Augsburg 2023
Im Herbst, gerne Ende September komme ich meiner Fortbildungspflicht nach und besuche dafür einen der nationalen Kongresse meines Fachgebietes. Einige Male war es der Hauptstadtkongress in Berlin, der aber in diesem Jahr in den Oktober verlegt wurde. So suche ich mir diesmal die Bayrischen Anästhesietage aus, die am Freitag und Samstag des letzten Septemberwochenendes in Augsburg stattfinden. Mal was Anderes die Lektionen im Freistaat Bayern zu hören, denke ich mir. Die Sprachbarriere sollte dabei auch kein großes Problem darstellen 🙂
Bahntickets und Quartier sind schon lange fest eingeloggt. Nach einem Nachtdienst am Mittwoch kann ich am Donnerstagnachmittag entspannt anreisen. Dorothee kommt am Freitagnachmittag nach, so dass wir das Restwochenende am Samstag mit Sonntag, dem 1.Oktober zusammen in Augsburg verbringen können.
Der ICE verlässt um 15:14 Uhr pünktlich den Wuppertaler Hauptbahnhof, aber wegen irgendeiner Störung ist es hinter Frankfurt mit der Pünktlichkeit dann nicht mehr weit her. Es kommt zu Wartezeiten auf der Strecke, so dass sich die Ankunft um eine halbe Stunde verzögert. Ich nehme mir ein Taxi zum Hotel. Das Hotel hat kein eigenes Restaurant und der Portier verweist mich an eine fußläufig erreichbare Pizzeria. Die Pizza dort ist- na ja- nicht die erste Liga. Ich hab aber Hunger und so esse ich die in der Mitte völlig durchsaftete “Mafiatorte” mit den undefinierbaren und matschigen Porcini darauf klaglos auf. Dazu ein Augsburger Helles vom Fass- schon besser…
Das Hotel liegt südlich vom Bahnhof in unmittelbarer Nähe der Veranstaltung im Kongress am Park. Der Freitag gehört dem Hörsaal und in mehreren Blöcken ist es ein Ritt durch die Themen der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Begleitend informiert die Industrie über ihre neuesten Medizinprodukte. Es ist ein Hammerwetter an diesem Wochenende und obwohl der Herbst im Kalender bereits begonnen hat hält sehr viel Sonnenschein die Temperaturen noch sommerlich hoch. In der Mittagspause drehe ich eine kurze Runde durch den tollen Park mit Teich und Springbrunnen an der Kongresshalle.
Nach dem letzten Vortrag laufe ich am Nachmittag an den Rand der südlichen Innenstadt und gelange an einen Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. An der antiken Via Claudia befindet sich das rote Tor, das urkundlich bereits 1223 erwähnt wurde. Nach Umbauten und Ausbau zur Bastion 1545 folgte die Umgestaltung durch den Stadtbaumeister Elias Holl im Jahr 1604. Hier befindet sich das wohl älteste Wasserwerk Mitteleuropas mit drei Wassertürmen und einem Brunnenmeisterhaus, das seit 1416 die Stadt mit Wasser versorgt. Die Technik war damals in Europa bahnbrechend, Brauchwasser aus dem Lech trieb die Pumpen an, die das Trinkwasser zu den Haushalten und den Prachtbrunnen der Stadt pumpte.
Außerhalb des roten Tores gründete Bischof Ulrich von Augsburg (923-973) das Heilig-Geist-Spital. Im 16. Jahrhundert wurde ein neues gotisches Gebäude innerhalb der Stadtmauer gebaut, das teilweise einstürzte. 1623-1631 baute Baumeister Holl das Krankenhaus zur Versorgung der Alten und Armen in der Reichsstadt in der heutigen Form wieder auf. Das Heilig- Geist- Spital ist heute längst kein Krankenhaus mehr. Den Weg hierher habe ich gemacht um alte Bekannte aus meiner Kindheit zu besuchen.
