Jahreswechsel im Burgund in Vézelay 2023
Wieder ist ein Jahr um, ein Jahr in dem wir einige tolle Trips unternommen haben. Mit einer Reise nach Nepal im Frühjahr konnten wir großartige Einblicke in die Kultur, die Religion und die Lebensweise der Menschen in dem fernen Land am Rande der höchsten Berge dieser Erde gewinnen. Nach unseren Reisen in die spanischen Regionen auf die Insel Teneriffa und das andalusische Festland haben wir uns über den Jahreswechsel ein paar Tage Auszeit im französischen Burgund vorgenommen. Nach einem völlig verregneten Weihnachtsfest steht für mich am 2. Weihnachts-Feiertag noch ein Nachtdienst an, bevor wir dann am Mittwochnachmittag losfahren können.
Ein erstes, entspannt erreichbares Zwischenziel auf unserer Anreise ins Burgund ist Namur, die Provinzhauptstadt der Wallonie in Belgien. Hier haben wir ein Zimmer in einem Hotel reserviert, das hoch über der Stadt nahe der Zitadelle liegt. Das Gebäude ist ein stattlich wirkendes Schloss, das allerdings erst um 1900 als Hotel eröffnet wurde. Die Aussicht über die Stadt an der Maas ist großartig und Flure und Zimmer vermitteln dem Gast zumindest den Eindruck eines historischen Gemäuers.
Wir drehen vor dem Abendessen noch eine Runde um das Hotel und genießen den Blick auf das Lichtermeer von Namur. Wir haben einen Tisch im Restaurant reserviert und stellen schnell fest, dass wir uns die richtige Location für einen gelungenen Abend ausgesucht haben. Was uns aufgetischt wird lässt die Zunge schnalzen und wird großzügig mit gutem Tropfen begleitet. Wir erfahren, dass das Hotel einer Hotelfachschule angeschlossen ist, und dass die Auszubildenden hier in Küche und Service integriert werden. Die teils recht jungen Leute zeichnen sich durch enorme Aufmerksamkeit aus, es sind die Chefs und Maîtres der Gastronomie von morgen.
Von Namur geht es am Donnerstag mit Autobahn- Südkurs über Charleville- Mézièrs und Reims in die Champagne. Hinter Reims wählen wir für die Weiterfahrt die Landstraße Richtung Troyes. Wie im letzten Jahr ist zwischen den Feiertagen wenig los in den Orten, in denen auch bei den Champagner-Winzern die Keller geschlossen sind. Die Sonne macht sich auch diesmal rar und die Weinberge, die hier den weltberühmten Schaumwein hervorbringen scheinen jetzt Winterschlaf zu halten. Wir fahren entlang der noch jungen Seine und erreichen in der südlichen Champagne die Côte de Bar. Südlich von Bar-Sur-Seine brennt in einer Winzer-Genossenschaft in Neuville-sur-Seine Licht. Hier kaufen wir für zu Hause ein paar Flaschen der Marke >Clerambault< ein.
Wir haben in die Anfahrt zu unserem Quartier in Vézelay ein Zeitfenster für den Besuch einer Sehenswürdigkeit eingerechnet, die mir bereits auf einer Motorradtour im Jahr 1999 begegnet ist. Gut 60 Kilometer nordwestlich von Dijon, in einem entlegenen Bachtal gründete Bernhard von Clairvaux 1118 die Abtei Fontenay. Als Tochterkloster von Clairvaux ist Fontenay das zweitälteste Kloster des Zisterzienser-Ordens. Wir tauchen ein in die strenge zisterziensische Romanik der Abteikirche, in der ein geschmückter Weihnachtsbaum wunderbar zur Geltung kommt. Herausragendes Beispiel burgundischer Bildhauerkunst ist eine Marienstatue vom Ende des 13.Jahrhunderts.
