Motorradtour Eifel und Bergisches Land
Einmal im Jahr komme ich meiner autistischen Leidenschaft auf zwei Rädern nach. Immer noch halte ich meiner betagten 94er XL 600 V- Transalp die Treue, obwohl ich bereits erste Überlegungen anstelle mich nach einem neuen Gefährt umzusehen. Meine alte Transe ist zwar noch gut in Schuss, der 600 ccm V-Motor läuft rund wie eh und je und beschleunigt mit seinen für heutige Verhältnisse bescheidenen 50 PS auch aus dem unteren Drehzahlbereich satt heraus durch aber-
es sind seit dem Erwerb meiner Transalp im Jahr 1994 fast 30 Jahre Motorradtechnik verstrichen und ohne ABS und ESP trifft man kaum mehr Maschinen auf unseren Straßen an. Motorradfahren ist längst keine Betätigung mehr für Individualisten, an sonnigen Wochenenden fallen Heerscharen von motorisierten Zweiradfahrern über unsere kurvenreichen Mittelgebirge her, was den Motorradfahrergruß irgendwie blödsinnig erscheinen lässt. Ich müsste als Autofahre dann auch jeden entgegenkommenden Autofahrer grüßen.
Gefühlt jedes zweite Motorrad auf Deutschlands Straßen ist eine BMW und der Spielzeugkatalog an technischen Möglichkeiten auf 2 Rädern kennt keine Grenzen. Hubraum, Leistung und letztendlich der Preis wurden ständig erhöht, und man hat den Eindruck gewonnen unter 100 PS kommt man nicht vom Fleck. Klar- das weckt auch bei mir als technikaffinem Menschen gewisse Begehrlichkeiten- seit 2019 baut Honda eine Neuauflage der Africa Twin. Die damalige Paris-Dakar-Legende ist die große Schwester der Transalp mit einem 750 ccm V- Motor, für die ich mich damals leider nicht entschieden habe. Die aktuelle Africa-Twin hat zwar nichts mehr mit der ursprünglichen Version zu tun, ist optisch an das damalige Modell angelehnt und wartet mit moderner Motorradtechnik auf. Mal sehen…..
In diesem Jahr bleibt es bei den gewohnten 50 PS, ich habe ein Hotel in Trier vorgebucht und mir einen Rundkurs durch Eifel und Bergisches Land überlegt. Es ist ein Wochenende Mitte August, an dem Dorothee ihrem Hobby, dem Singen nachkommt. Erstmals seit September 2020 findet an diesem Wochenende für sie wieder eine Chorprobe statt. Bis Kerpen fahre ich Autobahn um dann den Adventure-Mode im Navi zu aktivieren. Das bedeutet viele Kurven, keine Autobahn und da lang wo es landschaftlich schön ist.
Es ist ein Wochenende mit Kaiserpinguin- Wetter am Samstag und bei der Durchfahrt entlang der Felsen zwischen Nideggen und Heimbach in der Nordeifel kommen Erinnerungen an den Klettersport auf, der uns früher oft in diese Gegend geführt hat. Kurvenreiche Straßen durch solch herrliche Landschaften zu fahren lassen das Herz höher schlagen und machen eine Reise mit dem Motorrad zum einem besonderen Genuss.
Sportliche Ambitionen und Kurvenhatz gehören auf die Rennstrecke. Soundstarke Auspuffanlagen verschrecken Mensch und Tier und bringen interessanterweise besonders das Image von allen Verkehrsteilnehmern auf 2 Rädern in Verruf. Autos mit ähnlicher Lautstärke und aufgeklebtem Nürburgring- Label haben freie Fahrt, während Strecken an Wochenenden für Motorräder gesperrt werden- Entscheidungen von speziellen Spezialisten, die das Dezibel-Level mutmaßlich auf die Anzahl der Räder übertragen. Den Möchtegern-Rasern auf egal wie viel Rädern ihre behämmerten Sound- Nervensägen wegzunehmen wäre eine sozial verträgliche Lösung für alle, der aber offensichtlich eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Zubehörindustrie im Wege steht.
Hinter Heimbach komme ich an der Abtei Mariawald vorbei und von Nord nach Süd halte ich mich über Gemünd an Kall vorbei nach Blankenheim. Immer wieder kommen mir Erinnerungen an den Eifelsteig, den wir seit 2019 parallel durch die Wälder der Eifel gelaufen sind. So waren die weiteren Orte wie Hillesheim und Gerolstein, die ich heute durchfahre auch Punkte auf dem Eifelsteig der uns sicherlich die intensivsten Eindrücke der Eifel vermittelt hat. Hinter Gerolstein halte ich mich weiter nach Süden und folge dem Kylltal, während sich die Route des Eifelsteigs östlicher orientiert. Über Birresborn, Mürlenbach und Densborn geht es an der Kyll entlang, an deren Ufern man die Spuren der Unwetter von Mitte Juli noch sehen kann.
