wollen. Auch in diesem Aufstieg sind viele Träger und Tragtiere unterwegs. Bei einigen Trägern, die auch Baumaterial transportieren beobachten wir das Tragen teils brutal schwerer Lasten. Ich schätze mit Bir die Last mehrerer dicker Balken, die zusammen gut und gerne an die 100 Kilo wiegen könnten. Möglicherweise wird wegen eines höheren Erlöses mehr geleistet, als es auf Dauer gut sein kann. Im Laufe unserer weiteren Tour fragen wir einen sehr jung erscheinenden Träger nach seinem Alter. Mit 15 Jahren trägt er eine Last, die er seinem noch nicht ausgewachsenen Skelett eher nicht zumuten sollte. Eines steht fest, der Erlös der Träger ist sehr hart verdientes Geld.
Ein mächtiger Berg taucht rechterhand auf, der Kangtega 6783m, dessen Name so viel wie Pferdesattel bedeutet. Wir können unseren Weg weit zurückverfolgen, allerdings konnten wir vom Everest-Blick in Namche auch schon den Sattel mit der Klosteranlage von Tengboche sehen. Wir erreichen die Klosteranlage auf 3867m bereits am Vormittag durch ein buddhistisches Tor mit Gebetsmühlen zur weißen Stupa auf dem Sattel, neben der sich mehrere Mani-Mauern befinden. Aufs Neue bietet sich uns ein großartiger Blick auf Everest und Lhotse. Lange sitzen wir an der Stupa und lassen den Ort auf uns wirken.
Natürlich steht auch der Besuch des Klosters an- wir sehen nur wenige junge Mönche. Einige sind derzeit wohl wegen der mehrtägigen Zeremonie auf Besuch in Khumjung. Wir lösen eine Eintrittskarte am Eingang und steigen hinauf zum Hauptgebäude. Tengboche ist das wichtigste kulturelle und religiöse Zentrum des Khumbu, das 1916 von Lama Gulu erbaut wurde. Nach Zerstörungen des Klostergebäudes durch einen Brand 1989 und beim Erdbeben von 2015 wurde es mehrfach wieder aufgebaut.
Der Mythologie nach wollte Lama Sangwa Dorje bereits im 16.Jahrhundert hier ein Kloster erbauen. Er verfügte über übernatürliche Kräfte, rutschte aber aus und hinterließ bei diesem Sturz Abdrücke im Felsen, die man im Innern des Klosters besichtigen kann. In der Sherpa-Gemeinschaft wird er als sechste und einzige Reinkarnation von Changna Dorje (Vajrapani), die in Khumbu geboren wurde verehrt.
Im Vorhof entledigen wir uns unserer Schuhe. Einen buddhistischen Gebetsraum betritt man niemals mit Schuhen. Hier ist Fotografieren nicht gestattet und so lauschen wir den Ausführungen Bir Sings, der uns eine weitere Einführung in den Kosmos des Buddhismus gibt. Der Schweizer Extrembergsteiger Ueli Steck verunglückte am 30. April 2017 im Alter von 40 Jahren bei einer Trainingstour am Nuptse tödlich. Ich war damals sehr betroffen, da mich seine bergsteigerischen Aktivitäten stark beeindruckt haben. Er wurde hier in Tengboche in Anwesenheit seiner Frau und naher Angehöriger im Rahmen einer feierlichen Zeremonie eingeäschert und bestattet.
Der Endpunkt unseres Trekkings ist nach kurzem Abstieg die Rivendell Lodge in Deboche 3720m. Heute Abend finden wir uns mit Bir Sing zu dritt in der Gaststube ein. Bir hat uns den Tisch direkt am Ofen reserviert. Hier haben wir schon am Nachmittag etwas aus der Karte ausgesucht. Die Chefin serviert mir ein Bier zum Essen mit den Worten „Hier bitte- Dein Halbes!“. Sie hat ein paar Jahre auf einer Hütte in Österreich gearbeitet und an der Wand hängen Bilder ihrer Kinder, die im Ausland studieren. Wir sind gespannt, wie es Gudrun geht und wie es den Beiden in Tashinga ergangen ist.