Fontenay entwickelte sich zu einem führenden geistlichen Zentrum in der Region mit Erfolgen in Medizin und Heilkunde. Im 13.Jahrhundert verlieh Ludwig IX den Status eines königlichen Klosters. Mit einer Lilie im Wappen währte seine Blütezeit bis in das 16.Jahrhundert. Das „Aus“ für das Klosterleben kam mit der Französischen Revolution 1789. Die Gebäude des Klosters wurden als Papierfabrik vor dem Verfall bewahrt. Elie de Montgolfier, Neffe des Erfinders des Heißluftballons kaufte das Gelände zu diesem Zweck. Mit der Familiengeschichte der Montgolfieres ist später auch der Erhalt und die Restaurierung der Abtei verknüpft. Die Abtei von Fontenay ist mit ihrem Kreuzgang ein Juwel der Romanik und weltweit die einzige erhaltene Zisterzienserabtei. 1981 wurde der Komplex zum Teil des UNESCO-Weltkulturerbes erklärt.
Mit schwindendem Tageslicht fahren wir zu unserem Stützpunkt für die letzten 3 Tage dieses Jahres in Vézelay. Es ist ein Haus mit Tradition, das auf eine Poststation des 18. Jahrhunderts zurückgeht. Nach einem freundlichen Empfang beziehen wir unser Zimmer und freuen uns auf ein erstes Abendessen im hauseigenen Restaurant „L’Éternel“. Eric Balan und sein Team können sich als Mitglieder des Collège Culinaire mit Empfehlungen von Michelin und Gault&Millaut schmücken. Uns ist es eine Freude die herrlichen Sachen aus seiner Küche zu verköstigen.
Am Freitag sehen wir uns erst einmal in unserem hübschen Ort Vézelay um. Der auf einem Hügel am nordwestlichen Rand des Parc Naturel Regional du Morvan gelegene Ort birgt eine weitere Perle der Romanik. An Stelle einer durch Brand beschädigten karolingischen Vorgängerkirche wurde 1140 die dreischiffige Basilika Sainte-Marie-Madeleine fertiggestellt. Der Kirchenhügel von Vézelay ist seit dem Mittelalter ein bedeutender Wallfahrtsort. Dank der Reliquien der Maria Magdalena wurde Vézelay ein wichtiger Ort des Christentums, Haupttreffpunkt der Pilger für den Jakobsweg nach Santiago de Compostella und Treffpunkt von Königen als Ausgangspunkt des zweiten und dritten Kreuzzuges.
Durch eine Vorhalle mit dem kunstvollen Narthex betritt man die riesige romanische Halle. Auf einer Länge von 120 Metern überspannen 10 Joche aus hellen und dunklen Steinen das Mittelschiff in 18 Metern Höhe. Neben diesem beeindruckenden Gesamteindruck wenden wir uns den kunstvoll behauenen Säulenkapitellen zu, allesamt Unikate mit biblischen Darstellungen. Die Kunstwerke und Zeugnisse unserer christlichen Kultur befinden sich in einem erstaunlichen Zustand, bedenkt man, dass sie vor annähernd 900 Jahren in den Stein geschlagen wurden. Unter der Kirche befindet sich die Krypta aus karolingischer Epoche mit den Reliquien der namensgebenden Heiligen.
In Tallage unterhalb von Vézelay gab es bereits Mitte des 9. Jahrhunderts eine Benediktinerabtei. Nach Plünderungen durch die Normannen im Jahr 887 brachte die Verlegung des Klosters auf die Anhöhe (300m) mit einer Umwehrung den Bewohnern mehr Schutz. Bei der Umrundung der Basilika haben wir vom nordöstlichen Plateau des „Ewigen Hügels“ einen großartigen Blick über die Ausläufer des Morvan in das Tal der Cure. Entlang der alten Befestigungsmauer steigen wir durch den südlich angelagerten Weinberg zurück hinauf zur Basilika. Vom mittelalterlichen Kloster sind nur noch Reste erhalten. Hier nehmen wir im Kapitelsaal Platz und wohnen der Mittagsmesse bei.
Wir bummeln zurück durch die Gassen, die jetzt im Winter nicht so stark frequentiert sind. In der warmen Jahreszeit hat der Ort touristische Magnetwirkung, erzählt uns die Verkäuferin in einem Laden, in dem sie allerlei aus Eisenblech gefertigte Tierfiguren aus Afrika verkauft. Ein hübscher Eisvogel auf einem Blatt wird jetzt als Vogeltränke unseren Garten zieren. Wir laufen zurück zu unserem Hotel am südöstlichen Ende des Ortskerns. Hier befindet sich eine kleine Hausbrauerei, in der wir (brassées à la main) eine kleine Auswahl der „Bières de la Colline“ als Spezialität aus Vézelay einkaufen.