Es sind die Marionetten der Augsburger Puppenkiste, deren wunderbare Geschichten mir unvergessen bleiben. Karten für eine Aufführung der „Kiste“ muss man früh bestellen. Ich begnüge mich mit einem Rundgang durch das Museum, das man mit liebevoll gestalteten Dioramen aus den vielen Geschichten gestaltet hat. Ich bleibe eine Weile vor Lummerland stehen, der „kleinen Insel mit 2 Bergen und dem Eisenbahnverkehr“. Zusammen mit König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften und seinen Untertanen Frau Waas und Herrn Ärmel blicken die beiden Lokomotivführer Lukas und Jim Knopf auf das „tiefe blaue Meer“. Rundherum gruppieren sich die Szenen mit den Figuren, denen Lukas und Jim auf ihren abenteuerlichen Entdeckungsreisen begegnet sind.
Walter und Rose Oehmichen gründeten das Theater bereits 1943 zusammen mit ihren Töchtern. Nach dem Einzug in die Räume des Heilig- Geist-Spitals begann 1948 die Erfolgs-Story mit dem ersten Stück, dem gestiefelten Kater. Später folgten Fernsehproduktionen mit den Geschichten der 60er Jahre wie „Der Löwe ist los“(1965), „Gut gebrüllt Löwe!“(1967), „Kleiner König Kalle Wirsch“ und „Urmel aus dem Eis“(1969), um nur einige mir in Erinnerung gebliebene Stücke zu nennen.
Gegen 20 Uhr warte ich am Bahnhof auf Dorothee, deren Zug ebenfalls verspätet einläuft. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit nehmen wir uns ein Taxi direkt zu einem Japanischen Restaurant an der Schertlinstrasse, wo ich einen Tisch reserviert habe. Das Restaurant ist gut besucht. Man sitzt an Tischen, an denen der Koch die Speisen vor den Augen der Gäste zubereitet. Es macht Spaß zuzusehen, wie der von uns bestellte Fisch perfekt gegart zusammen mit dem schmackhaftem Gemüse den Weg auf unsere Teller findet. Der Clou beim Flambieren des Nachtischs sind Feuerwehrautos und Playmobil-Feuerwehrleute, die unser Koch sicherheitshalber am Tisch aufbaut.
Am Samstag frühstücken wir zusammen, bevor ich mich noch einmal auf den Weg zur Kongresshalle begebe, wo ich bis zum Mittag einen Workshop besuche. Dorothee findet das Museum der Puppenkiste am Vormittag leider verschlossen vor und macht einen Bummel durch das Lechviertel. Augsburg ist sehr wasserreich durch seine Lage an Lech, Wertlach und Singold und hat daher viele Brücken und Kanäle. Als eine der ältesten Großstädte Deutschlands gab es bereits um 15 v.Chr. ein römisches Heerlager, aus dem später die römische Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum wurde.
Wir treffen uns am Nachmittag im Hotel. Dorothee hat sich mit den Verkehrsverbindungen des ÖPNV vertraut gemacht und so fahren wir mit der Straßenbahn in die Innenstadt zum Moritzplatz. In nördlicher Richtung folgen wir der Maximilianstraße bis zum Rathausplatz mit dem Ensemble aus Rathaus, Perlachturm und Augustusbrunnen. Nach Entwürfen von Elias Holl entstand auch das prächtige Rathaus der Spätrenaissance in den Jahren 1615-1620. 1643 wurde der goldene Saal fertiggestellt, der bis heute zu repräsentativen Anlässen genutzt wird. Wir schauen hinein und sind beeindruckt.
Auf dem Rathausplatz findet eine politische Veranstaltung statt, die mich zumindest neugierig macht. In Dirndl gekleidete Sängerinnen trällern Volkslieder, deren Inhalt auch gleich den Geist der Partei „Die Basis“ spiegelt. Es ist die Partei der notorisch unzufriedenen Bürger*innen, die sich jüngst aus der Community der Coronaleugner und Querdenker gebildet hat. „Wir haben die Nase voll“- lese ich da auf Transparenten- wovon?- sich parlamentarischen Entscheidungen zu beugen?- so funktioniert aber eine demokratische Gesellschaft nun mal! Das Plakat der Satirepartei „Die Partei“ auf dem gegenüber geparkten Lieferwagen ringt mir da zumindest ein Schmunzeln ab. Der designierte Kandidat scheint das Treiben auf dem Platz mit einer Geste zu bewerten, die ich im Kontext fast sympathisch finde.
