Oberösterreich- Tschechien 2019
Es ist Anfang Mai und schon vor geraumer Zeit habe ich mir ein Autorreisezug- Ticket mit meiner Transalp von Düsseldorf nach Innsbruck gebucht. Es sind 5 volle Tage, die ich aus meinem Stundenkonto für diese Motorradtour generieren kann. Es ist das 5. Mal, das ich mit dem Autoreisezug den Alpenraum anfahre, um in den Genuss von ein paar alpinen Kurven zu gelangen. Die Hotels habe ich vorgebucht und meine Reiseroute quer durch die Dolomiten bis nach Slowenien hinein abgesteckt. 3 Tage vor der Tour verwerfe ich allerdings meine gesamte Tourenplanung, da die Wetterprognosen sehr viel Schnee im Alpenraum prognostizieren, so das die Zeichen eher auf Ski und Rodel gut stehen.
Bis Mitte Mai wird noch einiges runterkommen, wie ich später von Mirco, unserem Trentiner Bergführer und Hüttenwirt erfahren werde. Aus diesem Grund wird er seine Denza- Hütte oberhalb des Val di Sole auch erst mit Verspätung Anfang Juni aufschließen. Der Winter hat die Alpen noch fest im Griff.
Vor dieser Tour habe ich noch einen Nachtdienst auf Sonntag zu absolvieren und bin im festen Glauben, das ich die Nachtfahrt nach Innsbruck erst am Montag antreten werde. Ich male mir aus nach dem Ausschlafen alle Zeit der Welt zum Packen zu haben. Bevor ich mich am Morgen auf’s Ohr haue werfe ich aber auf Drängen meiner Frau noch einen Blick auf das vorgebuchte Bahn- Ticket und- „Au Weia“- der Zug geht bereits am Abend um 20 Uhr. Da die Verladung bereits 2 Stunden vorher beginnt fällt das Ausschlafen aus.
In der Abendsonne am Auto- Reisezug- Terminal sehe ich mir noch an wie meine Transalp fachgerecht verzurrt wird. Mein Nachtabteil teile ich mir mit 3 weiteren Reisenden. Todmüde beziehe ich meine oben liegende Koje und nehme nicht mehr an dem anglophonen Gespräch im Abteil teil. Soweit das in der engen Schlafstatt möglich ist versuche ich rasch in einen erholsamen Schlaf zu fallen, was mir mit Unterbrechungen leidlich gelingt.
Auf den letzten Kilometern nach Innsbruck komme ich beim Frühstück mit den Leuten im Abteil doch noch ins Gespräch. Ein junger Mann aus Holland hat eine knackige Alpentour mit dem Fahrrad auf seiner Agenda und dann wären da Robby und Elaine aus Glasgow, die mit der Fähre nach Amsterdam übergesetzt haben. Mit ihrer Ducati Multistrada wollen sie über die Alpen bis hinunter nach Süditalien, um dann mit der Fähre nach Montenegro die Rückreise über den Balkan anzutreten. Sie haben das gleiche Problem wie ich und das hat die Höhen rund um Innsbruck am Wochenende noch satt-weiß angepudert.
Nach der Verabschiedung von den beiden Schotten warte ich noch eine Weile den morgentlichen Nieselregen am Bahnhof ab und schwinge mich dann auch auf mein Gefährt. Ich habe mir heute die Option offengehalten erst einmal die Lage zu checken und habe mein erstes Quartier in Pertisau am nahen Achensee festgemacht. Ich verlasse Innsbruck in westlicher Richtung und halte mich über den Seefelder Sattel Richtung Mittenwald bis die ersten Schneeflocken um mich herum stoben.
Liegen bleibt der Schnee nicht und es sind nur wenige Flocken, die meine Weiterfahrt rund um das Karwendelgebirge nicht weiter beeinträchtigen. Hinter Mittenwald fahre ich entlang der Isar, die im Karwendel entspringt. Hinter Wallgau komme ich Richtung Achenpass an eine Mautstrasse, deren Schranke sich per Self- Service öffnen läßt. Entlang des Sylvenstein- Staussees erreiche ich hinter der Passhöhe Achenkirch und den Achensee. Hier kommen tatsächlich auch ein paar Sonnenstrahlen durch den ansonsten eher verhangenen Himmel. Die mittleren einstelligen Temperaturen machen große Lust auf die Sauna im Hotel.
Ein wunderbares Aquarium am Eingang gibt auch schon einen Eindruck, was der Achensee zum Abendessen bereit hält. Neben Forellen, Karpfen und Saiblingen befindet sich auch ein kapitaler Hecht in dem glasklaren Wasser. Vor einigen Jahren stand ich im Sommer auf der 2053m hohen Seekarspitze, von der man einen tollen Tiefblick auf den Achensee hat. Mit dem Nachbargipfel, der Seebergspitze liegt sie nun noch tief verschneit hoch über dem See.