Wir haben uns für den Nachmittag ein Ziel ausgesucht, das ich auch im Jahr 1999 mit meinem vor sechs Jahren verstorbenen Freund Arnd mit dem Motorrad besucht habe. Es ist der berühmte gallische Stammesführer Vercingetorix, der im Jahr 52 v.Chr Rom die Stirn bot. Seine Statue steht heute auf dem Gipfelplateau des Mont Auxois, auf dem sich das ehemalige gallische Oppidum Alésia befand. Entlang des Nordrands des Morvan fahren wir die gut 80 Kilometer durch mittelalterliche Orte wie Avallon und Semur-en-Auxois, denen man sich unbedingt bei einem längeren Aufenthalt in dieser herrlichen Region noch einmal zuwenden muss.
Wir erreichen das Gebiet der berühmten Entscheidungsschlacht am Fuß des Mont Auxois, an dem heute die Ortschaft Alise-Saint-Reine liegt. Ich erinnere mich noch daran, dass wir damals die Statue oben auf der Erhebung besucht haben. Heute gibt es am Fuß des Berges ein Museum, das wie viele Museen in Frankreich leider im Winter geschlossen hat. Was wir allerdings im Außenbereich sehen können sind die Nachbauten römischer Befestigungsanlagen, die Gaius Julius Caesar zur Einkesselung der Kelten aufbauen ließ. Über 16 Kilometer erstreckten sich die Schanzarbeiten eines inneren Belagerungsrings um das Oppidum Alésia, ergänzt durch einen 21 Kilometer langen äußeren Ring.
Das römische Heer war nach heutigen Schätzungen mit 70000 Soldaten weit in der Übermacht gegenüber den nur 20000 Soldaten des Vercingetorix. Für Julius Cäsar war es eine Entscheidungsschlacht auch für seine weitere Zukunft als römischer Imperator. Die lange römische Belagerung führte in Alésia zu Nahrungsmittelknappheit und zum Verhungern der Zivilisten. Roms Kriegsmaschinerie konnte trotz eines herbeigerufenen 50000 Mann starken Ersatzheeres der Kelten die Schlacht für sich entscheiden und so Gallien unterwerfen. Nach sechs Jahren Haft wurde Vercingetorix in Rom Teil eines Triumphzuges des auch in Ägypten, Kleinasien und Afrika siegreichen Cäsars. Auf Befehl Cäsars wurde Vercingetorix erdrosselt.
Irgendwie muss ich an die herrlichen Geschichten der beiden gallischen Freunde Asterix und Obelix denken, deren unbeugsames Dorf im Jahr 50 vor Christus den Römern Widerstand leistete. Die von den Autoren René Goscinny und Albert Uderzo erdachten Geschichten haben wir schon als Kinder verschlungen. In Germanien war es im Jahr 9 nach Christus der Cheruskerfürst Arminius, der die keltischen Stämme erfolgreich gegen Rom führte. Wir blicken bei schwindendem Tageslicht zusammen mit Vercingetorix hinunter in die friedliche Ebene, in der bei der Schlacht von Alésia nach heutigen Schätzungen 45000 Gallier und 7800 Römer gefallen sind. Leider auch verschlossen sind zu dieser Jahreszeit die Ausgrabungen des gallischen Oppidums, die wir hinter einer Umzäunung erkennen können.
Auf der Rückfahrt nach Vézelay sind wir gespannt auf ein weiteres Abendessen in unserem Hotel. Wir freuen uns am Samstag auf liebe Freunde, mit denen wir uns zuletzt im September getroffen haben. Es sind Béa und Gilles, die wir leider erst durch den traurigen Umstand der Beisetzung meines Schwagers Jörg vor vier Jahren kennen gelernt haben. Béa hat mit Jörg in Düsseldorf Medizin studiert, lebt und arbeitet heute mit Gilles und ihren beiden Söhnen in Lyon. Jörg verband als Patenonkel des jüngeren Sohns Max viel mit seinen französischen Freunden.
