2024 Eifelspuren- Westwall- Hollerather Knie

Eifelspuren- Westwall- Hollerather Knie 2024

Das für uns tolle Reisejahr 2024 neigt sich Mitte November dem Ende zu. Langsam kehrt mit fallenden Temperaturen so etwas wie Winter auf den Höhen ein. Die Bäume haben ihr Laub abgeworfen und am trocken gemeldeten Samstag wollen wir für einen Ausflug in die Eifel mal wieder die Wanderstiefel schnüren. Dorothee hat eine etwa 14 Kilometer lange Runde rausgesucht, die uns in die dunkle Vergangenheit des zweiten Weltkriegs führt.

Eifelspur- Westwall
Eifelspur- Westwall

Am Vormittag erreichen wir den Wanderparkplatz Hollerather Knie an der belgischen Grenze südlich von Monschau. Wir treffen hier auf die Panzersperren und Bunker der ehemaligen „Siegfriedlinie“, die als Westwall über 630 Kilometer zwischen Kleve und Basel die West- Grenze des Deutschen Reiches sichern sollte. Mit dem D-Day am 6. Juni 1944, dem ersten Tag der Operation „Overlord“ begann die Befreiungsoffensive der Anti-Hitler Koalition gegen Nazi-Deutschland in der Normandie.

Höckerlinie am Parkplatz Hollerather Knie
Höckerlinie am Parkplatz Hollerather Knie

Eine deutsche Gegenoffensive mit dem Namen „Wacht am Rhein“ begann am 16.Dezember 1944 als letzter Versuch die vorrückenden alliierten Truppen zurückzuwerfen. Ziel war es den Hafen von Antwerpen als wichtigen Nachschubweg zurückzuerobern. Der zunächst erfolgreiche Vorstoß der deutschen Truppen konnte nach der größten Landschlacht des zweiten Weltkriegs abgewendet werden. Mit 20000 gefallenen Soldaten der US-Army war die „Battle oft the Bulge“ die blutigste Schlacht des zweiten Weltkriegs für die amerikanischen Truppen.

Spurensuche in der Eifel
Spurensuche in der Eifel

Hier am Hollerather Knie begann für die 277. Volksgrenadierdivision der Vormarsch durch die verschneiten Wälder nach Westen. Auf der Seite der US-Army kämpfte hier die 99. US-Infanteriedivision. Bereits nach 6 Wochen Ende Januar war hier in Hollerath die Ausgangssituation wieder hergestellt und das Dorf Hollerath dem Erdboden gleich gemacht. Die verlustreichen Kämpfe der Ardennenoffensive leiteten das Ende des Krieges ein. Ein ganzes Volk folgte den Großmachtsfantasien eines Psychopathen in den „totalen Krieg“. Die Welt und Deutschland haben dafür einen hohen Preis bezahlt. Der Horror endete mit der Kapitulation am 8. Mai 1945.

Waldpilz
Waldpilz

Entlang der vermoosten Panzersperren, die nun seit fast 80 Jahren als Mahnmal an die damaligen Ereignisse in der Landschaft stehen beginnen wir unsere Wanderung in nördlicher Richtung. Es ist ganz schön frisch und Mütze und Handschuhe sind durchaus angenehm. Die 80 Zentimeter hohen Betonhöcker wurden 1938 vierzügig gebaut und 1939 noch einmal durch eine fünfzügige Beton-Sperre mit bis zu 150 Zentimeter Höhe ergänzt. Mit einem Projekt des Kölner Künstlers Dr. Ralf Peters wurden 2016 die Betonflächen der Höcker mit Zeilen des Spätwerks des Philosophen Immanuel Kant „Zum Ewigen Frieden“ (1795) in Stencil-Schablonenschrift beschriftet.

Kunstprojekt "Zum Ewigen Frieden"
Kunstprojekt „Zum Ewigen Frieden“

Die Betonhöcker zwischen den Bäumen wirken etwas gespenstig, immer wieder weisen Tafeln auf die Reste der damaligen Kriegs-Infrastruktur wie MG- Stellungen und Bunkeranlagen hin. Reste der hiesigen „Vor-Stellung Aachen“ finden sich überall im Wald. Wir suchen eine der gesprengten Bunkeranlagen abseits des Weges auf. Das Grün der Natur hat die mächtigen Stahlbetonkonstruktionen bereits zum Teil zurückerobert. In Betonhöhlen haben sich Tropfsteine gebildet, wie Würmer ragen die rostigen Moniereisen aus den alten Bollwerken. Eine friedliche Stille beherrscht das Szenario hier in den Wäldern, wo damals unzählige Soldaten im Schlachtengetöse den Tod fanden.