Am Dienstag kostet es mich Überwindung in aller Frühe mein Bett zu verlassen. In Anbetracht der Höhe, in der wir uns befinden möchte ich mich unbedingt noch dem Thema Nachtfotografie widmen. Leider ist es am Morgen aber sehr wolkig und ich positioniere nur rasch meine GoPro mit eingestelltem Zeitraffer bevor ich ins Bett zurückkehre. Beim Frühstück erfährt Bir Sing Neuigkeiten aus Tashinga. Gudrun geht es viel besser und so hat sie sich mit Christoph und Chicring, der die Beiden heute als Guide begleitet bereits auf den Weg nach Tengboche gemacht.
Am heutigen Tag ist für uns die Rückkehr nach Tashinga das Tagesprogramm, wobei Bir Sing uns die Möglichkeit einräumen möchte von Tengboche noch zu einem Aussichtspunkt aufzusteigen, um damit die 4000er-Marke zu toppen. Wir steigen rasch die 100 Höhenmeter durch Rhododendron-Wald, dessen Knospen hier oben noch geschlossen sind hinauf zum Kloster. Das Wetter gibt heute leider keine gute Fernsicht her und nur gelegentlich tauchen Everest und Lhotse kurz aus dem Wolkenmeer auf.
Der Weg, den wir oberhalb von Tengboche aufsteigen hat etwas von einem Kreuzweg, nur das die Stationen am Weg aus Mani-Steinen und uralten Stupas bestehen. Überall flattern die bunten Gebetsfahnen im Wind und tragen dem Himmel mit zunehmender Verwitterung die aufgedruckten Gebete oder Mantras zu. Die Reihenfolge der fünf Farben von links nach rechts, oder falls sternförmig an Stupas angebracht von innen nach außen, ist blau, weiß, rot, grün, gelb. Die Zahl 5 spielt im Buddhismus eine zentrale Rolle und steht hier für die fünf Elemente Himmel (blau), Wind (weiß), Feuer (rot), Wasser (grün) und Erde (gelb).
Ich erreiche nach der Digitalanzeige meiner Uhr die Höhe von 4010 Metern an einer guten Pausenstelle mit einigen Steinmännchen. Es ist nicht nur für Dorothee die größte Höhe, die sie zu Fuß bisher erreicht hat, sondern auch für mich. Mein höchster zu Fuß erstiegener Gipfel war mit 3995m der Ortler in den italienischen Alpen. Hier haben wir allerdings gerade mal die Baumgrenze überschritten, wo immer noch Rhododendron gedeiht. Uns geht es ausgezeichnet mit der Höhe und wir empfinden bis hierher keinerlei Symptome einer mangelnden Höhenanpassung.
Während unseres Rückweges zum Kloster treffen wir auf Gudrun und Christoph mit Chicring, die mit Bir Sing auch noch etwas weiter aufsteigen. Wir suchen in Tengboche die Lodge an der Passhöhe auf. Bald treffen alle auf ein Heißgetränk in der warmen Gaststube ein. Während Bir Sing auch mit Gudrun und Christoph dem Kloster einen Besuch abstattet, beobachten wir auf dem Gelände des Klosters das Treiben um die Einweihung einer neuen Stupa, an der von den Mönchen noch letzte Hand angelegt wird.
Zusammen steigen wir die 725 Höhenmeter hinab zur Hängebrücke am Dud Koshi, von wo es etwa 200 Höhenmeter hinauf zur Lodge in Tashinga geht. Wir richten uns im gleichen gemütlichen Zimmer wie vor zwei Tagen ein und genießen ein weiteres Mal die Gastfreundschaft und den tollen Service beim Abendessen. Mich treibt es noch einmal am frühen Morgen vor das Haus, da ich durch das Fenster einen unglaublichen Sternenhimmel wahrnehme. In stockdusterer Nacht kämpfe ich damit, dem neu erworbenen Weitwinkel den Autofokus abzuschalten, was mir aber nicht gelingt. Dies schmälert zusammen mit durchziehenden Wolken leider die Ausbeute an gelungenen Bildern. Bei der geringen „Lichtverschmutzung“ in dieser Gegend ist der klare Nachthimmel auf über 3000 Metern ein besonderes Naturerlebnis.
