Maas- Radweg 2025-2026 Etappe 05
Das Ende der 4. Etappe des Maas- Radweges, den wir seit Herbst 2023 entlang der Maas von Maastricht befahren, haben wir vor 2 Wochen in Venlo erreicht. So haben wir mit diesem Wochenend- Projekt mittendrin gestartet und jedes Mal mehr Lust bekommen die Maas komplett von ihrer Quelle bei Langres im Nordosten Frankreichs bis zur Mündung in Rotterdam auf der Maasroute zu bereisen. In 8 Etappen begleitet der auch als Euro Velo 19 gelistete Radweg den Lauf des Flusses durch die abwechslungsreichen Landschaften Frankreichs, Belgiens und der Niederlande. Wir sind dabei nicht auf Rekordjagd, sondern eher darauf ausgerichtet Interessantes rechts und links der Trasse zu erkunden. In der Planung wählen wir gerne einen Ausgangspunkt, von dem wir die eigentliche Maasroute von Süd nach Nord einbauen, so dass wir die 1050 Kilometer am Ende vermutlich mehr als verdoppeln werden.

Am Wochenende Ende Mai, Anfang Juni finden wir uns wieder in Broekhuizen ein, um den Maasradweg mit zwei Runden weiter bis nach Cujik voranzubringen. Der ausgewählte Parkplatz in Broekhuizen wird leider ab 18 Uhr am Abend abgesperrt, worauf uns Schilder und ein freundlicher Anwohner hinweisen. Möglicherweise erwartet man auf der dann gesperrten Straße wohl den Zieleinlauf eines Radrennens. Wir finden aber eine Möglichkeit unser Auto so an der Kirche zu parken, dass wir dem Ort bei zu später Rückkehr gegebenenfalls mit der Fähre entkommen und zu unserem gebuchten Hotel nach Oeffelt fahren zu können. Es liegt als ehemaliges Fährhaus ebenfalls direkt am Fluss und ist sowohl Basislager als auch Startpunkt für die Sonntagsrunde.

Nach den Vorbereitungsroutinen unserer Fahrräder geht es dann raus aus Broekhuizen. Entgegen der Wettervorhersage verschleiert eine dichte Hochnebelschicht die Sonne, die sich erst am Nachmittag die Ehre geben wird. Eigentlich ist hier in Holland ein wolkenloser Samstag und insgesamt auch ein trockenes Wochenende mit Temperaturen um die 20 Grad in Aussicht gestellt. Gewitter ploppen hier und da in der Wetterkarte auf und verschwinden wieder. Sollte ich wetten würde ich darauf tippen, dass es auch an der Maas am Nachmittag was geben könnte.

Linksmaasig stromabwärts verlassen wir Broekhuizen in nordwestlicher Richtung. Eine Autoikone steht am Straßenrand und erweckt mein Interesse. Es ist ein blauer Cadillac de Ville Coupé Baujahr 1970, V8 mit 7,7 Litern Hubraum und 375 PS Leistung. Der amerikanische Straßenkreuzer hat sehr viel Durst und ist ein Reptil, dessen Betrieb sich bezüglich Umwelt und Portemonnaie heute eher problematisch darstellt. Der Besitzer verrät mir, dass er das Gefährt auch auf Gasbetrieb umstellen kann. Das Auto steht auf jeden Fall für den „American Dream“.

Uns begleiten Kühe und Wasservögel bis zu unserem nächsten Haltepunkt an einer historischen Windmühle am Südrand von Bitterswijck, inmitten von Fischteichen an denen fleißig geangelt wird. Ein Stück weiter erinnert eine Klosterpforte an ein Kloster vom Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet des ehemaligen Kasteels von Bitterswijck. Wie viele andere historische Gebäude hier an der Maas fielen auch das Kloster und die Kirche von Bitterswijck im November 1944 dem Befreiungskrieg beim Vormarsch der Alliierten zum Opfer.