Über Bitburg erreiche ich am Nachmittag mein Nachtquartier bei Trier. Hoch über der Stadt auf der Eifeler Seite habe ich ein Zimmer im Berghotel auf dem Kockelsberg reserviert. Hier bietet sich ein fantastischer Blick über Trier. Ein Hofgut auf dem Kockelsberg soll es bereits seit dem 8. Jahrhundert gegeben haben. Dieses wurde aber wohl beim Normannensturm im Jahr 883 verwüstet. Urkundlich verbrieft ist der Kockelsberger Hof seit 1332 als Lehen des Erzbischofs Balduin (1307-1357). Das heutige Schlösschen wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Kurhaus erbaut und nach Beschlagnahmung im 2. Weltkrieg als Hotel genutzt.
Leider ist der Koch akut erkrankt und ich kann nicht wie geplant auf der Terrasse zu Abend essen. Ich besuche im Nachbarort Aach ein einfaches Restaurant und verputze dort einen schmackhaften Schnitzelteller. Danach nutze ich dann doch noch die Gelegenheit bei einem Glas Rosé auf der Panoramaterrasse am Kockelsberg den Blick auf die Stadtkulisse von Trier einzufangen. Das warme Licht der Abendsonne lässt die Stadt erstrahlen, in deren historischem Zentrum der Dom, die Konstantin-Basilika, die Römischen Thermen und die Porta Nigra leicht auszumachen sind.
Es ist die Hochzeit der Perseiden, Kometen die jährlich am Nachthimmel zu beobachten sind. Am späteren Abend mache ich noch ein paar Nachtaufnahmen, auf denen sich zumindest ein Kometenschweif über dem nächtlichen Trier darstellt. Auf über 300 Metern Höhe kühlt es in der Nacht wunderbar ab und ich falle schnell in einen tiefen Schlaf.
Am Sonntag habe ich beim Frühstück noch einmal den herrlichen Blick auf Trier, der sich allerdings nicht so klar wie am Vorabend zeigt. Nördlich des Moseltals fahre ich über die Höhen des Meulenwalds, über Kordel nach Zemmer, unserem letzten Etappenziel am Eifelsteig. Immer parallel der Mosel fahre ich über Salmtal und Wittlich in nordöstlicher Richtung weiter über Kaisersesch zum Laacher See bei Mendig. Einen kurzen Blick gönne ich auf der Vorbeifahrt der romanischen Abteikirche Maria Laach.
Immer wieder muss ich Umleitungen folgen und komme an Baustellen vorbei, denn in vielen Tälern wurden Straßen geflutet, die immer noch unpassierbar sind. Bewusst habe ich darauf verzichtet die Katastrophengebiete an Erft und Ahr aufzusuchen, wo die Bewohner erlebt haben was Extremwetter auch bei uns in Deutschland anrichten können. Mehr als 160 Menschen haben in der Region ihr Leben verloren, von den vielen Verletzten ganz zu schweigen. Durch massive Zerstörungen ganzer Dörfer wurde vielen Menschen alles genommen.
Über das Brohltal gelange ich am Rhein entlang nach Bad Breisig. Hier gibt es eine Autoschnellfähre, die mich an das rechte Flussufer nach Bad Hönningen bringt. Es ist immer wieder spannend mit einer Fähre einen Strom wie den Vater Rhein zu überwinden. Mit absoluter Präzision trotzt das Schiff der Strömung und schüttet seine Ladung nach wenigen Minuten am anderen Ufer aus.
Von Bad Hönningen halte ich meinen Nordostkurs bei und fahre über Rossbach und Breitscheid mit Überquerung der A3 bei Fernthal nach Neustadt (Wied). Durch den westlichen Westerwald geht es über Weyersbusch Richtung Ruppichteroth und zwischen Eitorf und Windeck überquere ich die Sieg. In Ruppichteroth erreiche ich das südwestliche Bergische Land. Auch das Bergische Land haben wir in den letzten Jahren über den Wupperweg, den Bergischen Weg und den Bergischen Panoramasteig zu Fuß erschlossen.
Über Grunewald und Oberelben geht es weiter mit Nordkurs über Marienberghausen nach Drabenderhöhe. In Engelskirchen geht es über die Agger hinauf über zahlreiche Dörfer nach Wipperführt. Südlich von Neye- und Bevertalsperre fahre ich an Hückeswagen vorbei über die Kräwinklerbrücke der Wuppertalsperre zurück nach Hause.
Gut 600 Kilometer zeigt der Kilometerzähler am Abend an. Bei solch perfektem Wetter quer durch die heimischen Landschaften zu cruizen hat mir wieder Spaß und viele Eindrücke eingebracht.
A. Korbmacher
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