Südtirol und Pfalz 2022

Südtirol und Pfalz 2022

Endlich ist es soweit, unser Sommerurlaub steht Mitte August im Anschluss an die Schulferien in NRW an. Das Jahr hat uns bereits viel Sonne beschert und wie es sich immer mehr abzeichnet viel zu wenig Niederschläge. Ein zunehmendes Problem, denn neben Extremtemperaturen über 30 Grad bedroht Wasserknappheit die Landwirtschaft in Deutschland. Der Rhein ist kaum schiffbar und auch der Grundwasserspiegel sinkt in großen Bereichen bedrohlich. Der Klimawandel ist längst keine Fiktion mehr, sondern fühl- und sichtbare Realität vor der eigenen Haustür.

Autoverladung Düsseldorf
Autoverladung Düsseldorf

Wir werden unseren 2- wöchigen Sommer-Urlaub in diesem Jahr in Südtirol und ein paar Tage in der Pfalz auf der Rückfahrt verbringen. Unsere Quartiere haben wir erst östlich des Eisacktals im Eggental, dann westlich im Martelltal festgelegt. Es sind in beiden Fällen Familienbetriebe, bei denen wir uns bei früheren Aufenthalten bereits bestens aufgehoben fühlen durften.

Bitte einsteigen !
Bitte einsteigen !

Für die Anfahrt haben wir uns überlegt mit dem Auto nach Innsbruck zu reisen ohne auch nur einen Liter Sprit zu verbrauchen. Wie das geht?- ganz einfach, wir lassen unser Auto am Freitagabend an der Autoverladung in Düsseldorf auf unseren Nachtzug nach Innsbruck verladen und suchen unser gebuchtes Schlafwagenabteil auf, wo wir uns zum Abendessen eine Kühltasche mit einem Sushi-Buffet mitgebracht haben.

Es ist angerichtet...
Es ist angerichtet…

Wir wissen nicht wie oft wir das Autorennen in oder über die Alpen mit Stau um München oder auf dem Fernpass bereits durchgezogen haben. Ja gut- der Schlafwagen ist nicht ganz billig, aber es ist Urlaub von der ersten Minute an, auf den wir mit einem bestens gekühlten Glas Schaumwein anstoßen und bei der Ausfahrt aus dem Düsseldorfer Hauptbahnhof der untergehenden Sonne zuzuschauen. Die derzeitigen Spritpreise relativieren die Kosten für diese angenehme Form der Anfahrt in den Urlaub durchaus. Für die preisgünstigere Alternative des Liegewagens im 4-er Abteil habe ich mich einige Male bei der Anreise mit dem Motorrad in die Alpen entschieden.

Rangierarbeiten am Morgen in Innsbruck
Rangierarbeiten am Morgen in Innsbruck

In unseren Kojen lassen wir uns quer durch Deutschland schuckeln und bekommen am Morgen bei der Anfahrt auf Innsbruck ein kleines Frühstückspaket mit einem heißen Kaffee serviert. Wir sind ausgeschlafen und hätten nun nur noch eine gemütliche Anreise über Bozen hinauf zu unserem ersten Urlaubsquartier in Deutschnofen im Eggental vor uns. Bei dem herrlichen Wetter wählen wir jedoch als Alternativroute die Anfahrt über das Ötztal hinauf zum Timmelsjoch, um hier den Alpenhauptkamm zu überqueren. Am 17. Juli 1959 wurde der 2509m hohe Alpenübergang für den Straßenverkehr eröffnet, für den auf der steilen italienischen Seite die bereits vorhandene stillgelegte Militärstraße ausgebaut wurde.

An der Südseite des Timmelsjochs
An der Südseite des Timmelsjochs

Hinab ins Passeiertal und über den Jaufenpass fahren wir über Sterzing und Franzensfeste ins Pustertal. Von Bruneck aus gelangen wir nach Süden über das ladinisch-sprachige Gadertal in die Alta Badia, wo wir oberhalb von Corvara für eine Weile eine Bank neben der Straße besetzen. Von hier blicken wir über den Ort hinweg auf den 2665 Meter hohen Saassongher. Der markante Felsturm bildet den Südostpfeiler der Puezgruppe im Naturpark Puez-Geissler. Auch der Irrsinn auf der Straße lässt uns kurz den Atem stocken, als ein Rennrad neben einem zum Überholen ansetzenden Motorrad aufschließt und für das „gelbe Trikot“ alles riskiert.

Corvara mit Saassongher-Alta Badia
Corvara mit Saassongher-Alta Badia

Entlang der Südabstürze des Sella-Stocks fahren wir über Arabba und das Pordoi-Joch nach Canazei ins Fassatal. Mit dem Karerpass erreichen wir das Eggental wo uns Armin und Miriam Pfeifer nebst Vater Sepp in unserem Hotel auf dem Obkircherberg in Deutschnofen freundlich begrüßen. Mittlerweile steht mit Armins Tochter Michelle schon die nächste Generation auf den eigenen Beinchen. „Michelle Pfeifer“- ein berühmter Name sage ich schmunzelnd zum stolzen Vater. Wir waren bei Familie Pfeifer im Frühjahr 2019 und über den letzten Jahreswechsel zum Skilaufen hier im Eggental. 2017 per Zufall bei der Durchreise im Sommer entdeckt, wollen wir nun eine Woche lang die warme Jahreszeit rund ums Eggental im Weltnaturerbe Dolomiten genießen.

Das Panorama vom Obkircherberg in Deutschnofen
Das Panorama vom Obkircherberg in Deutschnofen

Ein Genuss ist allein schon der Blick vom Obkircherberg, ein unverbaubarer Panorama- Blick auf Schlern, Rosengarten, Latemar, Weißhorn und Brenta. Das Panoramahotel macht seinem Namen alle Ehre, denn diesen Blick haben wir im Gastraum, auf der Terrasse, im Pool, in der Sauna und auch aus unserem Schlafzimmer. Das Szenario wechselt im Tagesverlauf ständig und erhält seinen Höhenpunkt am späten Nachmittag wenn die Felswände rot glühen. Einen Fernseher benötigen wir bei diesem Anblick nicht. Am Abend freuen wir uns über das gute Essen, das Helga Pfeifer mit Schwiegertochter Sandra in der Küche zaubert.

