Pfingstfahrt Allrounder- DAV Essen 2025
Ist der Pfingstmontag als Feiertag noch zeitgemäß?- eine Fragestellung, die anhand der wirtschaftlichen Lage Deutschlands in der aktuellen Tagespresse angestoßen wird. Was auch immer die Antwort darauf sein wird, wir freuen uns wie alle arbeitenden Menschen auf dieses lange Wochenende. Wir freuen uns darauf diese Zeit mit unseren Freunden auf der Mülheimer Hütte in Abenden in der Eifel zu verbringen. Da ich am Freitagmorgen aus dem Krankenhaus und Dorothee mittags aus der Praxis loskommt, können wir uns zeitig auf den Weg in die Eifel machen. Abenden erreichen wir so früh, dass wir zwei Stühle in die Wiese gegenüber der Mittelgebirgshütte in die Wiese stellen und uns die Zeit in der Sonne vertreiben.

Über den Bahndamm hinter uns verkehrt die Rurtalbahn über den benachbarten Haltepunkt in Abenden. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus wird von der Mülheimer Sektion des Alpenvereins seit 1960 betrieben. Die 12 Schlafplätze der Selbstversorgerhütte füllen wir allerdings an diesem Wochenende nicht. Mit Marc und Heike reisen am Abend nur noch Rüdiger und Anja an, so dass insgesamt 3 Ehepaare ohne Kinder in die gemütlichen Räumlichkeiten einziehen. Leider mussten unsere Freunde Moni & Bernhard diesmal ihre Teilnahme aussetzen.

Wir essen zusammen im rustikal eingerichteten Gastraum und haben wie immer viel zu besprechen. Am Samstag wollen wir nach Belgien ins Hohe Venn fahren, um eine Wanderung vom Naturparkzentrum nördlich von Sourbrodt aus zu unternehmen. So suchen dann auch alle noch vor Mitternacht das Schlafgemach auf und haben eine mehr oder weniger angenehme Nachtruhe. Während ich nach dem Gerumpel der letzten Rurtalbahn in der oberen Etage meines Etagenbetts in einen tiefen Schlaf falle, gibt es am Morgen von den Mitbewohnern Berichte über mangelnden Liegekomfort.

Tatsächlich drückt sich in einigen Betten das Stahlgitter arg durch die Matratze und führt so zu nächtlichen Qualen, denen die Betroffenen mit der „Prinzessin auf der Erbse- Strategie“ zu Leibe gerückt sind. Eine zweite Matratze aus den leer stehenden Betten hilft, reduziert aber die Kopffreiheit im unteren Etagenbett. Wir frühstücken zusammen und machen uns dann auf den Weg nach Sourbrodt. Vom Naturparkhaus aus beschreibt die geplante Wanderung eine 20 Kilometer- Runde nördlich des Startpunkts durch das Wallonische Venn. Entgegen des Uhrzeigersinns überschreiten wir dabei die Erhebungen des Baraque Michel 674m und des Signal de Botrange 694m als Top of Belgien.

Das Hohe Venn ist eine grenzüberschreitende Hochebene zwischen Deutschland und Belgien mit einer Ausdehnung von über 600 Quadratkilometern. Das niederschlagsreiche Venn liegt nordwestlich der Eifel und der Ardennen und ist als einzigartige Heide und Moorlandschaft Habitat vieler gefährdeter Tiere und Pflanzen. Trockenheit gefährdet das Biotop zunehmend, so entnehmen zum Beispiel Fichten dem Moorboden zu viel Wasser. Spontan auftretende Brände im Moor in der Vergangenheit waren nur schwer zu beherrschen.

Unsere Wanderung führt uns auf die weite Fläche des Wallonischen Venns. Im Naturpark ist es nicht erlaubt die Wege zu verlassen, ausdrücklich sind auch keine Fahrräder oder der Einsatz von Drohnen erlaubt. Sonne und Wolken wechseln sich ab und die Regenjacke ziehen wir heute nicht nur einmal an und aus. Wir durchwandern die abwechslungsreiche Landschaft entlang stehender und fließender Gewässer. Einer der munter fließenden Bäche ist die Hill, mit der wir uns ein ganzes Stück gemeinsam durch ein wildes und bewaldetes Terrain in nördlicher Richtung bewegen. Der Bach mündet bei Monschau in die Rur, die ebenfalls ihr eigenes Quellgebiet hier oben im Hohen Venn hat.