Mit der Fähre von Bitterswijck nach Wellerlooi setzen wir an das rechte Ufer über. Es gibt Hinweise auf einen Fährverkehr an dieser Stelle seit 1442. Die Überfahrten mit den Fähren, wie dieser kleinen Fahrrad- und Fußgängerfähre sind immer wieder eine preisgünstige und willkommene Unterbrechung, die einen Perspektivwechsel vom Wasser auf die Maas und das Ufer bietet. Kaum haben wir das Ufer gewechselt zieht ein großes Containerschiff an uns vorbei.

Eine Tafel erinnert an den Absturz eines B-17 Bombers der USAF am 8. November 1944. Der Pilot Gerald J.Duffy befahl nach Flakbeschuss und Ausfall der Triebwerke seiner Mannschaft abzuspringen. Der Befehl rettete der Besatzung, die in Kriegsgefangenschaft geriet das Leben. Er selbst starb beim Absturz der Maschine hier bei Bitterswijck und liegt heute auf einem belgischen Soldatenfriedhof begraben.

Maasabwärts kommen wir in Well an einen bekannten Ort, wo wir im September 2020 mit Doros Schwester Stefanie und Tochter Anne schon einmal zu Gast waren. Es ist das Restaurant „Brienen aan de Maas“, in das uns Stefanie damals eingeladen hat. Von René Brienens Kochkunst durften wir uns bei diesem Besuch überzeugen- toll was wir damals auf dem Tellerchen hatten. Besonders der Bitterballen vom Sternekoch ist mir in Erinnerung geblieben. Wie wir nun hören hat der Maître seinen Stern abgegeben und bietet keine Küche mehr am Abend an- schade!- sonst hätten wir hier gerne noch einmal zu Abend gegessen. Nun wollen wir aber erst einmal die Pedale betätigen und unsere Runde ein Stück voranbringen.

In Well sind wir bereits auf dem Gebiet der Maasdünen unterwegs. An einer historischen Schleuse in der Bosserheide fahren wir an einem Blumenfeld mit Pfingstrosen in verschiedenen Farben vorbei nach Aijen, wo wir an der hübschen St. Antoniuskapelle von 1663 halten. Auch hier hat die Entscheidungsschlacht zur Befreiung der Welt von Nazi- Deutschland Tod und Verwüstung gebracht. Wir erreichen mit der Fähre in Oud- Bergen nach Vierlingsbeek unseren heutigen nördlichen Umkehrpunkt. Diese Fähre kann bis zu 70 Tonnen Ladung aufnehmen, so kann auch ein tonnenschwerer Traktor mit uns das Ufer wechseln.

Es fährt sich weg über Maashees, Geijsteren und Wannssum flussaufwärts zur kleinen Fietsenfähre, mit der wir noch einmal von Bitterswijck nach Wellerlooi übersetzen, um weiter rechts der Maas an einen futuristischen Aussichtsturm zu gelangen, der uns schon am Vormittag ins Auge gefallen ist. Mittlerweile hat sich die Sonne zunehmend gegen die Bewölkung durchgesetzt. Ich laufe hinauf und es breitet sich ein lohnendes Maas- Panorama von Venlo im Süden bis weit nach Norden vor mir aus. Ich genieße das einen Moment bis ich mich an den Abstieg mache.

Doro hat einen riesigen Kirschbaum entdeckt, mit einer großen Last an rot leuchtenden reifen Kirschen. Für Anfang Juni sind die Früchte schon sehr süß und saftig und sicher schon bald erntereif. Ein Stück fahren wir durch ein Waldgebiet des Nationalparks Maasdünen. Jetzt ist es in der Sonne ein absoluter Traum die herrliche Frühlingslandschaft zu durchfahren. In wilden Wiesen stehen die Blumen in den allerlei Farben, wobei der blutrote Klatschmohn hervorsticht. Auch der Fingerhut macht sich gut im Unterholz des Laubwaldes.