Am Gipfel der Weißhorns- Italien hat Ferien
Am Gipfel der Weißhorns- Italien hat Ferien

Direkt am Sonntag schnüren wir die Wanderschuhe und haben uns dafür ein ganz entspanntes Höhenprofil mit einem Rundkurs am Weißhorn 2313m ausgesucht. Das Weißhorn können wir vom Frühstückstisch direkt gegenüber als hellen Felsaufbau sehen. Über den Lavazé-Pass führt eine Fahrstraße hinauf zum Jochgrimm auf etwa 2000m. Ein großer Parkplatz und ein Hotel liegen hier eingebettet zwischen Schwarz- und Weißhorn. Der Aufstieg ist mit etwas mehr als 300 Höhenmetern moderat. Wir sind nicht allein an dem beliebten Aussichtsberg, denn Italien hat jetzt Urlaub.

Kletterstellen im nördlichen Abstieg vom Weißhorn
Kletterstellen im nördlichen Abstieg vom Weißhorn

Am Gipfel des Weißhorns ist es wahrlich voll und wir suchen uns eine geschützte Stelle für unsere Gipfelrast abseits des belagerten Gipfelkreuzes. Mit einem Drohnenrundflug um den Gipfel gelingt mir ein schönes Video-Panorama oberhalb des Eggentals. Vom Gipfelkreuz wählen wir den Abstieg über die nördlichen Abbrüche, an denen wir bald in steiles Drahtseil- versichertes Terrain gelangen. Angenehmer wäre es hier sicher die leichten, aber exponierten Kletterstellen im Aufstieg zu nehmen.

Abstieg vom Weißhorn nach Norden
Abstieg vom Weißhorn nach Norden

Nach Nordwesten geht der Gipfel des Weißhorns in eine steil abfallende Geröllflanke über, an deren „Krater“-Rand wir nördlich weiter absteigen bis ein Wegweiser nach rechts, um den Berg herum zurück zum Jochgrimm weist. Unter uns können wir das Wallfahrts- Kloster Maria- Weißenstein sehen, dass wir bei unserem ersten Aufenthalt 2017 besucht haben. Am morgigen Feiertag zu Maria-Himmelfahrt wird es hier, wie an vielen Orten einen großen Ansturm von Menschen bei den Feiertagsprozessionen geben. Auch den Obkircherberg mit unserem Hotel können wir gut erkennen. Am Abend geht der Vollmond über dem Latemar auf und scheint in der Nacht hell in unser Panoramazimmer.

Blick Nord mit Kloster Maria-Weißenstein und Obkircherberg (Bildmitte)
Blick Nord mit Kloster Maria-Weißenstein und Obkircherberg (Bildmitte)

Am Montag haben wir eine weitere Wanderung avisiert. Diesmal geht es in den Grand Canyon Südtirols, die Bletterbach-Schlucht. Im Laufe von Jahrtausenden hat sich der Bletterbach, der am Weißhorn entspringt tief in den Fels und somit in die Erdgeschichte gegraben. Beim Abstieg in die Schlucht vom Besucherzentrum des Geoparcs Bletterbach erreichen wir an den Felsen die Grenze zwischen Bozner Quarzporphyr und Grödner Sandstein. Der Porphyr und auch der Sandstein haben ihren Ursprung in vulkanischer Aktivität vor 280 bis 260 Millionen Jahren im Perm. Porphyr entsteht unter großer Hitze aus Verschmelzung von Lava und Asche, der hiesige Sandstein wiederum aus erodiertem Porphyr unter hohem Druck. Nur zum Vergleich, der Colorado hat sich im Grand Canyon in Arizona in bis zu 1,7 Milliarden Jahre alte Gesteinsschichten gegraben.

In der Bletterbachschlucht
In der Bletterbachschlucht

Für Geologen ist es ein Blick in das aufgeschlagene Buch der Erdgeschichte. Hier gefundene Exponate von Fossilien und sogar Fußabdrücke von Dinosauriern, in diesem Fall eidechsengroße Reptilien, sind im Besucherzentrum ausgestellt. Der Eintritt in die Schlucht beinhaltet die Aushändigung eines Helms, was sich beim Betrachten der hohen Canyon-Wände auch als Notwendigkeit darstellt. Bei einsetzendem Regen ist die Schlucht daher auch auf schnellstem Weg zu verlassen. Am Taubenleck erreichen wir den Boden der engen Schlucht, die hier seitlich von senkrechten Felsen flankiert wird. Der Bletterbach selbst plätschert derzeit eher harmlos talwärts. Ein Bach fällt von oben über die Felsen in die Schlucht.

Bletterbachschlucht- Canyon-Wände am Butterloch
Bletterbachschlucht- Canyon-Wände am Butterloch

Entlang des Bletterbachs laufen wir weiter hinauf in die Schlucht über das gewundene etwas weiter werdende Bachbett bis zum Butterloch. Ich gehe davon aus, das damit die ausgewaschenen Felsformationen am Prallhang des Canyons gemeint sind, die so aussehen als hätte jemand eine Wölbung in ein Stück Butter gekratzt. Wir kommen an den Talschluss, dessen Betreten wegen der Steinschlaggefahr verboten ist. Nach einer langen Pause in der Sonne müssen wir ein Stück zurück um dann über den Jägersteig, einen steilen Treppenweg hinauf an den Rand der Schlucht aufzusteigen. Mit tollen Tiefblicken auf den Talgrund können wir bald auch darüber den Gipfel des Weißhorns erkennen. Seine erodierte Nordwest- Flanke liegt wie ein Sammel-Trichter über der Bletterbachschlucht, um bei Niederschlägen jederzeit neue erosive Wassermassen in die Schlucht zu leiten.