Wir begeben uns ein Stück weiter in nördlicher Richtung zum Augsburger Dom. Grabungen sind hier sowohl auf die ehemalige römische Stadt, als auch auf die Grundmauern einer im Jahr 807 geweihten karolingischen Basilika unter Bischof Simpert gestoßen. Mauerreste weisen auf einen frühmittelalterlichen Vorgängerbau (5-8.Jh.) hin. In den Jahren 994-1005 entstand eine im Kern bis heute erhaltene 3-schiffige Domkirche.
Überliefert ist, dass Adelheid, die Witwe Kaiser Ottos I. diesen Neubau gefördert hat. Im Dom befinden sich die ältesten, an ihrem ursprünglichen Platz befindlichen Glasfenster, die Prophetenfenster von 1135. Aus der Erbauungszeit stammt auch die Krypta, die im 12.Jahrhundert nach Osten erweitert wurde. Um 1325 begann der Umbau des Doms im hochgotischen Stil.
Es ist eine besondere Stimmung in der inneren Krypta, die vor über 1000 Jahren als stiller, abgeschiedener Ort der Andacht entstanden ist. Ein ruhiger Ort auf dem Zeitstrahl der Geschichte, an dem man sich fragt- „wo kommen wir eigentlich her?- wo werden wir Menschen in Zukunft hingehen?“ Eine spätromanische Madonna thront in einer Nische. Gegenüber befindet sich ein Altar, dessen Frontseite eine reich verzierte Flechtbandplatte von der Chorschranke des ehemaligen karolingischen Domes ziert.
Südlich an der Außenseite des Ostchores hat man den drei Stadtheiligen Ulrich (890-973), Simpert (750-807) und Afra (Anfang 4.Jh.) mit dem Dombrunnen 1986 ein Denkmal gesetzt. Die mittlere lebensgroße Figur stellt den heiligen Ulrich hoch zu Pferd mit erhobenem Kreuz dar. Die Szene versinnbildlicht den Widerstand gegen die im Jahr 955 einfallenden Ungarn, die in der Schlacht auf dem Lechfeld eine bittere Niederlage gegen die Ottonischen Truppen erlitten.
In Anlehnung an eine Legende wird der Bischof, der an einem Freitag Fleisch in Fisch verwandelt haben soll häufig, wie auch im Dom mit einem Fisch in der Hand dargestellt. Fast 100 Jahre früher zur Zeit Karls des Großen war Simpert Bischof von Augsburg. Die heilige Afra wurde als Märtyrerin im Jahr 304 unter Kaiser Diokletian zur Zeit der Christenverfolgung enthauptet. Augsburg hat viele Kirchen und die drei Stadtpatrone haben ihre letzte Ruhestätte nicht hier im Dom gefunden, sondern in der Basilika St.Ulrich und Afra in der südlichen Innenstadt, die wir uns noch anschauen werden.
Wir begeben uns durch die Innenstadt zurück über den Rathausplatz zum Moritzplatz. Von hier gelangen wir zum Fuggerplatz mit einem Standbild von Hans Jakob Fugger. Als Spross einer berühmten Handelsfamilie kam Hans Jakob Fugger (Der Reiche) mit einem der bedeutendsten Bankhäuser Europas und einem Montankonzern zu unermesslichem Reichtum. Die „Krupps“ der frühen Neuzeit exportierten Kupfer bis nach Indien. Die Augsburger Dynastie der Welser war im Fernhandel mit einem Handelsnetz bis nach Südamerika sehr erfolgreich, zusammen mit den Fuggern prägten sie das Stadtbild Augsburgs nachhaltig.
Wir besuchen die nahe evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Anna, in der sich die Fuggerkapelle mit den Grablegen Jakob Fuggers mit seinen Brüdern Ulrich und Georg und zweier Neffen befindet. Jakob Fugger der Reiche ließ diese Kapelle im Westchor der Klosterkirche der Karmeliter ab 1509 erbauen. 1512 wurde der Bereich als erster Renaissancebau im heutigen Bayern umgestaltet. An der Ausgestaltung der Grabkapelle war auch Albrecht Dürer beteiligt. Das Karmeliterkloster geht auf das 14. Jahrhundert zurück, im frühen 15.Jahrhundert wurde die mit Wandmalereien reich verzierte Goldschmiedekapelle angebaut.