Wir kehren am Nachmittag mit der letzten Fährfahrt für heute nach Broekhuizen zurück, wo die Barrieren für die geplante Absperrung bereits vorbereitet sind. Wir können den Ort nach dem Verladen der Räder noch stressfrei über den Landweg verlassen. Wir fahren nach Oeffelt, wo wir direkt an der Maas unser Zimmer mit Panoramablick beziehen.

Vor dem Essen trinken wir noch ein leckeres Leffe Blonde vom Fass in der Nachmittagssonne. Schiffe ziehen stromauf- und stromabwärts an uns vorbei. Ein wohliges Gefühl der Entspannung rückt den Alltagskram beiseite und das Leben in den Fokus. Ein sehr günstiges und köstliches Essen genießen wir auf der Terrasse mit Maasblick.

Später haben wir einen Logenplatz mit Blick Richtung Osten, wo sich in der Nacht fulminante Gewitter über NRW entladen, die mancherorts mit massiven Niederschlägen zu Überschwemmungen führen. Auch an der Maas bleiben wir nicht verschont, denn auch hier zieht eine beängstigende Gewitterzelle vorbei. Es funkt und blitzt im Sekundentakt. Wir blicken 2025 auf ein sehr niederschlagsarmes Frühjahr zurück. Warme Temperaturen bringen enorme Energien in die Atmosphäre, was uns zunehmend vor Herausforderungen stellen wird. Eine haarsträubende Meldung aus dem Schweizer Lötschental macht mich sprachlos. Der schwindende Permafrost in den Alpen hat hier zu einer gigantischen Eis- und Schuttlawine geführt, die Teile des frühzeitig evakuierten Bergdorfs Blatten bis 100 Meter hoch verschüttet hat.

Nach dem Frühstück geht es am Sonntag vom Hotel aus wieder in den Sattel. Direkt nebenan ist ein Stück Stahlgerüst der mit 1222 Meter längsten Bailey- Pontonbrücke des zweiten Weltkriegs ausgestellt. Mit 1126 Tonnen war die im Februar 1945 von der British Army errichtete Brücke ein technisches Meisterstück. Etwas südlich unseres Fährhauses wechseln wir über eine moderne Brücke auf die rechte Maasseite nach Gennep. In den Feldern stehen Storche, Reiher und sogar einen scheuen Fasan können wir beobachten. Mit Südkurs fahren wir bis nach Oud-Bergen, wo wir mit einer erneuten Fährüberfahrt den Lückenschluss zum gestrigen Ende der Maasroute in Vierlingsbeek tätigen. Hier verläuft die Maas zwischen den Provinzen Limburg und Nordbrabant.

Auf der Maasroute mit Nordkurs am linken Ufer heißt man uns nun in Nordbrabant willkommen und es folgt der Hinweis, dass wir auf der alten Römerstraße von Maastricht nach Nijmegen unterwegs sind. In diesem Teil zwischen Boxmeer und Cujik ist die Römerstraße als Via Valentiniana bezeichnet. Wir erreichen eine große Wehr- und Schleusenanlage in Sambeek, wo wir mehreren kleinen Booten bei der Schleusendurchfahrt zuschauen. Auf einer Tafel kann man sehen, dass der abfallende Höhenunterschied von der belgischen Grenze bis hierher durch eine Abfolge von 8 Schleusen für die Schifffahrt über 60 Höhenmeter reguliert wird.

Wir kommen nun noch einmal an unserem Hotel vorbei, was ganz praktisch ist, da wir am Morgen vergessen haben den Zimmerschlüssel abzugeben. Ein gesprengtes Bunker-Bollwerk am Weg war Teil der niederländischen Verteidigungslinie. Wir queren ein weiteres Mal die Straßenbrücke nach Gennep, wo wir jetzt dem Maasradweg am rechten Ufer nordwärts folgen. Dabei kommen wir in Gennep an einer Dampflokomotive vorbei, die an der Stelle des im Krieg zerstörten Bahnhofs ausgestellt ist. Die preußische Lokomotive der Baureihe 94 von 1924 erinnert an die ehemalige Boxteler Bahn, die als grenzüberschreitende Bahnverbindung von Boxtel nach Wesel führte.

