Berlin 2021

Berlin 2021

Mitte September habe ich einen Aufenthalt in Berlin eingeplant, ursprünglich um in der Hauptstadt den jährlich stattfindenden Anästhesie-Kongress zu besuchen. Pandemie-bedingt findet allerdings auch in diesem Jahr die Veranstaltung nicht als Präsenz-Event statt. Wir lassen die Hotelbuchung in der Nähe des Potsdamer Platzes stehen und fahren trotzdem am Freitag-Nachmittag mit dem ICE von Wuppertal nach Berlin um hier ein schönes Wochenende zu verbringen. Meine Erinnerungen an die vergangenen 10 Reisen nach Berlin habe ich in meinem Bericht „Berlin 2019- Eine persönliche Zeitreise von 1978-2019“ niedergeschrieben.

Berlin- Immer wieder eine Reise wert!
Berlin- Immer wieder eine Reise wert!

Vom Wuppertaler Hauptbahnhof aus erreichen wir Berlins beeindruckenden Hauptbahnhof nach einer 4-stündigen Anfahrt um 21:10h. Bevor wir uns auf den Weg zu unserem Hotel in der Nähe des Potsdamer Platzes machen gönnen wir uns ein Mc-Junkfood- Menü mit einer erfrischenden Cola Zero. Die S-Bahn bringt uns zum Potsdamer Platz, von wo wir noch etwa 400 Meter in südlicher Richtung laufen, um in der Nähe des Landwehr-Kanals unser Hotel zu beziehen. Das Zimmer ist in der 5. Etage mit Blick Richtung Osten und wir können sowohl den Fernsehturm nordöstlich am Alexanderplatz, als auch das Technikmuseum mit dem am Dach aufgehängten Rosinenbomber in südöstlicher Richtung sehen.

Das Postfuhramt an der Oranienburger Straße
Das Postfuhramt an der Oranienburger Straße

Berlin ist immer wieder eine Reise wert und es gibt bei jedem Aufenthalt Neues zu entdecken. Kürzlich erst wurde das Humboldt Forum fertiggestellt, ein Gebäudekomplex auf dem Boden und in der Form des ehemaligen Berliner Stadtschlosses. Wir wollen uns am Samstagvormittag aber zunächst auf der Museumsinsel die Ausstellungen des Pergamonmuseums ansehen. Wir haben Online-Zeitkarten reserviert und fahren mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und weiter mit der Trambahn zur Oranienburger-Straße. Der Weg zur Museumsinsel führt am ehemaligen kaiserlichen Postfuhramt und an der Neuen Synagoge Berlin vorbei.

Lüpertz-Plastik "Hektor Köpf" vor dem Bode Museum
Lüpertz-Plastik „Hektor Köpf“ vor dem Bode Museum

Am Monbijoupark entlang gelangen wir über die Monbijoubrücke auf die Museumsinsel am Rundbau des Bode-Museums. Vor dem Museum steht die Skulptur „Hektor Köpf“ des zeitgenössischen Künstlers Markus Lüpertz. Das Wetter ist recht trübe und an der Südseite des Museumskomplexes entlang des Spreekanals laufen wir an der James-Simon-Galerie, der neuen Eingangshalle der Museumsinsel vorbei zum Haupteingang.

Spreekanal an der Museumsinsel
Spreekanal an der Museumsinsel

Punkt 10 Uhr gelangen wir nach Vorlage des Covid-Ausweises in die Eingangshalle, die nach dem Berliner Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen benannt wurde. James Simon (1851-1932) hat mit der Schenkung seiner umfangreichen Renaissance-Sammlung und seiner altdeutschen Plastiken an die Museen der Stadt Berlin die Museumslandschaft nachhaltig bereichert. Er war Mitbegründer der deutschen Orient-Gesellschaft und beteiligte sich maßgeblich an Ausgrabungen in Mesopotamien und Ägypten. 1920 übereignete er den Berliner Museen die berühmte Büste der Nofretete.