Das Karmeliterkloster Augsburg erlangte große Bedeutung als im Rahmen des Reichstags von Augsburg Martin Luther dort nächtigte. Die 550 Kilometer lange Anreise von Wittenberg bestritt er in 12 Tagen zu Fuß und erreichte Augsburg mit einer schweren Magenverstimmung. Vom 7.-20. Oktober 1518 wurde Luther in den Fuggerhäusern vom römischen Kardinal Thomas Cajetan verhört. Der Papst verlangte von Luther den Widerruf seiner 95 Thesen. Luther verweigerte dies bekanntlich und konnte seiner Festnahme durch Flucht aus Augsburg entgehen. Gut 200 Jahre vorher wurde auf dem Konstanzer Konzil der christliche Reformer Jan Hus als Ketzer verbrannt. Jakob Fugger lehnte die Reformation ebenfalls klar ab, hat letztlich aber seine Ruhestätte in einer protestantischen Kirche gefunden.
An Augsburgs Prachtstraße, der Maximilianstraße befinden sich die Fuggerhäuser mit dem Stadtpalast, dem Damenhof und drei weiteren Innenhöfen. In den Damenhof werfen wir einen kurzen Blick, hier befindet sich eine gut besuchte „hippe“ Bar.
Unser Ziel ist der am südlichen Ende der „Max“-Straße hinter dem Ulrichsplatz liegende Kirchenkomplex aus der evangelischen Kirche St.Ulrich und der gotischen Basilika St.Ulrich und Afra. Die evangelische Kirche, ein Predigthaus von 1457 wurde 1709 im Barockstil umgebaut, ist aber leider bei unserer Ankunft schon verschlossen. In der benachbarten Basilika mit den Grablegen der Stadtpatrone findet gerade der Gottesdienst statt und wir nehmen uns eine genauere Inspektion für den nächsten Tag vor.
Am Abend haben wir uns ein Restaurant ausgesucht, das auch an der Schertlinstrasse liegt. Es definiert sich als Steakmanufaktur und befindet sich im Prinz-Karl-Palais. Das Restaurant bietet eine umfangreiche Auswahl an Steaks, auch das sehr hochpreisige Fleisch der Tajima- Rinder aus der japanischen Region um Kobe wird hier zertifiziert angeboten. Kobe-Fleisch ist an seine Herkunft gebunden, wogegen ähnlich fein marmoriertes Fleisch dieser Rinder außerhalb Japans als Wagyu bezeichnet wird. Auch unsere „bodenständigen“ Steaks nebst feiner Beilagen lassen keinen Wunsch offen. Wir haben einen Tisch im historischen Gewölbe und verbringen hier einen sehr gelungenen Abend.
Am Sonntag können wir uns beim Frühstück Zeit lassen. Bis zur Rückfahrt um 16 Uhr haben wir noch ein gutes Zeitfenster uns die Stadt anzusehen. Wir fahren zum Bahnhof und verstauen unsere Taschen in einem Schließfach. Hier zieht mich zunächst eine im Bahnhof unter Dampf stehende Baureihe 41, die mit einem Personenzug zwischen dem Eisenbahnmuseum „Bahnpark“ und dem Hauptbahnhof pendelt, in ihren Bann. Leider fehlt diesmal die Zeit für den Besuch des Museums.
Unser erstes Ziel ist die Fuggerei in der Jakobervorstadt östlich des Rathauses. Die Fuggerei geht auf eine Stiftung der Fugger zurück und gilt mit ihrer Gründung durch Jakob Fugger im Jahr 1519 als erste Sozialsiedlung der Welt. Bis heute bilden 67 Häuser mit 140 Wohnungen eine Siedlung, die bedürftigen Augsburgern und Augsburgerinnen ein Dach über dem Kopf bietet. Bis heute beträgt die Jahres-Kaltmiete 1 Gulden, das entspricht in heutiger Währung 88 Cent. Es müssen jedoch 2 Voraussetzungen erfüllt sein, der Mieter muss katholisch sein und dreimal täglich ein Gebet für die Stifterfamilie sprechen.
