Adamello 2013

Mein Freund Frank Langmann hat  im letzten Jahr an der Presanella bereits eine recht aufwendige Videoproduktion erstellt. Hier nun  der Bericht und die  44 minütige HD Präsentation unserer diesjährigen Adamellotour   :

Oules guat Leit ?- Eine spätsommerliche Tour am Adamello

 

Arnd Korbmacher
Arnd Korbmacher

Wie in jedem Jahr nehme ich mir im ausklingenden Bergsommer noch einmal eine Woche Auszeit um eine Tour zu unternehmen. Im letzten Jahr stand ich mit meinem Freund Frank auf der Presanella in den Trentiner Alpen, die wir über die Normalroute über die Sella Freshfield begangen haben. In diesem Jahr haben wir uns in der Region  den Adamello zum Ziel gesetzt.  Inspiriert von unseren Erlebnissen des Vorjahrs war in diesem Jahr dann auch noch mein Freund Bernhard mit am Start.

Landeanflug auf Verona (Gardasee im Hintergrund Walliser Alpen)
Landeanflug auf Verona
(Gardasee im Hintergrund Walliser Alpen)

So begab es sich am letzten Tag im August  dieses Jahres,  daß wir um 8:40h mit dem  Airbus von Düsseldorf über die Alpen nach Milano-Malpensa katapultiert wurden. Nach 70 Minuten Flugzeit wurden  bei mediterranen Temperaturen erstmal die kurzen Hosen hervorgekramt und die Jacken in den Säcken verstaut.  Die Anfahrt mit Leihwagen zum Zielgebiet  wurde durch einen Ausflug zum Gardasee erheblich verlängert. Bei sonnigem Wetter war so schon die Fahrt entlang des Westufers des Gardasees ein Genuß.

Gardassee
Gardassee

In Limone gleitet der Blick über den Lago auf den dahinter aufragenden Monte Baldo .  Dort wo der Wind am besten steht tummeln sich zahlreiche Surfer auf der glitzernden Wasseroberfläche . Frank, leidenschaftlicher Surfer läßt sich nur schweren Herzens zum Weiterfahren bewegen.  Unser erstes Quartier im Val di Sole unterhalb des Passo Tonale bietet  komfortable Hotelzimmer mit einem grandiosen Blick auf die Presanella. In der Nacht sieht man unterhalb der Presanella  einen Lichtpunkt- hier befindet sich die Denza- Hütte auf der wir im letzten Jahr zu Gast waren.  Mirco und seine Frau Erika sind dort die Hüttenwirte.  Mirco ist Trentiner  Berg- und Skiführer und wird sich  drei Tage später auf der  Mandrone Hütte mit uns treffen.

Aufstieg zur Mandrone Hütte
Aufstieg zur Mandrone Hütte

Ausgangspunkt für unsere Tour ist der Talschluß des Val Genova. Das Val Genova  ist ein tief eingeschnittenes Tal, das bei Carisolo aus dem Val Rendena abzweigt. Die mautpflichtige Straße endet an der Malga Bedole 1584m. Gegen Mittag beginnen wir mit dem Aufstieg zur Mandronehütte, passieren die Talhütte Rifugio Bedole und schrauben uns dann steil hinauf über die Baumgrenze. Die Rucksäcke sind wie immer zu schwer. Mit einigen Pausen erreichen wir am Nachmittag trocken die Mandrone Hütte 2450m.  Die für heute angesagten Regenschauer bleiben aus.  Nach einem zünftigen Abendessen bestehend aus Primipiatti,  Secondipiatti und Dolce beobachten wir abends  noch eine  Weile die gewaltigen Gewitter hinter der Brenta in Richtung Gardasee.

Mandrone Hütte 2450m
Mandrone Hütte 2450m

Obwohl  ausdauertrainiert haben wir  einen Tag zur Akklimatisation eingeplant  um auch Frank die Chance zu geben sich etwas an die Höhe zu gewöhnen.  Der Surfurlaub am Ijsselmeer bot da wenig Gelegenheit.  Zu diesem Zweck  haben wir uns  den 3034m hohen Passo Maroccaro als Eingehziel ausgeguckt. Bei warmen , sonnigem Wetter haben wir  einen  herrlichen Rundblick auf die Sella Freshfield an der Presanella  und nach Süden auf sie großen Gletscher des Parco Regionale dell‘ Adamello. Es geht vorbei am Lago Scuro dann steiler werdend hinauf zum Grat.  Vom Passo Maroccaro aus hat man Blick nach Norden über den  Passo Tonale zur Ortlergruppe.  Direkt unterhalb erkennt man die Versuche die bereits kleinen Gletscher des Tonale-Skigebietes durch Abdecken vor dem Abschmelzen zu bewahren.  Zwei Italiener vom Gardasee bemerken die Tüte aus dem Spezialitätenladen in Sarche in dem wir noch Brot, Käse und Wurst eingekauft haben.  Der Laden wäre auch Ihnen gut bekannt –  es wäre der beste!- mit dieser Gewißheit und der grandiosen Kulisse von hier oben haben wir dem beim Essen nichts hinzuzufügen. Den Nachmittag  verbringen wir unterhalb der Hütte in der Nachmittagssonne mit Blick auf unseren morgigen Aufstieg über den Mandronegletscher zur Lobbia Alta-Hütte.  Über die Felsabbrüche unterhalb des Gletschers stürzen sich gewaltige Wassermassen zu Tal.

