Eifel- Rundfahrt 2020
Die Idee Anfang August einen Kurztrip mit dem Motorrad zu unternehmen war in einer arbeitsreichen Woche geboren. Dorothee hat am Samstag Hausarztdienst im Krankenhaus und hat sich für Sonntag Nachmittag zur Chorprobe verabredet. Wir wollen uns in einem Hotel in Rheinbach am Eifelrand treffen und hier einen gemeinsamen Abend verbringen. Ich greife also die Gelegenheit beim Schopf und mache die Transalp startklar. Bereits auf den ersten Kilometern Richtung Remscheid wird mir klar- das wird ein heißer Tag.
Der Wetterbericht hat eine Hitzewarnung herausgegeben und Temperaturen über dreißig Grad prophezeit. Auf meiner Fahrt entlang der A1 durch das Bergische Land stellt sich unter meiner Motorradkleidung trotz geöffneter Lüftungsschlitze ein unerträgliches Klima ein. An jeder roten Ampel verlangt auch der Motor nach Abkühlung und holt sich diese vom zugeschalteten Ventilator, der mir seine Abwärme als Zugabe entgegen bläst.
Bei Leverkusen versuche ich Abhilfe zu schaffen, in dem ich auf die A1 auffahre. Bis Jülich kürze ich somit die Anfahrt in die Eifel ab und verlasse dort die Autobahn mit dem dringenden Verlangen etwas zu trinken. Ich fahre durch den kleinen Ort Rövenich und gelange an einen hübschen Pausenplatz mit einer Picknick- Bank und schattenspendenden Bäumen.
„Gott schütze unsere Heimat und unsere Flur“-
Das steht auf einem Wegkreuz am Rande eines riesigen Getreidefeldes. Ich genieße diesen Platz eine ganze Weile und entledige mich meiner Motorradjacke, für die ich noch ausreichend Platz in meinen Koffern habe. Im T-Shirt setze ich meine Fahrt durch den Backofen der Rheinebene Richtung Düren fort. Von hier habe ich vor über Hürtgenwald nach Simmerath zu fahren, um hier noch einmal die Gegend zu erkunden.
Hier verlief im 2. Weltkrieg der Westwall, der von den Alliierten auch Siegfried- Linie genannt wurde. Ende des 2. Weltkriegs im Herbst und Winter 1944-1945 tobte hier die längste Schlacht des 2. Weltkriegs auf deutschem Boden mit unzähligen Opfern. Die Schlacht im Hürtgenwald wurde nicht nur wegen der Silbe „Hürt“ = hurt (für Schmerzen zufügen) zum Sinnbild für Verwundung und Tod. Auf dem Eifelsteig haben wir im Eifelort Roetgen die Stelle besucht, an der amerikanische Soldaten auf ihrem Vormarsch aus der Normandie erstmals auf deutschen Boden vorrückten. Von Mitte September 1944 bis Mitte Februar 1945 wurde die Befreiung von Nazi- Deutschland mit schweren Verlusten auf beiden Seiten teuer erkauft.
Ich genieße Schatten und Stille auf einer Bank auf dem Soldatenfriedhof in Hürtgenwald. Zwischen den Stämmen der Bäume reihen sich endlos die Kreuze der identifizierten und unbekannten Soldaten.
Es ist einfach zu heiß und auf der Suche nach den Panzersperren des Westwalls rund um Simmerath setze ich meine Fahrt bald in östlicher Richtung fort. In Einruhr tangiere ich den Obersee des Rur-Stausees. Viele Leute reisen mit dem Auto an und wollen in unmittelbarer Nähe des Sees in Wäldern und auf Feldern ihre Autos parken. Polizei- und Abschleppfahrzeuge versuchen dem Andrang auf das kühlende Gewässer Herr zu werden. Am Ende dieses Wochenendes melden Medien überall in Deutschland überfüllte Badestrände mit Aushebelung jeglicher Corona- Verhaltensregeln.