Freundliche Morgensonne und ein dunkelblauer Himmel begrüßen mich am Dienstagmorgen nach dem Frühstück. Der glasklare Alpensee kontrastiert herrlich mit den schneebedeckten Bergen ringsherum, als ich die Strasse entlang der Achenseebahn hinunter nach Jenbach fahre. In der direkten Verlängerung nach Süden beginnt das Zillertal, wo ich im letzten Jahr herumgekurvt bin bis die Zündprobleme der Transalp endlich behoben waren. Diesmal wähle ich von Zell am Ziller die Gerlos- Alpenstraße, die mich rasch hinauf zum Hochmoor an der Gerlosplatte mit einer Höhe von 1621m bringt. Dicht verschneite Winterlandschaft gleitet neben der Strasse an mir vorbei.
Vom Gerlospass geht es hinab ins Pinzgau an den Krimmler Wasserfällen vorbei. Im Sommer 1989 sind wir hier auf einer Alpenvereinsfahrt zur Warnsdorfer Hütte aufgestiegen. Nach dieser Tour war eine Dampfbahnfahrt durch das Pinzgau eine erlebnisreiche Attraktion. Einen guten Blick auf den 3674m hohen Großvenediger habe ich von Neukirchen. Über Mittersill und Zell am See fahre ich nach Saalfelden am Steinernen Meer. Bei der Weiterfahrt nach Bischofshofen gehts noch mal rauf in den Schnee über den Filzensattel (1291m) und den Dientner Sattel (1357m).
Mein Tagesziel liegt im Salzkammergut östlich von Salzburg. Eine landschaftlich wunderschöne Straße führt mich über Annaberg im Lammertal erneut zu einer Self- Service- Mautstrasse über die Postalm nach St. Wolfgang am Wolfgangsee. Mein Hotel liegt am Irrsee in der Gemeinde Zell am Moos. Am benachbarten Mondsee verbringen Freunde gern ihren Urlaub und ich werde per Messenger über die eine oder andere kulinarische Adresse informiert. Besonders legt mir Martina den Bauern mit dem besten Räucherschinken weit und breit ans Herz.
Ich muß am Morgen nicht weit fahren, denn der Bauer befindet sich unweit des Hotels direkt bei der Feuerwehr. Bei dem freundlichen Kontakt suche ich mir meinen Schinken direkt in der Räucherstube aus und nehme auch gleich noch einen hausgebrannten Mariller mit.
Die 3. Etappe meiner Tour wird mich diesmal durch den Teil Österreichs führen, der für mir mich in weiten Teilen noch Neuland ist. Bedingt durch meine bergsteigerischen Interessen habe ich den Westen Österreichs wesentlich häufiger bereist. Das Voralpenland quer durch Oberösterreich ist auf meiner Karte noch weitestgehend unbekanntes Land. Mein Navi ignoriert Autobahnen und sucht mir per Adventure – Einstellungen immer wieder interessante Varianten , teilweise mit willkommenem Gelände- Charakter.
Der heutige Kurs zeichnet eine leicht nördlich ansteigende Linie quer durch die österreichische Provinz auf das Tagesziel St. Pölten an der Donau zu. Zwischen Steyr und Amstetten durchfahre ich das Mostviertel. An der schmucken Kirche von Dietach lerne ich etwas über die Eisenstrasse und die mittelalterlichen Stadlkirchen. In der Stadlkirche von Dietach befinden sich Wandmalereien aus dem 14.Jahrhundert. Schade- die Kirche ist verschlossen.
Ich durchfahre grünes Hügelland, von Süden grüßen schneebedeckte Berge. Einen besonders surrealen Eindruck bietet die höchste Erhebung der Ybbstaler Alpen, der große Ötscher mit nur 1893m Höhe. Aus der Ebene betrachtet wirkt er wie ein weißer Riese. Durch das grüne, liebliche Hügelland turne ich auf St. Pölten zu, bis mein Blick auf den breiten Lauf der Donau fällt. Der zweitgrößte und zweitlängste Fluss Europas nach der Wolga ist hier auf seinem Weg nach Wien zu einem schiffbaren Strom angewachsen. Zwischen den Quellflüssen im mittleren Schwarzwald und der Mündung ins schwarze Meer liegt eine Strecke von über 2800 km und ein Höhenunterschied von 1078m.
Ich genieße am Abend einen unglaublichen Panorama- Blick vom Balkon meines Hotelzimmers am Etappenziel in Maria Taferl. Über die Donau hinweg blicke ich nach Süden, weit in die durchfahrene Landschaft hinein bis zu den schneebedeckten Gipfeln am Alpenrand, allen voran der Ötscher.
Maria Taferl ist nach Mariazell der bedeutendste Wallfahrtsort Österreichs in der Nibelungenau. Die barocke Wallfahrtskirche aus dem 17. Jahrhundert ist hoch über der Donau von weit her sichtbar. Reisebusse und Devotionalien- Läden machen den auf überlieferte Wunderheilungen beruhenden Wallfahrtsrummel in dem hübschen Ort perfekt.