Aufstieg zum Passo Maroccaro 2975m
Aufstieg zum Passo Maroccaro 2975m

Leider hat  sich der Sohn eines  Teilnehmers einer Gruppe aus Leipzig beim Übergang zur Garibaldihütte durch einen Sturz Verletzungen, zum Teil mit tiefen verschmutzten Rißwunden an Hand und Bein zugezogen. Nach Abwägung der Möglichkeiten die Wunden zeitnah zu versorgen wird mit dem Hüttenwirt der Abtransport per Hubschrauber beschlossen. Nach Absetzen des Notrufs ist der Heli  aus  Tione innerhalb von 6 Minuten an der Hütte. Der junge Mann meldet  sich dann wenig später wohlauf nach erfolgter Versorgung im Krankenhaus.

Luftrettung an der Mandrone Hütte
Luftrettung an der Mandrone Hütte

Es ist Dienstag und wie verabredet erreicht Mirco Dezulian unser Führer pünktlich um 9:00h die Mandrone Hütte. Da er noch nicht gefrühstückt hat  nehmen wir auch noch einen Kaffe und machen uns dann gegen 10:00h auf den Weg. Die neuen Rufnamen unserer Seilschaft werden kurzerhand geändert in Franco, Bernardo und Arnaldo.  Der Wetterbericht  für die nächsten Tage bietet alle Voraussetzungen für unsere geplanten Vorhaben.  Mit ziehmlich guter Laune und voller Tatendrang geht es zügig hinauf über die Seitenmoräne des Vedretta del Mandron auf die flach auslaufende Gletscherzunge.

Aufstieg über den Mandronegletscher
Aufstieg über den Mandronegletscher

Die Gletscherzunge querend passieren wir die Lobbia Alta und treffen hier auf viele Relikte aus dem 1. Weltkrieg wie Stacheldrahtrollen und anderes Kriegsgerät. Hier verlief die Hauptkampflinie wo sich Kaiserjäger und Alpinis erbitterte Stellungsgefechte geliefert haben. Wir halten uns hinter der Lobbia Alta  in Richtung Passo della Lobbia Alta.  Wir passieren Immer mehr Trümmerfelder aus den damaligen Stellungen. Granaten und Bomben liegen nach 100 Jahren noch unentschärft im Schnee- der Kampfmittelräumdienst hätte hier gut zu tun.  Die Hütte kommt in Sichtweite. Der vollständige Name der Hütte Rifugio Ai Caduti dell‘ Adamello  zeugt ebenfalls von dieser schwierigen Zeit und ehrt die Gefallenen am Adamello.

Bombenstimmung unterhalb der Lobbia Alta Hütte
Bombenstimmung unterhalb der Lobbia Alta Hütte

Die Hütte liegt auf einer Höhe von 3020m und klebt wie ein Vogelnest an der Westflanke der Lobbia Alta. Ein beispielloses Projekt hat  den  Absturz der Hütte in der brüchigen Bergflanke verhindert.  Die gesamte Bergflanke und die Fundamente der Hütte wurden mit  großem technischen  Aufwand stabilisiert.  10 Millionen Euro   lassen die Hütte heute in neuem Glanz erstrahlen. Wenn man  auf der Terrasse der Hütte steht ist man sich sicher, das das Geld gut investiert wurde. Den Adamello kann man von der Hütte aus nicht sehen- er wird verdeckt vom  Corno Bianco . Direkt gegenüber der Hütte blickt man auf die Cresta della Croce,  auf der seit dem Papstbesuch 1986 auf der Lobbia Alta- Hütte ein Granitkreutz steht.