Am hübschen Rathausplatz von Gennep vorbei verlassen wir den Ort in die Maasauen und erreichen an der Niersmündung einen historischen Ort, an dem bis vor mehr als 300 Jahren eine ummauerte Burg stand. Das Genneperhuis war eine Burg mit einer weitläufigen Befestigungsanlage und einem Grabensystem, von denen man im Gelände noch Reste erkennen kann. Als Schauplatz blutiger Schlachten im achtzigjährigen Krieg wurde die Burg von französischen Truppen 1672 gesprengt. Von der Aussichtskanzel auf den Mauerresten überblickt man den Fluss, wie auch schon die damaligen Burgherren. Wir machen an der Burg unsere Mittagspause und setzen bald unsere Tour fort.

Im nächsten Ort Middelaer stand auch eine Burg, auf deren Gelände sich heute ein Hof befindet. Burg Middelaer von 1375 fiel wie auch die Nachbarburg letztlich der Zerstörungswut Ludwigs XIV zwischen 1675-1679 zum Opfer. Bald fahren wir auf die Doppeltürme der großen Kirche von Cujik zu. Cujik blickt auf eine lange Geschichte seit den Kelten zurück. Mitte des 1. Jahrhunderts wurden die Römer mit dem Kastell Ceuclum hier ansässig. Die St. Martinuskirche wurde erst 1911 fertiggestellt, in einem Turm aus dem 15.Jahrhundert befindet sich ein Museum mit Exponaten aus der Römerzeit.

Nach insgesamt 113 Kilometern haben wir mit 2 Rundkursen an diesem Wochenende in Cujik den nördlichsten Punkt erreicht. Mit der Fähre wechseln wir nun wieder an das linke Ufer und nehmen Südkurs nach Oeffelt auf, nicht ohne vorher in dem kleinen Örtchen St. Agatha ein Weingut zu besuchen.

Dorothee hatte sich gestern im Hotel einen Wein bestellt, der verblüffend frisch und fruchtig mit feiner Säure über die Zunge ging. Wir treffen den Chef des Weinguts Marcel Peereboom bei der Arbeit an und erhalten Einlass. Leider ist der „St. Agatha“ von gestern schon aus. Wir probieren zwei andere aus dem Sortiment und nehmen etwas in den Fahrradtaschen mit nach Hause. Das Wijngaard de Daalgaard besteht bereits in 2. Generation seit 1991. Auf meine Frage an Marcel, ob sein soweit nördlich liegendes Weingut gut läuft, erhalte ich schmunzelnd die Antwort: „Immer besser!“

Am Kloster St.Agatha vorbei schließt sich die Runde am Fährhaus in Oeffelt, wo wir rasch unsere Räder am Auto verstauen. Wir entschließen uns vor unserer Heimfahrt hier noch etwas zu essen und bestellen unserem Hunger geschuldet reichlich von den köstlichen Sachen, wie ein Bitterballen- Sortiment. Mit gefülltem Bauch machen wir uns an die Rückfahrt und freuen uns darauf weiter nach Norden anzuschließen. Ende Juni haben wir aber erst einmal eine ganze Woche geplant, die wir im Quellgebiet bei Langres mit den Rädern auf der ersten Etappe des Maasradweges verbringen werden.

Nach einer recht freundlichen Woche Ende September mit einem goldenen Oktobertag am Donnerstag nähert sich am Tag der Deutschen Einheit am Freitag bereits ein Tiefdruckgebiet über den Britischen Inseln, das am Samstag recht unbehagliches Wetter mitbringt. Wir trotzen aber dieser Prognose und fahren am Freitagmorgen mit aufgeladenen Rädern wie geplant nach Holland, wo wir in Cujik am Ufer der Maas den Parkplatz in Nähe der Fähre aufsuchen. Von hier bauen wir mit einer Freitagsrunde die Maasroute weiter nach Norden bis Grave aus, wo wir über die Maas- Brücke das Ufer wechseln. Stromaufwärts kehren wir am rechten Ufer der Maas zurück nach Cujik, wo wir nach insgesamt 38,5 km mit der Fähre zum Auto am Startpunkt zurückzukehren.