Blick in die Schlucht vom Jägersteig
Blick in die Schlucht vom Jägersteig

Wir haben noch Zeit und fahren hinauf zum Karerpass um uns den Karersee anzuschauen. Der hübsche See mit seiner türkisblauen Farbe bei Sonnenschein ist ein Touristenmagnet. Eigens für den See hat man den Parkplatz mit einer Unterführung unter der Passstraße hindurch verbunden. Dieser ist gut besucht und natürlich sind wir auch hier alles andere als allein. Einer ladinischen Sage nach lebt „Ondina“, eine Wassernixe in dem See, die im Einklang mit der Natur hier ihr Heim gefunden haben soll. Eine Bronzestatue hockt am Rande des Sees. Der See hat allerdings auch sehr wenig Wasser und wer weiß, vermutlich hat sich Ondina längst einen ruhigeren See gesucht. Vom Parkplatz überspannt eine Hängebrücke für Fußgänger eine Schlucht. Einmal über die schwankende Brücke zu laufen lassen wir uns nicht nehmen.

Der Karersee am Karerpass mit Latemar-Gruppe
Der Karersee am Karerpass mit Latemar-Gruppe

Anlässlich des heutigen Feiertags hat Familie Pfeifer vor dem Abendessen zum Aperitif geladen. In der Nachmittagssonne halten alle Gäste ein Glas Prosecco mit hausgemachtem Holundersirup in der Hand. Sepp Pfeifer greift zu seinem Akkordeon und macht diesen Moment mit seinem Aufspiel auf der sonnigen Wiese vor dem Bergpanorama perfekt. Nach Süden toben am Abend heftige Gewitter mit einer extrem hohen Abfolge von Blitzen am Nachthimmel.

Sepp Pfeifer spielt auf
Sepp Pfeifer spielt auf

Unser geplantes Vorhaben am Dienstag mit der Seilbahn zum Saas Pordoi 2950m hinaufzufahren verwerfen wir rasch bei der Ankunft am Pordoi-Joch. Man hat hier die Möglichkeit recht einfach auf den höchsten Sella-Gipfel, den Piz Boé auf 3152m aufzusteigen. Mit dieser Idee sind wir leider nicht allein und einen Parkplatz finden wir auch nicht mehr. Genervt setzen wir unsere Fahrt fort und fahren von der Passhöhe hinunter nach Arabba. Wir nehmen von hier die Seilbahn hinauf zu Porta Vescovo auf 2530m und unternehmen eine Panoramawanderung mit Blick auf die Königin der Dolomiten- die Marmolata, bis zum Passo Padon mit der Padon-Hütte 2407m. Von hier steigen wir bis zur Mittelstation der Seilbahn nach Norden auf etwa 2150m ab.

Marmolata 3343m- Die Königin der Dolomiten von unserem Pausenplatz
Marmolata 3343m- Die Königin der Dolomiten von unserem Pausenplatz

Es ist eine ausgesprochen angenehme Wanderung, die uns leicht absteigend entlang der Südhänge unter dem Felsgrat zwischen Porta Vescovo und Passo Padon führt. Über uns verläuft über den Felsgrat ein eingerichteter Klettersteig. Wir suchen uns einen abgeschiedenen Pausenplatz mit Balkonblick auf die Marmolata. Hier fand am 3.07. dieses Jahres ein Bergdrama statt, bei dem 11 Bergsteiger getötet und 8 verletzt wurden. Oberhalb der Aufstiegsroute auf die 3343m hohe Marmolata in der Nähe der Punta Rocca ist ein 60 Meter hoher Serac auf einer Breite von 200 Metern aus einem Gletscher gebrochen und als gewaltige Lawine aus Geröll und Eis über eben jene Normalroute hinweg gerast. Mein befreundeter Trentiner Bergführer Mirco war zwei Jahre vorher mit Gästen an der gleichen Stelle unterwegs, wie er mir berichtet.

Marmolata- Der ausgebrochene Serac unter dem Grat im linken Bilddrittel
Marmolata- Der ausgebrochene Serac unter dem Grat im linken Bilddrittel

Von unserem Pausenplatz aus wirkt die Ausbruchstelle unter dem Grat der Marmolata eher klein, wohlwissend dass sie es nicht ist. Hätte man das Unglück bei den derzeitigen Temperaturen voraussehen können? Überall verändern sich die Bedingungen in den Alpen dramatisch. Rückgang von Eis und Permafrost bringen einiges in Bewegung und erhöhen natürlich auch die Gefahr solcher Ereignisse. Schon vor 3 Jahren hat Mirco bei einer Tour mit uns die Tatsache angemerkt, dass er nie so extreme Temperaturen auf über 3000 Metern im Sommer erlebt hat.

Auf dem Weg zum Passo Padon
Auf dem Weg zum Passo Padon

Der Wegfall der wasserspeichernden Gletscher im Hochgebirge wird sich zukünftig auf unsere gesamte Wasserwirtschaft und auch auf die Pegelstände in unseren Flüssen noch stärker auswirken. Wir genießen den Blick auf den höchsten Berg der Dolomiten und ich lasse für dieses Panorama auch meine Kameradrohne aufsteigen. Tief unter uns liegt der Fedaia-Pass mit dem gleichnamigen See auf 2057 Meter. Nebenbei bemerke ich einen ausgehölten Felsen als Unterstand und Relikt des 1. Weltkriegs neben unserem Pausenplatz. Auf dem Weg zum Passo Padon öffnet sich der Blick nach Südosten auf Monte Pelmo und auf die Civetta. Wir erreichen die Rifugio Padon und trinken auf der Terrasse etwas, bevor wir uns über den Passo Padon an den Abstieg zur Mittelstation der Seilbahn und zurück nach Arabba machen.

Monte Civetta 3220m
Monte Civetta 3220m

Die Rückfahrt ins Eggental wird zur Geduldsprobe- ich dachte Verkehrsverhältnisse wie bei uns zur Rush-Hour kennen die Südtiroler noch nicht. Weit gefehlt- die Abfahrt vom Pordoijoch durch Canazei und das gesamte Fassatal läuft Stoßstange an Stoßstange, Stop and Go bis zum Abzweig zum Karerpass. So schrecklich haben wir die Strecke selbst im Winter nicht erlebt.