Ein paar Tage waren wir vor 2 Jahren zu Gast bei Béa und Gilles, die so oft es ihr Alltag zulässt ihren Wohnsitz auf dem Land bei Vauban aufsuchen. Es waren im Sommer 2022 wunderbare Tage, die wir zusammen mit meiner Schwägerin Stefanie hier verbringen durften. Im Sommer hatte uns Béa zu ihrer Geburtstagsfeier in den Außenbereich eines Restaurants in Düsseldorf- Oberkassel eingeladen. Es war ein relaxter Nachmittag an diesem besonderen Ort, denn die Beiden haben sich genau hier kennengelernt- verrät uns Gilles mit einem breiten Lächeln.
Nun ja- ein Katzensprung ist es nicht gerade, denn zu unserem Treffpunkt im südlichen Burgund sind es schon schlappe 200 Kilometer. Auf annähernd der Hälfte legen wir einen Zwischenstopp in Autun ein. Nach der Unterwerfung Galliens gründete Kaiser Augustus diese Stadt zwischen 16 und 13 v.Chr. an der Via Agrippa. Als Rom Galliens wuchs das heutige Autun als Augustodunum an der Stelle eines vorrömischen Druidenheiligtums heran. Von der gallo-römischen Epoche zeugen auch heute noch die antiken Stadttore, die Stadtmauer und Reste des sogenannten Janustempels. Wir halten kurz am römischen Theater an, das mit einem Durchmesser von 148 Metern immerhin 15000 Besuchern Platz bot.
Einen Blick werfen wir auch noch in die Kathedrale St-Lazare aus dem 12.Jahrhundert. Es ist eine weitere Perle burgundischer Romanik. Auch hier ziehen uns die in Stein gehauenen Motive der Säulenkapitelle in ihren Bann. Leider bleibt nur ein kleines Zeitfenster, denn unsere Verabredung drängt zur Weiterfahrt nach Vauban.
Gemütlich rollen wir über die hügelige Landschaft des Burgunds. Die Sonne scheint heute und hebt die Stimmung nach den vielen grauen Tagen um Weihnachten. Wir erreichen den Weiler Foumoux mit dem Landhaus von Béa und Gilles zur Mittagszeit und werden schon erwartet. Nach einer herzlichen Begrüßung stoßen wir mit einem Gläschen Sekt unter dem herrlichen Kastanienbaum im Garten an. Es gibt viel zu erzählen und wir lernen nun auch die beiden Söhne Leo und Max kennen, die uns ein wenig über ihre Ausbildungs- und Zukunftspläne erzählen.
Wir essen zusammen Mittag und werden mit köstlichen Sachen verwöhnt. Es gibt Gänseleberpastete aus der Region zur Vorspeise. Gilles hat im Schmortopf einen Kapaun in Vollendung zubereitet. Die große Hitze zu Beginn mit nachfolgender Garzeit hat das Fleisch des Masthahns unter seiner knusprigen Haut wunderbar zart und saftig werden lassen. Ein Glas Wein darf an einem Mittagstisch in Frankreich natürlich auch nicht fehlen und was Gilles da wieder aus seinem Keller geholt hat 🙂 Selbstgemachtes Zitroneneis und regionaler Käse setzen die Schlusspunkte an ein köstliches und unterhaltsames Mittagessen.
Max muss sich verabschieden und wird von Gilles zum nächsten Bahnhof gefahren. In dieser Zeit machen Doro und ich einen Spaziergang mit Béa. Auf dem Rückweg kommen wir an Leo’s Landparzelle vorbei, wo er sich noch ein wenig der Gartenpflege gewidmet hat. Nachdem auch Gilles wieder zu uns gestoßen ist kehren wir zurück zum Haus und lassen unseren Besuch bei einer Tasse Tee und ein paar Weihnachtsplätzchen ausklingen. Stolz zeigen uns Béa und Gilles noch den Ausbau des zuletzt noch nicht bewohnbaren Teils ihres Hauses. Was zuletzt noch Rumpelkammer und Scheune war erstrahlt jetzt als behaglicher Wohn(t)raum, in dem nun auch die Söhne ihre eigenen Zimmer erhalten haben. Leider müssen wir uns dann auch bald verabschieden von unseren französischen Freunden.