Am nördlichsten Punkt unserer Wanderung wenden wir uns in südwestlicher Richtung wieder der Moorlandschaft zu und erreichen den Bereich Noir Flohay 633m. Hier machen wir unsere Brotzeit in einer surreal anmutenden Landschaft, in der sich die Gerippe abgestorbener Bäume aus der Ebene erheben. Großartig leuchten die gelben Ginsterbüsche wenn sie vom Sonnenlicht getroffen werden, Wollgrasbüschel tanzen wie kleine weiße Fähnchen im Wind.

Ohne die Holzstege, die uns nun größtenteils durch das Moor führen wäre der sumpfige Untergrund kaum zu begehen. Langsam rückt der bewaldete Höhenzug am Baraque Michel näher. Die Geschichte der Baraque Michel geht auf das Jahr 1794 zurück als Michael Schmitz aus Sinzig die Flucht vor den französischen Revolutionstruppen ergriff. Seine Flucht endete versunken im Moor des Venn, wo er in großer Not ein Gelübde ablegte. Er wurde gerettet und löste sein Gelübde ein, anderen Hilfsbedürftigen im Venn zu helfen. Und das tat er hier an dem nach ihm benannten Ort. Seine Familie führte diese Tradition bis 1856 fort. 1830 ließ der Industrielle Fischbach eine Kapelle erbauen, auf deren Giebel neben einem Glockenturm auch eine Laterne für die Verirrten angebracht ist.

Es jagen Regenschauer übers Venn und wir kehren gerne im gemütlichen Gastraum am Baraque Michel ein, wo wir etwas trinken. Die Köpfe von Keiler und Hirsch glotzen von den Wänden auf uns herab. Nach einigen heftigen Schauern machen wir uns nun auf den Weg zum nächsten Punkt, dem Signal de Botrange. Damit der höchste Punkt Belgiens mit 694m zum „700er“ wird hat man eigens einen Treppenaufstieg errichtet. In dieser schwindelnden Höhe erreicht uns beim Selfie der nächste Regenschauer.

Am Ende der heutigen Runde schauen wir noch ins Naturparkhaus mit seiner kleinen informativen Ausstellung zum Venn. Beim Zwischenstopp an der typisch belgischen Friterie „Chez Alina“ bei Bütgenbach snacken wir vor dem Abendessen noch ein paar goldgelb zubereitete Kartoffelstäbchen mit unterschiedlichen Toppings. Es bleibt bei dieser kleinen Vorspeise, denn Heike hat für ein Abendessen eingekauft. Es gibt ein sehr schmackhaftes Nudelgericht mit Paprikagemüse und Schafskäse, das wir mit immer noch gutem Appetit wegputzen.

Zu fortgeschrittener Stunde bin ich froh die müden Knochen auf meiner Matratze auszustrecken. Auch die Prinzessinnen und Prinzen mit zwei oder mehr Matratzen werden nach der heutigen Runde gut schlafen, nachdem endlich die letzte Bahn durch Abenden gepoltert ist. Wir treffen uns zeitig zum Frühstück wieder, denn auch am Sonntag hat Marc eine sportive Wanderung ausgearbeitet. Es ist eine Runde, die uns von einem Wanderparkplatz nördlich von Nideggen nahe der Kickley mit zwei Auf- und Abstiegen von insgesamt etwa 620 Höhenmetern über 17,5 Kilometer rechts und links der Rur um den Stausee Obermaubach herum führt.

Der Beginn unserer Wanderung besticht sofort mit einem tollen Felsenweg, der uns immer wieder Aus- und Tiefblicke auf das Rurtal eröffnet. Der auch als Buntsandsteinroute ausgewiesene Weg führt an mehreren Aussichtsfelsen vorbei durch einen Felsbogen mit der Aufschrift „Hindenburgtor“. Einen grandiosen Blick haben wir von der Christinenley, die mir aus früheren Klettertagen noch in Erinnerung ist.