Sella mit Piz Boé 3152m
Sella mit Piz Boé 3152m

Am Mittwoch wollen wir am Latemar die Rifugio Torre di Pisa auf 2671 Meter besuchen. Beim Skilaufen im Skigebiet von Obereggen haben wir die Hütte im Winter oft vom Passo Feudo aus ins Auge gefasst. Der Passo Feudo 2175m ist der höchstmögliche Ausgangspunkt für den Aufstieg zur Hütte, der vom Val di Fiemme (Fleimstal) per Aufstiegshilfe zu erreichen ist. Der zunächst problemlose Aufstieg nimmt unterhalb der Hütte zunehmend steileren und alpineren Charakter mit einem gewissen Anspruch an Trittsicherheit an.

Schlußanstieg zur Torre di Pisa- Hütte am Latemar
Schlußanstieg zur Torre di Pisa- Hütte am Latemar

An den etwas ausgesetzteren Passagen bilden sich Warteschlangen und erinnern mich an die Bilder vom Hillary-Step am Everest. In diesem Gewusel versuchen es die Einen auf dem Hosenboden, Andere schleppen im Gegenverkehr ihre Mountain-Bikes auf den Berg. Ja bitte- jeder darf natürlich alles auf die Berge raufschleppen, aber muss es denn wirklich über so stark frequentierte und fürs Fahrrad völlig ungeeignete Wege gehen? Wir ziehen das durch und verweilen eine Weile an der Materialseilbahn der belagerten Hütte, bevor wir uns wieder an den belebten Abstieg machen.

Rifugio Torre di Pisa 2671m
Rifugio Torre di Pisa 2671m

Donnerstag gönnen wir unseren Beinen Ruhe und fahren bei regnerischem Wetter nach Brixen. 40 Kilometer nördlich von Bozen, dort wo die Rienz in die Eisack fließt liegt das historische Zentrum von Brixen. Als drittgrößte Stadt Südtirols gehört Brixen zu den ältesten Städten Tirols. Die über Jahrhunderte von Fürstbischöfen regierte Stadt hat einen heute barocken Dom und die Hofburg, auf der die Fürstbischöfe seit 1260 residierten.

Der Brixener Kreuzgang
Der Brixener Kreuzgang

Für uns von Interesse ist der romanische Kreuzgang des Doms, dessen Anlage auf das 10.Jahrhundert zurück geht. Im 14. Jahrhundert fand eine gotische Neugestaltung statt. Die Malereien, die im Kreuzgewölbe sehr gut erhalten sind stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Der Brixener Kreuzgang gehört zu den kulturgeschichtlich bedeutendsten Stätten des gesamten Alpenraums.

Brixener Kreuzgang- Ausmalung 14.-15-Jahrhundert
Brixener Kreuzgang- Ausmalung 14.-15-Jahrhundert

Wir drehen eine Runde durch die hübsche Altstadt, die sicher auch bei sonnigerem Wetter noch einmal einen Besuch wert wäre. Ähnlich wie in Bozen bilden die Häuser überdachte Arkaden- Gänge in denen heute Geschäfte zum Einkaufsbummel einladen. Am Mittag füllen sich auch die Restaurants und Cafés und bei wieder einsetzendem Regen fahren wir nach Eppan/Girlan südwestlich von Bozen, wo wir auf dem Weingut Schreckbichl Wein einkaufen wollen. Besonderen Gefallen habe ich am 2018er Lagrein „Mantsch“ gefunden und decke mich mit einem Karton dieses herrlichen Weins für zu Hause ein.

Die kommende Ernte 2022
Die kommende Ernte 2022

Der regnerische Tag lädt zur frühen Rückkehr an den Obkircherberg und zu einem Besuch der Sauna ein. Beim Abendessen reißt der Regenwolkenvorhang pünktlich zum Erglühen der Dolomitenwände wieder auf.

Unsere Unterkunft auf dem Obkircherberg- Deutschnofen
Unsere Unterkunft auf dem Obkircherberg- Deutschnofen

Das Ziel am Freitag liegt ebenfalls im Eisacktal nördlich von Brixen. Inmitten weitläufiger bester Weinlagen liegt das 1142 gegründete Kloster Neustift. Auf das Jahr 1200 geht die als Engelsburg bekannte Michaeliskapelle zurück, die der Klosteranlage vorgelagert ist. Bevor wir uns dem musealen Teil des Klosters widmen durchstreifen wir den wunderbaren Klostergarten, der dem Kloster ein Füllhorn an nutzbaren Pflanzen beschert. Rundherum liegen Weinstöcke, die in 850 Jahre alter Weinbau-Tradition bestens gedeihen.

Kloster Neustift
Kloster Neustift

Sowohl die Stiftskirche, als auch die Räumlichkeiten des Klosters wurden im 18.Jahrhundert barockisiert. Besonders sehenswert ist die Bibliothek, in der 92000 Bücher, Manuskripte und Karten aufbewahrt werden. In den Museumsräumen befinden sich zahlreiche Exponate rund um die Geschichte des Klosters. Gründer des Augustiner Chorherrenstifts ist der in Brixener Bischof Hartmann, aus dessen Zeit ebenfalls einiges erhalten ist. Kaiser Friedrich Barbarossa erließ auf Bitte Hartmanns 1157 auf dem Reichstag zu Bamberg eine Schutzurkunde für das Kloster.

Kloster Neustift- Die Bibliothek
Kloster Neustift- Die Bibliothek

Auch im Kloster Neustift ist der Kreuzgang besonders sehenswert. Er wurde wie das Kloster um 1200 erbaut und im 14.Jahrhundert mit einem gotischen Kreuzgewölbe ergänzt. Spätgotische Fresken von Michael Pacher zieren die Decke. Sie wurden nach der Pest 1636 wohl zum Zwecke der Desinfektion übertüncht. Nach der Barockisierung der Kirche wurden zahlreiche Grabsteine von Pröbsten und Adeligen an den Wänden angebracht, da waren die Fresken längst in Vergessenheit geraten und wurden erst in jüngerer Zeit wieder freigelegt.