Wir fahren durch die Dunkelheit auf dem direkten Weg zurück nach Vézelay und tangieren dabei immer wieder das Ufer der Loire. Seltsamerweise hat man in vielen Orten die Orts- Ein- und Ausgangsschilder auf den Kopf gestellt, es ist wie wir erfahren eine Protestaktion der französischen Landwirte. Mehrfach erblicken wir Wildschweine direkt neben und Rehe auch auf der Straße. Neben bedachtem Einsatz des Gaspedals bedeutet das volle Konzentration auf den an sich gut zu befahrenden Landstraßen Frankreichs, denn eine Kollision mit einem Wildschwein gilt es aus eigenem Interesse zu vermeiden. Nach der Ankunft in unserem Hotel bin ich dann auch völlig erledigt und schlafe bald ein.
Am Sonntag bricht der letzte Tag des Jahres 2023 an und beim Frühstück legen wir unser Tagesprogramm fest. Es gibt sehr viel zu sehen in der Region und die Wahl fällt auf die nordwestlich gelegene Stadt Auxerre. Auxerre ist die Hauptstadt des Départements Yonne in der französischen Region Bourgogne-Franche-Comté. Die Stadt an der Yonne mit Anbindung an die römische Via Agrippa scheint erst nach der Eroberung Galliens an Bedeutung gewonnen zu haben. Seit dem 3.Jahrhundert war die Stadt Sitz eines Bischofs. Vor der Mitte des 5.Jahrhunderts erfuhr sie durch das Wirken des Truppenführers Germanus von Auxerre (378-448) eine erste wirtschaftliche und religiöse Blütezeit. 451 wurde Auxerre von Attilas Hunnen geplündert.
Wir finden einen Parkplatz am Ufer der Yonne unterhalb der Kirche Saint Germain d’Auxerre. Die Klosterkirche der Abtei hat eine sehr lange Geschichte und geht als Reliquien-Kapelle auf den frühchristlichen Märtyrer Mauritius mit seinen Gefährten aus der Thebaischen Legion zurück. Der heutige Namensgeber Germanus fand hier am 1.Oktober 448 seine Ruhestätte. Bereits im 6.Jahrhundert ließ die merowingische Königin Chrodechild, Gemahlin Chlodwig I. die Kapelle zur Basilika ausbauen. Nach der Wunderheilung eines Augenleidens des burgundischen Welfen-Grafen Konrad, Schwager Ludwig des Frommen (813-840) wurde 840 ein Neubau der Basilika in Auftrag gegeben, der 865 vollendet wurde. In die im Jahr 857 fertiggestellte karolingische Krypta wurden die ausgelagerten Gebeine des hl. Germanus zurückgeführt.
Leider haben wir nur Zeit für einen kurzen Rundgang durch die Kirche, da die Mittagspause auch in den Museen Frankreichs ein hohes Gut darstellt. Eine Ausstellung lebensgroßer geschnitzter Holz-Figuren befindet sich in dem heute gotischen Innenraum der Kirche. Nach Bränden im 11. Und 12. Jahrhundert und Renovierungsarbeiten am Langhaus wurde 1277 der gotische Neubau in Auftrag gegeben, an dem bis 1398 gearbeitet wurde. Eine Fertigstellung der Kirche mit ihrer ursprünglichen Dimension wurde nicht erreicht, so dass der noch stehende der beiden romanischen Türme heute gar nicht so recht zur Kirche zu gehören scheint. Wir werden aufgerufen die Kirche zu verlassen, haben aber am Nachmittag vor, Museum und Krypta noch einmal in Augenschein zu nehmen.
Durch Gassen, die eine ideale Kulisse für einen im Mittelalter spielenden Film hergeben wechseln wir zur Kathedrale Saint Ètienne, das 1215 über mehrere Phasen erbaute Hauptwerk burgundischer Gotik. Auch die Kathedrale von Auxerre ist an ihrem Standort das fünfte Bauwerk, an dessen Stelle bereits im Jahr 386-418 eine erste frühchristliche Kirche durch Bischof Amâtre durch einen größeren Bau ersetzt wurde. Eine Ausstellung im gotischen Innenraum widmet sich der französischen Dichterin und Schriftstellerin Marie Noël (1883-1967), einer berühmten Tochter der Stadt. Die Krypta der Kathedrale mit Fresken aus dem 12. Und 13. Jahrhundert ist leider verschlossen.