Die Felsen unterhalb der Rim-Kante des tief eingeschnittenen Rur-Canyons sind rote Konglomerate aus Sand und Kieseln. Vor 240 Millionen Jahren, im frühen Erdmittelalter des Trias entstand das spezielle Gestein durch Verwitterung. Die Kieselgriffe oder-Tritte sind in dem verfestigten Sand zwar fest einzementiert, brechen aber auch schon mal aus. Wir genießen den Hammerblick vom Felsplateau auf Burg Nideggen und das Rurtal.

Es folgt der tiefe Abstieg hinunter ins Rurtal zum Besucherzentrum des Nationalparks Eifel in Zerkall, wo wir Schutz vor einem Regenschauer finden. Von Zerkall folgt der Gegenanstieg nach Bergstein hinauf, wo wir uns durch dichten Wald auf den 400m hohen Burgberg hocharbeiten. Zuletzt waren wir hier oben auf dem Heinrich-Böll- Themenweg unterwegs. Auf dem Burgberg stand die Höhenburg Berenstein, die ab 1198 zerstört wurde. Untersuchungen haben gezeigt dass sich die Berensteiner Steine beim Bau der Gegenburg in Nideggen wiederfinden.

Seit 1934 befindet sich der Krawutschke-Turm auf dem Berg. Der Namensgeber Franz Krawutschke (1862-1940) kam 1877 wegen einer kaufmännischen Lehre aus Berlin in die Eifel. Er war von diesem Mittelgebirge so fasziniert, dass er mit Aktiven des Eifelvereins ein Netz aus Wanderwegen erstellt hat. Seine Verdienste um die damals arme Eifel- Region honorierte der Eifelverein mit der Ernennung Krawutschkes zum „Ehrenwanderwart“. Der im Krieg zerstörte Turm wurde 1977 in der heutigen Form 13 Meter hoch neu aufgebaut. Mit dem vortrefflichen Blick über das Rurtal hinüber zur Burg Nideggen können Wanderer verstehen, warum der Eifel-Pionier hier seinen Lieblingsplatz fand.

An der Bergsteiner Kirche vorbei verlassen wir den Ort in nördlicher Richtung über Felder und erreichen das Dresbachtal, durch das wir in nordöstlicher Richtung nach Obermaubach absteigen. Mit Voranmeldung ist die Übernachtung am sogenannten Krawutschke- Biwak am Weg mit eigenem Toilettenhäuschen möglich.

1933-1934 entstand im Talgrund der Stausee Obermaubach mit einem Fassungsvermögen von 1,65 Mio. Kubikmeter Wasser. Direkt an der Talsperrenmauer des Staubeckens finden wir in einem Ausflugscafé eine Einkehrmöglichkeit. Es ist rappelvoll und wir ergattern einen der wenigen noch freien Tische. Die hausgemachten Torten finden reißenden Absatz und schmecken fantastisch. Ich schaue in die Runde und mir kommt schmunzelnd ein Lied in den Sinn- „Aber bitte mit Sahne“ 😉

Über die Staumauer erreichen wir das Ostufer des Sees, dem wir ein Stück nach Süden folgen, bis ein Schild uns auf einen steilen Anstieg zur Waldkapelle hinweist. Insgesamt haben wir nun einen Aufstieg von 200 Höhenmetern zu bestreiten, da ist ein kurzes Innehalten an der Waldkapelle mit Blick auf Obermaubach ganz willkommen. Eine Legende gedenkt der Gräfin Alveradis (1155-1222), die in der ehemaligen Wasserburg „Castrum Molbach“ im heutigen Obermaubach als Tochter des Grafen Albert von Molbach Nörvenich und Mutter Adelheid aus dem Geschlecht der Grafen von Vianden zur Welt kam.