Stiftskirche Kloster Neustift mit Barock-Ausstattung
Stiftskirche Kloster Neustift mit Barock-Ausstattung

Wir verlassen das Museum über den Hof mit dem Wunderbrunnen, dessen Marmorbecken von 1508 von einem Pavillon von 1669 überdacht ist. Dieser zeigt die 7 Weltwunder der Antike mit einem achten, dem Kloster Neustift- man hatte Selbstbewusstsein. Wir verlassen das Kloster durch das Tor, an dem als Zeichen der Gottesliebe das zentrale Symbol der Augustiner Chorherren angebracht ist. Es ist das brennende Herz des Hl. Augustinus, dem Ordensgründer der die folgenden Worte gesprochen haben soll:

„In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst“-

Kreuzgang Kloster Neustift- Die Verkündigung 15. Jh.
Kreuzgang Kloster Neustift- Die Verkündigung 15. Jh.

Ein Leitsatz, der sicher auch über die Welt der Augustiner hinaus Bedeutung hat. Im Klosterladen decken wir uns noch mit Erzeugnissen von diesem schönen Flecken Erde ein. Auch heute fahren wir nicht auf dem direkten Weg zurück ins Eggental, sondern statten dem Lüsener Tal mit der Ortschaft Lüsen einen Besuch ab. Das Tal verläuft parallel südlich des Pustertals und ist nach Norden vom Höhenzug der Lüsner-Alm getrennt. Die Lüsner Berge sind eine Untergruppe der Dolomiten zwischen Eisack-, Puster- und Gadertal und bestehen aber nicht aus Dolomit sondern aus Quarzphyllit.

Kaiserschmarrn auf dem Tulperhof
Kaiserschmarrn auf dem Tulperhof

Wir besuchen hier auf 1640m oberhalb von Lüsen den Tulperhof. Er ist die Basis mit dem Startplatz, an der die Flugschule Papillon alpine Höhenflüge ausbildet. Freund Frank hat hier seine Gleitschirm- Ausbildung erfolgreich beendet und freut sich über ein paar Bilder, die ich ihm von hier schicke. Und tatsächlich finde ich in der Gaststube einige bekannte Gesichter vor. Da sitzen Christoph und Klaus mit seiner Frau Stephane bei der Mittagspause. Ich freue mich über das Wiedersehen mit meinen Instruktoren aus der Röhn und bekräftige mein Vorhaben im nächsten Jahr an der Wasserkuppe das Thema Gleitschirmfliegen weiter zu verfolgen. Das Wetter ist gewittrig mit böigen Winden und lässt im Moment keinen Flugbetrieb zu. Wir teilen uns eine Weltmeister-Portion Kaiserschmarrn und machen uns dann wieder auf den Weg.

Blick ins Lüsner Tal Richtung Würzjoch und Peitlerkofel 2875m
Blick ins Lüsner Tal Richtung Würzjoch und Peitlerkofel 2875m

Von Lüsen führt eine Passtrasse auf den Passo delle Erbe (Würzjoch) 1987m. Am 2875 m hohen Peitlerkofel vorbei führt uns die Straße von der Passhöhe hinunter nach St.Martin in Thun ins Gadertal. Diesmal nehmen wir am Pässe-Karussell rund um die Sella den Abzweig zum 2121m hohen Grödnerjoch für die Überfahrt ins Grödnertal. Über den Panider-Sattel gelangen wir hinter St.Ulrich über Kastelruth am Fuß des Schlern ins Eisacktal und von dort zurück ins Eggental. Unsere erste Urlaubswoche mit unserem Quartier am Obkircherberg ist schon wieder rum. Wir verpacken alles im Auto und haben noch einen schönen letzten Abend bei Familie Pfeifer. An diesem Abend gibt uns beim Essen ein Regenbogen eine Extravorstellung vor der abdampfenden Wolkenküche an den Dolomitenwänden.

Regenbogen zum Abschied
Regenbogen zum Abschied

Am Samstag nehmen wir Abschied von Familie Pfeifer und dem Obkircherberg über Deutschnofen im Eggental. Vor unserer Weiterfahrt ins Vinschgau legen wir einen Zwischenstopp in Bozen ein. Hier wollten wir bereits vor 9 Jahren den als „Ötzi“ bekannten Südtiroler aufsuchen, der vor 5300 Jahren in den Ötztaler Alpen in der Nähe des Similauns seinen Tod in Schnee und Eis fand. Wegen der damals zu langen Wartezeit haben wir uns diesmal mit einer Online-Reservierung einen terminierten Besuch am Vormittag eingerichtet. Seit seiner Entdeckung am 19.September 1991 am 3208m hohen Tisenjoch hat „Ötzi“ im Südtiroler Archäologiemuseum sein eisiges Zuhause gefunden. Seither ist das internationale Interesse an der ältesten natürlichen menschlichen Mumie ungebrochen.

Rekonstruktion von "Ötzi"
Rekonstruktion von „Ötzi“

Die 5300 Jahre alte gefriergetrocknete Mumie hat unter idealen Umständen die Zeit im Eis nahezu ohne Beschädigungen überstanden. Anthropologen, Pathologen und Forensiker untersuchten den Leichnam, die Kleidung und die Ausrüstung des Eismanns und konnten enorme Erkenntnisse über die Gesundheit, die Herkunft und das Leben des Mittvierzigers gewinnen.

Der Eismann in seiner Kühlkammer
Der Eismann in seiner Kühlkammer

Allein die medizinischen Erkenntnisse über den Mann aus dem Eis sind verblüffend, aber besonders spannend ist die Aufarbeitung seines gewaltsamen Ablebens. Schnittverletzungen an Arm, Händen und Rücken lassen auf eine stattgehabte Auseinandersetzung schließen. Erst 2001 wurde die Pfeilspitze entdeckt, die das linke Schulterblatt durchschlug und die Schlüsselbeinarterie eröffnete. Anhand des Mageninhalts konnte ein Bewegungsmuster „Ötzis“ erstellt werden und die derzeitige Theorie deutet auf Verbluten des Flüchtenden durch Pfeilschuss eines Verfolgers hin.