Pergamonaltar 1978
Pergamonaltar 1978

Die Hauptattraktion des Pergamonmuseums, der Pergamonaltar (180-160v.Chr.) wird seit geraumer Zeit restauriert und ist frühestens im nächsten Jahr wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Im zarten Alter von 15 Jahren habe ich das Museum mit einer Jugendgruppe bei einem Besuch des Ostteils der damals geteilten Stadt besucht. Ich weiß auf jeden Fall noch, dass mich dieses Museum stark beeindruckt hat.

Ausgrabungsort des Ischtat-Tors- Babylon
Ausgrabungsort des Ischtat-Tors- Babylon

Im großen Zeitalter der Expeditionen waren es die wohlhabenden Industrienationen, die zahlreiche archäologische Ausgrabungen durchgeführt haben und viele Kunst- und Kulturschätze aus ihren Herkunftsländern in die großen Museen der Welt geschafft haben. Dieses Vorgehen wird heute recht kontrovers diskutiert, einige dieser Exponate haben die Zeit vielleicht aber nur deswegen überstanden. In der jüngsten Vergangenheit gab es immer wieder gezielte Angriffe auf Kultur-Stätten durch fanatische, ideologisch-religiös motivierte Horden. Die Untersuchung dieser Orte könnten der Menschheit viele Fragen über die eigene Herkunft beantworten. Neben allen Greul-Taten selbst ernannter Kultur-Polizisten ist die Auslöschung des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit eine besondere Form der Gewalt.

Pergamonmuseum- Ischtar-Tor
Pergamonmuseum- Ischtar-Tor

Ein solcher Fund, der den Weg auf die Museumsinsel gefunden hat ist das babylonische Ischtar-Tor von Nebukadnezar II. (604-562v.Chr.) Bei Ausgrabungen kamen aus dem Schutt bunt glasierte Ziegelstücke ans Tageslicht. Über 500 Kisten mit glasierten Ziegeln und deren Bruchstücken wurden bis 1927 nach Berlin gebracht, wo sich der Museumsbesucher heute ein Bild vom ehemaligen Stadttor Babylons mit seiner Prachtstraße machen kann. Auch das Aleppo Zimmer vom Beginn des 17.Jh. wäre vermutlich dem syrischen Bürgerkrieg zum Opfer gefallen.

Aleppo Zimmer- Anfang 17.Jh.
Aleppo Zimmer- Anfang 17.Jh.

Das Pergamonmuseum beinhaltet drei Sammlungen, einen Teil der Antikensammlung, das Vorderasiatische Museum und das Museum für Islamische Kunst. Ein beeindruckendes Großexponat der Antikensammlung ist das römische Stadttor von Milet (Westtürkei) aus der Zeit um 100 vor Christus.

Markttor von Milet
Markttor von Milet

Im Vorderasiatischen Museum durchschreitet der Besucher 6000 Jahre Menschheitsgeschichte. Viele Exponate stammen aus dem damaligen Mesopotamien. Die ältesten Funde stammen aus Uruk, der ältesten Großstadt der Welt im heutigen Irak. Bei den großen deutschen Ausgrabungen wurden insgesamt 270000 Objekte vorwiegend aus Babylon, Assur, Uruk und Sam’al zusammengetragen.

Fassade des Inanna-Tempel Uruk/Warka (Irak) um 1413 v.Chr.
Fassade des Inanna-Tempel Uruk/Warka (Irak) um 1413 v.Chr.

Das Museum für Islamische Kunst entführt uns in die Welt des Islam. Neben kunstvollen mittelalterlichen Gebetsnischen ist die hölzerne Kuppel aus einem der ältesten Paläste der Alhambra aus dem frühen 14. Jahrhundert ein besonderes Exponat. Die in Südspanien gelegene Alhambra war der Regierungssitz der letzten muslimischen Dynastie Spaniens, den Nasriden (1238-1492). Anfang des 19. Jh. standen Teile der Alhambra zum Verkauf. Den Palacio del Partal kaufte sich ein deutscher Finanzmagnat, der die kostbare Schnitzarbeit in sein Eigenheim montierte.

Schnitzarbeit Palacio del Partal (Anf.14.Jh.)
Schnitzarbeit Palacio del Partal (Anf.14.Jh.)

