Mein Freund Frank Langmann hat zu unseren Touren an Adamello und Presanella bereits recht aufwendige Videoproduktionen erstellt. Beide Filme haben HD- Qualität. Hier nun der Bericht und die 51 minütige Präsentation unserer diesjährigen Ortlertour :
2015 Ortler Vol. 2
Warum noch mal der Ortler ? Dafür gibt es ein paar triftige Gründe – Nein nicht weil er da ist – das war es vielleicht im letzten Jahr, als ich zur gleichen Jahreszeit trotz bester Wetterprognose ohne jegliche Sicht den Gipfel erreicht habe. Damit wird mein persönlicher Grund wiederzukommen vielleicht bereits erkennbar. Zum zweiten ist da noch Bernhard, dem der Berg im letzten Jahr wegen eines fiebrigen Infekts verwehrt blieb. Frank, in diesem Jahr wieder dabei kennt Sulden und die Region am Ortler noch nicht . Damit haben wir zusammen bereits 3 Gründe auch 2015 hier zu sein.
Es ist wieder Mitte September – Geplant ist diesmal eine 7- tägige Hüttentour rund um den Ortler, letztlich mit der Besteigung des Ortlers selbst. Wir reisen über den Reschenpass an und bei sonnigem Wetter sehen wir vom Reschensee aus das in Woken gehüllte Ortlermassiv . Hoch über den winzigen Segeln der Kite- Surfer erkennt man über den Wolken den 3905m hohen Gipfel des Königs Ortler. Wir erreichen Sulden bereits am Samstag Nachmittag und haben so ausreichend Zeit den Berg auch noch mal vom Stifserjoch auf uns wirken zu lassen. Auch der Sonntagvormittag bietet Gelegenheit mit Frank einen Rundgang durch Sulden und sein Heimatmuseum im Schulgebäude zu machen.
Treffpunkt mit den anderen Teilnehmern der Tour ist dann am Sonntagnachmittag. Begleitet von unseren beiden Bergführern Bernhard und Robert nutzen wir die Aufstiegshilfe des Kanzellifts. Von der Bergstation sind es dann noch etwa 400 Höhenmeter zur Düsseldorfer Hütte auf 2721m. Das im Aufstieg regnerische Wetter legt in der Nacht mit Sturmböen und Gewitter noch nach, so das bereits am Montag der geplante Klettersteig an der Tschengelser Hochwand storniert werden muß.
Nach dem Frühstück werden die Seile im Gastraum der Hütte ausgepackt und auf besseres Wetter hoffend widmen wir uns mit den Bergführern den Sicherungstechniken. Das Wetter wird aber nicht besser und so steigen wir bei stärker werdendem Regen noch am Vormittag ab nach Sulden. Heutiges Ziel ist die Schaubachhütte auf 2581m. Normalerweise ist die Hütte mit der Kabinenbahn vom Tal aus leicht zu erreichen. Bei den heutigen Wetterverhältnissen wurde allerdings jeglicher Seilbahnverkehr eingestellt. Gegenüber der Talstation in der Bar finden wir einen trockenen Platz um einen Plan B zu erstellen. Nach ein paar Telefonaten seitens der Bergführer stehen dann 2 Allradfahrzeuge der Bergwacht vor der Tür. Es ist ein heißer Ritt über die teilweise steile Schotterpiste hinauf zur Schaubachhütte.
Nachdem die nassen Sachen im Trockenraum aufgehängt sind, finden sich alle in der warmen Gaststube der Hütte ein. Wie auch gestern auf der Düsseldorfer Hütte werden wir hier bestens verpflegt.
Am Dienstag hat sich das Wetter etwas geöffnet , so daß der heutige Übergang über die Eisseepitze zur Casati- Hütte in Angriff genommen wird. Steil führt uns der Steckner- Steig die 650 Höhenmeter leicht exponiert hinauf auf die Eisseespitze. Einige leichte Kletterstellen mit bereits vorhandener Schneeauflage liegen auf dem Weg. Die im Wetterbericht gemeldeten Starkwindböen von 6-7 Windstärken setzen zusätzliche winterliche Akzente. Von der 3230m hohen Eisseespitze hat man einen schönen Überblick über die Gletscher und Gipfel rund um Sulden.
Eine Pause gönnen wir uns windgeschützt am Eisseepaß an der Ruine der Halle’schen Hütte. 1897 erbaut war diese Hütte nach dem Becherhaus die höchste Hütte des Deutschen Alpenvereins mit 3133m Höhe. Als strategisch wichtige Truppenunterkunft der Kaiserjäger wurde die Hütte am letzten Kriegstag am 4.11.1918 niedergebrannt und somit zerstört.
Absteigend vom Eisseepaß queren wir über den Langerferner die Rückseite der Suldenspitze. Unser Tagesziel, die Casati Hütte 3254m rückt bereits in Sichtweite. Überholt werden wir vom Bergführer Kurt Ortler, der mit Gästen die Suldenspitze anvisiert. Nach einem kurzen „Halloo“ erzählt man uns augenzwinkernd, daß keiner so recht weiß wer eher da war- der Ortler- Kurt oder der Ortler selbst.