Forensischer Nachweis der Todesursache nach 5300 Jahrem- Die Pfeilspitze im 3D- Computertomogramm
Forensischer Nachweis der Todesursache nach 5300 Jahrem- Die Pfeilspitze im 3D- Computertomogramm

Es ist eine umfangreiche und spannende Ausstellung rund um das Leben des Mannes aus der Steinzeit, der unsere Vorstellung über das Leben der Menschen vor über 5000 Jahren neu beleuchtet. Mit dem Film „Der Mann aus dem Eis“ von 2017 hat Schauspieler Jürgen Vogel dieser Vorstellung Leben eingehaucht. Wir bummeln noch etwas entlang der hippen Geschäfte durch die Bozener Arkaden und schauen danach in den Bozener Dom „Maria Himmelfahrt“, der im 13.Jahrhundert anstelle einer romanischen Pfarrkirche von 1180 erbaut wurde. Im Inneren befinden sich Fresken aus dem 14. Jahrhundert, eine Pieta aus dem 15. Jahrhundert und die Statue der „Lieben Frau von Moos“ aus dem 12.Jahrhundert, die im Sumpfland der Eisack gelegen haben soll.

Einkaufsbummel in den Bozener Arkaden
Einkaufsbummel in den Bozener Arkaden

Unser Auto haben wir in der Tiefgarage unter dem Waltherplatz geparkt. Ein Denkmal des 1170 geborenen Dichters Walther von der Vogelweide aus Laaser Marmor steht mitten auf dem Platz. Ob er, wie es von den Erbauern des Denkmals angenommen wurde in Südtirol geboren wurde ist unklar. In jedem Fall gilt er neben Wolfram von Eschenbach als wichtigster mittelhochdeutscher Lyriker des Mittelalters.

Bozen- Waltherplatz und Dom Maria-Himmelfahrt
Bozen- Waltherplatz und Dom Maria-Himmelfahrt

Entlang von Schloss Sigmundskron im Südwesten der Stadt verlassen wir Bozen über die Weinstraße. Schloss Sigmundskron ist als Messner-Mountain Museum „Firmian“ einer der sechs Standorte des bekannten Extrembergsteigers in Südtirol. 2013 haben wir diesen Ort besucht, nun fahren wir ein paar Kilometer durch die Weingüter auf den Höhen oberhalb des Eisacktals. Dick und saftig hängen die erntereifen Dolden der weißen und blauen Trauben an den Weinstöcken. Nach Osten öffnen sich Blicke auf Schlern und auch der Latemar hinter dem Eggental sagt noch mal „Tschüss“, bevor wir Kurs über Meran ins Vinschgau nehmen.

Schloss Sigmundskron- Blick von der Weinstrasse
Schloss Sigmundskron- Blick von der Weinstrasse

In Goldrain zweigt das Martelltal ab, wo wir in der „Erdbeerwelt“ einkaufen. Im Martelltal gedeihen Bergerdbeeren besonders gut in bester Qualität. Wir decken uns hier gerne mit Produkten ein. Aus diesen Marteller Erdbeeren produziert die Firma Pircher ein unglaubliches Destillat, das außerhalb Südtirols kaum zu kriegen ist.

Paradies im oberen Martelltal- Der Stallwieshof
Paradies im oberen Martelltal- Der Stallwieshof

Am Samstagnachmittag erreichen wir den Hof von Familie Stricker. Auf Südtirols höchstgelegenem ganzjährig bewirtschaftetem Erbhof auf 1953m waren wir zuletzt im Sommer 2017 zu Gast. Vor 2 Jahren hatte uns die Covid-Pandemie einen geplanten Aufenthalt verwehrt. Familie Stricker hat ein neues Gästehaus gebaut, das 2020 gerade fertig geworden war. Die Freude ist groß, uns an diesem außergewöhnlichen Ort wiederzufinden. Strickers sind wohlauf, allen voran die Senioren Irma und Eddy. Romy und Marc, der Nachwuchs von Sohn Oswald und Schwiegertochter Jana sind mit der Einschulung von Marc nach den Sommerferien beide Schulkinder. Peter hat mit Natalie und Finn, die ihm in den Sommerferien zur Hand gehen tatkräftige und freundliche Unterstützung an der Seite.

Erbhof Stallwies
Erbhof Stallwies

Wir haben mit dem „Romantikzimmer“ das gleiche Zimmer wie vor 5 Jahren im Haupthaus unter dem Dach. Der Blick vom Balkon hinauf in den Talschluss des Martelltals mit seinen angrenzenden 3000ern ist großartig. Wir richten uns ein und freuen uns auf das Abendessen. Chef Oswald verwendet schwerpunktmäßig Zutaten aus eigener oder lokaler Produktion. Bestens gedeiht sein Salat auf fast 2000m, das Rindvieh liefert erstklassige Qualität. Was wir auf den Teller kriegen ist ein Gaumen- und Augenschmaus.

Stallwies- In der Gaststube
Stallwies- In der Gaststube

Für Sonntag greifen wir ein weiteres Ausflugsziel auf, vor dem wir vor 5 Jahren wegen eines übervollen Parkplatzes Reißaus genommen haben. Als eines der 6 Messner-Mountain Museen liegt Schloss Juval auf einem Felsen im Ausgang des Schnalstals, hoch über dem Vinschgau. Hausherr ist der Extrembergsteiger und Abenteurer Reinhold Messner, der den höchsten Punkt der Erde 1978 zusammen mit Peter Habeler erstmals ohne Flaschensauerstoff und bis 1986 in diesem Stil alle 14 Achttausender bestiegen hat. Zu Beginn meiner bescheidenen Bergsteiger-Karriere gaben mir die großartigen Leistungen Messners zumindest Ansporn und Inspiration. Messner, der auch als Mitglied des Europäischen Parlaments politisch aktiv war ist heute in der Welt des Bergsteigens eine feste Institution geworden.

