Wochenende in Brauweiler und Aachen 2025

Wochenende in Brauweiler und Aachen 2025

Das erste Februar- Wochenende haben wir mit einigen Aktivitäten gefüllt. Nach einer anstrengenden Arbeitswoche haben wir am Freitagabend Karten für eine Veranstaltung in der Bochumer Christuskirche. Am Samstag sind wir nach über einem Jahr mal wieder mit unseren Freunden Gaby und Michael in Aachen verabredet, die wir am Abend besuchen werden. Tagsüber wollen wir eine Zeitreise in der Benediktinerabtei Brauweiler nordwestlich von Köln unternehmen.

"Todesduell"- Ben Becker- Bochum
„Todesduell“- Ben Becker- Bochum

Direkt nach der Arbeit fahren wir am Freitag nach Bochum und genehmigen uns ein schnelles „American Style“-Menü in der Burger-Schmiede mit dem gelben „M“. Fußläufig zum Rathaus der Stadt, im Gerberviertel begeben wir uns zur Christuskirche. Die neugotische Kirche aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde, wie die gesamte Bochumer Innenstadt im Jahr 1943 zerstört. Nach dem Krieg konnte der Turm der Kirche erhalten bleiben, an Stelle des Kirchenschiffs entstand eine geräumige Halle mit Ziegelwänden, die heute auch als Veranstaltungshalle genutzt wird. 

Espero = Hoffnung- Installation auf dem Brauweiler Abteigelände
Espero = Hoffnung- Installation auf dem Brauweiler Abteigelände

Wir erwarten hier den „Todesduell“- Auftritt Ben Beckers, begleitet von seiner Tochter Lilith. Er schlüpft heute Abend in die Rolle des Dichters John Donne, der kurz vor seinem Tod im Jahr 1631 eine Predigt vor dem damaligen König Charles I. in der St. Pauls-Kathedrale in London gehalten hat. Es ist ein wortgewaltiger philosophischer Ritt durch die Themen Glaube, Liebe, Hoffnung und vor allem durch den Tod, den der Schauspieler und Rezitator mit uns unternimmt.

Barock und Romanik in der Abtei Brauweiler
Barock und Romanik in der Abtei Brauweiler

Im zweiten Teil der Veranstaltung hält Becker mit den Worten des Literaturpreisträgers Joseph Brodsky im Totenkleid eine Hommage auf Donne. Ein Mann, der uns bereits beim Warten vor der Kirche durch seine Gangunsicherheit aufgefallen ist nimmt genau vor mir Platz. Er schwankt während der Vorstellung in seinem Sitz in allen Richtungen hin und her, verdeckt mir immer wieder die Sicht auf die Bühne und brabbelt ständig etwas vor sich hin.

Abteikirche St.Nikolaus vom Kreuzgang aus
Abteikirche St.Nikolaus vom Kreuzgang aus

Obwohl ich die Möglichkeit einer neurologischen Erkrankung in Erwägung ziehe bitte ich ihn mehrfach das zu unterlassen. Erst am Ende der Veranstaltung beantwortet er mir meine Frage, ob er krank oder nur alkoholisiert sei mit einer gewaltigen Alkohol-Standarte: „Ich habe Theaterwissenschaft studiert- und Sie?“- während ich sprachlos dastehe kommentiert seine Gemahlin noch „Das war doch eh alles Scheiße hier- also- was beschweren sie sich?“ – Danke!- meine Fragen wurden ausreichend beantwortet  🙁

Klostergründerin Pfalzgräfin Mathilde
Klostergründerin Pfalzgräfin Mathilde

Am Samstag gleiten wir am Vormittag unserem heutigen Ziel im Nordwesten von Köln entgegen. Es ist die 1000 Jahre alte Benediktinerabtei Brauweiler südlich von Pulheim. Gegründet wurde das erste Kloster an diesem Ort vom lothringischen Pfalzgrafenpaar Ezzo und Mathilde (Tochter Otto I.) im Jahr 1024. Die Eingabe zur Klostergründung hatte Mathilde unter einem Maulbeerbaum, noch heute gibt es einen sehr alten Maulbeerbaum auf dem Gelände, der aber auf maximal 700 Jahre geschätzt wird. Die Reliquien für das Kloster kamen aus Rom. Die Tochter des Gründerpaares Richeza wurde später durch Heirat Königin von Polen. Auf sie geht die Erweiterung der Anlage zurück. Die spannende mittelalterliche Entstehungsgeschichte der heutigen Klosteranlage setzte sich bis in die Neuzeit fort.

Heiliger Nikolaus von Myra (12.Jh.)
Heiliger Nikolaus von Myra (12.Jh.)