Blick von der Terasse der Lobbia Alta Hütte
Blick von der Terasse der Lobbia Alta Hütte

Auch der Mittwoch präsentiert sich mit Kaiserwetter und früh legen wir am Passo della Lobbia Alta die Steigeisen an. Wir passieren am Rand des Vedretta della Lobbia die brüchigen Ostabstürze der Cresta della Croce und verlassen den Gletscher unterhalb  des Passo Croce in eine Felsrinne . Ein kurzer Klettersteig mit Eisenketten führt uns hinauf zum Passo Crocce auf 3290m. Von hier geht es teilweise recht luftig über den Grat. Das erste Tagesziel  ist die über 5 Tonnen schwere Kanone, die 200 Alpini im 1. Weltkrieg von Edolo aus auf Schlitten hier hinauf auf über 3000m gebracht haben.  Als Überbleibsel  eines  wahnwitzigen  Wettrüstens  ist das heute wirklich ein sehr spezieller aber friedlicher Ort.  Als kleine Frotzelei  unter Bergführern wurde die grüne Farbe der italienischen Fahne so im Kanonenlauf versteckt, das nur noch die Tiroler Landesfarben sichtbar sind- Die Region hat halt eine schwierige Geschichte. 

Arnaldo, Franco, Bernardo und Mirco mit Kanone
Arnaldo, Franco, Bernardo und Mirco mit Kanone

Weiter über den Grat und unterhalb in teilweise sehr brüchigem Blockwerk querend  erreichen wir  die Cresta  della Croce 3208m. Seit Errichtung des Granitkreuzes zum Papstbesuch heißt der Gipfel auch Cima Giovanni Paolo II. Man sieht hinab auf die Lobbia Alta- Hütte und ringsherum zeigen sich die nahen Gipfel wie Monte Care Alto, Corno Bianco und Adamello und die fernen Gipfel  wie Ortler, Bernina und Brenta in voller Pracht.

Cima Giovanni Paolo II 3208m
Cima Giovanni Paolo II 3208m

Über ein Firnfeld und Blockwerk steigen wir zu einem Sattel hinab von dem wir über ein Fixseil zurück auf den Vedretta  della Lobbia gelangen.  Auf der Teerasse der Hütte genießen wir die Nachmittagssonne und ein Weizen.

06:45h Aufbruch zum Adamello- Erstes Sonnenlicht am Corno Bianco
06:45h Aufbruch zum Adamello- Erstes Sonnenlicht am Corno Bianco

Der Donnerstag beginnt sehr früh und der geplante Abmarsch um 6:00h mit dem Tagesziel des Adamello verzögert sich nur geringfügig um eine viertel Stunde.  Bei den Klettereien am gestrigen Tag haben wir Mircos Timing nicht immer ganz halten können.  Er ermahnt uns wegen der langen Strecke zu kurzen Pausen. In periodischen Abständen erkundigt Mirco sich mit einem freundlichen „Oules Guat Leit ?“ – prompt folgt darauf jedesmal ein betontes „Oules Guat!!“  Wir können die Zeit heute gut halten. Alle fühlen sich fit und wir steigen zügig über den Mandronegletscher auf zum Pian di Neve  wo wir an der Rückseite des Corno Bianco queren  bereits mit Blick auf den Ostgrat des Adamello.

Am Pian di Neve
Am Pian di Neve

Der Erstbesteiger des Adamello war Julius Payer , der am 15. September 1864 auf dem Gipfel gestanden hat. Das wäre 10 Tage später exakt 149 Jahre her.  Anhand alter Karten  hatte die Vergletscherung in dieser Zeit  wie überall in den Alpen erheblich größere Ausmaße, bei einer wesentlich größeren Eisdicke. Laut seiner Skizzen reichten die Eismassen noch bis zur Mandronehütte und sogar bis hinab nach Bedole.  Payer hatte sich später auch als Polarforscher einen Namen gemacht.

Die letzten Meter am Adamello Ostgrad
Die letzten Meter am Adamello Ostgrad

Auf der Pian di Neve ermahnt uns Mirco immer wieder das Seil auszugehen und auf die zahlreichen tückischen Spalten zu achten.  Am Fuß des Ostgrates des Adamello lassen wir unsere Eisgeräte zurück und machen uns an den Aufstieg über das Blockwerk.  Die Einblicke in die Nordwand des Berges sind eindrucksvoll.  Es folgt noch ein Firnfeld und gegen 11:30 stehen wir am 3539m hohen Gipfel des Adamello.

Adamello Summit 3539m
Adamello Summit 3539m

Die Freude ist groß, die Aussicht überwältigend- eine gute  Stunde genießen wir unser Gipfelglück. Erste Wolken zeigen deutliche Tendenz aus den Tälern aufzusteigen und sich zu mehren.

