Im Juni 2013 wurde mit Unterstützung der Jungs von der Alpinschule- Ortler das neue 2,80 m hohe Kreuz am Ortler aufgestellt. Kameramann war dabei Kurt Ortler.
Unterwegs am König Ortler
Auch 2014 habe ich mit 2 Freunden aus Jugendgruppen- und Jungmannschaftzeiten eine Herbsttour in Südtirol geplant . Als ich mich zuerst an Bernhard mit einem Angebot der Alpinschule-Ortler aus Sulden wendete waren seine spontanen Worte – „Klar gehe ich mit Dir auf den Ortler !“ Auch Rüdiger meldete bald Interesse an, sich unserer Seilschaft anzuschließen.
Mitte September ist es dann soweit. Tragischerweise hat sich Rüdiger die Hand verletzt und muß daher leider von unserem Vorhaben zurücktreten. Also mache ich mich mit Bernhard auf die Reise nach Sulden, wo uns Samstagabend die Bergführer im “ Haus der Berge“ sehr herzlich bei einer zünftigen Brotzeit empfangen. Bei einem Glas Lagrein lernen wir auch die übrigen Gäste kennen. Die Wochenplanung wird besprochen- das Wetter scheint es gut mit uns zu meinen. Das Wochenprogramm ist darauf ausgelegt, allen Teilnehmern die erfolgreiche Besteigung des Ortlers am Freitag von der Payerhütte über den Normalweg zu ermöglichen. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft hat Bernhard plötzlich Schüttelfrost. “ Schlaf Dich mal aus- morgen geht’s Dir sicher besser „- waren meine Worte.
Am Sonntag treffen sich alle an der Alpinschule, von wo aus wir durch herrlichen Lärchenwald zu einem Klettergarten aufsteigen. Einige Toprope- Klettereien werden eingerichtet, wo alle sich bis zum Nachmittag mit Klettern, Sichern und Abseilen betätigen. Die Reste des vorabendlichen Buffets werden mittags verputzt.
Am Nachmittag besuchen wir noch das Messner Mountain Museum- Ortles. Neben verschiedenen Exponaten präsentiert dieses Museum einiges zum Thema „Eis“ . Eine Kunstausstellung mit vielen Bildern vom Ortler ist hier untergebracht. Im Gesamtkonzept gibt es hier einen Biohof mit einer Yakzucht. In der historischen Stube des Restaurant „Yak & Yeti “ wird kulinarisches vom Yak angeboten- Yeti war leider aus.
In der Nacht bekommt Bernhard Fieber und schläft schlecht. Ich nehme am anstehenden Konditions- Check zum Hinteren Schöneck teil. Nach anfänglich moderatem Tempo und insgesamt zwei Pausen steigert Hubert, der Leiter der Alpinschule das Tempo drastisch. Nach etwa 4 Stunden Aufstieg stehe ich dann auf dem 3140 m hohen Aussichtsberg. Von hier gewinne ich einen ersten Eindruck von der beeindruckenden Kulisse des Dreigestirns Königsspitze, Zebru und Ortler. Auch das Ziel der geplanten Eingehtour im Eis am Donnerstag, die Suldenspitze kann ich bereits ausmachen. Bei sonnigem Wetter, aber dennoch bereits frischen Temperaturen laufe ich gemütlich hinunter nach Sulden.
Der Dienstag ist als Ruhetag eingeplant. Bei Kaiserwetter machen wir einen Ausflug hinunter ins Vinschgau. An den Apfelplantagen hängen die dicken und reifen Äpfel, die derzeit überall geerntet werden. Beim Blick Richtung Stilfser Joch präsentiert sich über der lieblichen Landschaft des Vinschgau der gleißende Eispanzer des Ortlers. Einen Rundgang machen wir auch durch den mittelalterlichen Ort Glurns mit seiner erhaltenen Stadtmauer.
Am Abend trifft man sich zu einer Geschichtsstunde bei einem Filmvortrag über „200 Jahre Bergsteigen am Ortler“. 1804 bestieg der Gemsenjäger Josef Pichler als Erster den höchsten Berg der damaligen Donaumonarchie. Angespornt vom Aufruf des Erzherzogs und der entsprechenden Belohnung waren seine Worte:
“ I bin der Josef Pichler, d’Leut‘ sagen bloß Pseirer Josele, und der Ortler ischt mir nit unbekannt. Wenn der Herr will, nachher steig i auffi „.
