Pfingstfahrt in den Thüringer Wald nach Gräfenroda 2024
Die Pfingstfahrt der ehemaligen Familiengruppe der Sektion Essen fällt dieses Jahr in die zweite Halbzeit des Wonnemonats Mai. Ohne unseren Nachwuchs an Bord haben wir auf unseren Fahrten den Status einer Familiengruppe ja nun endgültig verloren. Als „Allrounder“ machen wir aber weiter, mit allem was im Outdoor-Bereich und in den Bergen Spaß macht.
Das Reiseziel für die diesjährige Pfingstfahrt stand im Vorfeld zur Diskussion, wobei Marcs Vorschlag eine Ferienwohnung der Jugendherberge in Gräfenroda anzumieten reges Interesse fand. Bis zur Deadline der Anmeldefrist haben sich mit Heike, Marc, Moni, Bernhard auch Doro und ich angemeldet, womit die größere Wohneinheit der Herberge gefüllt war. Auch Eva hat sich angekündigt, wobei sie ihren Schlafplatz im Campingbus mitbringt. Vier weitere Personen hätten noch Platz in einer weiteren Einheit gefunden.
Die Anfahrt am Freitag ist mit 370 Kilometern kein Katzensprung und erwartungsgemäß ist am Pfingstwochenende gefühlt alles unterwegs was Räder hat. Wir finden allerdings alle die Möglichkeit zeitig los zu kommen. Dorothee studiert als Beifahrerin aufmerksam die Verkehrslage und manövriert mich an einigen Staus vorbei mit Kurs Südost über Siegen nach Gießen. Über die A5 geht es dann mit Nordostkurs über Alsfeld, Bad Hersfeld und mit Blick auf die Wartburg bei Eisenach auf unser Ziel im Thüringer Wald, die Jugendherberge in Gräfenroda zu.
Der mit Zahlencode im Schlüsselkasten hinterlegte Schlüssel unserer Ferienwohnung befindet sich bei der Ankunft nicht darin. Marc und Heike sind bereits vor Ort und während der Begrüßung fahren auch Moni und Bernhard auf den Parkplatz. Wir richten uns in der adretten Wohnung ein, in der wir alles vorfinden, was wir für ein Wochenende benötigen. Wie wir später von der Herbergsmutter erfahren sind wir die Erstmieter nach der Renovierung. Am Esstisch im Wohnzimmer kommen wir zum Abendessen zusammen und haben wie immer viel zu erzählen. Erstmals sind tatsächlich keine Kinder mehr dabei- der Beginn einer neuen Ära 😉
Am Samstag gilt es nach dem Frühstück einige Erledigungen zu tätigen, wir kaufen noch etwas für das Wochenende ein und fahren dann zu einer Traditions-Fleischerei in Zella-Mehlis. Es geht hier um die Thüringer-Rostbratwurst, also um nichts Geringeres als um regionale Identität und ein Kulturgut, das erstmals 1404 in einer Probsteirechnung erwähnt wurde. Von der hier angebotenen erstklassigen Qualität haben wir uns bereits auf einigen Grill-Events befreundeter Follower überzeugen können. Marc war eine Weile beruflich in Suhl stationiert und hat als Insider diese Bezugsquelle schon in den neunziger Jahren aufgetan. Seit 1892 betreibt Familie Schneider in 4. Generation das Metzgerhandwerk an dieser Adresse. Wir holen unsere Vorbestellung ab und vermerken die Adresse für zukünftige Einkäufe.
Michael, ein Freund und Kollege aus Marcs Zeit in Suhl ist so freundlich und lagert unsere Wurst für heute in seinem Kühlschrank ein. Wir treffen den sympathischen Kerl in seinem Garten an. An seinem überdachten Grillplatz nebst Backofen backt er selbst Brot, von dem er uns eine Kostprobe mit einer selbstgemachten Knoblauchcreme anbietet- köstlich! Da er sich gleich heute ans Back-Werk macht, nimmt er auch noch Bestellungen von uns entgegen.