Nördlich von Cujik befinden wir uns wieder auf der alten Römerstraße Richtung Nijmegen. Die Maasroute führt uns an einer Kirche vorbei, vor der ein Sequoia- Mammutbaum steht. Mitten im Industriegebiet in den Hafenanlagen von Cujik hat eine historische Windmühle die Zeiten überdauert. Im Ortsteil Linden stürzte am 17. September 1944 um 13:30h eine C47A-Skytrain ab, woran eine Gedenkstätte erinnert. Wir erreichen bald die hübsche Stadt Grave, wo wir auf dem Markt leckeres Gebäck kaufen. Unsere Mittagspause machen wir mit Blick auf die Maas. Kanonen erinnern an die ehemalige Festung der Stadt, die schon um 1250 Stadtrechte besaß. Grave war bereits 1285 ummauert und hatte nach Streitigkeiten der Herzogtümer Geldern und Brabant eine umkämpfte Geschichte mit wechselnden Besatzern.

Über die Maas- Brücke, die 1944 von Soldaten der 82. Airborne-Division heftig umkämpft war fahren wir zum rechten Ufer hinüber. Es ist kühl, bleibt aber weitestgehend trocken und nachdem wir an prallvollen Sträuchern dicke Schlehen geerntet haben, fahren wir entlang herbstlicher Felder bis Heumen an den Maas- Waalkanal, dem wir nun in südlicher Richtung bis zu seiner Abzweigung aus der Maas folgen. Bei Mook erreichen wir die nächste Gedenkstelle an einer Eisenbahnbrücke, die 1944 von deutschen Truppen gesprengt wurde. Eine Bailey-Bridge wurde hier von den „Royal Canadian Engeneers“ neben der zerstörten Brücke über eine Länge von 400 Metern errichtet. Von Mook ist es nun nicht mehr weit bis zu der Fähre mit der wir zu unserem Auto zurück nach Cujik übersetzen.

Unser Nachtquartier haben wir im kleinen Städtchen Ravenstein festgemacht. In das ehemalige Festungsstädtchen mit seinen engen Gassen gelangt man über eines der Stadttore. Wir werden an der Rezeption des Hotels freundlich empfangen und beziehen unser Zimmer. Auch für die Fahrräder wird uns ein Stellplatz im überdachten Hof zugewiesen. Das Hotel ist ein betagtes Gebäude, in dem wir ein schönes Zimmer vorfinden. Seltsamerweise ist der Name des Hotels „De Keuvorst von de Pfalz“ und tatsächlich war der letzte Herr von Ravenstein der Kurfürst Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach (1742-1794). Als Karl IV. war er der Pfalzgraf Kurfürst von der Pfalz und ab 1777 auch Kurfürst von Bayern und damit erster Herrscher von Pfalzbayern. Im Restaurant gibt es am Abend leckere Sachen auf dem Tisch und das einzige was wir in der Nacht noch wahrnehmen ist der Stundenschlag der Glocke der protestantischen Kirche direkt gegenüber.

Am Samstag ist das Wetter alles andere als fahrradaffin. Beim Besuch unserer Räder im Innenhof stellen wir fest, dass wir uns eine Ecke ausgesucht haben, in der sich vom Zeltdach ein Wasserfall über die Räder ergießt. Wir suchen einen trockenen Platz aus und machen uns mit dem Auto auf den Weg nach Groesbeek, wo wir den Vormittag im Freiheitsmuseum verbringen. Es ist ein didaktisch gut gemachtes Museum, das uns letztlich in die Zeit um 1944 versetzt, in der die alliierte Operation >Market Garden< den Vorstoß an den Rhein durch die Niederlande ermöglichen sollte, während das Vorrücken durch den Hürtgenwald zum Stocken gekommen war.

