Ben Tornati 2023- Willkommen zurück in Vermiglio
Wir haben uns in diesem Jahr erst einen späten Termin für eine Woche im Schnee ausgesucht. Es ist die Woche Mitte April nach den Osterferien in NRW. Die Anfahrt der etwa 1000 Kilometer langen Strecke ins Val di Sole haben wir auch diesmal wieder geteilt. Es ist wie im letzten Jahr das historische Hotel in Wolframs Eschenbach in Mittelfranken, das wir für eine Übernachtung festgemacht haben. In meinem Bericht von 2022 habe ich die Geschichte der alten Vogtei im Geburtsort des namensgebenden großen Dichters des Mittelalters abgehandelt.
Wir erreichen unser Zwischenziel zeitig, obwohl wir erst gegen 14:30h losgekommen sind. Nach dem Bezug des Zimmers können wir auch die Vorgabe bis 20:30h unser Essen zu bestellen gut einhalten. Die Herren am Nebentisch waren doch auch im Vorjahr da, als wir hier zu Gast waren. Um ganz sicher zu gehen frage ich nach- vom offensichtlichen Stammtisch kommt schlagfertig die Antwort: „Ja sicher- wir sind immer noch da“- das wäre also auch geklärt.
Am Morgen fahren wir an München vorbei, über den Brenner und den Mendelpass durch die Frühlingslandschaft des Nonstals. Die Apfelbäume beginnen auszublühen und laden zu einem Fotostopp oberhalb des Lago di Santa Giustina ein. Der See ist nur gering gefüllt und ein Rekord- Wassertiefstand wird auch vom Gardasee gemeldet. Norditalien hat zunehmend Probleme mit seiner Wasserversorgung. Die Webcam am Tonale-Pass hat bereits in der letzten Woche grüne Hänge gezeigt. Die gesamte Saison war ungewöhnlich schneearm. Das Angebot zu stornieren lehnen wir natürlich ab, wir werden sehen was geht. Skifahren ist toll, es gibt allerdings auch Alternativen die herrliche Landschaft des Trentino zu erleben und wir wollen ja auch unsere Freunde in Vermiglio wiedersehen.
Wieder ist es eine Art „nach Hause kommen“ und nach einer herzlichen Begrüßung mit Sylvana und Walter tauschen wir für das Erste die wichtigsten Ereignisse des letzten Jahres aus. Bei Sylvana war es vor allem der Verlust ihres Vaters Anfang des Jahres. Mit großem Appetit fallen Doro und ich am Abend in der Pizzeria „Dei Dossi“ in Vermiglio ein. Bei Valentina und Fabio ist nicht nur die Pizza Weltklasse, auch das Semifredo fatto alla Casa zum Nachtisch ist einfach nur meraviglioso.
Beim ersten Frühstück, das Sylvana uns an jedem Morgen mit viel Liebe bereitet besprechen wir die Planung für unsere Woche im Trentino. Das Skigebiet Marilleva ist bereits wegen Schneemangels geschlossen und an der Brenta laufen die Lifte und Seilbahnen am Sonntag zum letzten Mal in dieser Saison. Danach wird nur noch die Seilbahn zum Passo Presena auf 3000m mit den Abfahrten auf dem Gletscher geöffnet sein. Die Entscheidung heute fällt daher erst einmal für einen Skitag an der Brenta.
Wir fahren über Dimaro mit dem Auto hinauf zum Passo Carlo Magno auf 1680 m. Die Südhänge vom Skigebiet Marilleva, über die bei ausreichendem Schnee die Anfahrt mit Ski aus dem Val di Sole möglich ist haben ihr Winterkleid bereits abgelegt. Der Blick zur Gegenseite bietet da ein deutlich günstigeres Bild. Die Schneeauflage lässt sogar die Talabfahrt zum Parkplatz an der Grostè-Seilbahn möglich erscheinen. Wir kaufen ein Tages-Ticket und schweben hinauf zum Grostè-Pass auf 2444 Meter.
