2018 Motorradtour Innsbruck
Ende September komme ich kurzfristig in den Genuss per Überstundenausgleich eine zusätzliche Tour in diesem Jahr planen zu können. Eine Bergtour Ende September kam mir zwar auch in den Sinn, wäre aber in die Zeit gefallen, in der viele Hütten bereits das Saisonende einläuten. Das Alpinschulangebot einer Runde durch die Ötztaler Alpen fand in mir zunächst den einzigen Interessenten. Meine Anfrage im Freundeskreis verhallte auch ohne Resonanz.
Also warum nicht meine Reise- Enduro aus der Garage holen, auf den Autoreisezug in Düsseldorf setzen und eine weitere Alpen- Ausfahrt unternehmen?
Gesagt, getan- am Montagabend wird meine Honda- Transalp auf den Autoreisezug nach Innsbruck verladen. Zwischenzeitlich hat die Deutsche Bahn das Autoreisezug- Geschäft an die Österreichische Bundesbahn abgegeben. Es ist die 4. Fahrt mit dem Autorreiszug und am Ablauf in Düsseldorf hat sich nichts verändert. Ich schlafe in einem 4er- Abteil, das heißt ich ruhe mich bei dem ständigen „Geschuckel“ mehr oder weniger tief durch die Nacht in dem viel zu warmen Schlafabteil.
Da ist Johannes aus Essen, der Ähnliches wie ich vorhat- auch er will Alpenpässe fahren, aber mit hohem Anspruch. Er will soviele Kilometer wie möglich am Tag machen und bezeichnet sich selbst als „pässesüchtig“. Ich habe ja 2012 auch schon mal 31 Alpenpässe in 6 Tagen abgerissen, diesmal habe ich allerdings vor es entspannt angehen zu lassen. Immerhin habe ich auch dieses Mal volle 6 Tage zur Verfügung und plane von Innsbruck aus eine Tour über einige hohe Alpenpässe bis ins Trentino hinein. Die Wetterprognose ist für meine Tour mehr als vielversprechend.
Nach einem kargen Liegewagenfrühstück läuft der Zug in den Innsbrucker Bahnhof ein. Die Bergisel- Skischanze präsentiert sich bei herrlichem Wetter, nur einige Wolken dampfen an den Bergen ab.
Schon bald fahre ich in westlicher Richtung aus Innsbruck heraus durch das sonnige Inntal und zweige in Stams von der Bundesstraße 171 nach Imst ab, auf den Holzleitner Sattel 1126m. Ich nehme die ersten Kurven unter die Räder und gelange über Nassereith auf den Fernpass, dessen Passhöhe sich auf 1216m befindet. Ich habe meiner Transalp neben einer neuen Bereifung auch ein neues Federbein gegönnt und erlebe eine ganz neue Performance an meinem 24 Jahre alten Motorrad.
Eine Weile verharre ich am Zugspitz- Blick und beobachte die Wolken die sich am Gipfel gesammelt haben. Vor etwas mehr als 2 Wochen war ich mit Dorothee noch hoch gefahren mit der Ende letzten Jahres eingeweihten Seilbahn. 4 Tage später gab es bei einer Rettungsübung einen Unfall, bei dem eine Rettungsgondel außer Kontrolle geraten ist und einen schweren Schaden an der Bahn angerichtet hat.
Die Pässe- Tour führt mich über den Namlosen Sattel 1365m auf das Hahntennjoch 1894m. Es macht riesigen Spaß, denn nach dem immer stark frequentierten Fernpass treffe ich nun auf deutlich weniger Verkehr. Um die Jahreszeit trifft man auch deutlich weniger Gleichgesinnte an, was angenehm ist. Ich genieße die Landschaft in der herrlichen Nachmittagssonne- das Leben kann so gerecht sein 🙂 ! Ich gelange wieder hinunter ins Inntal und halte mich Richtung Landeck um über die Pillerhöhe entlang von Kauner-, Pitz- und Ötztal mein vorgebuchtes Quartier auf dem Kühtai- Sattel zu erreichen.
Aber das Leben kann auch ziemlich ungerecht sein, denn kurz hinter Imst macht die Transalp dicke Backen. Beim Dreh am Gasgriff entwickelt der 600 Kubik 2- Zylinder-V-Motor keine Leistung mehr, was einen perfekten Tag abrupt beendet. Was kann das sein ?? Benzinzufuhr, Zündung, Vergaser ??
An einer Tankstelle werde ich an eine Quad- und Mopedwerkstatt in Tarrenz verwiesen, wo ich mit genau dieser Fragestellung einfalle. Wolfgang, einer der Mechaniker nimmt sich meines Problems an und lotet die möglichen Ursachen aus. Da der Zündfunke am vorderen Zylinder nur sporadisch überspringt wird die Verdachtsdiagnose eines Zündspulendefekts gestellt. Man verweist mich an eine Honda- Motorradwerkstatt und davon gibt es in ganz Tirol nur noch eine. Dieser sachverständige Ort befindet sich östlich von Innsbruck in Weer. Verhandlungen mit der ADAC- Leitstelle in Wien ergeben die Verbringung des Motorrades nach Weer erst am nächsten Vormittag und die Vermittlung eines Hotelzimmers in Tarrenz.
Am Mittwoch treffe ich auf Christoph vom Pannendienst, der mein „lahmendes Pferd“ auf seinen Hänger lädt. Über die Inntalautobahn erreichen wir zügig die Werkstatt, wo Armin mein Motorrad in Augenschein nimmt.