Es ist fast Mittag als wir uns dem Wanderprojekt zuwenden, dessen Startpunkt sich an einem Parkplatz am nordöstlichen Ortsrand von Zella-Mehlis befindet. Eine Runde von 17,6 Kilometern führt uns ausgehend von etwa 570 Höhenmetern über die Erhebungen des Heinrichsbacher Steins 750m und Gebrannter Stein 896m auf den Ruppberg 866m. Um die 710 Höhenmeter An- und Abstieg bringt das Höhenprofil heute unter unsere Schuhsohlen.
Schon zu Beginn unserer Wanderung am Ortsrand von Zella-Mehlis weckt eine Anlage mit zwei kleineren Skisprungschanzen unser Interesse. Hier trainiert der Nachwuchs im Kindesalter bereits mit Sprüngen, vor denen ich meinen Hut ziehe. Ganz in der Nähe in Oberhof befinden sich die Schanzen auf denen sich die Welt-Elite misst. Wir tauchen ein, in den Naturpark Thüringer Wald und treffen bald auf die Felsformation des Heinrichsbacher Steins. Vor uns breitet sich ein erstes schönes Panorama über die grünen Hügel und hinüber zum Ruppberg aus.
Es ist bewölkt, die Temperatur liegt unter zwanzig Grad und immer mal wieder schaut die Sonne durch die Wolken. Als nächste Felsformation lädt der Gebrannte Stein zum Klettern ein. Hier machen wir eine Brotzeit und haben wieder einen tollen Blick über die mischbewaldeten grünen Erhebungen des Mittelgebirges, das sich von Eisenach in südöstlicher Richtung bis zum Thüringer Schiefergebirge erstreckt. Besonders geschützt ist der Thüringer Wald als Biosphärenreservat zwischen Suhl, Schleusingen und Ilmenau.
Ein steiler Aufstieg bringt uns hinauf auf den 866 Meter hohen Ruppberg. Im Januar 1999 habe ich Marc in Suhl besucht und wir waren bei Schnee hier oben. Die Aussicht rundum ist großartig, das Alter von Resten einer Wallanlage auf dem Gipfel ist bis heute unklar. Südlich tief unter uns liegt Zella-Mehlis, im Westen fällt der Blick auf die Wasserkuppe in der Rhön. Es gibt hier oben eine Baude und- jawohl, der Grill ist an und wir essen natürlich eine Thüringer im Brötchen. Wir sitzen eine ganze Weile auf der Terrasse, immer wieder gesellt sich wärmend die Sonne dazu. Nach einem Gruppenfoto am Südgipfel schließt sich unsere heutige Tour bald am Parkplatz im Lubenbachtal.
Hier haben wir im benachbarten Hotel Waldmühle einen Tisch reserviert. Das Traditionshaus wurde 1892 als Ferienheim des VEB- Wälzlagerwerks Zella-Mehlis erbaut und 1991 zum 3-Sterne Hotel umgebaut. Wir essen hier gute Sachen und lernen auch gleich noch eine weitere Thüringer Spezialität in Form der Thüringer Klöße kennen, die sich hier in der Speisekarte auch als Burger oder als frittierte Stäbchen wiederfinden. Der Sage nach hat Frau Holle den Meiningern höchstpersönlich das Kartoffelkloß-Rezept mit den Worten „dieses Rezeptum, hüt’es!“überbracht. Aus diesem Grund werden die Klöße auch gelegentlich als „Hütes“ bezeichnet. Michael bringt noch unsere zwischengelagerte Wurst und unser frisch gebackenes Brot vorbei, auf ein Bier gesellt er sich noch zu uns.
Nach einer ruhigen Nacht in unserem Quartier in Gräfenroda beginnt der Sonntag zeitig mit dem Wecker. Nach dem gemeinsamen Frühstück steht heute eine Wanderung südlich von Suhl im kleinen Thüringer Wald an. Wir parken auf etwa 610m an der L2634, westlich des Weilers Altendambach und haben uns eine Runde vorgenommen, die uns in einem undulierenden Höhenprofil über den 692m hohen Schneeberg bringt. Vom niedrigsten Punkt bei 517m an der „Trompetereiche geht es zur Baude „Lange Bahn“. Der Rückweg führt noch einmal über die Anhöhe des Schneebergs. Nach 17,1 Kilometern addieren sich Auf- und Abstiege auf 517m.
