Maas- Radweg
Seit mehr als 20 Jahren leben wir in Wuppertal, da sowohl Dorothee als auch ich unseren Arbeitsplatz in dieser Stadt gefunden haben. Einige Jahre sind wir täglich mit 2 Autos zwischen Essen und Wuppertal gependelt, mit täglich je 1,5- 2 nervigen Stunden im Auto, was uns aus heutiger Sicht weder nachhaltig noch sinnvoll erscheint. Wuppertal ist alles andere als eine Fahrradstadt, mit der Nähe zum Arbeitsplatz ist das Pendeln mit dem Fahrrad aber zumindest im Sommer eine echte Alternative. Für das bergige Terrain des „Bergischen Landes“ habe ich mir damals ein Mountainbike zugelegt, mit der heutigen Bezeichnung „Bio-Bike“, da noch ohne Antriebsunterstützung. Zwischenzeitlich habe ich dieses konventionelle Mountainbike beiseite gestellt und auf ein Pedeleg umgesattelt.

Der Anschaffung eines E-Bikes stand ich lange sehr skeptisch gegenüber, da ich die tägliche Fahrt zur Arbeit vor allem unter einem Fitness-Aspekt gesehen habe. Mit dem Anstieg von 200 Höhenmetern nach Feierabend aus dem Tal hinauf nach Hause habe ich so den Puls gerne noch mal hochgejagt. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich nun doch für das E- Bike entschieden, da ich so die Wahl habe mit wie viel Eigenenergie ich am Nachmittag den Berg bezwinge. Bei den Temperaturen der letzten Jahre im Hochsommer ist der Rückenwind eines unterstützenden Antriebs ganz hilfreich bei der Bergfahrt am Nachmittag. Wenn ich mich quälen möchte brauche ich nur die Unterstützung zurückregeln.

Vor 3 Jahren hat mein Arbeitgeber die Option zur Finanzierung eines vergünstigten Dienstrades eingeführt. Mit einem Folge-Vertrag habe ich mich für ein weiteres Bike, diesmal ein Fully-MTB entschieden. Wir haben somit nun 2 E-Räder am Start, woraus die Idee erwachsen ist wieder gemeinsame Radtouren zu unternehmen. Anfang Oktober gibt es immer noch sehr moderate Temperaturen und Sonnenschein und wir buchen ein Übernachtungsquartier in Haelen bei Roermond an der Maas. Es soll der Maasradweg (Euro Velo 19) sein, der entlang des Flusses von der Quelle in Langres durch Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland bis zur Mündung in die Nordsee in Rotterdam führt.

Am Samstagmorgen geht es mit der Fahrt nach Haelen los. Wir fahren in etwas mehr als einer Stunde zu unserem Hotel, wo wir das Auto parken. Wir steigen mittendrin ein in unser neues Projekt und werden an weiteren Wochenenden daran anknüpfen. An den 1050 Kilometern von der Quelle bis zur Mündung werden wir auf den offiziell 8 Etappen eine Weile beschäftigt sein. Dorothee hat zum Einstieg 2 Rundkurse geplant, die einen Teil der 4. Etappe des Maas- Radwegs einschließen. Sie steigt nach längerer Fahrradkarenz wieder in den Fahrradsattel. Vor der Geburt unserer Tochter haben wir mit unseren damaligen Rennrädern einige Touren unternommen. Nach kleineren Ausflügen mit unserer Tochter im Bergischen sind die Räder im Keller dann zuletzt doch eher verstaubt.

Wir haben die Distanz an beiden Tagen mit insgesamt 70 Kilometern bewusst moderat gehalten, so dass wir am Nachmittag unser besonderes Domizil ausreichend erleben und würdigen können. Es ist das Kasteel Aldenghoor in Haelen, eine Burg aus dem 12. Jahrhundert. Hier melden wir uns bereits um 10 Uhr an und machen uns dann auf den Weg mit unseren Bikes. Den in Outdooractive geplanten Track habe ich auf meinen Fahrradcomputer übertragen, der mir auf der Fahrt den Weg weist. Das klappt verblüffend gut und jede Abbiegung wird mir akustisch und sehr gut sichtbar angezeigt. So entfällt auch auf dem Fahrrad das ständige Checken der Route auf der Papierkarte.

Die Samstagsrunde hat 37,4 Kilometer und führt uns linksseits der Maas stromaufwärts. Im Nachbarort Horn kommen wir am gleichnamigen Kasteel aus dem 13. Jahrhundert vorbei. Eine historische Windmühle erfordert einen weiteren Stopp. Das Fahrradland Holland ermöglicht weitestgehend vom Autoverkehr abgetrenntes Fahrradwandern mit einem gut ausgebauten Radwegenetz. Höhenunterschiede sind marginal, so dass es wirklich ein genussvolles durch die Landschaft radeln ist. Ein Stück geht es durch die Beegderheide, die bis 1999 als Truppenübungsplatz genutzt wurde.

Am Rand der Beegderheide passieren wir noch eine historische Bock-Windmühle von 1790. Im Weiteren fahren wir durch das Naherholungsgebiet „Maasplassen“. In dem sumpfigen Gebiet „Langven“ zwischen Heel und Beegden wurde bis 1988 Kies gebaggert. Daraus ist der große See „De lange Vlieter“ entstanden. Gebadet wird hier nicht, der See ist heute ein Trinkwasserspeicher und wird von vielen Wasservögeln bevölkert.