An Burg Vogelsang vorbei halte ich mich Richtung Mechernich. Hier verlasse ich westlich von Mechernich noch einmal die Landstraße über einen Feldweg, der mich oberhalb eines abgeernteten Getreidefels an ein Sonnenblumenfeld bringt. Die Sonne brennt nicht mehr mit voller Intensität vom tiefblauen Himmel, der sich mit weißen Wölkchen schmückt. Eine herrliche Stille umgibt mich, nachdem ich den Motor zum Schweigen gebracht habe.
Ein Löschfahrzeug der Feuerwehr nähert sich mit Blaulicht, was irgendwie surreal auf mich wirkt. „Haben Sie irgendwo Rauchentwicklung beobachtet ?“- fragt mich der Feuerwehrmann aus dem Führerhaus. Ich verneine diese Anfrage und erhalte noch die Auskunft : „Dann ist das hier für uns erledigt“. Langsam entfernt sich das rote „Fliwatüt“ wieder aus meinem Blickfeld.
Über Bad Münstereifel erreiche ich am Nachmittag mein Ziel bei Rheinbach. Dorothee hat bereits eingecheckt und erwartet mich auf dem Hotel- Parkplatz. Ich genieße die Dusche und meine kurze Hose. Wir machen einen kurzen Spaziergang durch den kühlen Wald, in dem sich unser Hotel befindet. Es gibt einen See, den Forstweiher, in dem sich gerade ein Hund Abkühlung verschafft. Eine Kohlenlore erinnert an den Eisen-Erzbergbau in Rheinbach Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Schild weist auf den Fernwanderweg E8 hin, der von Istanbul über 7500 Kilometer nach Dursey Head in Irland führt.
Es ist ein lauer Sommerabend und unser Abendessen nehmen wir auf der Hotelterrasse ein. Auch eine Hochzeitsgesellschaft ist zu Gast. Das Hochzeitsauto, ein Ford Thunderbird gibt der Kulisse etwas „California Feeling“. Der gut gekühlte Rosé kommt nebenan von der Ahr und macht mit der guten Küche Spaß. In der Nacht geht gelegentlich ein kühler Wind durch die weit geöffneten Fenster unseres Zimmers.
Nach einem gemütlichen Sonntagsfrühstück fahre ich mit Dorothee nach Rheinbach. An den Resten der Burganlage verabschieden wir uns. Wir entscheiden den Ort bei einem anderen Aufenthalt zu erkunden. Die Temperatur klettert schon wieder an den Punkt an dem ich meine Jacke verstaue. Ich möchte gerne noch einen Blick auf das Radioteleskop im nahen Effelsberg werfen, bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache. Der Wetterbericht hat nun aus dem Nichts am Nachmittag Gewitter in der Eifel angemeldet. Es bauen sich Wolken auf, die mir auch gleich einen Schauer verpassen.
Das Radioteleskop in Effelsberg liegt aus der Nähe landschaftlich so verborgen, das ich meine Suche nach einem Foto- Standpunkt aufgebe. Das Monstrum hat einen Durchmesser von 100 Metern und wird seit Anfang der 70er Jahre vom Max-Planck- Institut betrieben. Mitten in der Eifel versucht man hier den Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen. Ein Besuch steht auch hier für mich noch aus.
Zwischen Bonn und Königswinter arbeite ich mich auf die rechte Rheinseite und überwinde das Siebengebirge Richtung Hennef an der Sieg. Quer durch den Rhein-Sieg-Kreis bringt mich mein Fuhrwerk vor Ruppichteroth auf Nordkurs Richtung Much. Südlich von Much habe ich wieder Glück mit der Wahl eines Pausenplatzes. Ich verlasse die L312 und fahre in einen Schotterweg, der mich an die hübsche Germana- Kapelle führt. Germaine Coisin war eine Hirtin, die Ende des 16. Jh. in Pibrac bei Toulouse lebte. Die Kapelle steht hier seit Anfang des 18. Jahrhunderts. Sowohl die Wetterfahne auf dem Dach als auch die Figurengruppe im Innern erinnern an die selig gesprochene Hirtin Germaine.
Über Overath, Kürten und Hückeswagen geht es dann zurück nach Hause. Mittlerweile hat sich auch über Wuppertal der Himmel verdunkelt. Meinen Plan mir noch eine Abkühlung im Schwimmbad abzuholen gebe ich im Tausch mit einer Dusche auf.
A. Korbmacher
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