Schloss Juval über dem Vinschgau aus der Drohnenperspektive
Schloss Juval über dem Vinschgau aus der Drohnenperspektive

Wir finden uns früh auf dem Parkplatz ein, von dem ein Shuttle Bus die Besucher in die Nähe der Burg bringt, die erstmals 1278 in einer Besitzurkunde des Hugo von Montalban erwähnt ist. 1983 erwarb Messner die Ruine, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bewohnbar war. Der letzte Aufstieg muss von den Besuchern zu Fuß bewältigt werden. Die Burganlage finden wir am heutigen Sonntag ohne großen Besucherandrang vor. In diesem einzigartigen Ambiente hat Messner neben zahlreichen Sammelstücken seine Tibetika-Sammlung untergebracht. „Mythos Berg“ ist das Thema auf Burg Juval, auf der auch die Privaträume Messners nebst Arbeitszimmer und Bibliothek ohne Führung frei zugänglich sind. Im Keller finden wir die das umfangreiche Lager, in dem seine Alpingeräte und Ausrüstungen aus früheren Expeditionen aufbewahrt werden. Wir durchstreifen die Räumlichkeiten der Burg, die Anlage mit den Burghöfen und den Glas- überdachten Ruinenteil in aller Ruhe.

Messners Privaträume auf Juval- Sein Arbeitszimmer
Messners Privaträume auf Juval- Sein Arbeitszimmer

Juval ist ein spiritueller Ort, an dem wir noch eine ganze Weile in den Felsen vor den Burgmauern verweilen. Ein privilegiertes Habitat mit unverbaubarer Aussicht auf das Vinschgau mit seinen Apfelplantagen. Vom Hubschrauberlandeplatz lasse ich die Drohne für einen Blick von oben aufsteigen. Nach Südwesten blicken wir über die bereits schon vor 100 Jahren begradigte Etsch, die in einer Linie auf den höchsten Gipfel des Martelltals zuläuft. Es ist die 3305m hohe Laaser Spitze, die über 1300 Höhenmeter über unserem Stallwieshof liegt. Wir trinken in einem Gasthof unterhalb der Burg noch etwas und steigen dann zu Fuß hinab zum Parkplatz. Im Vinschgauer Bauernladen kaufen wir vor der Rückfahrt nach Stallwies noch ein paar Erzeugnisse ein.

Juval- Exponate zum Thema "Mythos Berg"
Juval- Exponate zum Thema „Mythos Berg“

Mit einem Marteller Erdbeerhugo auf der Relaxliege vor dem Haus vergeht die Zeit bis zum Abendessen im Flug. Später blicke ich vor dem Schlafengehen noch einmal in den Nachthimmel. Oberhalb des Martell funkelt ein Sternenhimmel mit Milchstraße, gelegentlich sausen Plejaden durch das Firmament. Erste Astro-Fotos liefern gute Ergebnisse.

Blick nach Westen ins Vinschgau mit Etsch und Laaser Spitze
Blick nach Westen ins Vinschgau mit Etsch und Laaser Spitze

Am Montag bekommen die Bergschuhe wieder etwas zu tun. Peter hat uns von einem neu eingerichteten Wanderweg erzählt. Es ist der Bartgeierweg, der auf der Hälfte des Aufstiegs zur Laaserspitze auf etwa 2500m abzweigt und mit einem weiteren Anstieg bis 2600 hinüber ins Schludertal quert. Das Schludertal sind wir 2017 von der Schluderscharte 2987m komplett abgestiegen und haben auf den letzten Aufstieg zur Laaserspitze verzichtet. Der über 1300 Meter hohe Aufstieg auf die Orgelspitze, wie die Laaserspitze auch genannt wird ist schon ein Move. Auch diesmal sind wir nicht ausreichend motiviert das durchzuziehen.

Unterwegs auf dem Bartgeierweg
Unterwegs auf dem Bartgeierweg

Das Balkonpanorama oberhalb des Martelltals mit dem Zufritt-Stausee im Talschluss verwehrt uns den Blick auf Zufallspitze und Monte Cevedale. Erst die Perspektive aus größerer Höhe mit einem Panorama des fliegenden Auges zeigt uns die Gipfelszenerie von Monte Vioz, Palon de la Mare und Zufallsspitze/Cevedale komplett. Immer wieder halten wir Ausschau nach Bartgeiern. Bartgeier waren in den Alpen seit 1930 ausgestorben und werden seit 1986, im Nationalpark Stilfserjoch seit 1990 wieder angesiedelt.

Drohnenpanorama mit Zufrittsee, Monte Vioz, Palon de la Mare, Zufallspitze/Cevedale
Drohnenpanorama mit Zufrittsee, Monte Vioz, Palon de la Mare, Zufallspitze/Cevedale

Das Marteller Bartgeier-Paar hat seit 2015 schon viermal gebrütet und die Brut auch erfolgreich ausgebracht- eine Erfolgsgeschichte. Bartgeier sind Winterbrüter und die Jungtiere werden erst nach 5-7 Jahren geschlechtsreif. Bis 2,80 Meter Spannweite erreichen die Aasfresser, die mit ihrer hochaggressiven Magensäure sogar Knochen verdauen können. Wir sehen heute leider keines der Tiere.

Ein Bartgeier ?
Ein Bartgeier ?

Ein sehr steiler Abstieg bringt uns an die verfallene Schluderhütte auf 2382m. Den weiteren Abstieg zur Schluderalm auf 2073m kennen wir bereits. Von hier führt uns der Marteller Höhenweg nach 7 Kilometern zurück nach Stallwies. Wir freuen uns auf die guten Sachen aus Oswalds Küche und nach der heutigen Runde auch auf unser Nachtlager.