Er bestätigt mir den guten Zustand meines Gefährts und das die Transalp doch eigentlich ein sehr zuverlässiges Motorrad sei. Immerhin bedeutet HONDA ja “ Heute Ohne Nennenswerte Defekte Angekommen“ 🙂 Den vermuteten Zündspulendefekt hält Armin für unwahrscheinlich. „Bei der Transalp ist es eine der CDI’s, die sind es meistens“ teilt mir Armin mit. Eine CDI ist eine Zündbox, in der sich die Elektronik für die Steuerung der Zündung befindet, für jeden Zylinder eine. Mit der Test- CDI einer Dominator läuft der Motor auch sofort wieder rund.
Das Ersatzteil wird bestellt und ist bis Donnerstagmorgen lieferbar. Ich suche mir ein Hotel am Eingang des Zillertals oberhalb von Fügen in Fügenberg. Es tritt mit der Leih- CDI aber dann doch wieder ein ähnliches Problem auf, diesmal mit Ausfall des Drehzahlmessers. Nach einer Fahrt durchs Zillertal humpele ich mit dem Gaul zurück zum Hotel. Da derzeit eine Rad- WM im Inntal veranstaltet wird ist die Werkstatt ab mittags sowieso geschlossen.
Am Donnerstag schildere ich das neu aufgetretene Problem. Auch die zweite CDI ist defekt und könnte bis Freitagmorgen besorgt werden. Ich atme einmal tief durch und gebe auch diese Bestellung in Auftrag. Wir reden hier nicht über einen 1-Euro- Artikel, für jede einzelne Zündbox stellt Honda 340 Euronen in Rechnung. Zu dieser bitteren Pille gibt es leider keine echte Alternative.
Am Donnerstag wage ich mit einer neuen CDI und der Dominator Leih- CDI eine Rundfahrt über die Zillertaler Höhenstrasse bei weiterhin sagenhaftem Wetter. Herrliche Tiefblicke ins Zillertal hinaus und auf den Talschluss nach Mayrhofen, umringt von den Tuxer- und Zillertaler Alpen geben sich die Hand. Der Motor brummt und es gibt keine Ausfälle mehr. Also nehme ich am Nachmittag auch noch die Schlegeis Alpenstrasse hinauf zum Schlegeis- Stausee auf 1790m in Angriff.
Die vorgeplante Tour muss ich wegen der Motorprobleme zwar canceln, der heutige Tag war dank der Leih- CDI aber auch ein tolles Erlebnis. Zufrieden kehre ich zu meinem Hotel in Fügenberg zurück und beschließe den Tag mit einem guten Abendessen.
Am Freitagmorgen implantiert Marcel den zweiten neuen Schrittmacher in meine Transalp. Der gebürtige Holländer ist mit seiner Frau in Österreich ansässig geworden. Ich verlasse den vertrauten Ort in Weer und fahre mit meiner nun wieder voll einsatzfähigen Transalp über Innsbruck nach Zirl. Durch das Sellraintal nehme ich noch den Kühtaisattel 2017m und vom Pitztal aus die Pillerhöhe mit 1558m nach Landeck mit.
Über Landeck, das Paznauntal und Ischgl fahre ich über die Maut- pflichtige Silvretta-Hochalpenstraße hinauf zur Bieler Höhe mit dem Silvretta- Stausee auf 2036m . Von der Staumauer fällt der Blick auf das Silvrettahorn und den Piz Buin. Die Abfahrt ins Montafon gestaltet sich sehr kurvenreich. Hinter Bludenz geht es noch einmal über das Faschinajoch 1486m in den Bregenzer Wald und mit Kurs Nord über die Deutsche Grenze ins Allgäu. Bei Leutkirch im Allgäu habe ich ein Quartier festgemacht. Auch dieser Tag war gefüllt mit großartigen alpinen Eindrücken bei der Fahrt quer durch Tirol.
Ich musste in den letzten Tagen oft an meinen im letzten Jahr verstorbenen Freund Arnd S. denken. Mit ihm zusammen hat damals vor 24 Jahren die Begeisterung fürs Motorradfahren begonnen. Neben zahlreichen Wochenend- Ausfahrten in die Mittelgebirge ist es leider bei einer längeren Tour mit ihm nach Korsika, mit Rückfahrt durch die noch schneebedeckten Alpen geblieben. Es wäre schön gewesen so etwas noch mal gemeinsam mit ihm zu erleben.
Mein nächstes Quartier am Samstag habe ich in Krombach im Spessart ausgeschossen. Autobahn- vermeidend arbeite ich mich nordwärts bei Günzburg über die Donau, entlang der Schwäbischen Alb und der Kocher, hinauf nach Schwäbisch Hall. Über Bad Mergentheim und Tauberbischhofsheim erreiche ich den Main in Wertheim. Jetzt ist es nicht mehr weit zu meinem Quartier in Krombach und die letzten Kilometer durch den sonnendurchfluteten Spessart sind einfach nur ein Traum. Auch das Abendessen im Hotel lässt heute keine Wünsche offen.
Der Sonntag steht mir heute noch für die Heimfahrt zur Verfügung. Für das Frühstück lasse ich mir heute Zeit. Es ist weiterhin wolkenlos, aber nachts sind die Temperaturen bereits im unteren einstelligen Bereich. Bei Raureif und Frost ist in den Morgenstunden im Wald schon Vorsicht geboten. Ich fahre durch die schöne Altstadt von Gelnhausen und noch weiter auf den nördlich gelegenen Vogelsberg. Die Aussicht vom 763m hohen Hoherodskopf nehme ich noch mit, bevor ich mich auf Nordwest- Kurs, ein Stück entlang der Lahn dem Sauerland nähere. Über Plettenberg und Lüdenscheid erreiche ich am späten Nachmittag Haus und Hof.
Eine Woche lang Motorradfahren ohne einen Tropfen Regen, das habe ich bisher noch nicht erlebt. Mal sehen wann sich die nächste Gelegenheit für einen Ausritt ergibt.
A. Korbmacher
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