Jahreswechsel am Holmenkollen- Hoch über Oslo
2006 haben wir den Süden Norwegens kurz nach Mittsommer mit langen warmen Tagen und einer fantastischen Landschaft erlebt. Unsere damals 9 jährige Tochter ist auch bei diesem kurzen Norwegen- Trip mit dabei. Diesmal wollen wir die Hauptstadt Oslo mitten im Winter zum Jahreswechsel besuchen. Dazu haben wir uns in einem Hotel auf dem Holmenkollen für 5 Tage eingemietet.
Die Reise beginnt am Dienstag, dem 2. Weihnachtsfeiertag mit einer Autofahrt nach Kiel. Bei der Planung der Reise ist es uns nicht möglich zeitig eine Bahnverbindung zu buchen, da sich die Bundesbahn viel Zeit lässt bis zur Freischaltung ihres Winterfahrplans. Die Anmietung eines One-Way-Leihwagens ist mit 3 Personen auch nicht teurer als die Fahrt mit der Bahn und daher für uns eine echte Alternative. Nach einer entspannten Fahrt mit Kurs Nord durch den Elbtunnel erreichen wir gegen Mittag den Fährhafen in Kiel. Das Auto geben wir bei der Autovermietung ab und checken im großen Terminal der Reederei Colour Lines für die 20 stündige Überfahrt nach Oslo ein.
Das Schiff, mit dem wir gegen 14 Uhr Kiel über die Kieler Förde verlassen ist die Colour Fantasy, die 2004 als eines der größten Fährschiffe der Welt vom Stapel gelaufen ist. Der Koloss transportiert bis zu 2750 Passagiere, 750 PKW und bietet 1700 Lademeter für LKW und Omnibusse. Dabei bietet das Schiff mit zahlreichen Restaurants, einer Einkaufspassage und vielen Annehmlichkeiten ein gutes Stück Kreuzfahrtatmosphäre.
Wir genießen die Fahrt entlang des Marinedenkmals in Laboe und erkunden das Schiff mit seinen 15 Decks. Vor dem Abendessen gibt die Sonne noch eine fulminante Abschiedsvorstellung zwischen dem Horizont und den Wolken über der Ostsee.
Das Restaurant im Achterschiff ist architektonisch ein echter Hingucker. Die seitlichen Balkone, der Treppenabgang und die Kronleuchter in dem 3 Decks hohen Raum wecken Assoziationen mit dem mondänen Interieur früherer Kreuzfahrtschiffe. Eine gigantische Panoramascheibe begrenzt den Raum nach achtern und gibt den Blick auf das Meer frei. Wir verbringen hier einen entspannten Abend mit einem köstlichen Menü. Nach einem letzten Glas an der Bar lassen wir uns in unserer Kabine vom sanften „Rollen“ des Schiffs in den Schlaf begleiten. Die Brücke über den Großen Belt haben wir bereits durchfahren und während wir schlafen gleitet der Riese an der Ostküste Jütlands durch den Kattegat.
Gegen Morgen durchfahren wir den Skagerak. Ich werde von merklich stärkerem Schaukeln geweckt. Beim Blick durch das Bullauge in die Nacht zeigt die aufschäumende Gischt stärkeren Wellengang an, der hier, wo Nord- und Ostsee aufeinandertreffen, häufig für schwierige Bedingungen für die Seefahrt sorgt.
Beim Einlaufen in den Oslo- Fjord geht die Sonne auf. Ein prächtiges Bild bietet uns die Panoramascheibe beim Frühstück. Der Skipper drosselt die vier insgesamt 42000 PS starken Schiffsdieselmotoren bei der Durchfahrt durch den Fjord. Dabei entstehen eindrucksvolle Vibrationen im Schiff. Im ersten Morgenlicht durchfahren wir den engen Fjord entlang der Schärenküste des Oslofjords und legen am Mittwochmorgen gegen 10 Uhr bei sonnigem Wetter im Hafen von Oslo an. Es bietet sich ein schöner Blick auf die Stadt und auf den Holmenkollen mit der berühmten Skisprungschanze. An Deck hat sich eine tückische dünne Eisschicht gebildet.
Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt und mit dem Gepäck lassen wir uns per Taxi hinauf zum Hotel am Holmenkollen fahren. Das prachtvolle Holzgebäude am Holmenkollen hat bereits vor 11 Jahren den Wunsch aufkommen lassen hier mal Quartier zu beziehen. 350 Meter über der Stadt ist der historische Teil des Hotels bereits 1894 als Sanatorium im Drachenstil erbaut worden. Hier wurden ursprünglich Tuberkulosekranke behandelt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts beherbergt das Haus bereits Hotelgäste und wurde durch den Anbau weiterer moderner Flügel vergrößert. Im alten Sanatoriums- Teil befindet sich eines der besten Restaurants der Stadt.