Die Klosterkirche ist dem heiligen Nikolaus geweiht und gehört zu den bedeutendsten Bauten der rhein- maasländischen Romanik. Über der Krypta des 11. Jahrhunderts erhebt sich das 1215 vollendete uns bis heute unveränderte Bauwerk. 1547 erhebt Kaiser Karl V. das Kloster zur Reichsabtei mit dem Recht Wappen und Siegel zu tragen. Fast 800 Jahre hielten Benediktinermönche in der Nikolauskirche Andacht, bis zur Säkularisierung der Abtei durch Napoleon im Jahr 1802. 

Ausschnitt Marienretabel 12.Jh.
Ausschnitt Marienretabel 12.Jh.

Beim Rundgang durch den Innenraum gibt es einiges zu entdecken. Neben der Grablege des Gründerpaares Mathilde und Ezzo (Ehrenfried) und einem Marienretabel aus dem 12. Jahrhundert ist die geschnitzte Darstellung des Kirchenpatrons aus dem 12. Jh. eine der ältesten Nikolausskulpturen überhaupt. Ein kunstvoll geschnitztes Chorgestühl wurde um 1700 gefertigt. Die aus dieser Zeit stammende Barockorgel wurde 2018 durch eine auf beide Querschiffe verteilte Chororgel ergänzt. Die vorbereitete Grablege Richezas in der Krypta blieb leer, ihre Gebeine befinden sich heute im Kölner Dom.

Krypta St.Nikolaus 11.Jh.
Krypta St.Nikolaus 11.Jh.

Bei unserem Rundgang werden wir von einem älteren Herrn angesprochen, dem unser Interesse am Kircheninterieur nicht entgangen ist. Gerne begleitet er uns noch ein Stück und weist uns auf das eine oder andere wissenswerte Detail hin. In den modernen Fenstern der 60er Jahre hat der Künstler Franz Pauli Szenen eingebaut, die auch auf die dunklen Seiten der Abtei verweisen. Die biblische Geschichte des „Daniel in der Löwengrube“ findet ihre Darstellung in der Zeit des Nationalsozialismus. Oberbürgermeister und späterer Bundeskanzler Konrad Adenauer kniet wie „Daniel“ in der Löwengrube unter den Augen von Adolf Hitler. 

Adenauer in Hitlers Löwengrube
Adenauer in Hitlers Löwengrube

Einer anschließenden Einladung kommen wir gerne nach, ein weiterer Herr schließt uns die Tür zum Lapidarium auf. Hier befinden sich Steinmetzarbeiten, Reliquien und Schriften aus der Frühzeit des Klosters. Der Bernhard- Kasel (Umhang aus Seide) aus dem 11. Jahrhundert und die Originalurkunde zur Verleihung des Wappenrechts durch Karl V. (1547) werden hier verwahrt.

Erläuterungen im Lapidarium
Erläuterungen im Lapidarium

Mehr über die neuzeitliche Geschichte des Klosters erfahren wir beim Besuch der LVR- Gedenkstätte in den benachbarten, noch erhaltenen Abteigebäuden. Nach der Säkularisierung der Abtei wurden die Gebäude unter der preußischen Regierung ab 1815 zu Arbeitsanstalt und Bettlerdepot umfunktioniert. Das Konzept Ungelernten und Bettlern eine Berufsausbildung zu ermöglichen führte zum Ausbau der Anlage mit vielen Gebäuden. Für den Strafvollzug wurde Anfang des 20. Jh. ein Gefängnis gebaut. Hier wurde 1933 von den Nationalsozialisten ein Konzentrationslager eingerichtet, in dem Andersdenkende und Menschen jüdischen Glaubens inhaftiert, gefoltert und gequält wurden. Die Gedenkstätte im heute noch erhaltenen Frauenhaus erlaubt mit musealen Erläuterungen Einblicke in eine Zeit, in der die Gedanken alles andere als frei waren.

Zelle mit Inschrift: "Mädel lass den Kopf nicht hängen!"
Zelle mit Inschrift: „Mädel lass den Kopf nicht hängen!“

Wir können in drei Wochen bei der vorgezogenen Bundestagswahl unseren Willen kundtun nie wieder in Unfreiheit leben zu müssen. Wir sollten die Chance nutzen um auch weiterhin die Wahl der Wahl zu haben.

Insasse mit 5 Jahren Gefängnis und 23 Jahren Arbeitshaus- Tatbestand Bettelei
Insasse mit 5 Jahren Gefängnis und 23 Jahren Arbeitshaus- Tatbestand Bettelei

Konrad Adenauer war 1944 vorübergehend hier inhaftiert und konnte nach der Befreiung 1945 Zeugnis über die unmenschlichen Zustände an diesem Ort ablegen. Der Gefängnistrakt und viele andere Gebäude wurden nach dem Krieg weiter als Arbeitsanstalt, Gefängnis und Landespsychiatrie genutzt. Die prominente 19-jährige Prostituierte Rosemarie Nitribitt saß hier 1952 ihre Haftstrafe ab. 1972 wurde der Gefängnistrakt abgerissen. Ein Skandal um die Vertuschung eines „Behandlungsfehlers“ in der Psychiatrie führte 1978 zur Schließung der Landesklinik- Brauweiler. Heute informiert die Gedenkstätte Brauweiler des Landschaftverbandes Rheinland über die wechselvolle Geschichte der Anlage.