Nach einer Mittagspause auf der Hütte macht sich ein Teil der Gruppe dann noch auf den Weg zu einem Felsrücken zwischen dem Langen- und dem Zufallsferner. Etwa in einer halben Stunde zu erreichen, befindet sich hier eine ehemalige Geschützstellung der Österreicher. Die „Tre Canoni“ sind stumme Zeugnisse des erbitterten Alpenkriegs als ein Schauplatz der globalen Katastrophe des 1. Weltkriegs. Es handelt sich um eroberte italienische Schiffsgeschütze, die hier oben an diesem einsamen Ort vor fast 100 Jahren zurückgelassen wurden.
In der gleißenden Nachmittagssonne fällt der Blick auf unser morgiges Ziel den Monte Cevedale. Bereits am Abend wird es draußen wieder sehr ungemütlich, es stürmt und schneit. Die etwas abgewetzten Wolldecken haben sicher auch schon vor 100 Jahren Wärme gespendet.
Am Mittwoch ist das Wetter dann eher wieder grauselig. Keine Bedingungen für die geplante Besteigung des Cevedale. Nach dem Frühstück ziehen wir uns über bekanntes Terrain zurück bis zum Eisseepaß. Von hier aus gibt es einen steilen Abstieg hinab auf den Suldenferner. Die immer wieder auftretenden Starkwindböen sind dabei nicht wirklich hilfreich.
Auf dem Suldengletscher müssen dann noch einige Spalten umgangen werden bis wir die ins Tal führende Spur von der Suldenspitze erreichen. Die Schneeauflage erschwert das Erkennen der Spalten und bereits am Vortag war ich einige Male fündig. Es plästert wieder mehr und gegen Mittag erreichen wir die schon vertraute Schaubachhütte. Trotz des Wetters fährt aber heute die benachbarte Seilbahn, mit der wir am Nachmittag hinab zur Mittelstation auf 2172m fahren. Von hier führt uns der Weg hinauf zu unserem Tagesziel, der Hintergrathütte auf 2661m. Schwieriger als über den Normalweg führt von hier aus die Route über den Hintergrat auf den Ortler.
Auf der Hintergrathütte gibt es zwar keinen Trockenraum, dafür wird aber der Holzofen in der Gaststube auf Hochglut gebracht. So trocknen die rund um den Ofen drapierten klammen Sachen rasch. Hüttenwirt und Koch hier ist Ulf. Es heißt, wenn Ulf Lust hat zum Kochen gibt es gutes Essen. Zum Glück hat Ulf Lust, denn nach Pasta und Salat präsentiert er uns köstliches Hirschgulasch mit Polenta. Zum Nachtisch gibt es noch erstklassigen selbstgebackenen Apfelstrudel.
Der Donnerstag beginnt wieder etwas freundlicher und unterhalb der Ostabstürze des Ortlers und des „Ende der Welt“- Ferners queren wir hinüber zur Tabarettahütte auf 2556m. Von hier aus sieht man bereits die knapp 500 Höhenmeter höher gelegene Payer- Hütte 3029m auf dem Tabarettakamm liegen. Leider läßt die hier hängende Wetterstörung nicht locker- nach dem Durchzug einer Gewitterzelle machen wir uns an den Aufstieg zur Bärenkopfscharte 2871m. Der Weg führt nahe am Grat entlang zur Payer- Hütte. Mit Macht peitscht uns immer wieder der Regen grimmig ins Gesicht- „Hey !- ich hab‘ Urlaub“!
An der Hütte trifft auch Kurt Ortler ein, der mit Josef unsere beiden Bergführer am Ortler unterstützen wird. Am Ortler gilt die Regel: Maximal 3 Gäste pro Bergführer. Beim Blick aus dem Fenster auf der Payer Hütte denke ich für morgen nicht ernsthaft an einen Aufstieg. Abgefragte Wetterberichte dank Internet sind widersprüchlich. Allen voran Kurt geht von guten Bedingungen aus und tatsächlich öffnet sich der Himmel am Abend. Neben dem Aufblitzen einiger Gewitterzellen Richtung Schweiz blinken die Sterne über dem Ortler.
Freitag 5:00h – ich bin längst wach als der Generator der Hütte angeworfen wird. Kein Zweifel – Wetter? – Paßt! Schnelles Frühstück im Klettergurt. Den Rucksack von allem Ballast befreit stehe ich um 6:00h fertig angeseilt wie im Vorjahr mit Bernhard als Bergführer, diesmal mit Freund Bernhard und mit Stephan aus unserer Gruppe vor der Hütte. Josef nimmt Frank, Claudia und ihren Mann Johannes ans Seil. Die Bergführer Kurt und Robert gehen mit der stärkeren Fraktion der Gruppe vorraus.