Nach dem Bezug unseres Zimmers wollen wir den ersten Nachmittag bereits nutzen, um mit der Trambahn Nr.1 hinunter nach Oslo zu fahren. Die Haltestelle Holmenkollen ist fußläufig 5 Minuten vom Hotel entfernt. Der Tag ist recht sonnig und der Blick reicht vom Holmenkollen über die Stadt hinweg bis weit hinaus in die Schärenlandschaft und den Oslofjord.
Nach ein paar Haltestellen steigen wir am Nationaltheater aus und besuchen den Weihnachtsmarkt. Neben den üblichen Handwerks-, Nasch- und Futterständen gibt es ein Riesenrad und eine Eisbahn. Wir schlendern entlang der Karl Johans- Gate, der langen Straße zwischen königlichem Schloss und dem Hauptbahnhof. Die Sonne verschwindet langsam am Nachmittag und bereits gegen 15 Uhr steht sie schon nah am Horizont.
Wir kommen an der Domkirche vorbei und schauen natürlich auch rein. Der Bau des heutigen evangelisch- lutherischen Domes fällt auf das Ende des 17. Jahrhunderts. Seit dem 12. Jahrhundert gab es bereits 2 Vorgängerbauten. Der erste Dom fiel 1624 dem großen Brand von Oslo zum Opfer. Nach dem großen Brand wurde die Stadt, wie auch der Dom verlagert. Der zweite Vorgänger- Dom an der heutigen Stelle wurde ebenfalls ein Opfer der Flammen.
Wir besuchen das Opernhaus, das sich bei unserem ersten Besuch in Oslo noch im Bau befand und erst 2008 fertiggestellt wurde. Das zu 90 Prozent aus Carrara- Marmor und zu 10 Prozent aus Granit erbaute Opernhaus schlug mit umgerechnet 550 Mio. Euro zu Buche. Das Gebäude steht direkt am Hafen und ist bis zur Dachterrasse begehbar. Im Inneren wurde viel Holz verarbeitet- nach außen zum Hafen öffnet sich der Blick durch eine großzügige Glasfassade.
Zur blauen Stunde erreichen wir unser winterliches Quartier am Holmenkollen und genießen den Abend im gemütlichen Gastraum des Restaurants im alten Teil unseres Hotels.
In der Nacht hat es geschneit und nach dem Frühstück am Donnerstag fahren wir wieder mit der Trambahn hinunter nach Oslo. Die Hauptstadt Norwegens hieß von 1624 bis 1924 Christiania (nach König Christian IV). Für den ursprünglichen Namen Oslo hat man sich erst wieder 1924, zwanzig Jahre nach der Eigenständigkeit Norwegens entschieden. Der alte Name Oslo stammt von der norwegischen Bezeichnung für Flussmündung = Os.
Die Stadt gilt als schnell wachsende Metropole, sowohl was die Einwohnerzahl als auch die Bebauung angeht. Fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung Norwegens lebt in Oslo. Oslo ist heute die neue Heimat vieler Migranten, auch aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum. Während unseres Aufenthalts haben wir Gespräche mit 2 Taxifahrern aus Afghanistan und aus Somalia. Beide leben schon einige Jahre in Oslo und bestätigen uns ein hohes Maß an Zufriedenheit in ihrer neuen Heimat im hohen Norden.
Unser erstes Ziel für den heutigen Tag ist die Nationalgalerie. Die Nationalgalerie beherbergt die größte Kunstsammlung Norwegens mit Bildern ausländischer und norwegischer Künstler wie Edvard Munch. Eines der berühmtesten Bilder der Ausstellung ist das Gemälde „Der Schrei“ von Munch, das 1994 Opfer eines Kunstraubs war. Den kleinen Hunger zwischendurch stillen wir auf dem Weihnachtsmarkt, der quasi auf dem Weg zum Osloer Rathaus liegt.
Die Erbauung des Osloer Rathauses wurde nach der Auflösung der Union mit Schweden beschlossen. Zeitverzögert durch den 1. Weltkrieg, wurde es erst 1939 fertiggestellt. Jährlich, am 10.Dezember, dem Todestag Alfred Nobel’s (1896) findet seit 1901 die Verleihung des Friedensnobelpreises in der Großen Halle des Rathauses statt. Uns präsentiert sich die 20 Meter hohe Halle (Grundfläche 1500 Quadratmeter) mit einem gut 15 Meter hohen Weihnachtsbaum. Die künstlerische Ausgestaltung der Halle, wie auch der übrigen Räumlichkeiten handelt von der Geschichte, der Kunst und Kultur Norwegens.