Am Mittwochmorgen scheint die Sonne und die wunderschöne Lage der Lodge, die auf einem terrassenförmigen Plateau, umgeben von Feldern liegt, fällt heute besonders ins Auge. Rundherum die weißen Gipfel von Sechstausendern, wie Tabuche 6367m in nördlicher Richtung, Kangtega 6783m und Thamersku 6623m südöstlich quasi gegenüber des Dudh Koshi-Tals, nordöstlich Ama Dablam 6814m und südwestlich talauswärts Richtung Namche der Kongde Ri 6187m.
Die Sonne lässt die Landschaft heute erstrahlen und Rhododendron-Sträucher öffnen ihre Blütenpracht. Es ist heute zunächst „Easy Going“ auf dem breiten Panoramaweg angesagt, der unterhalb des Weges verläuft, den wir auf dem Hinweg über Khumjung nach Tashinga gegangen sind. Das sich mehr und mehr öffnende Panorama, in dem sich heute auch Lhotse und Everest noch einmal die Ehre geben, lässt uns immer wieder zurückblicken und Fotostopps einlegen. Schöne Motive liefern die am Weg liegenden Stupas mit den bunten, im Wind wehenden Gebetsfahnen vor dieser einzigartigen Kulisse. Tief unter uns können wir die Hillary-Brücke sehen, die wir heute noch auf unserem Abstieg bis Monjo überschreiten werden.
Es sind viele Hubschrauber unterwegs, was nach kurzer Internetrecherche auch nicht ganz unkritisch gesehen wird. Es sind leider nicht nur notwendige Flüge, sondern auch Flüge die gegen Bares einen fragwürdigen Massentourismus bedienen. Mittlerweile gibt es wohl im Everest-Basislager mehrere Landeplätze. Der Spirit des unter dem Schutz der UNESCO stehenden Nationalparks scheint da wohl auch Geschäftsinteressen nachzustehen. Gegen die Bilder einsamer Gipfelsiege der Pioniere aus früheren Tagen stehen heute die Bilder von Menschenschlangen am Everest-Gipfel. Über 20 Expeditionen befinden sich teilweise zeitgleich im Basislager. Auf unserem Weg treffen wir auch auf seltsame Spielarten des Everest-Tourismus wie zum Beispiel eine Dame, die sich Selfie-filmend hoch zu Ross über den Panoramaweg führen lässt.
Wir legen eine Mittagspause in unserer Lodge in Namche Bazar ein und steigen danach weiter steil hinab zur Hillary-Bridge über den Dudh Koshi. Oberhalb von Monjo muss Bir Sing uns beim Verlassen des Nationalparks an der Kontrollstelle offiziell wieder abmelden. Am späten Nachmittag erreichen wir die Summit-Lodge in Monjo, wo man uns ja auch bereits kennt und wieder sehr freundlich aufnimmt. Bereits mehrfach habe ich die tollen Sachen aus der Küche erwähnt, die wir hier und auf allen anderen Lodges erhalten haben. Der Umgang mit Gewürzen, Knoblauch, Curry, Ingwer, aber auch Chili hat uns zu Fans der nepalesisch-tibetanischen Küche gemacht.
Mit Omelette Masala, Kartoffeln, Gemüse, Würstchen, Müsli und Toast fängt auch der Donnerstag gut an. Wir gehen heute nur einen Teil der im Aufstieg gegangenen Route, denn Bir Sing möchte eine Variante einbauen, die uns abseits des Hauptweges über ein weiteres buddhistisches Kloster führt. Zunächst folgen wir aber der Aufstiegsroute, auf der heute außergewöhnlich viel los ist. Auf den Hängebrücken kommt es regelrecht zu Staus. Der Grund dafür sind wohlmöglich ausgefallene Flüge in Lukla, eine Frage die für uns am Samstag im Mittelpunkt stehen wird.
In Bengkar trinken wir ungeplant einen Tee in einem Restaurant, in dem eine buddhistische Zeremonie zum neuen Sherpa-Jahr abgehalten wird. Mit beschwörendem Gesang, unterstützt von Trommel, Zimbeln und dem Blasen auf einer Muschel wird dem Haus und seinen Bewohnern wohl der Segen für das neue Jahr erteilt. Im Außenbereich entfacht einer der Mönche ein stark rauchendes Feuer.