Aus dem 8. Jahrhundert stammt ein weiteres monumentales Exponat, die Palastmauer eines Kalifenpalastes 30 Kilometer südlich der Jordanischen Hauptstadt Amman. Es handelt sich um die kunstvolle Palastmauer des Umaiyadischen Kalifen al-Walid II., die als Geschenk eines osmanischen Sultans an Kaiser Wilhelm II. 1903 den Weg nach Berlin fand.

Palastmauer Mschatta (1.Hälfte 8.Jh.)
Palastmauer Mschatta (1.Hälfte 8.Jh.)

Wie bereits erwähnt habe ich den berühmten Pergamonaltar zuletzt 1978 bestaunen dürfen. Er wird hinter verschlossenen Türen derzeit renoviert und soll in neuem Glanz frühestens im nächsten Jahr wieder zugänglich sein. Im separaten temporären Gebäude „Pergamonmuseum- Das Panorama“ erfährt man eine fantastische Zeitreise in die griechische Antike, in das Jahr 129 n.Chr.

Asisis 3D-Großpanorama
Asisis 3D-Großpanorama

Der Künstler Yadegar Asisi hat sich bereits durch einige 3D- Großpanoramen einen Namen gemacht. Seine teils gemalten, teils fotografisch ergänzten, großformatigen Bilder in einem 360-Grad- Rund sind über einen zentralen Treppenturm begehbar und erlebbar. Ich habe 2014 bei einem Aufenthalt in Leipzig die Völkerschlacht im Jahr 1813 vom Dach der Nicolaikirche hautnah auf einem Panorama Asisis erlebt. Am Checkpoint Charlie hat man die Möglichkeit in die Vergangenheit einzutauchen und „Die Mauer“ vor ihrem Fall zu erleben.

Tieropfer-Szene am Pergamon Altar- Detail aus Asisis Panorama
Tieropfer-Szene am Pergamon Altar- Detail aus Asisis Panorama

Hier geht es nun um die Stadt Pergamon, wo neben der Akropolis und dem antiken Theater die Opfer- Feierlichkeiten am Pergamonaltar in die Landschaft der heutigen Westtürkei eingebettet sind. Kaiser Hadrian erfreut sich mit der Menge an den Festspielen der Dionysien. Mit einem Audio- Guide versehen taucht man in eine Welt vor fast 2000 Jahren ein und immer wieder entdeckt man neue Details bis man über die Treppe das Level der Akropolis erreicht.

Pergamon im Jahr 129 (Das Panorama in 1D)
Pergamon im Jahr 129 (Das Panorama in 1D)

Asisi hat den nur in Fragmenten erhaltenen Nordfries als Teil des großen Frieses mit seinem künstlerischen Verständnis vervollständigt. Nichts Geringeres als die Schlacht der olympischen Götter mit den Giganten ist der Inhalt der dramatischen Szenen. Die Installation des 3D- Panoramas wird ideal ergänzt durch ein Video, das den Altar mit einer Kamerafahrt aus den Dimensionen des Museums an seinen ursprünglichen Fundort versetzt.

Asisis künstlerische Rekonstruktion der Fragmente im Nordfries
Asisis künstlerische Rekonstruktion der Fragmente im Nordfries

Antike Statuen vom Dach und den Terrassen des Pergamonaltars sind wunderbar in Szene gesetzt. In einem Raum sind Fragmente des inneren Frieses des Altars ausgestellt. Hier hat sich der Ahnherr und Gründer Pergamons mit der Darstellung seines mythischen Lebens selbst ein Denkmal gesetzt. Moderne Museums-Didaktik hat uns ein fantastisches Bild des Pergamonaltars vermittelt ohne ihn selbst betrachtet zu haben.

Skulpturen des Pergamonaltars
Skulpturen des Pergamonaltars

Wir bewegen uns nun von der Museumsinsel hinüber zum am 20. April eröffneten Humboldt-Forum im Neubau des Berliner Stadtschlosses. Von der Schlossbrücke aus erstrahlt hinter dem Spreekanal die neoklassizistische Schlossfassade in neuem Glanz. Das Humboldt Forum ist ein Ort für Kultur und Wissenschaft, für Austausch und Debatten.