Der Ausstellung gewährt uns einmal mehr einzigartige Einblicke in die Zeit, in der die Weltgemeinschaft dem Größenwahn des deutschen Diktators mit der größten Militäroperation der Weltgeschichte entgegentrat, die mit D-Day und Operation Overlord am 6. Juni 1944 in der Normandie begann. Market Garden entsprach einer weiteren massiven Luftlandeoperation rund um Arnheim, Nijmegen und Eindhoven. Zwischen dem 17. und 23. September wurden in 3 Wellen 39620 Fallschirmjäger hinter den feindlichen Linien abgesetzt. Die Groesbeek- Höhen waren einer der Kampf- Schauplätze zwischen Maas und Waal östlich von Nijmegen. Eine besondere Erfahrung ist die Bunkersimulation im Museum, die uns in die äußerst bedrückende Atmosphäre einer Bombardierung versetzt.

Eine solche Situation ist leider für die Bevölkerung der Ukraine seit mittlerweile über 3 Jahren wieder bittere Realität geworden. Wieder spielt ein Autokrat ein gefährliches Spiel und wirft dem Westen dabei ein aggressives Verhalten vor. Der europäische Westen allerdings hat seine militärische Infrastruktur abgebaut und muss wieder massiv in Waffen investieren. Diskussionen um eine Rückkehr zur Wehrpflicht werden geführt, was sich junge Männer und Frauen heute kaum mehr vorstellen können. Ein auf eine Mine gelaufener ukrainischer Panzer steht neben einem Sherman- Tank vor dem Museumseingang und ist jetzt schon ein Mahnmal dafür, dass Krieg in Europa eben doch nicht nur ein Museumsstück ist. Uns wird am Ende unseres Museumsrundgangs auf einer Tafel die Frage gestellt, wie die Katastrophe von Kriegen verhindert werden kann. Ich nehme die Kreide in die Hand und schreibe nur vier Worte auf die Tafel:
Beim Verlassen des Museums scheint uns die Sonne ins Gesicht- also beschließen wir auf unsere Räder in Ravenstein zu wechseln, um am Nachmittag zumindest noch eine kleine Runde zu fahren. Zwischen hohen Wolkentürmen scheint immer wieder die Sonne hindurch, zwischendurch prasseln auch ein paar Regentropfen auf uns nieder. In Ravenstein fahren wir an der Windmühle „De Nijverheid“ vorbei. Hier wird im Museumsbetrieb immer noch Getreide gemahlen. Im Laden stehen die Brote aus der Bäckerei zum Verkauf. Wir dürfen uns die Mühle bis ins oberste Geschoß anschauen und bekommen vom ehrenamtlichen Müller einige interessante Informationen zur Mühlentechnik. Gegenüber unseres Hotels gibt es das Sterne- Restaurant >Versaen<, das hier sein Brot bezieht.

Über die Autobahnbrücke der A50 südlich von Ravenstein wechseln wir an das rechte Flussufer bis zum Lückenschluss der Maasroute nach Süden an der Maas- Brücke in Grave. Ich glaube- bei derartigem Starkwind, der in Böen bis zu 70 Stundenkilometer erreicht, habe ich noch nie auf dem Fahrrad gesessen. Auf dem Deich krachen die Böen mit solcher Kraft von der Seite auf unsere Bikes ein, dass wir aufpassen müssen nicht vom Weg geschoben zu werden. Auf dem Weg zurück nach Ravenstein zeigt sich kurz ein Regenbogen vor einer dunklen Wolkenkulisse. Wenn das Sonnenlicht die bedrohlichen Wolken durchbricht leuchtet die Landschaft in satten Farben auf.