Langsam füllt sich das enge Tal mit Wolken auf dem weiteren Abstieg über Toc-Toc. In Zamphuti 2700m zweigen wir ab zum Aufstieg über Gumela zum oberhalb gelegenen Shree Pema Choling Kloster. Zwei junge Mönche kicken in der Vorhalle Fußball. Wir besuchen den verwaisten Gebetsraum, der extra für uns aufgeschlossen wird. Möglicherweise sind auch die hiesigen Mönche auf Visite in Khumjung.
Seit dem Verlassen des Klosters werden wir von einem Hund begleitet. Es regnet nun leicht auf unserem Weg über das Dorf Sano Gumela, wo wir auf nette Kinder treffen. An Häusern mit etwas Landwirtschaft, an einer Stupa und an Mani-Mauern vorbei, führt uns unser Weg zu einer alten Schule. In Phakding wechseln wir über die Hängebrücke an das linke Ufer des Milchflusses. Unserem treuen Hundebegleiter gelingt das nicht. Am gegenüberliegenden Brückenkopf wird er gleich von einer ganzen Hundebande erwartet, die ihm unmissverständlich zu verstehen gibt: „Hier kommst Du nicht durch!“ Der arme Kerl trottet daraufhin mit geneigtem Haupt zurück.
Direkt hinter der Brücke essen wir im Restaurant eine leckere scharfe Nudelsuppe. Wir haben heute auf dem Weg einen Strauch gesehen, der ein besonderes Gewürz hervorbringt. Es ist Timbur, ein Gewürz das bei uns als Timut-Pfeffer bekannt ist. Die Wirtin präsentiert uns die getrockneten Fruchtschalen aus ihrer Küche. Ich probiere etwas davon und mit einer kurzen Latenz bin ich sehr überrascht von der seltsam betäubenden Schärfe des auch als nepalesischer Sezuan-Pfeffer bekannten Würzmittels.
Direkt gegenüber befindet sich unser heutiges Nachtquartier, die ehemalige Yeti-Lodge in Phakding, zu der wir rasch hinübereilen, da es jetzt anfängt zu regnen. Wir werden mit heißen Tüchern für die Hände und heißem Tee mit Gebäck willkommen geheißen. Die Lodge wirkt äußerst stylisch und wir haben ein schönes Zimmer im Nebengebäude, die Dusche ist absolut angenehm. Um 17:30h treffen wir Bir Sing in der gut geheizten Lobby zur Happy Hour. Christoph und Gudrun gesellen sich zum Abendessen zu uns.
Wir sind mit einer anderen Gruppe heute die einzigen Gäste. Der gesamte Pavillon mit dem Speisesaal liegt auf einem Felsen über dem Dudh Koshi und gewährt freien Ausblick nach draußen durch die großen Fensterfronten. Es wird ein wunderbares Vier-Gang-Menü serviert, die Tische sind um einen zentralen offenen Kamin angeordnet- leider wird der Raum heute elektrisch beheizt. Vom Fass gibt es hier Khumbu-Kölsch aus der Sherpa-Brauerei. Die ehemalige Yeti-Lodge gehört heute zur Kette der „Mountain Lodges of Nepal“
Am Freitag beginnt nach dem Frühstück für uns die letzte Etappe unseres Trekkings zurück nach Lukla. Das erste Abenteuer beginnt direkt an der Lodge beim Abmarsch um 09:20h, wo uns eine Hängebrücke auf Uferniveau über den Dudh Koshi bringen soll. Die Konstruktion besteht aus betagtem rostigen Eisen, aber was soll’s- mit gutem Karma und ohne TÜV- Zertifikat gelingt allen die Flussquerung zum anderen Ufer, wo Bir mit uns eine weitere ruhige Variante zum Hauptweg einschlägt. An traditionellen Wohnhäusern vorbei laufen wir entlang von Feldern, auf denen Getreide, Kartoffeln und Kohlköpfe gedeihen. Es gibt keine Kanalisation und auf dem Land wird alles kompostiert, so werden traditionell auch die menschlichen Exkremente in der sogenannten Grastoilette mit kompostiert und später als Dünger verwendet.