Der Schnee ist super, die Sonne scheint und rundherum werden Blicke frei auf den Alpenhauptkamm nach Norden, nach Westen auf Adamello und Presanella, und östlich auf die schroffen Wände des Brenta- Massivs. Es sind nicht mehr sehr viele Skiläufer auf den Pisten unterwegs. Auf einer abgezäunten Slalom- Rennstrecke werden die Zeiten junger Ski-Rennläufer genommen. Wir gehen den Tag ganz entspannt an und genießen ein paar Abfahrten auf der noch perfekt präparierten Piste. Am Mittag teilen wir uns eine Knödelsuppe auf der Terrasse der Stoppani-Hütte unterhalb des Grostè-Passes.
Eine Talabfahrt am Nachmittag zeigt dann doch ein ordentliches „Aufsulzen“ des Untergrundes unter 2000 Höhenmetern. Der Frühling wird hier auch bald die grünen Hänge freilegen. Deswegen ist in diesem Gebiet ab morgen auch Feierabend mit dem Skibetrieb. Nicht all zu spät legen wir die Ski nach einer letzten Talfahrt ab und fahren zurück nach Vermiglio.
Sylvana und Walter feiern heute die Konfirmation von Sylvanas Nichte Luce. Sie haben für Doro und mich im „Maso Burba“ in Piano di Comezzadura einen Tisch am Abend reserviert. Die Location unterhalb von Mezzana im Val di Sole haben wir im letzten Jahr erstmals besucht und waren begeistert. Auch diesmal sind die feinen Sachen auf unseren Tellern eine echte Offenbarung.
Wir kehren am Montag zurück zum Parkplatz an der Grostè- Seilbahn, wo heute alles wie ausgestorben wirkt. Diesmal haben wir unsere Tourenski dabei und wollen auf der leeren Piste aufsteigen. Sylvana und Walter können uns in diesem Jahr leider nicht begleiten, da Walter sich nicht freimachen kann. Auch Sylvana ist in eigener Sache mit ihrer Mutter unterwegs. Durch den Tod ihres Vaters müssen immer noch einige Dinge geregelt werden.
Wir sind keine gestandenen Tourengeher, legen aber einfach fürs Training den Lawinenpieps an. Die Felle sind rasch aufgezogen und langsam aber stetig beginnen wir mit dem Aufstieg entlang der Piste. Bedienstete der Seilbahn fahren gelegentlich mit Schneemobilen oder Schneekatzen an uns vorbei und stören die unglaubliche Ruhe, die jetzt mitten im Skigebiet einkehrt. Oberhalb eines Wasserreservoirs lassen wir uns auf den Felsen neben der Piste nieder und lassen diese Ruhe und Einsamkeit auf uns wirken.
Ich war häufig unterwegs im Trentino, nicht nur in der Sommersaison, sondern auch im Herbst, wenn die touristische Infrastruktur in den Bergen heruntergefahren ist. Dann sind die Berghütten geschlossen und bieten mit ihren zugänglichen Winterräumen einfache Übernachtungsquartiere. Seit 1999 gibt es im Naturpark Adamello-Brenta ein Projekt mit finanzieller Unterstützung der EU. Mit „Life Ursus“ wurden zehn Jungbären aus Slowenien ausgewildert. Wohl wissend, dass es diese Tiere hier gibt habe ich mich oft gefragt, wie eine unerwartete Begegnung wohl aussehen könnte.
Eine solche Begegnung hat dem 26-jährigen Andrea Papi bei Caldes Anfang des Monats (5.April) das Leben gekostet. Er wurde beim Joggen in eine für ihn verhängnisvolle Begegnung mit einer Braunbärin verwickelt. Über den Hergang wird viel spekuliert, am Ende wurde der Junge offensichtlich nach einem Kampf tödlich von der 150 Kilogramm schweren Bärin Gaia mit der Bezeichnung JJ4 verletzt. JJ4 ist die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen Problembären Bruno. Zu Recht reagiert die Bevölkerung nun ängstlich, denn es ist der erste Fall einer tödlichen Begegnung mit einem Bären im Trentino.