Mit der A2 überqueren wir die Mass zum rechten Ufer nach Maasbracht. Es ist eine wasserreiche Region und außer den alten Maas- Mäandern gibt es viele Seen und Becken neben dem alten Maasverlauf. An einem Wehr finden wir eine Pausenbank mit einem Tisch, wo wir in der Mittagssonne unsere Brote essen. Hier überqueren wir die vom Lateralkanal Linne-Buggenum abzweigende alte Maas und gelangen auf die Landzunge zwischen Kanal und altem Flussbett. Mit einer letzten Querung über den Kanal mit der Brücke der N280 von Roermond strampeln wir die letzten Kilometer zurück zu unserem Schloss in Haelen.

Wir inspizieren den Schlossgarten, der von einem Laubengang und einem amerikanischen Sequoia- Redwood flankiert wird. Hübsche Bronzeplastiken und ein steinerner Brunnen verzieren die Grünanlage vor der Gartenfront des Schlosses. Im Schlosshof genießen wir noch eine Weile die herrliche Sonne und trinken ein Trappisten- Bier.

Das heutige Wasserschloss besteht aus einem Rundturm an den 2 Flügel angrenzen. 1983-2013 wurde das Schloss von Fürstin Viola von Hohenzollern bewohnt, Ich habe Gelegenheit ein von ihr aufgelegtes umfangreiches Werk über die Geschichte der Burg einzusehen. Die ursprüngliche Burg hatte 4 Rundtürme, die den 80jährigen Krieg (Spanisch- Niederländischer Krieg) nicht überstanden haben. Die ersten Herren von Aldenghoor bauten den befestigten Gutshof um 1150 in den unruhigen kriegerischen Zeiten des frühen Mittelalters zum Schutz gegen Raubritter und einfallende Horden. Inmitten der Provinz Limburg hat dieser Ort seit über 870 Jahren Geschichte geschrieben.

Vera und Rogier Helwegen sind die heutigen Pächter des Hotelbetriebs und unsere Gastgeber an diesem Wochenende. Der Hotelbereich begrenzt mit den ehemaligen Stallungen den Schlosshof zum Wassergraben hin. Im Gespräch erhalten wir einige wissenswerte Infos zu diesem speziellen Ort. Am Abend freuen wir uns auf das Abendessen im besonderen Ambiente der ehemaligen Stallung. Die kahlen Wände mit den noch vorhandenen Viehtränken und der offene Dachstuhl harmonieren mit der schlichten, aber stilvollen Einrichtung. Beleuchtungseffekte geben dem Ganzen einen behaglichen Rahmen.

Wir sind auch sehr angetan von der einfallsreichen feinen Küche, die uns das recht junge Team in der Küche zaubert. Als Hauptgang serviert man uns „Diamanthasen“. ???- ja ich musste mich auch schlau machen- es ist ein besonderes Stück aus der Rinderschulter. Alles ist liebevoll auf den Teller gebracht und vor allem köstlich zubereitet.

Der Sonntag beginnt mit einem entspannten Frühstück. Mit frisch aufgeladenen Akkus machen wir uns am Sonntag an die 32,7 Kilometer lange Runde, die zunächst gegenläufig der gestrigen Rückfahrt über den Lateralkanal, dann über De Weerd am See „Noordplas“ vorbei über die Maas in die Innenstadt von Roermond führt. Entlang der Sint-Christoffelkathedraal und dem Marktplatz bringt uns unsere Route an den Hafenbecken des Lisbonnehaven vorbei aus Roermond heraus. In Roermond mündet, wie der Name schon vermuten lässt auch die Roer. Es ist die Ruhr ohne „h“, die aus dem hohen Venn die Eifel in Düren durchfließt und hier in die Maas einmündet.

Auf den ersten sattgrünen Wiesen passieren wir eine Gruppe Pferde. Die nächste Ortschaft ist Asselt, wo wir auf die St. Dionysiuskerkje aus dem 11. Jahrhundert treffen. Die Geschichte von Asselt wurde in den mittelalterlichen Chroniken der hier ansässigen Mönchen festgehalten. Darin enthalten ist ein Ereignis im Jahr 881, als hunderte von Booten des großen Wikingerheers unter Gottfried dem Jüngeren hier einfielen.

Am Ort der heutigen Kirche konnte sowohl der fränkische Königshof Karls des Dicken, als auch das Normannenlager Ascloha archäologisch nachgewiesen werden. Zwei Jahre lang plünderten die Nordmänner die umliegenden Orte und Abteien. Dem Aufmarsch des Kaisers mit einer mächtigen Armee folgten 2-wöchige Kämpfe, die durch den „Bund von Asselt“ beendet wurden. Aus diesem Bund zwischen Gottfried und Karl ergaben sich weitreichende Folgen für die Niederländer und das heutige Holland.

Auf den Nebengewässern der Maas fahren Boote mit und ohne Segel durch die Landschaft, am Ufer stehen Kühe. Ein ganzes Stück fahren wir entlang der Swalm, die in einen toten Arm der Maas mündet nach Norden. Hier am toten Arm der Maas gibt es weit und breit die einzige Möglichkeit die Maas mit einer Fahrrad-Fähre an das linke Ufer nach Neer zu queren.

Das Wetter bleibt heute entgegen der Vorhersage eher bedeckt. Mit Südkurs fahren wir nun durch die Landschaft links der Maas. An einem See halten wir noch einmal an einem Kreuz mit einer Bank, von der wir die Wildgänse auf dem See beobachten können. Es fährt sich weg bis Haelen und zum Mittagessen erreichen wir Kasteel Aldenghoor. Vor der Heimfahrt bemühen wir noch einmal das Küchenteam. Es gibt Premium Fish & Chips und die Sonne blinzelt nun ein paarmal durch den verhangenen Himmel. Wir verabschieden uns mit dem Versprechen wiederzukommen. Am Abend sind wir früh zu Hause und beim Auspacken fängt es an zu tröpfeln.

A. Korbmacher
©Copyright 2023