Schlossbrücke mit Dom, Fernsehturm und Humboldt-Forum
Schlossbrücke mit Dom, Fernsehturm und Humboldt-Forum

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Ruine des Barockschlosses der preußischen Könige durch die DDR- Führung beseitigt und musste einem Aufmarschplatz weichen. 1976 entstand auf dem Gelände der Palast der Republik als Sitz der Volkskammer der DDR. Wegen der unzähligen Glaskugel-Lampen in der Halle des Gebäudes erhielt der Palast bei der Bevölkerung den Spitznamen „Erichs Lampenladen“. Bis 2006 wurde das stark Asbest-belastete Gebäude abgerissen. 2013 begann der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses.

Symbiose aus Barock und Moderne
Symbiose aus Barock und Moderne

Wir wollen uns einen Überblick verschaffen und erhalten auch hier mit einem Videopanorama einen Schnelldurchritt durch 800 Jahre Stadtgeschichte. Beim Besuch des Schlosskellers gelangen wir an die Fundamente des alten Stadtschlosses. Ein freigelegter Raum stammt aus dem 14./15.Jh. und war Teil des im 13. Jahrhundert in der aufstrebenden Stadt Berlin-Cölln erbauten Dominikanerklosters mit Kirche.

Die Fundamente des alten Schlosses
Die Fundamente des alten Schlosses

Originale Plastiken aus der Fassade des alten Schlosses sind im Skulpturensaal ausgestellt. Die Wiedererrichtung des Gebäudes als Symbiose aus Barock und Moderne überzeugt an einem Ort, an dem Deutsche Geschichte passiert ist. 1848 kämpften Bürger vor dem Schloss für eine Verfassung und die nationale Einheit Deutschlands. 1918 wurde das Schloss Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzung um die politische Neuausrichtung. Die letzte Revolution fand im Herbst 1989 statt. Während im Palast der Republik die Staatsführung der DDR ihren 40. Jahrestag der Staatsgründung feierten, forderten draußen Demonstranten Freiheit und Reformen.

Wachablösung >Unter den Linden< 1978
Wachablösung >Unter den Linden< 1978

Eine Ausstellung befasst sich mit dem Leben der Brüder Wilhelm und Alexander Humboldt. Wir laufen entlang der Allee „Unter den Linden“ und schauen in die Neue Wache hinein. Hier habe ich bei meinem Ost- Berlin Besuch 1978 eine Wachablösung der Nationalen Volksarmee der DDR erlebt. Den martialischen Stechschritt der Soldaten habe ich heute noch vor Augen. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die Neue Wache nationale Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Inneren befindet sich eine Bronzeplastik von Käthe Kollwitz. Sie trägt den Titel: „Mutter mit totem Sohn“

Mutter mit totem Sohn (Käthe Kollwitz)
Mutter mit totem Sohn (Käthe Kollwitz)

Wir machen uns zu Fuß auf den Weg Richtung Potsdamer Platz, kommen am Gendarmenmarkt vorbei und erreichen den Platz des Volksaufstandes von 1953. Am Gebäudekomplex des heutigen Finanzministeriums befindet sich am nördlichen Säulengang ein Wandbild von 1952. Nach einem Entwurf Max Lingners wurde das Bild von der staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen durch 14 Maler umgesetzt. Es ist ein herrlich naives Zeitdokument mit glücklichen Menschen in einem perfekten Sozialismus- ein Bild- gewordener Traum der DDR-Staatsführung.

Den Sozialismus.......hält weder Ochs noch Esel auf...- Loblied und Irrtum Erich Honeckers vom 15.08.1989
Den Sozialismus…….hält weder Ochs noch Esel auf…- Loblied und Irrtum Erich Honeckers vom 15.08.1989

Am Abend besuchen wir noch einmal das feine Restaurant „Pots“ am Potsdamer Platz, wo wir bereits vor 2 Jahren einen wunderbaren kulinarischen Abend verlebt haben. Auch diesmal werden wir mit köstlichen Kreationen verwöhnt.