Ich habe bei meinen Touren im Naturpark nie einen freilebenden Bären zu Gesicht bekommen. Die Tiere meiden den Menschen, wenn sie Gelegenheit dazu haben. Geplant war eine Population von etwa 50 Bären. Mittlerweile sind es mehr als 100 mit weiterem Nachwuchs. Die Frage ist wie viele Tiere es tatsächlich sind, denn nicht alle Bären lassen sich mehr klar lokalisieren. Meldungen zum Thema mehren sich in der jüngeren Vergangenheit wie zum Beispiel ein Video von einem Bären, der auf einen Balkon klettert. Mittlerweile ist bekannt, das Gaia Mutter dreier Bären-Jungen ist. Mutterinstinkt ist ein starkes Motiv für ein so aggressives Verhalten. Die plötzliche Begegnung mit einer Bärenmutter stellt sicherlich eine besonders brisante Situation dar.
Wir setzen unseren Aufstieg weiter fort, es ist eine kleine Tour mit nur 447 Höhenmetern hinauf auf den Monte Spinale auf 2100m. Mittlerweile hat sich der Himmel bei zunehmender Bewölkung verdunkelt und ohne Sonne kühlt es hier oben ordentlich ab. Ein letztes Foto vom Brenta-Panorama, Felle runter und zügig geht es über die aufgestiegene Piste hinab zum Auto an der Passhöhe. Zeitig sind wir zurück in Vermiglio, wo wir unsere Sauna vorbereiten, als sich Mirco bei uns meldet.
Ich kenne Mirco nun bereits seit meiner Presanella-Tour 2012 mit Frank, einen ersten kurzen Kontakt hatte ich bereits 2008 nach einem Aufenthalt mit Mathias im Winterraum der Denza- Hütte. Mirco ist der Hüttenwirt und erkundigte sich damals bei uns ob alles in Ordnung sei auf seiner Hütte. Wir haben heute Abend einen Tisch in der Osteria „Alpino“ in Vermiglio festgemacht. Vorher würde uns Mirco jedoch gerne noch zu sich zum Aperitivo einladen. Wir kommen der Einladung gerne nach und begnügen uns mit einem Saunagang.
Mirco empfängt uns in seinem Keller, in dem er uns von hausgeschlachteter Salami und herrlichem Almkäse anbietet. Dazu kredenzt er uns einen „Gropello“, der die ganze Sache perfekt abrundet. Es schmeckt wunderbar und ja- wir essen und trinken zu viel. Gerne hätte ich mit Mirco in dieser Woche noch zusammen eine Skitour unternommen, was die Bedingungen aber einfach nicht mehr hergeben. Zum Thema Bären hat Mirco eine klare Meinung und die kann ich durchaus nachvollziehen. Mit der zu hohen Population an Braunbären erhöht sich auch das Stresspotential der Bären mit der Folge, dass Probleme zwischen Mensch und Tier zunehmen.
Auch der Wolf ist zurück und kann im Rudel ebenfalls einen ernst zu nehmenden Gegner für einen einzelnen Wanderer darstellen. Befremdlich hören sich da die Stimmen aus Rom an: „Dann geht doch einfach nicht mehr in den Wald“- ist ein Lösungsvorschlag aus der Hauptstadt. Am Ende unserer Woche erfahren wir das Gaia gefangen wurde- über das Schicksal des Bären wird am 11. Mai in Trient entschieden. Letztlich ist die Reduktion der Population wohl die einzige Möglichkeit den verbleibenden Tieren ausreichende Rückzugsterritorien zu bieten.