Nationalheldin Jeanne d’Arc hat am 27. Februar 1429 an diesem Ort Station gemacht und gebetet. Eine Seitenkapelle und eine Statue sind der Heiligen gewidmet. Wir machen einen Rundgang durch die großartige Altstadt mit dem Uhrturm (Tour de l’Horloge) und flanieren noch ein Stück an der Yonne entlang. Auf der Fußgängerbrücke Passerelle de la Liberté meldet sich die Sonne vom Himmel und lässt die prächtige Kulisse der beiden Kirchen über der Altstadt Auxerres erstrahlen.
Wir kehren zurück zur ehemaligen Abtei Saint-Germain, wo wir uns um 14 Uhr einfinden, um den besonderen Ort unter der Kirche zu besichtigen, an dem sich die ältesten bekannten Wandmalereien Frankreichs befinden. Dies geht nur mit einer Führung, die wir als einzige Teilnehmer in englischer Sprache durch eine hochengagierte Führerin erhalten. Mir gelingt es nicht ihre Zustimmung zu erlangen Bilder in der karolingischen Krypta zu machen, das sei streng verboten. So bleibt uns nichts anderes übrig, als die Fresken aus der Zeit um 850 einfach auf uns wirken zu lassen. Eine Darstellung ist die Gefangennahme und Steinigung des hl. Stephanus in urtümlich-archaischen Formen.
Im Zentrum der Krypta befindet sich der Sarkophag des spätantiken Bischofs Germanus, dessen Gebeine an diesem Ort seit 448, in dieser Krypta seit 857 ruhen. Man geht jedoch davon aus, dass bei den Zerstörungen und Plünderungen durch die Hugenotten in den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts sowohl Reliquien als auch die Gebeine verstreut wurden. In der Kirche befindet sich nach Westen ein Zugang zu den archäologischen Ausgrabungen unter dem ehemaligen romanischen Kirchenschiff. Steinfragmente und zahlreiche Sarkophage wurden hier freigelegt. Ein tiefes Loch im Boden unter uns gibt Rätsel auf. Es ist der Schmelzofen, in dem die Hugenotten aus den Glocken der Kirche eine Kanone gegossen haben.
Die Exponate des benachbarten Museums führen uns auf einen Zeitstrahl, der uns aus gallo-römischer Zeit über die Merowinger durch die Jahrhunderte unseres Europas führt- wie immer eine spannende Reise in der Zeitmaschine. Die Abtei wurde mit der Revolution von den Mönchen aufgegeben und in ein Militärhospital gewandelt. In der Sakristei sind Grabtuch und Tunika des heiligen Germanus ausgestellt.
In südlicher Richtung fahren wir durch das Tal der Yonne. Hohe Felswände wie die Felsen von le Saussois säumen das Flussufer. Zur blauen Stunde erreichen wir den „Ewigen Hügel“ von Vézelay und unsere „Post-Station“. In froher Erwartung des Menu Saint Sylvestre ruhen wir uns eine Weile aus. Mit einem Feuerwerk aus Eric Balan’s Küche verabschieden wir das Jahr 2023 voller Vorfreude auf das, was uns das nächste Jahr bringen wird.
Mit einer leichten Abänderung unserer Hinfahrt durch Belgien nehmen wir am Montagmorgen die Heimreise in Angriff. Nach mehreren Tagen bester französischer Küche machen wir unsere Mittagsrast in einer Fritture auf der höchsten Erhebung Belgiens, dem Baraque de Fraiture (652m). Es gibt belgische „Brochettes mit Friet“, eine bodenständige Abwechslung zu der zuletzt ausgiebig genossenen „Haute Cuisine“ 🙂
Mit den allerbesten Wünschen für das neue Jahr 2024 an alle unsere Freunde, Weggefährten und Leser…
Arnd Korbmacher
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