Einen Überblick über die Geschichte der Friedensnobelpreisträger erhalten wir im „Nobel Peace Center“, dem wir noch einen Besuch abstatten. Die derzeitige Ausstellung „Meet the Bomb“ macht Gänsehaut, vor allem weil sich gerade jetzt wieder „Raketenmänner“ darüber streiten, wer den größeren Knopf in der Welt besitzt. Es ist zumindest eine Geste, das im Jahr 2017 der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) der Friedensnobelpreis verliehen wurde.
Entlang des noch weihnachtlich geschmückten Piers an der Aker Brygge suchen wir uns noch ein Restaurant aus.
Am Freitag hat sich der Holmenkollen mit einer dicken Nebelsuppe, mit einer Sichtweite von maximal 50 Meter eingehüllt. Wir besuchen das Skimuseum und fahren mit dem Schrägaufzug auf die im Jahr 2010 neu erbaute Sprungschanze. Der Blick hinunter ist einfach nur gruselig und reicht noch nicht einmal bis zum Schanzentisch.
Normalerweise hat man von hier einen der besten Ausblicke über Oslo. Hier runter fahren ??- ich muss an den legendären Eddy the Eagle denken. Der Schanzenrekord liegt mit 141 Meter fast 10 Meter über dem Rekord auf der alten Schanze.
Nach einem Schneespaziergang um das Olympiastadion herum bis zur verschlossenen Kapelle am Holmenkollen ist es gegen 16 Uhr schon wieder vorbei mit dem Tageslicht. Wir fahren wieder mit der Trambahn hinunter in die Stadt. An der Haltestelle Jernbanetorget am Hauptbahnhof laufen wir los und gelangen in den Stadtteil Groenland mit seinen multikulturellen Supermärkten und Geschäften. Der Einwandereranteil beträgt hier bis zu 40 %, dabei hat Oslo im Vergleich zu vielen anderen Europäischen Städten eine verhältnismäßig geringe Armutsrate.
Wir passieren eine Moschee und erreichen bald die futuristische Akrobaten- Fußgängerbrücke, die uns über die vielen Gleise der Sentralstasjon hinüber zum Barcode- Viertel bringt. So nennt man eines der jüngsten neu bebauten Hochhausviertel am Hafen in der Nähe des Opernhauses. An dem Bronzetiger auf dem Bahnhofsvorplatz vorbei landen wir wieder auf der Karl Johans Gate. Wir essen bei „Egon“und nehmen den Nachtisch auf dem Weihnachtsmarkt gegenüber.
Am Samstag ist es nicht mehr so nebelig und man kann wieder hinunter zum Fjord blicken, die Sonne zeigt sich aber hinter einer dichten Wolkendecke nicht. Auf den Bäumen liegt Schnee und durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist alles mit Eiskristallen überzogen. Wir wenden uns heute der Museumsinsel Bygdoy zu, die wir auch von unserem damaligen Aufenthalt kennen. Wir entscheiden uns für das norwegische Seefahrtsmuseum und für das Fram- Museum.
Die Fram war als norwegisches Polarforschungsschiff von 1893-1912 im Einsatz. Es diente den großen norwegischen Polarforschern Fridjof Nansen, Otto Svendrup und Roald Amundsen bei den Entdeckungsreisen zum Nord und zum Südpol als Expeditionsschiff. Nansen kam dem Nordpol am 8. April 1895 unter Strapazen zwar nahe, es blieb jedoch „nur“ bei einem Nordrekord. Amundsen erreichte am 14. Dezember 1911 den geographischen Südpol. Das Schiff wurde speziell konstruiert dem enormen Druck des Packeises stand zu halten. Die Ausstellung vermittelt dem Besucher einen einzigartigen und lebendigen Einblick in die damaligen Entdeckerfahrten in die Polarregionen unserer Erde.
Wer den geographischen Nordpol wirklich als erster betreten hat bleibt lange unklar, denn die Erfolgsmeldungen von Edwin Peary (1909) und Frederick Cook (1908) konnten wissenschaftlich nie bewiesen werden. Beiden Geschichten fehlte es darüber hinaus an Glaubwürdigkeit. Nachweislich erreichte der erste Mensch (Ralph Plaisted) erst 1968 den Nordpol mit Schneemobilen. 1969 triumphierte der Brite Sir Walter William Herbert dann noch mit der sportlicheren Version mit Hundeschlitten.
Fridjof Nansen war Delegierter und Hochkommissar für Flüchtlingsfragen des nach dem 1. Weltkrieg gegründeten Völkerbundes. Nach den herausragenden Entdeckungen seiner Polarreisen konnte er sich 1922 dafür auch in die Liste der Friedensnobelpreisträger einreihen.