Als wir uns dann gut vorgesättigt zum „Alpino“ aufmachen macht sich auch Mirco auf den Weg zu seiner Schwiegermutter. Ihn erwartet dort hausgemachte Minestrone. Im „Alpino“ essen wir nur ein Gericht und trinken dazu Wasser. Unsere Erklärung bezüglich unserer Zurückhaltung bei der Bestellung trifft auf Akzeptanz- Mircos Probierkeller ist auch dem Inhaber bekannt 🙂
Am Dienstag geht es mit den Abfahrtsski hinauf zum Tonalepass, wo wir mit der Kleinkabinenbahn entlang der Weltkriegsstellungen am Passo Paradiso in einer zweiten Sektion über den Ghiaccio Presena auf den Passo Presena auf 3000 Meter hinauf schweben. Bei sonnigem Wetter und nur einer Handvoll Gleichgesinnter auf der Piste ist es ein besonderes Erlebnis mit den Ski talwärts zu gleiten. Wir genießen den Tag und auch unsere Mittagspause an der Hütte der Gletscher-Talstation. Oben am Passo Presena hat man die Restauration bereits geschlossen.
Wir fahren die mehr als 1000 Höhenmeter am Nachmittag hinab über die steile Piste unterhalb des Passo Paradiso und surfen die letzten Höhenmeter im Sulzschnee zurück zu unserem Auto. Unsere Gastgeber haben uns eine Ski- Werkstatt am Passo Tonale empfohlen, denn die Beläge haben dringend einen Service nötig. Die Wartezeit von einer Stunde verbringen wir in der Sonne vor dem Ossarium an der Passhöhe.
Allein 858 italienische Soldaten des 1.Weltkriegs liegen hier in der Krypta begraben, von denen 59 nicht identifiziert werden konnten. Die Gletscherschmelze gibt bis heute immer wieder Körper der Soldaten beider Seiten frei, die ihr Leben im „Weißen Krieg“ 1914-18 gelassen haben.
Wir freuen uns am Abend auf unsere Verabredung mit Sylvana, Walter und Mirco. Leider ist Erika diesmal nicht dabei, denn sie ist mit ihrer Mutter in die USA nach Denver gereist. Dorothee hat wieder ein typisches Gericht aus unseren Landen gekocht und unsere Freunde dazu eingeladen. Diesmal ist es ein Pfefferpotthast, ein westfälischer Schmoreintopf mit einer leicht säuerlichen Note.
Dazu gibt es Kartoffeln, Bohnensalat und rote Beete. Idealer Begleiter ist ein 2010er Inferno Riserva, den wir 2014 aus dem Valtellina mitgebracht haben. Es ist ein unterhaltsamer Abend und es wird viel erzählt. Auch das Bärenthema hat für Mirco Relevanz, er wird am Mittwoch mit seinen Ski allein zur Denza-Hütte gehen um mit ersten Vorbereitungen für den Sommer zu beginnen. Wir empfehlen ihm nicht ganz ernst gemeint zur Abwehr doch einfach ein übrig gebliebenes Glas sauer eingelegte rote Beete mitzunehmen 🙂
Laut Wetterbericht soll es nach der Wochenmitte zunehmend wolkiger und regnerischer werden. Am Mittwoch sieht es noch ganz günstig aus und wir entscheiden uns zu einer kleinen Wanderung im Pejo-Tal nebenan, die uns Sylvana empfohlen hat. Es ist der idyllische kleine Covel See, den wir vom Friedhof über der Kirche in einer 6 Kilometer-Runde mit einem kleinen Aufstieg von 230 Höhenmetern umrunden. Zwischendurch fällt immer wieder die Sonne durch die Wolkenlücken. Auf den Wiesen sprießen unzählige Krokusse als definitive Frühlingsboten. Auf einer Bank am See machen wir eine lange Pause und leeren unsere mitgebrachte Brotdose. Entlang eines hübschen Wasserfalls schließt sich die Runde nach der Querung einer Skipiste des Skigebiets von Pejo.