Gesprengter Bunker an der Siegfriedlinie
Gesprengter Bunker an der Siegfriedlinie

Wir treffen heute nur auf wenige Wanderer und genießen es mit ein paar Streckenkilometern die Lungen mal wieder mit frischer Waldluft zu füllen. Auf einer Bank essen wir unsere mitgebrachte Brotzeit. Westlich von Hollerath treffen wir auf ein Bruchstein-Mauerwerk, das nichts mit den Bauwerken des Westwalls zu tun hat. Es ist der Schanzentisch der Adolf Hitler Ski-Sprungschanze des Kölner Wintersportvereins von 1934. Der hölzerne Anlaufturm von 18 Metern Höhe und 90 Metern Länge wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Der Schanzenrekord lag 1938 bei immerhin 42,5 Metern. Nach dem Krieg wurde 1953 eine kleinere Schanze mit Absprung am Waldweg genutzt. Beim Blick in den extrem steil abfallenden Hang ziehe ich meinen Hut vor den damaligen Athleten.

"Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt"- Ruinen der Nazi- Großmachtsfantasien
„Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“- Ruinen der Nazi- Großmachtsfantasien

Leider bleibt die prophezeite Sonne heute hinter den Wolken und an der östlich des Parkplatzes am Hollerather Knie verlaufenden Schleife unserer Runde erreichen wir den beschaulichen Ort Hollerath. Den gefallenen Soldaten Holleraths wird neben der zerstörten Glocke der Kirche gedacht. Sonst erinnert nicht mehr viel an den Wahnsinn, den die Welt zweimal ertragen musste, bis es die Länder geschafft haben sich als Europa neu aufzustellen. Wir haben seitdem dem Imperialismus den Rücken gekehrt und darauf gehofft die großen Fragen der Menschheit als Europa mit der Welt gemeinsam stemmen zu können.

Ski- Sprungschanze bei Hollerath in der NS- und Nachkriegszeit
Ski- Sprungschanze bei Hollerath in der NS- und Nachkriegszeit

Innere und äußere Kräfte gefährden zunehmend den Zusammenhalt Europas und damit den im nächsten Jahr 80 Jahre währenden Frieden. Seit fast 3 Jahren greift Russland die Ukraine, den potentiellen EU-Beitrittskandidaten völkerrechtswidrig an und befeuert damit eine erneute Aufrüstungsspirale. Ein Flächenbrand droht im nahen und mittleren Osten. Mit nationalen Entwicklungen einiger EU- Mitgliedsstaaten verschaffen sich antidemokratische Kräfte zunehmend Gehör. In unserem eigenen Land hat sich eine Partei als Tummelplatz von Nazis wieder als zweitgrößte politische Kraft beim Wähler etabliert. Ruft der mündige Wähler mit stoischen Geschrei „Merkel muss weg- Ampel muss weg“ tatsächlich wieder nach einer starken Hand? Mit reinem Populismus an die Macht- 1933 hatten wir das- das Ergebnis ist hinlänglich bekannt und endete in einer der größten Katastrophen der Weltgeschichte.

Hollerath- Die zerstörte Kirchenglocke mit Gedenktafel
Hollerath- Die zerstörte Kirchenglocke mit Gedenktafel

Gerade hat Amerika, eine der ältesten Demokratien der Welt gewählt und der Ausgang dieser Wahl wird nicht nur in Europa mit Sorge beobachtet. Mit dem Slogan „America first“ und „Make America great again“ will der nun zum zweiten Mal antretende Präsident der Vereinigten Staaten weiter Verträge aufkündigen, die mühsam auf diplomatischen Parkett erarbeitet wurden. Der Lügner und Erfinder der „Fake-News“ wird nun mehr als je zuvor seine narzisstischen Phantasien befriedigen. Populismus hat auch bei den Wählern unseres „Big Brother“ bestens funktioniert. Eine demokratische Staatsanwältin hatte da als dunkelhäutige Frau keine Chance gegen den „Best President ever“.- Vier Jahre lang werden uns nun die Kapriolen eines Egozentrikers in Atem halten, der sich wie in seiner ersten Amtszeit die Welt macht wie es ihm gefällt.

Kahle Herbst-Eiche am Weg
Kahle Herbst-Eiche am Weg

Was auch immer die Zukunft Europa und der Welt bringen wird, letztlich hat es der Wähler bei demokratischen Wahlen selbst in der Hand den Planeten vor Despoten und einem erneuten Inferno zu bewahren. In einer Demokratie in Frieden und Freiheit leben zu dürfen ist bei allen Problemen in unserem Land und in Europa ein hohes und schützenswertes Gut. Also- Wehret den Anfängen!….

Unterwegs an einem Novembertag- Arnd & Doro
Unterwegs an einem Novembertag- Arnd & Doro

Nach unserer Runde am Hollerather Knie fahren wir mit diesen Gedanken zurück nach Hause. Im Frühjahr wäre hier noch mal ein Besuch des Naturschutzgebietes Oleftal mit der Narzissenwiese im Hinterkopf zu behalten.

A. Korbmacher

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