Der Pfingstsonntag beginnt neblig, in der Nacht muss es ordentlich geregnet haben. Am vernebelten Frankenblick vorbei gelangen wir an eine Wegkreuzung mit einem alten, verwitterten Steinkreuz, dem Kroatenkreuz. Geschichtlich soll das Kreuz im Zusammenhang mit einem Gefecht zwischen Sachsen und Kroaten am 15.Oktober 1634 vor der Zerstörung Suhls stehen, was allerdings nicht verbürgt ist. Es ist nass und die Nebel hängen tief zwischen den bewaldeten Höhen.
Knackig geht es hinauf auf den Schneeberg 692m, wo wir eine kurze Pause machen. Auf einer gerodeten Anhöhe erwischt uns der erste Regenschauer, der sich beim Abstieg zur Trompetereiche wieder verliert. Hier führt die Geschichte zurück an das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Ein schwer verletzter Soldat soll an dieser Stelle auf eine mächtige, um 1000-jährige Eiche geklettert sein und seine Trompete geblasen haben, was die Bauern zunächst verschreckt hat. Er war aber so geschwächt, das er hinabstürzte. Sterbend schlug er wohl noch einmal die Augen auf und verkündete mit seinen letzten Worten: „Friede! Es ist Friede im Land!“. Nach einem Brand 1885 wurde eine neue Eiche in den verkohlten Stamm gepflanzt, die weiter an den Abgrund des Dreißigjährigen Krieges in Europa erinnern soll.
An der Bergbaude „Lange Bahn“ haben wir gerade unsere „Thüringer“ auf der Terrasse bestellt, als heftige Regenschauer auf das schützende Zeltdach über uns prasseln. Bauden werden in Thüringen häufig von Vereinen mit viel ehrenamtlichem Engagement betrieben. Wir warten die Regengüsse noch bei Kaffee und Kuchen ab, bevor wir uns an den Rückweg machen. Wir passieren Ruinen, die als Reste eines Berghofs des Johanniterordens Zeugnis geben. Der Hof wurde den Johannitern von den Henneberger Grafen mit den Privilegien des Braurechts und der kleinen Jagd übereignet. 1825 ließ die preußische Regierung den Berghof abreißen.
Auf dem Rückweg behauptet sich die Sonne zunehmend und wir haben vom Frankenblick freie Aussicht nach Südwesten auf die Gleichberge im fränkisch geprägten Teil Thüringens. Die Landschaft erstrahlt noch einmal in der späten Nachmittagssonne. Auf der Terrasse unserer Ferienwohnung fangen wir die letzten Sonnenstrahlen ein und bereiten uns danach ein rustikales Abendbrot mit dem tollen Brot von Michael und thüringischen Wurstspezialitäten.
Am Montag lassen wir uns Zeit beim Frühstück auf der Terrasse und nehmen dabei ein entspanntes Bad in wonniger Sonne. Wir beladen unsere Autos und machen „Klar-Schiff“ in unserem Pfingstquartier. Nach der Übergabe an die angereiste Herbergsmutter heißt es dann für alle Abschied zu nehmen. Es war ein kurzweiliges langes Wochenende mit unseren Freunden in einer abwechslungsreichen Landschaft, in der es Spaß macht zu Wandern- sollten wir wiederholen!
Auf der Rückfahrt fahre ich mit Dorothee im „Adventure-Mode“ quer durch unser schönes Land zurück nach Hause. Hinter Eisenach verlassen wir die Autobahn, hangeln uns durch das Waldecker-Land ins Sauerland und fahren über Meschede und Lüdenscheid nach Hause. Während unsere Freunde bereits zu Hause angekommen sind erreichen wir gerade das Bergische Land. Zu Hause mache ich den Grill an und bereite uns ein Paar Thüringer mit geschmortem Spargel- herrlich!
Arnd Korbmacher
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