Stallwies- Ein Ort zum "Runterkommen"
Stallwies- Ein Ort zum „Runterkommen“

Der Dienstag beginnt wolkenlos und wir wollen den heutigen Tag eigentlich auf Stallwies verbringen. Ein Problem mit einem sich aufblähenden Li-Po-Akku treibt mich aber hinunter ins Vinschgau. Peter hat mir einen Wertstoffhof in Goldrain genannt, wo ich das suspekte Teil gegen eine Gebühr von 5 Euro loswerde. Wir drehen eine Runde oberhalb von Göflan und Laas über spektakuläre Straßen, denn wir würden gerne einen Blick in die hiesigen Marmorbrüche werfen, was uns allerdings nicht gelingt. Es gibt aber wohl Möglichkeiten Zutritt mit einer geführten Tour zu erhalten. Wir widmen uns wieder dem Thema „Ruhetag“ und kehren zurück nach Stallwies.

Das Carpaccio vom schottischen Hochlandrind
Das Carpaccio vom schottischen Hochlandrind

Heute essen wir zu Mittag ein fantastisches Carpaccio, das Oswald vom schottischen Hochlandrind zubereitet. Die Tiere von Stallwies stehen im Sommer auf der Schluderalm. Als Nachtisch gibt es einen Becher Marteller Erdbeeren mit Sahne. Wir verbringen den Nachmittag auf der Sonnenliege und sehen talaufwärts Greifvögel kreisen. Obwohl ich mit großer Brennweite versuche die Tiere zu identifizieren bin ich mir nicht sicher ob es sich tatsächlich um Bartgeier handelt. Bis zum Abendessen fangen wir beim Erdbeer-Hugo noch viele Sonnenstrahlen ein. Es ist unser letzter Tag auf Stallwies.

Marteller Erdbeer-Hugo
Marteller Erdbeer-Hugo

Ich stelle mir heute Nacht um 23:00h den Wecker, um noch einmal zu später Stunde den unglaublichen Sternenhimmel über dem Martell fotografisch einzufangen. Wenig Störlicht lässt das Firmament über dem Martelltal funkeln. Über mir spannt die Milchstraße einen Bogen vom Talschluss bis hinüber Richtung Vinschgau. Ich schieße einige Bilder und bin mal wieder verblüfft wie viele Sterne am Himmel stehen, die wir über unseren stets taghell erleuchteten Ballungsräumen gar nicht mehr wahrnehmen können. Auch unsere Nachbargalaxie, den Andromeda-Nebel kann ich nach Nordwesten neben der Milchstraße identifizieren. Über 2,5 Millionen Lichtjahre ist das Licht von dort unterwegs bis es auf meinen Kamerasensor fällt.

Sternenhimmel mit Milchstraße über dem Martelltal
Sternenhimmel mit Milchstraße über dem Martelltal

Mittwoch heißt es dann nicht nur Abschied nehmen von Stallwies und den Strickers, sondern auch von Südtirol. Wir werden heute weitestgehend autobahnfrei bis nach Deutschland über Reschen- und Arlbergpass fahren. Das Wetter lädt noch zu ein paar Fotostopps im Vinschgau ein. Am Reschenpass bietet sich eine unglaublich klare Sicht auf das Bergpanorama zwischen Ortler und Cevedale. Da wir kein Pickerl erworben haben fahren wir bis nach Bregenz Landstraße und können erst am Fendertunnel die Autobahn nach Deutschland befahren.

Blick über den Reschensee mit Cevedale, Sulden-,Königsspitze und Ortler
Blick über den Reschensee mit Cevedale, Sulden-,Königsspitze und Ortler

Wegen angesagter Staus halten wir uns in Baden-Würtemberg weiterhin von der Autobahn fern und fahren quer über die Alb, über Stuttgart und Karlsruhe in die Pfalz. Wir verlieren sehr viel Zeit bei diesem Unterfangen, da fast in jeder Innenstadt Ampelschaltungen und 30er-Zonen es darauf anlegen den Verkehr zum völligen Erliegen zu bringen. Wer besonders gründlich ist fährt bei solchen Schildern höchstens 20. Ich habe Verständnis für solche Maßnahmen in Wohngebieten, aber doch nicht auf Durchgangsstraßen. Gerne lesen wir als Begründung „Lärmschutz“, ja- dann schafft doch endlich die Dezibelgeneratoren in Form von Sportauspuffanlagen an Autos und Motorrädern ab!!

Entspannt reisen
Entspannt reisen

Wir erreichen gegen 19 Uhr unser Hotel in Edesheim, das wir im hiesigen Schloss vorfinden. Das heutige Gebäude aus dem 19.Jahrhundert steht an der Stelle eines ehemaligen Wasserschlosses aus dem 15. Jahrhundert. Seit 1483 gelangte das Schloss mit dem Dorf Edesheim in den Besitz der Fürstbischöfe von Speyer und war Amtssitz und Vogtei. Eine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 756. Für die nächsten 4 Tage haben wir hier unser Zimmer bezogen und verbringen einen schönen Abend auf der Außenterrasse des Restaurants.

Anflug auf Edesheim in der Pfalz
Anflug auf Edesheim in der Pfalz

Wir haben vor weitere Etappen auf dem Weinsteig zu gehen – dies und was wir in den restlichen Tagen unserer Sommertour sonst noch in der Pfalz unternommen haben habe ich separat fortgeführt unter:

Wandertouren-Deutschland/Pfalz-mit-Weinsteig-2020-2022/Pfalz2022 Part IV

Auch in der Pfalz steht die 22er Weinlese an
Auch in der Pfalz steht die 22er Weinlese an

Wir haben unser Südtirol aufs Neue erlebt und mit allen Sinnen genossen. Die Bergwelt der norditalienischen Berge ist großartig, aber nicht nur oberhalb der Baumgrenze. Es gibt einfach so viel zu entdecken und deswegen werden wir hier immer wieder herkommen. Wir hatten wieder eine tolle Zeit zu beiden Seiten der Eisack.

Doro und Arnd- Fans der norditalienischen Bergwelt
Doro und Arnd- Fans der norditalienischen Bergwelt

A. Korbmacher

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