Zu einer Zeit als die Menschen in Sulden es nicht für möglich hielten, daß irgendjemand es schaffen könnte die Barriere aus Fels und Eis zu überwinden war die Erstbesteigung vom Josele über die „Hinteren Wandeln“ von Trafoi aus eine große Pioniertat. Der Gletscher über Sulden wurde damals noch “ Ende der Welt- Ferner “ genannt.
In der Nacht auf Mittwoch fiebert Bernhard wieder auf- offensichtlich hat er einen Halsinfekt verschleppt. Er sucht einen Arzt auf um sich mit Antibiotika zu versorgen. Damit fällt nach Rüdiger nun auch Bernhard für weitere Unternehmungen am Berg aus. Bei weiterhin gut gemeldetem Wetter ist das für ihn eine wahrlich bittere Pille.
Für heute steht die Suldenspitze auf der Tagesordnung. Mit der Seilbahn fahre ich mit den anderen Teilnehmern hinauf zur Bergstation auf 2581m. Von hier ist es nicht weit bis zum Gletscher. Mit Blick auf die gewaltige Nordwandgalerie von Königsspitze und Ortler arbeiten wir uns bei herrlichem Wetter hinauf auf 3376m zur Suldenspitze. Unter uns liegt die Cassati- Hütte, Ausgangspunkt für den Cevedale. Das Gipfelkreuz ist eine Geschützlafette aus dem ersten Weltkrieg. Wolken verdecken bald das herrliche Panorama und wir steigen über den Suldengletscher hinab zur Seilbahn. Nach dem schneereichen letzten Winter sind die meisten Spalten des spaltenreichen Gletschers immer noch verfüllt.
Am Donnerstag treffen sich alle erst um 10 Uhr am Haus der Berge. Für heute steht ein gemütlicher Aufstieg zur Julius Payer- Hütte an. Ernst, der dienstälteste Bergführer begleitet uns- er ist 68 Jahre und wird morgen zum 1002. Mal auf den Ortler aufsteigen. Nach seinem ersten Aufstieg als Kind mit seinem Vater wollte er eigentlich nie wieder hinauf . Nach einer langen Pause auf der Tabarettahütte 2556m steigen wir durch steile Schotterfelder hinauf zum Grat, an dessen Südseite der weitere Aufstieg zur Hütte verläuft.
Gegen die Nordabstürze des Ortlers kann man die Payerhütte bereits in kühner Lage auf einem Felsaufbau ausmachen. Julius Payer, ein östereichischer Offizier hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einen Namen als Polar- und Alpenforscher, aber auch als Kartograph und Maler gemacht. Bereits bekannt war mir Payer als Erstbesteiger des Adamello im Jahr 1864. Die Julius Payer- Hütte auf 3029m erreichen wir gegen 15:30h. Von der Terrasse der Hütte ist der morgige Aufstieg im warmen Licht der untergehenden Sonne gut auszumachen. Die Temperatur an der Hütte rutscht dann bald unter den Gefrierpunkt und alle drängen in die warme Stube der Hütte.
Trotz der offensichtlich sehr guten Bedingungen ist die Hütte nicht voll, so muß der Hüttenwirt diesmal das Essen nicht in zwei Schichten servieren. Nach dem vorzüglichen Abendessen werden die Seilplätze bei den nun vollständig versammelten Bergführern verteilt. Ich werde nun doch mit einem Bernhard auf den Ortler gehen, denn der mir zugeteilte Bergführer heißt so. Die weiteren Seilkameraden mit denen ich ein Zimmer teile heißen Olaf aus Leipzig und Michael aus Holland.
Freitagmorgen um 5:00h wirft der Hüttenwirt den Generator der Hütte an. Alles habe ich noch am Vorabend vorbereitet und habe so ausreichend Zeit für ein stärkendes Frühstück. Wie geplant stehe ich um 5:45h in sternenklarer Nacht vor der Hütte. Bernhard bereitet bereits das Seil vor- auch Olaf ist bald da. Es ist 6:00h und es fehlt der vierte Mann in unserer Seilschaft. Es bedarf mehrerer und zuletzt einer unmißverständlichen Ansage, bis auch Michael sich endlich ins Seil einbindet. Um 6:15h verlassen wir als letzte die Hütte- eine gewisse Verärgerung darüber kann Bernhard nicht verbergen.