Den Aufstieg über diesen sogenannten Normalweg habe ich bereits in meinem Bericht vom Vorjahr beschrieben. Die Wegpassagen unterhalb der Tabarettaspitze nimmt man zunächst im Schein der Stirnlampe. In diesem Jahr liegt bereits hartgefrorener Schnee auf den durchaus exponierten Trittbändern. Im weiteren Verlauf bei zunehmendem Tageslicht kommen dann die Kletterstellen am Tschierfeck an deren Ausstieg dann die Steigeisen für den weiteren Aufstieg angelegt werden.
Nachdem man zum sogenannten Bärenloch herausgequert ist folgt die erste Steiltufe. Der Gletscher hat sich im letzten Jahr sehr stark verändert. In dem ersten Steilstück werden in diesem Jahr neue Spalten in einer ausweichenden Spur umgangen. Auch im 2. Steilstück weiter oben mußten Spalten durch Aluminiumleitern passierbar gemacht werden.
Nach dem 1. Steilstück hat man bei etwa 3300m das Ortlerbiwak erreicht. Bei guten Wetterbedingungen entscheiden sich Frank und Claudia auf Josefs Empfehlung hier zu verweilen und nicht weiterzugehen. Wie Frank mir später berichtet hat er diese Entscheidung nicht bereut und als Fotograf die Wartezeit an diesem besonderen Ort bestens genutzt.
Freund Bernhard wechselt zu Josef ans Seil. Ich selbst war in diesem Jahr noch nicht in den Bergen unterwegs und leide unter der knappen Akklimatisationsphase der letzten Tage. Ich brauche für den Aufstieg daher diesmal vierdreiviertel Stunden. Schon auf dem Gipfelplateau kommen mir die absteigenden Seilschaften von Kurt und Robert entgegen.
Bergführer Bernhard treibt mich auf den letzten Metern noch mal an. Um 10:50h stehe ich zum 2. Mal auf dem 3905m hohen Gipfel und diesmal bei guter Sicht auf die umliegenden Gipfel wie Königsspitze, Zufallsspitze und Cevedale. Freund Berhard ist mit seiner Seilschaft auch noch oben.
Bei durch Wolken eingeschränkte Fernsicht mache ich die Ötztaler Weisskugel aus, mehr als 3000 m unter uns das Vinschgau. Wind und Wetter haben das Gipfelkreuz mit einem bizarren Eispanzer überzogen. Stephan, mein sympathischer 28 jähriger Seilkamerad ist Landwirt und kommt aus Schleswig-Holstein. Eine halbe Stunde genießen wir unsere Aussicht mit etlichen Fotos, dann machen wir uns wieder an den Abstieg über die Aufstiegsspur.
Am Biwak binden sich die Zurückgebliebenen wieder in ihre ursprünglichen Seilschaften ein. Die Payer- Hütte erreichen wir im Abstieg um 14:45h und verweilen hier noch eine Weile in der wärmenden Nachmittagssonne. Später steigen wir dann zur Tabarettahütte ab, wo wir unsere letzte Nacht am Berg verbringen. Mit unserer bunten Truppe verbringen wir hier noch einen geselligen Abend.
Der Samstag meint es ebenfalls gut mit uns. König Ortler präsentiert sich noch einmal vor makellosem, dunkelblauem Himmel. Die Sonne scheint und so ist es für Frank, Bernhard, Stephan und mich ein Genuß bei diesem spätsommerlichen Wetter durch den Bergwald abzusteigen nach Sulden. Auf dem Vorplatz einer hippen Bar an der Ortsstraße genießen wir im T-Shirt diverse Kaffeespezialitäten.
Zusammen mit Frank und Bernhard lasse ich auch diesen letzten Abend im schönen Sulden in der historischen Stube des Restaurant Yak & Yeti ausklingen. Auf dem Weg zum Hotel setzt dann doch wieder Regen ein.
In der Nacht hat es oben etwas Schnee gegeben – 2 Tage später zeigt das Webcam- Bild Sulden bei Neuschnee. Zurück in Wuppertal sehen wir uns den gerade in den Kinos erschienenen Film „Everest“ an. Es geht um ein reales Bergdrama aus dem Jahr 1996 am Everest. Das dazu erschienene Buch „In Eisigen Höhen“ von John Krakauer wurde teilweise hier in der Region verfilmt.
Aktiv als Bergführer mit dabei waren Kurt Ortler und Robert Kofler. Ich verlasse das Kino natürlich erst, nachdem ich Kurt und Robert im Nachspann in der Rubrik „Italy Mountain Security Team“ ausgemacht habe.
Wieder hatten wir eine gute Zeit in Sulden und auf den obigen Hütten. Wir hatten hier viele nette Begegnungen und haben uns in allen genannten Quartieren sehr wohl gefühlt. Bei der guten und reichhaltigen Verpflegung in den gemütlichen Gasträumen verblassten die Wetterkapriolen gar zur Nebensache. Besten Dank an die guten Leute und an die Bergführer, die uns das ermöglicht haben.
A. Korbmacher
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