Es ist eine Wohnanlage, wie ich sie aus meiner Heimatstadt Essen kenne. Hier hat Alfried Krupp unter anderem mit der „Margarethenhöhe“ ein soziales Wohnprojekt initiiert, wo seine Angestellten eine günstige Wohnung anmieten konnten- diese gehören heute längst zu begehrten Objekten. Die Fuggerei mit ihren historischen Häusern und ihrem äußerst adretten Erscheinungsbild ist teilweise museal begehbar. Zu besichtigen ist auch der ehemalige Luftschutzkeller, der den Bewohnern Schutz bei Bombenangriffen geboten hat. Durch die Messerschmidt- Werke war Augsburg Angriffsziel der Alliierten, auch die Fuggerei wurde in der Nacht zum 26.2.1944 zu zwei Dritteln zerstört- in knapp 9 Minuten.
Dem Stifterwillen verpflichtet entschied sich die Fürstenfamilie zum Wiederaufbau der Fuggerei. Sowohl der Dom, als auch die Basilika St.Ulrich und Afra entgingen weitestgehend der Zerstörung. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto sieht man eine verängstigte Frau an dem Brunnen der zerstörten Fuggerei, an dem wir gerade selbst stehen. Das was die Menschen vor fast 80 Jahren hier ertragen mussten ist aktuelle Realität in der Ukraine und an vielen anderen Orten auf dieser Welt. Gerade hat nach massiven Angriffen aus dem Gaza-Streifen Israel den Kriegszustand verhängt.
In der mittleren Gasse 14 wohnte seit 1681 die Familie von Franz Mozart. Mit seinem Urenkel Wolfgang Amadeus schenkte er der Menschheit den größten Tonschöpfer aus schwäbischem Stamm, wie uns die Tafel an seinem Haus verrät. 1694 starb der Maurer, der wohl als Stiftungsbaumeister in der Fuggerei angestellt war. Interessant sind die individuell gestalteten Klingelzüge, damit die Bewohner in den einst unbeleuchteten Gassen die richtige Haustüre finden konnten. Bis heute wurde die spätere Gasbeleuchtung in der Fuggerei erhalten. In der Ochsengasse 52 lebte die 48-jährige Krankenschwester Dorothea Braun. Sie wurde am 25.September 1625 als erstes Opfer des Hexenwahns in Augsburg enthauptet, beschuldigt von der eigenen 11-jährigen Tochter.
Wir streifen nun zusammen durch das Lechviertel, das von den Kanälen des mittleren Lechs durchflossen wird. Die Kanäle bringen es auf eine Gesamtlänge von 77 Kilometern und bringen der Stadt seit 1000 Jahren Wasser und Wasserkraft. Große Wasserräder, wie es der Nachbau eines höhenverstellbaren Wasserrades am Schwallech zeigt, konnten die Maschinen gleich mehrerer Handwerksbetriebe antreiben. Augsburg hat über 500 Brücken und damit mehr als Venedig. Hier befindet sich auch das Geburtshaus von Berthold Brecht, der am 10.Februar 1898 im Handwerkerhaus Auf dem Rain 7 das Licht der Welt erblickt hat.
An der Barfüßerstraße ist die evangelische Barfüßerkirche die nächste Station auf unserem Weg durch die Stadt. An dieser Stelle gründeten Franziskanermönche 1221 das erste Franziskanerkloster nördlich der Alpen. Die Mönche trugen als Zeichen der Armut keine Schuhe und erhielten viel Zuspruch von der Bevölkerung. Ein Brand vernichtete 1411 die Klosterkirche, die neue Kirche in verdoppelten Dimensionen wurde nach 4 Jahren Bauzeit geweiht. 1757 baute Andreas Stein die neue Barfüßer Orgel, auf der 1777 W.A. Mozart ein Konzert gab.