So machen wir uns im Licht der Stirnlampen an die Querung unterhalb der Tabarettaspitze. Wie eine Lichterkette erscheinen die vorrausgehenden Seilschaften in dem mit Drahtseilen und Ketten versicherten Aufstieg an den Felsen des Tschirfecks. Der Hillary-Step am Ortler ist der sogenannte „Weiberschreck“, wo es sich gerne etwas staut. Es wird langsam hell und der Anlegeplatz für die Steigeisen erreicht. Wir queren das Bärenloch und in für mich etwas zu schnellem Tempo führt Bernhard uns über das erste Steilstück. Recht wortkarg reduziert er etwas das Tempo, wodurch sich meine Atemarbeit verringert. Das Wetter zieht sich zu und die Sicht verschlechtert sich zusehends.
Im oberen Steilstück des Gletscheraufstiegs erhöht sich Bernhards Schritttempo erneut und ich atme wieder am Limit. Am oberen Ortlerplatt wird es dann aber zunehmend flacher und im Nebel kommen uns die ersten Seilschaften bereits im Abstieg entgegen- die sind allerdings auch eine halbe Stunde eher losgegangen. Um 10:15h ist das Gipfelkreuz erreicht. Das neue Edelstahl- Kreuz wurde von den Bergführern erst im Juni 2013 auf 3905m aufgestellt. Nach dem sehr schneereichen Winter des letzten Jahres steht es fast bis zum Querbalken im Schnee. Mit der Sicht haben wir großes Pech, denn in den nächsten Tagen wird sich der Gipfel wieder wolkenlos präsentieren. Mirco, unser Bergführer am Adamello im Vorjahr wird mir 2 Tage später ein Foto von sich, mit grandioser Fernsicht am Gipfel schicken.
Auch im Abstieg bilden wir die letzte Seilschaft und steigen in der liegenden Spur hinab bis die Felsen am Tschirfeck erreicht sind. Hier kommt es im oberen Teil dann zu Wartezeiten, bis alle den „Weiberschreck“ passiert haben. Jetzt bei Tageslicht erfahre ich die ausgesetzten Passagen mit Blicken in die Tiefe und in die Nordwand noch einmal intensiver. Um 13:45h mache ich mich nach einer Pause auf der Payer- Hütte mit einem Teil der Gruppe an den Abstieg nach Sulden. Es ist ein langer Abstieg über die Tabarettahütte zum Haus der Berge auf 1900m. Mit 2000 Höhenmetern Abstieg in den Beinen treffe ich um 16:45h auf Bernhard. Unter der Antibiose geht es ihm jetzt wieder gut.
Noch am gleichen Abend findet im Hotel Post der Abschlußabend dieser Ortlerwoche statt. Hubert Wegmann hat mit seinen Bergführern in diesem Jahr das 30jährige Jubiläum der Alpinschule Sulden begangen. Zu diesem Anlaß haben alle Teilnehmer dieser Ortlerwoche ein schickes Shirt erhalten. Bei gutem Essen und Trinken sehen wir uns zusammen die Fotos von Hubert und das Video von Kurt Ortler (so heißt er wirklich! ) an. Es war eine gute Zeit mit der Alpinschule Ortler und ich habe mich hier gut aufgehoben gefühlt. Mit viel Engagement haben Hubert und seine Bergführerkollegen allen Teilnehmern eine erlebnisreiche und schöne Woche beschert.
Bernhard und ich haben noch den ganzen Samstag und genießen den herrlichen Sonnentag. Wir haben Zeit den Yaks beim Grasen zuzusehen und das Heimatmuseum von Sulden zu besuchen. Dieses kleine aber feine Museum präsentiert mit viel Liebe zum Detail die Geschichte Suldens durch die Jahrhunderte. Ein Raum ist der Ortlerkanone gewidmet, die im ersten Weltkrieg als höchstes Geschütz der Alpen auf dem Gipfel des Ortler gestanden hat.
Am Sonntag lassen wir uns viel Zeit bei der Heimreise aus dieser herrlichen Region, in der ich hoffentlich bald wieder unterwegs sein werde.
Arnd Korbmacher