Bevor wir bei Ghat über eine Hängebrücke zurück auf den Hauptweg gelangen passieren wir noch einmal eine lange Mani-Mauer. Wir sind bis auf eine Höhe von etwa 2550m abgestiegen, nun beginnt der Schlussanstieg nach Lukla. Eine Trinkpause machen wir auf einer Terrasse am Green-View Point, von wo wir den Verlauf des Dudh Koshi bis zurück zu unserer Lodge in Phakding einsehen können. Das Wetter trübt sich zunehmend ein. In Cheplung macht uns der Himalayan Sherpa-Coffee-Shop neugierig. In der kleinen Hütte steht eine Röstmaschine, in der hier auf 2700m nepalesischer Kaffee geröstet wird. Der Espresso aus der italienischen Siebträgermaschine ist stark, aromatisch und überzeugend. Etwas davon nehmen wir mit nach Hause.
Wir nähern uns Lukla und Bir Sing erledigt die letzten Formalitäten am Kontrollpunkt am Pasang Lhamu-Gate, wo wir die ersten Häuser von Lukla erreichen. Hier machen wir alle zusammen unser offizielles Finisher-Foto. Durch das Treiben Luklas hindurch und am heute Nachmittag verwaisten Flughafen vorbei erreichen wir unsere Summit-Lodge, in der unsere Tour mit einem Frühstück vor acht Tagen begonnen hat. Vor dem Chill-Out werden wir mit Plätzchen und Tee versorgt.
Nach unserem heutigen Abendessen gesellen sich unsere beiden guten Träger Chicring Sherpa und Harka Khem zu uns. Die Beiden wohnen, wie es üblich ist nicht mit uns und Bir Sing in der Lodge. Die Träger bleiben eher unter sich und haben ihre eigenen Unterkünfte, in denen sie sich versorgen und schlafen. Wir haben den Beiden in den letzten acht Tagen nicht nur das komfortable Gewicht unseres Rucksacks zu verdanken und so ist auch eine offizielle Verabschiedung nicht nur üblich, sondern Ehrensache. Zum Nachtisch hat uns die Lodge eine Fare-Well-Torte serviert, die wir gemeinsam essen. Ehrensache ist es auch unseren Dank an die Beiden in Form eines guten Trinkgeldes für die erbrachten Dienste zu besiegeln.
Wir sitzen noch eine Weile zusammen am Ofen im gemütlichen Gastraum. Dorothee wird von einem alleireisenden Herrn aus dem Libanon um Hilfe gebeten. Nach Problemen mit Drehschwindel beklagt er akut Herzrasen und Unruhe. Mit diesen auf 4000 Höhenmetern empfundenen Beschwerden hat er eine Rückholung nach Lukla per Hubschrauber organisiert, nicht ohne mit dem Piloten noch einen Rundflug über das Everest-Basislager 5300m zu machen- für mich irgendwie völlig irre!!
Bedrohliche Herzrhythmusstörungen lassen sich rasch ausschließen, glücklicherweise löst sich das Ganze als offensichtlich psychosomatisches Problem auf. Die Frage des Abends für uns ist, ob wir morgen Lukla verlassen können, denn seit 2 Tagen ist der Flugbetrieb ausgesetzt. Die Alternative, von der einige Reisende Gebrauch machen ist ein Hubschrauberflug, der bei Sichteinschränkung eher möglich ist als mit dem Flugzeug. Der Aufpreis läge in diesem Fall pro Person bei etwa 500 USD. Ich sehe in der Nacht nur verhangene Sterne und schlafe unruhig.
Am Sonntag stehen wir mit dem Wecker um 04:45h auf und ich sehe draußen im Garten Bir Sing, der mir mit dem nach oben gerichteten Daumen signalisiert, dass er davon ausgeht das alles nach Plan läuft. Wir haben ein letztes herrliches Lodge-Frühstück und gehen um 6:30h zum gegenüberliegenden Terminal des Flughafens. Auf dem beengten Vorplatz mit seinen 4 Stellplätzen treffen die ersten Maschinen ein. Normalerweise werden in Lukla erst die Rückflüge gebuchter Zeitslots erledigt. Heute ist aber erst eine Gruppe von gestern am Start. Einige Maschinen der Summit- und Sita-Air starten und landen bis wir zum Boarding unseres Tara- Fluges gebeten werden.