Auch am zweiten Abend in unserem Ravensteiner Domizil fühlen wir uns gut aufgehoben bei der freundlichen Crew in Restaurant und Hotel. Das Essen ist einfallsreich auf den Teller gebracht und sehr schmackhaft. Die Räder hängen wir noch ans Ladegerät und genießen eine zweite Nacht in unserem gemütlichen Zimmer. Am Sonntag bringen wir nach dem Frühstück unser Gepäck zum Auto auf dem Parkplatz vor den Toren der Stadt. In Ravenstein selbst ist Parken mit Parkscheibe nur maximal zwei Stunden erlaubt. Bevor wir heute mit einer dritten Runde den Ausbau des Maas- Radwegs nach Norden beginnen, fahren wir noch einmal zur Nijverheid- Mühle. Wir kaufen ein paar Brote und verschiedene Mehlsorten, mit denen wir zu Hause Brot backen werden.

Der Sonntag beginnt grau mit Nieselregen, der sich weiter einplästert, so dass wir an einer Mühle unter Bäumen so lange verweilen, bis es etwas trockener weitergeht. Es fährt sich weg und auch heute bläst ein ordentlicher Wind. Durch das hübsche Örtchen Megen erreichen wir die Fähre, die uns für 1,40€ pro Person und Fahrrad über die Maas bringt. Am Museum „Stoomgemaal“ auf der rechten Maasseite befindet sich ein historisches Dampf-Pumpwerk. In einem Storchennest davor steht ein Storchenpaar, auf dem Deich grasen Schafe.

In Batenburg passieren wir ein Fundstück eines britischen Bombers, das erst im Jahr 2003 aus der Maas geholt wurde. Es ist eines der beiden Fahrgestelle einer viermotorigen Stirling MK IV, die nach Abwurf ihrer Fracht am 21.September 1944 auf dem Rückweg nach England unter Beschuss geriet. Ein Absturz über der Stadt hätte eine Katastrophe und viele zivile Opfer bedeutet. Der Pilot konnte eine Notwasserung erreichen, bei der die abstürzende Maschine zerbrach. Es überlebten nur drei Soldaten der neunköpfigen Besatzung, die von Mitgliedern eines kleinen Zirkus aus der Maas gerettet wurden. Immer wieder treffen wir an solche Punkte, die an die Geschehnisse der alliierten Invasion 1944 erinnern. An solchen Orten treffen wir auf Gedenkstätten, an denen die oftmals tragischen Geschichten und Schicksale ein Gesicht erhalten.

Ein weiterer historischer Ort auf unserem Weg ist die Schlossruine von Batenburg. Für einen römischen Tempel an dieser Stelle konnten keine Belege gefunden werden, allerdings wurde eine Burgmotte hier bereits im Jahr 1080 von den Herren von Batenburg als direkte Lehnsmänner des deutschen Kaisers erbaut. Das Adelsgeschlecht derer von Bronckhorst baute nach 1328 eine gewaltige Burg, Batenburg entwickelte sich zu einer Stadt mit eigenem Münzmeister. Bewegte Zeiten brachte der achtzigjährige Krieg (1568-1648). In den Kampf für den neuen Glauben (den Protestantismus) traten vier Brüder der Familie Bronckhorst ein, den sie alle mit ihrem Leben bezahlten. Zwei der Brüder wurden auf dem Groote Markt in Brüssel enthauptet, ebenso wie die noch berühmteren Grafen Egmont und Hoorn. Angriffe auf die Burg brachten Zerstörung und Verwüstung, zuletzt durch die Franzosen 1794.

Noch einmal wechseln wir das Ufer zurück nach Ravenstein, wo wir auf dem Parkplatz vor den Toren der Stadt unsere Räder verstauen. Mit dem Auto kehren wir noch einmal zu einer Schlehen- Hecke mit dicken erntereifen Früchten zurück, mit denen wir noch eine weitere Dose füllen. Der Plan ist die Schlehen zu einem leckeren Likör aufzusetzen. 90 Kilometer waren es an diesem langen Wochenende im Fahrradsattel.

A. Korbmacher
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