Adamello Blick nach SO
Adamello Blick nach SO

Um 12:30h beginnen wir den Abstieg und mit dem notwendigen Respekt vor den Spalten am Pian di Neve geht es zügig  über unsere Aufstiegsspur über den Mandronegletscher zurück zur Hütte. Auch heute genießen wir unseren Logenplatz in dieser einzigartigen Hochgebirgsregion.  Am Abend werden wir von Romano und seiner Crew kulinarisch bestens versorgt.  Nach dem Essen  bietet sich die Gelegenheit einen Sternenhimmel  zu sehen wie es nur selten in unseren Niederungen möglich ist.

Milchstrasse über der Cresta Crocce
Milchstrasse über der Cresta Crocce

Bis zu unserem Rückflug in die Heimat am Sonntag haben wir beschlossen an den letzten 2 Tagen noch die Gastfreundschaft von Mirco auf seiner Denza Hütte in Anspruch zu nehmen.  Lange verabschieden wir uns von den guten Leuten hier auf der Lobbia Alta- Hütte, von denen wir  drei Tage bestens versorgt wurden. Zügig geht es hinab über den Mandronegletscher zur Mandronehütte. 

Abstieg über den Mandrone Gletscher
Abstieg über den Mandrone Gletscher

Hier verweilen wir noch etwas am Mittag.  Mirco hat für uns den Gepäcktransport ins Tal organisiert und wird vorauseilend  unsere Säcke mit zur Denza-Hütte nehmen,  wo es seit diesem Jahr auch eine Materialseilbahn gibt. Da wir der Meinung sind nun alle Zeit der Welt zu haben trödeln wir auch entsprechend und sind erst am späten Nachmittag zurück an der Malga Bedole.  Es folgt eine Umrundung der Presanella ins Val di Sole mit unserem Punto und irgendwann ist dann auch die abenteuerliche ehemalige Militärstrasse zum Forte Pozzi Alti gefunden, die uns auf etwa   1800m hinaufführt .  Im letzten Jahr war diese Straße ohne Allrad kaum zu bewältigen aber auch nach diesjährigen Ausbesserungen der Löcher  ist äußerste Vorsicht angebracht.  Es wird 19:30h bis das Auto am Fortezza steht.  Bei rapide einbrechender Dunkelheit passieren wir die unteren ausgesetzten Passagen auf dem Weg zur Denza Hütte . Die Stirnlampen sind in unseren Säcken bereits gut auf der Hütte angekommen. Kurz vor der Hütte erspähen wir dann in mondloser Nacht gegen 21:00h das Außenlicht.  In den nächsten beiden Tagen überwiegt das „Dolcefarniente“.  Die Denza- Hütte liegt direkt unter der Nordwand der Presanella, die mit der Cima Vermiglio eine doppelgifelige Kulisse ergibt.

Dolcefarniente
Dolcefarniente

Mircos  Frau Erika und der derzeitige Koch Valerio unterweisen uns in der Kunst des Apfelstrudelbackens . Ansonsten beschäftigt sich jeder auf seine Weise- der eine  erkundet die Gegend um die Hütte, mir persönlich reicht es in der Nachmittagssonne zu chillen und die wunderschöne Landschaft  und die Presanella zu genießen. Ein ganz besonderer Genuß in jeglicher Weise bieten uns Mirco und Erika am Samstagabend. Neben einem kulinarischen Feuerwerk gibt Mirco uns eine Kostprobe auf seiner Harmonika .  Bereits auf unserer Tour war von ihm die eine oder andere Intonation zu hören, nun gibt er sein Bestes bei  einem Jodler.

Hüttenwirt Mirco mit seiner Frau Erika auf der Denza Hütte
Hüttenwirt Mirco mit seiner Frau Erika auf der Denza Hütte

Die Speisenabfolge beginnt mit traditionellen Spinatnocken  „Strangoli Pretti“ (Erwürgter Priester ??),  als Hauptessen folgt Capriolo (Reh) mit frischen Waldpilzen und Polenta. Als Nachtisch gibt es dann noch ein Stück vom selbst gemachten Apfelstrudel.  Dazu ein guter Teroldego- der liebe Gott hat es in dieser Woche gut mit uns gemeint- nicht nur wegen des Wetters. Der Spezialgrappa al Larice, Muro und Wacholder verleiht Flüügel !

Strangoli Pretti
Strangoli Pretti

Beim Abstieg am nächsten Morgen gibt es dann doch noch Regen und die im Süden aufziehenden Gewittertürme rütteln uns beim Heimflug  von Mailand noch etwas durch.

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