Müngstener Brückensteig
Seit August gibt es eine neue Attraktion in Wuppertal, den Müngstener Brückensteig. Es geht dabei um einen Klettersteig, der die Besteigung des gerade sanierten Brückengerüstes für alle die es luftig lieben ermöglicht.
Die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands überspannt das Tal der Wupper zwischen Remscheid und Solingen in einer Höhe von 107 Metern über dem Talgrund mit einer Länge von 465 Metern. Bis zum Ende der Monarchie in Deutschland wurde die Brücke als Kaiser-Wilhelm Brücke betitelt. Im ausklingenden 19. Jahrhundert war die Fertigstellung der Müngstener-Brücke eine sensationelle technische Leistung des Konstrukteurs Anton von Rieppel (1852-1926). Am 15. Juli 1897 wurde das Bauwerk feierlich eingeweiht. In der Stahlkonstruktion mit einem Gesamtgewicht von 5000 Tonnen wurden 950000 Nieten verbaut. Das einer der Bolzen ein goldener Niet sein soll ist einer der vielen Mythen, die sich hartnäckig halten.
Das Besteigen bzw. Begehen der Brücke wird seit vielen Jahren von der Bundespolizei als Straftat geahndet. Ältere Bewohner des bergischen Städtedreiecks erinnern sich noch an das Feierabendbier hier oben mit schöner Aussicht auf das Bergische. Auch auf lebensmüde Menschen hat die Brücke seit ihrer Einweihung eine magische Anziehungskraft.
Wir treffen an einem regnerischen Nachmittag im Brückenpark Müngsten ein. Haus Müngsten ist ein Haus mit rostiger Stahlfassade, in dessen Obergeschoss sich auch das Büro und die Materialausgabe des Brückensteigs befinden. Wir haben im Vorfeld bereits ausreichend Infomaterial erhalten und erleben auch vor Ort eine gute Organisation. Wir müssen alle Gegenstände, die potentiell aus den Taschen fallen können in Schließfächern verstauen. Unser Brücken-Guide an diesem Mittwoch Mitte September ist Julius Jud.
Nach der Ausgabe der Klettergurte, Helme und Funkgeräte treffen wir uns vor Haus Müngsten zum gemeinsamen Anlegen der Ausrüstung. Unter fachkundiger Anleitung von Julius gelingt es allen in unserer 12- köpfigen Gruppe auf Anhieb das Gurt-Zeug korrekt anzulegen. Da die Gruppe auf dem Steig nicht unbedingt dicht beieinander bleibt erhält jeder ein Funkgerät um bei Problemen mit Julius in Verbindung zu bleiben. Alle stellen Kanal 6 ein und los geht’s.
Von der Basis erreichen wir in wenigen Minuten die Brücke. Ich habe nach einem gestrigen Nachtdienst den Vormittag verschlafen, und die niedergegangenen Starkregen- Güsse verpasst. Die Wupper ist gut angefüllt und Nebelschwaden ziehen durchs Tal. Es hat etwas abgetrocknet und akut gibt es keinen Hinweis auf die prognostizierten Gewitter am Nachmittag.
Die Brücke hat 6 vertikale Pfeiler, von denen die beiden inneren durch ein bogenförmiges Gittergerüst verbunden sind. Der Scheitelpunkt des Bogens trägt mit den Vertikalstützen die horizontale Eisenbahntrasse mit der darunter liegenden Ebene eines Versorgungsweges.
Wir steigen über das Rest-Baugerüst des nördlichen Innenpfeilers zum Einstieg in den Klettersteig. Es ist wirklich ein ausgeklügeltes System, bei dem ein Spezialkarabiner dafür sorgt, dass kein Ausklinken aus dem Drahtseil möglich ist. Auch an den Fixpunkten ist kein Umhängen notwendig, wie man das bei alpinen Klettersteigen kennt. Der Aufstieg führt über eine zunächst steile, im weiteren Verlauf nach oben flacher werdende Stahltreppe im unteren Teil des Brückenbogens, die keine besonderen klettertechnischen Anforderungen an die Teilnehmer stellt. Das Stahlseil ist mit Bremszapfen versehen, die bei einem Sturz den Karabiner stoppen. Der harte Fangstoß würde dann über eine dynamische Bremse am Gurt-Zeug abgemildert.
Der Blick in das Brückengerüst ist schon etwas Besonderes aus dieser Perspektive und wir erreichen immerhin eine Höhe von etwa 100 Meter über Wupper- Niveau. Am Scheitelpunkt gibt es zwei Möglichkeiten zum Treppenabstieg an die südwestliche Brückenflanke zu wechseln. Der Schwebebalken mit Geländer gewährt einen krassen Tiefblick auf die Wupper und kostet den Einen oder Anderen schon Überwindung.
Wer es nicht so exponiert mag hat aber auch die Möglichkeit sich für einen breiten Steg hier oben zu entscheiden. Ein paar Regentropfen bleiben uns nicht erspart. In jedem Fall ist es ein tolles Erlebnis die Müngstener-Brücke auf diesem Steig zu erleben und rundherum auf die Höhen entlang des Wupper-Tals zu blicken. Wir schießen einige Bilder und machen uns dann an den Abstieg über die Treppenstufen des gegenseitigen Bogens hinunter zum Einstiegsmast, an dem der Sicherungskarabiner das Drahtseil- System wieder verlässt.
Zusammen gehen wir zurück zum Haus Müngsten, wo sich alle geordnet vom Material befreien. Wir verabschieden uns von Julius, der allen noch ein Erinnerungs-Gruppenfoto aushändigt. Die Bilder, die er von uns während der Tour geschossen hat können wir uns ebenfalls am Abend von der Webseite herunterladen. Uns hat’s Spaß gemacht- das muss man als Wuppertaler mal gemacht haben!
Arnd Korbmacher
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