Alveradis heiratete nach dem Tod ihres Vaters 1176 den Grafen Wilhelm II. von Jülich, der Burg Nideggen erbaute womit Adelheid die erste Gräfin von Nideggen wurde. Ihr Gatte galt als ruchlos und brutal und ging als der „Starke Helmes“ in die Geschichte ein. Die Peinigung seiner Frau erreichte einen Höhepunkt als er sie mit Honig bestrichen in einen Käfig sperrte und den Bienen preisgab. Die Frauen der umliegenden Ortschaften befreiten Alveradis aus ihrem Martyrium. Der starke Helmes erkrankte und starb 1207, worauf Alveradis den Bewohnern der umliegenden Orte zum Dank die Nutzungsrechte an weiten Waldgebieten auf ewig schenkte. Zusammen mit ihrer Mutter Adelheid gründete sie Frauenklöster in Niederprüm, Ellen und Bürzenich. Weitere großzügige Stiftungen erhielten das Nonnenkloster Füssenich, die Kirche in Grefrath, sowie die Abteien Knechtsteden, Altenberg und Heisterbach- eine wahrlich „Starke Alveradis“

Der weitere steile Aufstieg, der westlich um den Kuhkopf herum führt bringt uns auf einem steilen Trail durch Bergeichenwald an Felsen wie dem Eugenienstein vorbei hinauf zur Kickley. Hier bietet sich ein letzter spektakulärer Ausblick auf die Rur- Mäander nach Süden. Für unsere Tischreservierung in einem Restaurant in Nideggen bleibt nur noch ein kleines Zeitfenster, so begeben wir uns direkt in die historische Altstadt. In der Eifel wird früh gegessen und auch fürs Nachtleben ist die Region eher nicht bekannt. Mit einem rustikalen Schnitzelgericht füllen wir unsere hungrigen Mägen, bevor wir zu einer letzten geselligen Pfingst- Runde nach Abenden zurückkehren, bei der wir noch auf Anjas Geburtstag anstoßen.

Am Pfingstmontag lassen wir es entspannt angehen und frühstücken noch einmal ausgiebig. Aus den übrig gebliebenen Nudeln und Eiern aus Anjas Hühnerstall zaubert Rüdiger ein zünftiges Bauernfrühstück. Gut gestärkt gehen alle an die Hausarbeit, so dass sich die Räumlichkeiten nebst Küche wieder in dem Zustand befinden, wie wir sie vorgefunden haben. Die mitgebrachten Sachen sind ruck-zuck im Auto verstaut und vor der Heimfahrt haben wir nun noch ein gemeinsames Projekt. Es ist der Besuch der Burg Hengebach in Heimbach.

Hoch über dem hübschen Ort Heimbach an der Rur liegt die Höhenburg, dessen erster verbriefter Besitzer Godizo von Aspel-Heimbach war. Als Sitz zahlreicher Adelsfamilien und Grafen fiel die Burg 1687 einem Brand zum Opfer. Im 19. Jahrhundert wurde die Burg zum Steinbruch und Anfang des 20. Jahrhunderts sollte sie komplett abgerissen werden. Es gründete sich ein Dürener Verein zur Erhaltung der Burg, allerdings machte der Zweite Weltkrieg alles zunichte. In den 70er Jahren kam die Sanierung mit umstrittenen Mitteln für ein Hotel-Restaurant in Gang. Wir durchstöbern das Gelände, auf dem die Räumlichkeiten heute von der Kunstakademie Heimbach genutzt werden. Der Blick vom Bergfried ist allemal lohnend.

In Heimbach kehren wir noch in einem Eiscafé ein, bevor wir uns dann endgültig an die Heimfahrt machen. Dorothee baldowert die ideale Strecke über Land aus, um den Autobahnstaus im Pfingst- Rückreiseverkehr zu entkommen. Dabei kommen wir über Pulheim und kaufen an einem Erdbeerstand duftende Riesenerdbeeren, davon gleich 2 Kilo. Über Dormagen nehmen wir die Fähre von Zons über den Rhein nach Urdenbach. Unsere Rhein- Kreuzfahrt bringt uns sicher nicht viel schneller nach Hause als das Stopp-and-Go auf der Autobahn, hebt mit einem kleinen Abenteuer noch einmal den Erlebniswert dieses Allrounder- Pfingstwochenendes. Wir freuen uns auf alle kommenden Abenteuer mit unseren Freunden.

A. Korbmacher
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