Berthold Brecht gehörte zu den Konfirmanden des Jahres 1912. Der spätere kommunistische Lyriker wurde eher zum Antikleriker und Atheisten. 1928 wurde er zu seiner Lieblingslektüre befragt- „Sie werden lachen- Die Bibel“ gab er zur Antwort. An den Außenwänden der Kirche hängen einige Gemälde mit biblischen Themen. Das Bild „Urteil des Salomon“ von J.H.Schönfeld (um 1670/80) soll Berthold Brecht zum „Kaukasischen Kreidekreis“ inspiriert haben. In der Bombennacht mit den Angriffen auf Augsburg wurde die Barfüßerkirche schwer beschädigt, erhalten ist heute mit dem Ostchor nur noch ein Teil der ehemaligen Klosterkirche und des Kreuzgangs.
Auf unserem Weg am hinteren Lech entlang halten wir an einer Tafel an einer Hauswand inne. Am 12.4.1528 versammelte sich hier im Haus des Bildhauers Hans Daucher und seiner Frau Susanna die Gemeinde der Täufer. Die „illegale Zusammenrottung“ von 88 Personen wurde durch die Stadtwache zersprengt, ein Teil von ihnen wurde unter Folter befragt. Die meisten wurden ausgewiesen und erhielten Brandzeichen. Der Vorsteher der Versammlung wurde hingerichtet, einer Teilnehmerin wurde die Zunge herausgeschnitten. Da sie schwanger war wurde Susanna Daucher das Brandzeichen erspart, sie musste bei ihrer Ausweisung allerdings ihre kleinen Söhne zurücklassen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – fällt mir zu diesen Zeilen ein- wollen wir uns dieses bewahren, sollten wir uns sehr gut überlegen wem wir unsere Stimme bei der nächsten Wahl geben.
In der südlichen Innenstadt kommen wir noch einmal am Heilig-Geist-Spital vorbei, mit dem Ziel des gestern nicht besuchten Kirchenkomplexes der evangelischen St.Ulrich Kirche und der gotischen Basilika St.Ulrich und Afra. Die Türen zu dem hellen barocken Innenraum der evangelischen Kirche stehen heute offen. Wir schauen rein und kommen mit der Küsterin ins Gespräch, die es sich nicht nehmen lässt uns ein kleines Konzert auf ihrer Blockflöte zu geben.
In der benachbarten Basilika können wir uns heute frei bewegen. Das Kirchenschiff wird vom Sonnenlicht geflutet. In einer Seitenkapelle befindet sich mit dem Simpert-Schrein die prunkvolle Grablege des heiligen Simpert. Die beiden anderen Stadtpatrone finden wir in der Krypta der Basilika. Die hl. Afra ist in einem schlichten römischen Steinsarkophag beigesetzt, in dessen Inneren sich der gläserne Schrein mit den Gebeinen befindet. Der vergoldete Schrein mit den Gebeinen des Stadtpatrons Ulrich verbirgt sich in einem kunstvoll gearbeiteten Marmor-Sarkophag aus dem 18.Jh.
In gleißender Sonne schlendern wir die Maximilianstraße Richtung Norden. Der Himmel ist wolkenlos und der Herkulesbrunnen vor dem Schaezlerpalais zaubert ein fast italienisches Flair auf die Augsburger Prachtstraße. Das im 18.Jahrhundert erbaute Stadtschloss bietet mit seinem Garten eine herrliche Ruheoase, wo wir uns auf einer Bank gerne eine Weile die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Am Moritzplatz finden wir in der Mittagssonne einen „Italiener“, bei dem wir uns vor der Heimfahrt noch eine köstliche Pasta schmecken lassen.
Wir sind so früh am Bahnhof, dass mir noch ein paar Bilder der Dampflokomotive gelingen, die immer noch im Pendelverkehr unterwegs ist. Wir nehmen aber den Hochgeschwindigkeitszug, ein ICE der 4. Generation, der uns komfortabel in vierdreiviertel Stunden nach Hause bringt. Auf der Fahrt lasse ich die Eindrücke dieses Wochenendes noch mal sacken. Wir haben uns einen umfassenden Überblick verschafft, Augsburg hat aber noch viel mehr zu bieten.
A. Korbmacher
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