Auf dem Weg zurück wollen wir am Nachmittag noch ein Café aufsuchen. Diesmal stoppen wir am Casa di Marzapane in Pelizzano. Der sizilianische Inhaber bietet erstklassiges hausgemachtes Eis und verführerische Süßwaren an. Da bleibt es nicht nur beim Espresso. Wir schwitzen noch ein wenig in der Sauna bis zum Abendessen. Mit ein paar Zugaben von Sylvana essen wir die Reste vom Vorabend.
Am Donnerstag statten wir nach einer Fahrt durch das Nonstal der Landeshauptstadt einen Besuch ab. Wir parken in einem Parkhaus zentral in der Nähe des Doms. Ich war bei meinen damaligen Touren mit Mathias einige Male in Trient, wo wir bei unseren An- und Abreisen mit dem Zug im Hotel genächtigt haben. Auch mit Dorothee habe ich Trient 2018 besucht. Einige Sehenswürdigkeiten der Stadt haben wir dabei nach und nach „abgearbeitet“. Einen Espresso in den Arkaden an der Dom- Piazza mit Blick auf den barocken Neptun-Brunnen haben wir uns dabei immer gerne gegönnt.
Trient ist eine sehr alte Stadt an der Etsch, die von den Kelten an einer Furt (Trent) gegründet und von den Römern als Tridentum erobert wurde. Das römische Reich fiel im Jahr 476 und nach verschiedenen Herrschaften wurde Trient 1014 Teil des Heiligen Römischen Reichs unter Heinrich II. Seit 1004 wurde den Bischöfen des Hochstifts Trient die weltliche Macht übertragen. Ein geschichtlicher Meilenstein der Stadt war das von 1545 bis 1563 hier ausgetragene Konzil von Trient als Ausgangspunkt der Gegenreformation der römisch-katholischen Kirche. Der Sitz der Trienter Fürstbischöfe war das Castello Buonconsiglio mit seinem berühmten Freskenzyklus im Adlerturm von 1397, das uns bis heute Zeugnis über das höfische Leben des 14.Jahrhunderts gibt.
1207-1218 wurde der heutige Dom San Vigilio erbaut. Was wir uns heute ansehen wollen sind die Grundmauern der frühchristlichen Basilika unter dem Dom, mit deren Bau im 4.Jahrhundert außerhalb der damaligen städtischen Umfriedung begonnen wurde. Die Räume wurden 1964- 1977 bei archäologischen Grabungen unter der Kathedrale freigelegt. Die ursprüngliche Basilika San Vigilio ist die Grablege von drei Missionaren aus Kappadokien, die am 29.Mai 397 im Nonstal ermordet wurden. Die Geschichte haben wir von unserem früheren Aufenthalt im Nonstal noch im Hinterkopf.
Der frühe Bischof Vigilius von Trient ist der heutige Stadtpatron und Namensgeber des Doms. Um 355 geboren, wurde er vermutlich im Juni 405 im wilden Trentiner Rendenatal mit Knüppeln und Holzschuhen von empörten Einwohnern erschlagen, als er eine Saturn- Statue zerstören wollte. Ihn ereilte als Missionar somit das gleiche Schicksal wie den Dreien aus dem Morgenland, deren frohe Botschaft auf wenig Sympathie der noch heidnischen Bevölkerung traf. Der Boden der Basilika ist vollständig mit Grabplatten bedeckt und auch der Stadtpatron Vigilius fand hier als Märtyrer und Heiliger seine letzte Ruhestätte, die die Bedeutung dieser antiken Kultstätte zum Wallfahrtsort noch einmal aufwertete.