Ich habe Glück und den Platz vorne rechts hinter dem Cockpit. Der Vorhang bleibt offen und bietet Potential für Foto und Film. Wir landen nach dem kurzen Flug sicher in Ramechap. Ein neuer Fahrer wartet auf uns mit dem Kleinbus, aus dem wir diesmal die spannende Bergstrecke oberhalb des Tamakoshi und Sunkoshi nach Mulkot bei Tageslicht erleben. Die Mittagspause legen wir wieder in der Momo-Factory ein. Der Fahrer wählt wegen einer Baustelle eine nördliche Variante mit kleinen Straßen über Bhaktapur nach Kathmandu.
Gegen 15:00h sind wir zurück im Hotel Malla und haben hier noch den heutigen und morgigen Tag zur Verfügung. Um 17:30h erwarten wir Santosh Giri, mit dem wir uns zum Kaffee verabredet haben. Eine Weile sitzen wir im Hotelgarten zusammen, wo heute eine Hochzeit gefeiert wird. Am Abend suche ich mit Doro das Gartenrestaurant Dechengling-Garden in Thamel auf. Es ist recht heiß in Kathmandu mit tagsüber 30 Grad- ein echt tropisches Kontrastprogramm zur letzten Woche.
Am Sonntag frühstücken wir zusammen mit Gudrun und Christoph im Hotelgarten, der eine schöne Ruheoase in der hektischen Hauptstadt ist. Wir organisieren unser Reisegepäck für den morgigen Rückflug und machen uns auf den Weg zum neuen Königspalast. Der Zutritt erfordert sowohl die Kamera, als auch das Handy in einem Schrank zu verschließen. Da wir bei den tropischen Temperaturen eigentlich gar keine Lust haben das Museum zu besuchen, ändern wir unseren Plan. Wir suchen eine weitere Großstadtoase auf und wechseln zum >Garden of Dreams<. Hier verbringen wir ein paar Stunden auf schattigen Bänken und im Café.
Wir haben einige Sehenswürdigkeiten Kathmandus und der anderen Königsstädte im letzten Jahr bereits mit Santosh Giri besucht. Gudrun und Christoph besuchen die Stupa von Bodnath. Wir belassen es heute einfach bei dem Besuch des schönen Gartens, in dem wir Streifenhörnchen beobachten und uns die Pflanzen des gepflegten Gartens anschauen. Wir shoppen noch ein paar Sachen wie Gewürze, Tee, einen Local-Whiskey und begeben uns auf unser Zimmer zu einem Mittagsschlaf.
Um 18:00h treffen wir uns mit Bir Sing, den Mitreisenden und Pasang Lhamu vom Summit Club in der Lobby. Wir begeben uns zum nahen Restaurant Nepali Ghar zu unserem Abschiedsessen. Es gibt als ersten Gang traditionell tibetanisches Gyakok, gefolgt von verschiedenen nepalesischen Spezialitäten. Überraschung!- Christoph hat heute Geburtstag, seinen kleinen Geburtstagskuchen zum Nachtisch teilt er mit uns. Es ist ein schöner Abend, bei dem die Summit-Touren Gesprächsstoff liefern und bei dem wir natürlich auch Bir Sing für die großartige Woche im Sagarmatha-Nationalpark danken. Wir haben viele Einblicke in seine Heimat, seine Kultur und Religion von ihm erhalten.
Wir erfahren auch, dass Vater und Tochter aus Hamburg den Traum vom Island- Peak aufgeben mussten, da die Tochter nach dem ersten Aufstieg über 5000m schwer höhenkrank geworden ist und in der Klinik behandelt werden muss. Bir hat uns für seine Tochter in München ein Paket mit ihren nepalesischen Lieblingsnudeln mitgegeben, das wir mit Christoph und Gudrun noch aufteilen. Die Beiden hängen noch ein paar Tage in Pokhara an, und so verabschieden wir uns nach dem Austausch unserer Kontaktdaten.