Mit der Wallfahrtskirche im Rückspiegel verlasse ich Donnerstagmorgen Maria Taferl nach Norden in die Wälder des Weinsberger Waldes. Als größtes zusammenhängendes Waldgebiet Österreichs zwischen Mühlviertel und Waldviertel geht der Weinsberger Wald nach Nordwesten in den Böhmerwald über. Diese 4. Etappe beginnt am Morgen immer wieder mit nasskalten Passagen an den nebelverhangenen Waldhöhen. Der Strassenzustand wird linear mit der Nähe zur tschechischen Grenze schlechter und die Adventure- Navigation leitet mich gelegentlich auf geschottertes Terrain.
In Tschechien weicht der stark bewölkte Himmel zunehmend der Sonne. Auf dem Weg zu meinem Tagesziel Budweis verlasse ich immer wieder die von LKW stark frequentierte Bundesstrasse. Sattgelbe Rapsfelder und weite Löwenzahnwiesen unter blau-weißem Himmel zwingen mich immer wieder zu fotografischen Exzessen. Budweis, die Hauptstadt im südböhmischen Tschechien erreiche ich am Nachmittag. Mein Hotel liegt unmittelbar am Marktplatz und so habe ich die Möglichkeit, die Innenstadt noch zu Fuß zu durchstreifen.
Am herausgeputzten Marktplatz der Stadt befindet sich in der Südwest- Ecke das barocke Rathaus aus dem frühen 18. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammt auch der Samsonbrunnen, direkt in der Mitte des Platzes. Leider ist schon einiges geschlossen. Direkt neben der St. Nikolaus- Kathedrale habe ich aber Gelegenheit den Schwarzen Turm zu besteigen. 226 Stufen führen hinauf auf den Umlauf des Glockenturms aus dem 16. Jahrhundert. Aus luftiger Höhe blickt man auf das Marktplatz- Karree.
Neben der Stadtbefestigung gehört das Dominikanerkloster zu den ältesten Bauwerken der Budweiser Innenstadt. Am nordwestlichen Ende der Altstadt liegt das Kloster an der Maltsch, die unmittelbar danach in die Moldau fließt. Während in der Kirche eine Messe gelesen wird habe ich Gelegenheit den Kreuzgang mit Fresken aus dem 14. Jahrhundert anzuschauen. Ein Salzhaus von 1531 und der Rabensteiner Turm, ein Stadttor aus dem 14. Jahrhundert sind weitere Zeugnisse der mittelalterlichen Stadt.
Vor dem Hotel lasse ich mich noch eine Weile auf einer Bank nieder. Die Sonne steht tief hinter dem Brunnen und bringt die Wasserfontäne des barocken Brunnens vor der Rathauskulisse zum Leuchten-eine fast italienisch anmutende Szenerie.
Nun klingt die Stadt Budweis dem kulturinteressierten Biertrinker natürlich auch wegen seiner Braukunst in den Ohren. Ich habe am Abend einen Tisch im Restaurant meines Hotels reserviert. Es ist laut und turbulent in der rustikalen Bierstube.
Ein Budweiser vom Fass wird hier leider nicht ausgeschenkt, man ist hier Pilsener Urquell konzessioniert- in jedem Fall auch keine schlechte Wahl und ideale Begleitung zu meinem Steak. Zum Nachtisch wecken die böhmischen Liwanzen mein Interesse. Mit diesem Stapel kleiner Pfannekuchen, gefüllt mit Blaubeeren und Schlagsahne en top geht man nicht hungrig zu Bett 🙂
Mein 5. Tag am Freitag ist ein großartiger Tag um mit dem Motorrad unterwegs zu sein. Es ist sonnig mit herrlichen Puschelwolken an einem tiefblauen Himmel und einem Licht, das Fotografenherzen höher schlagen läßt. Über Pilsen erreiche ich bei Tischenreuth die bayrische Grenze und cruise über Bayreuth und Bamberg Richtung Fulda, denn mein heutiges Tagesziel liegt in der hessischen Röhn bei Dipperz.
Bevor ich allerdings mein Quartier ansteure fahre ich am Nachmittag über die 950m hohe Wasserkuppe, an deren Gipfel sich der Flugplatz einer traditionsreichen Segelflugschule befindet. Im Gedenken an meinen Freund Arnd, mit dem ich vor ziemlich genau 17 Jahren auf einer Tour hier oben war verweile ich ein paar Minuten mit einem Fernblick bis hinein nach Thüringen.
Bis hier blicke ich, was meine diesjährige Motorradtour angeht auf 5 erlebnisreiche und entspannte Tage mit tollen Landschaftseindrücken zurück. Die knapp 300 Kilometer der Rückfahrt über Fulda und Gießen im Dauerregen avancierten dann noch zum Kontrastprogramm zu allem, was beim Motorradfahren Spaß macht. Zu Hause wartet nach insgesamt 1700 Kilometern ein heißes Wannenbad auf „Rain Man“ .
A. Korbmacher
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