Ich war mehrfach in der Domkirche, am Eingang zu diesem archäologischen Schatz bin ich offensichtlich jedes Mal vorbeigelaufen. Steinerne Fragmente und Inschriften aus der Frühgeschichte unserer christlichen Kultur bis zurück in das 5. Jahrhundert lagen lange unter dem heutigen Dom verborgen. Eine sehr anschauliche Videoinstallation rekonstruiert die Metamorphose der ersten Basilika über die Jahrhunderte hinweg bis zum heutigen Trienter Dom.
Die Räume des Diözesanmuseums im Palazzo Pretorio, dem angebauten Bischofspalast beherbergen die Schätze und Kunstwerke aus der Geschichte des Doms. Alte Handschriften, Gemälde und Skulpturen mit geschichtlichen und biblischen Darstellungen geben Zeugnis über die lange Geschichte dieser Stadt, wie auch über das Leben des Stadtpatrons und das Großereignis des Trienter Kirchen-Konzils. Mit der Mittagspause verlassen wir das Museum und gönnen uns jetzt auch unsere Pause in einem Café. Leider sieht das Wetter nun zunehmend nach Regen aus.
Noch gerade trocken erreichen wir das etwas südlich des Domplatzes gelegene Museo delle Scienze „MUSE“, das erst 2013 eröffnet hat. Das futuristische Gebäude hat Star-Architekt Renzo Piano entworfen. Es ist nicht nur ein wissenschaftliches Museum, sondern auch ein sehr umfangreiches Naturkundemuseum, in dem der ganze Artenreichtum des Trentino in dem großen offenen Lichthof über 7 Etagen betrachtet werden kann. Wir beginnen den Rundgang ganz oben bei den Tieren des Hochgebirges und treffen im Abstieg ins Tal dann auch auf Ursus und Lupo.
Ganz unten befinden sich Saurier-Skelette, darüber das riesige Skelett eines Blauwals. Eine ganz andere Welt betritt man im benachbarten Tropenhaus. Die Ausstellung ist absolut sehenswert und scheint ein Magnet für Schulausflüge aus dem gesamten Land zu sein. Am heutigen Abend kocht Sylvana für uns Pasta Aleo, Oleo e Peperoncino. Ein paar gekochte Artischocken mit einer Vinaigrette ergeben eine höchst willkommene Zugabe.
Am Freitag haben wir uns eine kleine Wanderung vorgenommen, die wir im Sommer 2005 zusammen mit Anne bereits unternommen haben. Ausgangspunkt ist Sanzeno Predaia im Val di Non. Wir starten aber nicht an der hiesigen Basilika der drei Märtyrer, sondern vom Parkplatz am Rätischen Museum. Sowohl die romanische Kirche als auch das Museum habe ich mit Dorothee bei unserem Aufenthalt 2018 im Trentino besucht. Das Museum beherbergt Ausgrabungen aus vorchristlicher Zeit.
Entlang blühender Apfelplantagen steigen wir ein Stück von der Straße hinab auf einen Waldweg, der sich im Weiteren als schmaler Pfad an die Felswand anlegt. 5 Kilometer führt dieser Pfad als Walweg tief in einen Canyon. Die ehemalige Wasserführung entlang des Felsbandes wurde vor 150 Jahren von der Adels-Familie Widmann zur landwirtschaftlichen Bewässerung geschaffen. Heute ist der ausgesetzte Felsenweg in das wildromantische Tal ein toller Zuweg zur Einsiedelei und Wallfahrtsstädte San Romedio.
Hoch auf einer Felsnadel liegt das aus verschiedenen Kapellen bestehende Sanktuarium, dessen ältester Teil wohl auf das 11. Jahrhundert zurückgeht. Die Person des Heiligen Romedius wird in diese Zeit eingeordnet. Schon im 12. Und 13.Jahrhundert war San Romedio eine Pilgerstätte. Eine Besiedlung des Felsens ist bereits in vorrömischer Zeit nachweisbar. Möglicherweise wurden die 3 Märtyrer Sisinius, Martyrius und Alexander hier getötet.