Der Wecker steht auf 03:30h. Bir Sing holt uns um 04:30h ab und bei der nächtlichen Fahrt zum Flughafen erleben wir die Straßen Kathmandus mit wenig Verkehr. Eine junge Frau, die auf der Annapurna-Runde unterwegs war ist mit uns im Auto. Am Flughafen ist es recht voll und unser treuer Guide Bir Sing begleitet uns noch bis zum Check-In. Beim Security müssen wir ihm dann „Good Bye“ sagen. Unsere Heimat ist auch Bir nicht ganz fremd, denn er hat in Süddeutschland einen Freund, den er vor Jahren besucht hat und seine Tochter lebt und studiert in München. Das Boarding läuft relativ pünktlich. Der Luftraum über Kathmandu ist sehr voll und zahlreiche Starts- und Landungen müssen abgewartet werden, bis auch wir das Gate verlassen. Mit fast einer Stunde Verspätung hebt der Airbus A330 zu seinem Flug nach Istanbul ab.
Entlang des Himalaya-Hauptkammes nach Westen haben wir diesmal oberhalb des bodennahen Nebels einen prachtvollen Blick auf die hohen Gipfel, allen voran die Annapurna-Range. Der verspätete Abflug führt zu einer relativ knappen Zeitspanne beim Umsteigen in den Flieger nach Düsseldorf. Den gefühlten Halbmarathon in dem gigantischen Gebäude über den erneuten Transfer-Security-Check am anderen Ende und zurück zu unserem Abfluggate schaffen wir mit dem „Last Call“ im bereits laufenden Boarding.
Wir landen recht pünktlich auf unserem Heimatflughafen und stellen uns in Sichtweite des Gepäckbandes auf, das die üblichen Spezialisten bereits bestens abgeriegelt haben. Auch als die Reihen sich lichten zeigen sich unsere Taschen bis zum Abschalten des leeren Bandes nicht. Der „Lost & Found“ Schalter nimmt diese Tatsache zu Protokoll und erteilt uns eine Referenznummer, die bei der Fluggesellschaft tagelang mit dem Vermerk „Verbleib unklar“ deklariert bleibt. Über angebrachte Barcodes und Adressen sollte dem Geschädigten doch zeitnah irgendein Hinweis zum Verbleib seiner Sachen zu Teil werden. Die Möglichkeit einer telefonischen Nachfrage besteht ausdrücklich nicht. Wir rechnen bereits mit einem Totalverlust und erstellen eine Liste mit dem Inhalt unserer Taschen.
Drei Tage nach unserer Ankunft in Düsseldorf klingelt es am späteren Abend und ein Kurier steht ohne Ankündigung mit unserem Gepäck vor der Tür. Ist das vielleicht die Sendung „Verstehen Sie Spaß?“- Nein!- es ist Realsatire, denn den Telefonkontakt des Kuriers erhalten wir am nächsten Tag. Ob wir drei Tage lang Opfer einer künstlichen Intelligenz, oder abhanden gekommener natürlicher Intelligenz waren, lässt sich wohl nicht mehr klären. Am Ende haben wir unseren Kram zurück, wofür wir dann doch dankbar sind.
All das ändert nichts daran, dass wir von einem großartigen Trip zurück sind, bei dem wir erneut Land und Leute Nepals kennen und lieben gelernt haben. Es war eine tolle Zeit mit unseren Mitreisenden Gudrun und Christoph, unserem Guide Bir Sing Tamang und unseren Trägern Chicring Sherpa und Harka Khem. Danke auch an Pasang Lhamu Sherpa vom Summit Club und den vielen guten Leuten auf den Lodges und in den Hotels in denen wir zu Gast waren. Wir haben uns bei Euch Allen bestens aufgehoben gefühlt. Der Besuch des Sagarmatha-Nationalparks und die höchsten Berge dieser Erde mit eigenen Augen zu sehen ist absolut ein bleibendes Erlebnis. Gerne wären wir hier länger unterwegs gewesen.
Wir kommen einfach noch einmal wieder…- denn alles ist möglich!
Arnd Korbmacher
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