Ein Ort mit 1000- jähriger Geschichte
Ein Ort mit 1000- jähriger Geschichte

Unsere 1000- Jährige Zeitreise führt uns durch den Park der Abtei zu unserem Auto, mit dem wir uns nun auf den Weg zu unseren Freunden nach Aachen machen. Die Beiden wohnen in Aachen-Richterich, in Michaels Elternhaus. Nach der herzlichen Begrüßung sind wir eingeladen zu einem Abendessen, für das Gaby und Michael alle Register für ein gelungenes kulinarisches Feuerwerk gezogen haben. Es gibt viel zu erzählen und zu fortgeschrittener Stunde teilt uns Gaby ihre Idee mit, morgen ein Zollmuseum in Aachen- Horbach zu besuchen. Da das Ganze am Sonntagmorgen an eine Führung gekoppelt ist suchen wir noch vor Mitternacht unser Nachtlager auf.

Culinaria in Aaachen- Richterich
Culinaria in Aaachen- Richterich

So treffen wir uns zeitig zum geselligen Frühstück in der Küche und machen uns dann pünktlich auf den Weg nach Horbach. Zunächst schauen wir uns im gut besuchten Vortragsraum eine filmische Dokumentation aus der Nachkriegs- Zeit an, in der im Dreiländereck zwischen Deutschland und den Nachbarn Belgien und Niederlande ein florierender Warenschmuggel betrieben wurde. Kaffee, Schokolade und viele andere Konsumgüter waren in Deutschland mit hohen Zöllen belegt. Dem Fiskus ging sehr viel Geld durch die Lappen, denn Schmuggel wurde zum „Volkssport“, bei dem auch gerne strafunmündige Kinder eingesetzt wurden. 

Im Zollmuseum Horbach
Im Zollmuseum Horbach

Peter Dinninghoff, Ehrenamtler und pensionierter Polizist steckt viel Herzblut und Leidenschaft in das kleine Zollmuseum, dem möglicherweise die Schließung droht. Klamme Kassen und der Entzug öffentlicher Unterstützung könnten das Schicksal der einzigartigen Sammlung besiegeln. Dinninghoff hat viel zu erzählen und es ist eine Freude ihm in die Aachener Nachkriegszeit zu folgen. Draußen haben wir auch heute wieder fantastisches Wetter und das wollen wir nutzen um zwei weitere besondere Orte rund um Aachen aufzusuchen.

Raubkatzen im Zollmuseum Horbach
Raubkatzen im Zollmuseum Horbach

Einer ist der Dreiländerpunkt südwestlich von Aachen, wo uns ein 34 Meter hoher Skywalk einen großartigen Rundblick gewährt. Bei sehr guter Fernsicht blicken wir aus 353,5 Metern Höhe über das Uniklinikum hinweg auf den Raum Aachen im Nordosten. Es ist ein toller Ort zum Verweilen. 

Blick vom Skywalk am Dreiländerpunkt
Blick vom Skywalk am Dreiländerpunkt

Nördlich des Aachener Stadtgebietes suchen wir noch einen weiteren Aussichtspunkt auf dem Lousberg 264m auf. Mit einem kleinen Rundweg auf dem Bergplateau erreichen wir an einem Aussichtsplatz einen Obelisken aus Napoleonischer Zeit, der als Vermessungspunkt diente. Die Aussicht auf die Aachener Innenstadt und den Kaiserdom ist leider durch den Wald etwas eingeschränkt. Michael erzählt uns die Entstehungs-Legende des Lousbergs. Beim Bau des Doms haben die Aachener den Teufel überlistet, dieser schwor Rache und wollte Dom und Stadt mit Sand verschütten. Eine schlaue Bauersfrau ließ den Teufel wütend seinen Sandsack zu Boden schleudern und so entstand der Lousberg außerhalb der Innenstadt.

Obelisk auf dem Lousberg
Obelisk auf dem Lousberg

Der gemeinsame Sonntag mit unseren Freunden endet am Nachmittag bei Kaffee und einer besonderen Aachener Spezialität. Es ist der Reisfladen, ein köstlicher Kuchen mit gebackenem Milchreis, der sich in der gesamten Dreiländer- Region großer Beliebtheit erfreut. Wir freuen uns auf ein nächstes Treffen mit den Beiden und auf weitere Entdeckungen im Dreiländereck. Entspannt, ohne wesentliche Staus fahren wir mit schwindendem Tageslicht zurück nach Hause.

Ein tolles Wochenende in Brauweiler und Aachen
Ein tolles Wochenende in Brauweiler und Aachen

A. Korbmacher

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