Die ältesten Gebäudeteile erreicht man über einen Treppenweg mit der Kirche San Romedio, die 1536 im Auftrag der Familie Thun erbaut wurde. Das Altarbild zeigt den Heiligen mit einem Bären. Romedio ließ nach der Bären- Legende einem Bären, der sein Reitpferd zerfleischt hat das Zaumzeug anlegen. Auf dem Bären ritt er zu seinem Freund Vigilius, dem Bischof von Trient…. Eine wunderbare Geschichte mit einem kleinen Haken, denn Romedio lebte nach Einschätzung von Historikern bis zu 700 Jahre später als Vigilius.
Im Kirchenraum fällt uns das romanische Stufenportal aus dem 13.Jahrhundert auf, das mit der Kapelle San Nicolò und dem Sanktuarium in den ältesten Teil der Anlage führt. Neben dem Portal der Aricarda hat man bei Restaurierungsarbeiten 1932 einen vorromanischen Freskenzyklus im Stil byzantinischer Ikonen freigelegt. Aricarda, Großmutter von Friedrich von Cles trat in der ersten baulichen Blütezeit in ein Kloster ein und lebte hier möglicherweise als Einsiedlerin Der romanische Innenraum der Kapelle San Nicolò mit romanischen Kapitellen und einem Freskenzyklus aus dem 13.Jh. beherbergt den Vigilius-Altar. Im angrenzenden Sanktuarium liegen die auf 1120 datierten Reliquien des heiligen Romedius.
San Romedio ist ein ganz besonderer Ort und oft haben wir von unseren Freunden aus Vermiglio Fotos von hier erhalten, denn es ist ein Spaziergang den man immer mal wieder machen kann. Als einer der ältesten Wallfahrtsorte des Trentino hat San Romedio eine besondere Bedeutung für die Menschen über die Grenzen des Landes hinaus. Am 7.Juli 1809 pilgerte Andreas Hofer mit über 700 Schützen nach der zweiten Bergiselschlacht nach San Romedio. Wir sehen im angrenzenden Freigehege noch eine Weile dem hier in Gefangenschaft lebenden Bären zu.
Wir gehen den gleichen Weg entlang der Canyonwand zurück zum Parkplatz am Rätischen Museum. Die Apfelblüten in der Sonne leuchten nun prächtig vor den langsam aufziehenden dunklen Regenwolken. Wir sind mit Sylvana, Walter und Mirco noch einmal verabredet. Mirco lädt uns zur Pizza bei Valentina und Fabio ein. Zum Nachtisch muss sich Mirco verabschieden, da der Chor in dem sein Bruder singt ein Konzert gibt. Mirco selbst ist sehr aktiv in Sachen Musik unterwegs, wovon wir uns ja auch schon einige Male überzeugen durften.
Von Sylvana und Walter verabschieden wir uns am Samstag nach dem Frühstück. Vor 5 Jahren im Sommer haben wir das B&B der Beiden in Vermiglio entdeckt und seitdem viele schöne Tage hier verbracht. Schweren Herzens verlassen wir die wunderbare Landschaft an der Südseite der Alpen mit seinen guten Leuten.
Tagesziel ist am Abend der Marktplatz von Hammelburg, eine Kleinstadt im Landkreis Bad Kissingen in Unterfranken. Als älteste Weinstadt Frankens fand der Ort erstmals im Jahr 716 urkundliche Erwähnung. Unser Gespür für gute Küche lässt uns auch diesmal im Weinhotel-Müller nicht im Stich. Der Familienbetrieb bestellt auch das eigene Weingut und liefert gute Tropfen zur einfallsreichen Küche. Ein trockener 2018er Spätburgunder Reserve vom Hammelburger Heroldsberg passt hervorragend zu meinem Sauerbraten.
Die entspannte Rückfahrt am Sonntag bringt uns zeitig heim. Wir freuen uns auf unser nächstes Wiedersehen im Tal der Sonne.
Arnd Korbmacher
©Copyright 2023