Schmackofatz im Pots
Schmackofatz im Pots

Am Sonntagvormittag haben wir uns zu einer Führung im Stasi- Gefängnis Berlin Hohenschönhausen angemeldet. Das berüchtigte Gefängnis liegt im gleichnamigen Stadtteil im Nordosten der Stadt, auf ehemaligem sowjetischem Besatzungsgebiet. Das Speziallager wurde 1946 zum zentralen sowjetischen Untersuchungsgefängnis für Ostdeutschland ausgebaut. Die Anlage wurde 1951 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) übernommen, 1960 mit einem Neubau ausgebaut und bis 1990 als zentrale Untersuchungshaftanstalt genutzt. Die heutige Gedenkstätte hat es sich zur Aufgabe gemacht die 44 Jahre lange Geschichte politischer Verfolgung an diesem Ort nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Untersuchungs-Haftanstalt Hohenschönhausen
Untersuchungs-Haftanstalt Hohenschönhausen

Wir haben die Ehre von Edda Schönherz durch die Räume dieses bedrückenden Ortes geführt zu werden. Die 77 Jährige Journalistin, Moderatorin und Ansagerin wurde Ende der 60er Jahre als Ikone des DDR- Fernsehens bekannt. Wie sie uns selbst berichtet musste sie schnell erkennen, dass die Arbeit einer Journalistin in der DDR allenfalls die einer Parteisprecherin sein kann. Ihre kritische Haltung gegenüber der Parteiführung und das Erfragen von Möglichkeiten zur Ausreise aus der DDR führten letztlich im September 1974 zu Ihrer Inhaftierung. Der Unterbringung in Hohenschönhausen folgte im Dezember die Urteilsverkündung: 3 Jahre Zuchthaus wegen „Staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ und „Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts in besonders schwerem Fall“. Diese Strafe musste Frau Schönherz im berüchtigten Frauen-Zuchthaus Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge ertragen.

Das "U-Boot"
Das „U-Boot“

In sehr angenehmer Art führt uns Frau Schönherz durch die Räume dieses furchtbaren Ortes. Im Keller befindet sich noch aus sowjetischer Zeit das „U-Boot“, wie die Dunkelhaftzellen genannt wurden. Wir erfahren, dass ihre Peiniger nichts dem Zufall überlassen haben. Kontakte zwischen den Inhaftierten wurden streng unterbunden- es gab auch keine Namen nur Nummern. „Psychologische Folter hinterlässt keine Narben und lässt sich nicht nachweisen“- „ich war die 102“- teilt sie uns mit ruhiger Stimme mit. Frau Schönherz wurde 1977 aus der Haft entlassen und weitere Drangsalierungen folgten. Sie hielt am Ausreiseantrag für sich und ihre Kinder fest und konnte im Dezember 1979 in die BRD ausreisen.

Überwachungs- Zentrale
Überwachungs- Zentrale

Mit einer Anstellung beim Bayrischen Rundfunk folgte ein Comeback auf dem Fernseh-Bildschirm, mit der Genugtuung wieder als Fernseh-Journalistin zu arbeiten. Edda Schönherz hat ein Buch geschrieben über ihre Geschichte. Der Titel „Die Solistin- Der Roman einer Frau, die von Deutschland nach Deutschland wollte“. Wir erhalten ein persönliches Exemplar mit der folgenden Widmung:

„Vergessen ist menschlich, aber politisch sehr gefährlich“

Der Zellen-Trakt
Der Zellen-Trakt

In wenigen Tagen werden wir in Deutschland wählen und wir können es mit unserem Kreuz selbst bestimmen ob wir jemals wieder eine Diktatur herbei schreien. In einem totalitären System sind Verfolgung und Bestrafung die Mittel gegen freies Denken- das hat Frau Schönherz wie viele andere erleben müssen. Seit 2004 arbeitet sie in Hohenschönhausen gegen das Vergessen.

Die U-Haft Zelle
Die U-Haft Zelle

Am Hackeschen Markt essen wir zu Mittag und gehen dann zu Fuß entlang des nördlichen Spreeufers bis zur Marschallbrücke, wo wir uns am ARD-Hauptstadtstudio vorbei Richtung Brandenburger Tor bewegen. Von hier laufen wir durch das Regierungsviertel zurück zum Hauptbahnhof, von wo uns der ICE zurück nach Hause bringt.

 

Arnd Korbmacher

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