Bis wir die Osloer Innenstadt wieder erreichen ist es schon wieder dunkel und wir bewegen uns zur Festung Akershus. Die Gehwege sind teilweise sehr vereist und nur mit etwas Rollsplitt entschärft, so das man jeden Schritt beim Gehen gut kontrollieren muss um nicht auf der Nase zu liegen. Ein solcher Stunt bleibt glücklicherweise ohne Folgen.
Die Burg wurde Ende des 13. Jahrhunderts angelegt, vermutlich hat aber auch vorher schon eine Wehranlage bestanden. Von der Festungsmauer hat man eine gute Sicht auf den Hafen. Die prunkvollen Räume werden von der norwegischen Regierung genutzt. Im königlichen Mausoleum befindet sich die Grablege einiger norwegischer Könige. Über eine Zugbrücke verlassen wir den Burgbereich in einen vorgelagerten Park. Wir orientieren uns zurück zum Hafen und suchen uns noch einmal ein Restaurant an der Aker Brygge aus. Vom verschneiten Holmenkollen blicken wir vor dem Schlafengehen noch einmal auf das funkelnde Lichtermeer rund um den Oslofjord.
Es ist Sonntag, der 31.12., der letzte Tag des Jahres 2017. Es wird wieder ein kurzer Tag ohne Sonne in Oslo, aber zumindest mit Fjordblick. Unser heutiges Ziel ist der Vigeland- Park (eigentlich Frognerpark), den wir damals bei warmem, sonnigem Wetter besucht haben. Die vielen Bronze-, und Steinskulpturen des norwegischen Künstlers Gustav Vigeland (1869-1943) ergeben eine Kunstinstallation, die den Kreislauf des menschlichen Lebens zum Thema hat. Der „Sinnataggen“, der kleine Trotzkopf ist der heimliche Publikumsliebling. Er wird auch als Mona Lisa von Oslo bezeichnet, denn jeder will ein „Selfie“ mit ihm- auch er war schon einmal Entführungsopfer.
Der Weg durch den Park ist auf dem unebenen Blankeis ein heikles Unterfangen. Mit gebotener Vorsicht arbeiten wir uns bis zum „Monolitten“ vor, einer 17m hohen Säule aus Iddefjord- Granit. Aus der Säule sind 121 Figuren herausgearbeitet und sie ist von weiteren 36 Figurengruppen umgeben. An der höchsten Stelle des Parks steht die Bronzeskulptur „Der Zirkel des Lebens“.
Neben einer Treppe ist eine steile Eisbahn entstanden, auf der einige Hasardeure auf dem Hosenboden talwärts rutschen. Die Begeisterung einer asiatischen Reisegruppe erscheint grenzenlos. Es ist einer der schönsten Orte in Oslo, im Sommer wie auch jetzt im Winter. Vigeland hat 1902 übrigens die Friedensnobelpreis- Medaille entworfen.
Mit dem Bus und der Trambahn geht es ein letztes Mal hinauf auf den Holmenkollen. Diesmal fahren wir allerdings noch ein Stück weiter zur Haltestelle Frognerseteren. Hier beginnen einige der vielen Loipen am Holmenkollen und auch die Rodelbahn. Von hier sind es etwas mehr als 2 Kilometer zu unserem Hotel und wir laufen entlang der Loipen durch tief verschneiten Wald in die blaue Stunde hinein.
Wir erreichen im Restlicht die Holmenkollen- Kapelle und die Wintersportanlage an der großen Sprungschanze, an der für einen Weltcup- Slalom am Neujahrstag die Vorbereitungen laufen.
Den letzten Abend des Jahres verbringen wir zusammen im Restaurant „De Fem Stuer“ in unserem Hotel. Während wir in dem gemütlichen Gastraum dieses über 100 Jahre alten Teils des Hotels beim knisternden Kaminfeuer sitzen, schneit es draußen höchst ergiebig. Das Sylvester- Menü ist ein kulinarisches Feuerwerk, das keine Wünsche offen lässt. Es folgt das mitternächtliche Feuerwerk über Oslo, bei dem wir zufrieden auf ein erlebnisreiches Jahr 2017 zurückblicken.
Der erste Tag des neuen Jahres bringt wieder Nebelsuppe, bei der es gar nicht richtig hell werden will. Nach einem reichhaltigen norwegischen Frühstück fahren wir zeitig mit der Bahn zum Flughafen Gardermoen. Am Nachmittag sticht unsere Maschine aus dieser dichten Wolkendecke heraus. Mit Sternenfunkeln und einem letzten Rotschimmer Richtung Westen fliegen wir in 2 Stunden zurück nach Düsseldorf. Es war ein besonderer Jahreswechsel am Holmenkollen- hoch über Oslo.
Arnd Korbmacher
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