2024 Urwaldsteig Edersee

2024 Urwaldsteig Edersee

Nach dem Abschluss des Natursteig- Sieg Anfang Februar heißt das neue gemeinsame Projekt mit unseren Freunden Moni und Bernhard Mitte März: Urwaldsteig Edersee. Der Edersee ist mit 11,8 Quadratkilometern Wasseroberfläche der zweit- und mit 199,3 Millionen Kubikmetern Stauraum der drittgrößte Stausee in Deutschland. Er liegt im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg und wurde in den Jahren 1908-1914 erbaut. In dem einst fruchtbaren Tal mussten dafür 900 Menschen Haus und Hof verlassen.

Edersee mit Schloss Waldeck
Edersee mit Schloss Waldeck

Der Hauptzweck des Sees ergibt sich aus der Wasserbereitstellung für große Schifffahrtswege wie Weser, Mittellandkanal, Lippe-Seitenkanal, Rhein-Herne- und Dortmund-Ems-Kanal. Diese regulative Funktion kam durch die anhaltenden Trockenphasen der letzten Sommer zum Erliegen, und damit zeitweise auch die Schifffahrt.

Einstieg in den Nationalpark über den Urwaldsteig Edersee
Einstieg in den Nationalpark über den Urwaldsteig Edersee

Mit 66 Kilometern umrundet der Urwaldsteig auf teilweise schmalen Pfaden den in die Höhen des Waldecker Landes eingebetteten Stausee. Einige dieser bewaldeten Höhen des hessischen Mittelgebirges Kellerwald toppen die 600 Meter-Marke. Seit 2001 ist ein Gebiet von 406 Quadratkilometern als Naturpark Kellerwald-Edersee deklariert, wovon ein Teil als Nationalpark einem noch höheren Schutz unterliegt. Der Kellerwald stellt eines der größten unzerteilten Buchenwaldgebiete Deutschlands dar, der einstige Urwald Deutschlands und Europas.

Hoch über dem Edersee
Hoch über dem Edersee

Wir treffen unsere Freunde am Vormittag an unserem vorbestellten Quartier südlich des Edersees, wo wir ein Auto stehen lassen. Auf dem Weg zum Hotel kommen wir an dem „tollen Haus“ vorbei, das als touristische Attraktion auf dem Kopfsteht. Auch vor der Tür parkt ein Auto auf dem Dach 🙂 Die erste Etappe beginnt in Waldeck nordöstlich des Seeufers. Im Uhrzeigersinn beginnen wir den Rundweg mit den 11 Kilometern der 1. Etappe bis zu unserem Hotel mit dem schönen Namen „Dornröschenshöh“, von wo wir am Sonntag den Urwaldsteig mit etwa 9 Kilometern bis zu einem Wanderparkplatz oberhalb der Ortschaft Bringhausen voranbringen.

Schloss Waldeck
Schloss Waldeck

Das Wetter hat sich nach den letzten Regentagen zumindest entschieden uns weitere Regengüsse zu ersparen. Wir parken in der Nähe des Waldecker Schlosses, das wir bei Gelegenheit noch einmal genauer inspizieren müssen. Immerhin ist das Schloss, in dem sich heute ein Hotel befindet auf den Grundmauern einer Höhenburg des frühen 12. Jahrhunderts entstanden. Mit annähernd 10 Grad ist es nicht sonderlich kalt für Mitte Februar als wir uns zum Einstieg unseres Rundweges begeben. Ein Schild warnt mit dem Hinweis „Schwieriger Steig“, was sich beim ersten Steilabstieg dann auch tatsächlich bestätigt.

Bernhard mit knorriger Bergeiche
Bernhard mit knorriger Bergeiche

Die Regenfälle der letzten Tage haben den Weg erheblich angeglitscht, was perfekte Bedingungen für einen Stunt nebst Schlammbad bietet. Bald geht der Steig in eine Hangquerung über, die uns entlang knorriger Bergeichen an schöne Aussichtsplätze bringt. Am Hexenkopf erreichen wir eine Stelle, an der der Sage nach Hexenverbrennungen praktiziert wurden. Dies ist entgegen der Tatsache, dass Hexen im 17.Jahrhundert auch im Waldecker Land verfolgt wurden, nicht beurkundet. Der Aussichtpunkt „Kanzel 399m“ bietet den perfekten Blick über den See auf das Schloss Waldeck.

Am Aussichtspunkt "Kanzel"
Am Aussichtspunkt „Kanzel“

Von der kleinen Kanzel am Uhrenkopf schauen wir hinunter auf die Staumauer mit der Ortschaft Hemfurth. In der Nacht vom 16. Auf den 17. Mai 1943 wurde die Staumauer Ziel eines Bomberangriffs der Royal Navy. Spezielle Fassbomben, die wie flach geworfene Steine die Fangnetze bis unmittelbar vor der Staumauer überspringen, wurden auf dem See abgesetzt. Die Detonation beim Absinken der Bombe brachte das Bollwerk aus der Kaiserzeit zum Bersten. Die gewaltige Flutwelle führte zu großen Schäden im unteren Edertal. Eine Tafel weist auf das Flakgeschütz an der kleinen Kanzel hin, das wenige Tage vor dem Angriff auf die Staumauer abgezogen wurde.

Die Staumauer unter der "Kleinen Kanzel"
Die Staumauer unter der „Kleinen Kanzel“

Wir folgen den Wegweisern des Urwaldsteigs mit den weißen Buchstaben „UE“ auf blauem Grund absteigend auf 210 Höhenmeter hinunter nach Hemfurth-Edersee, wo wir an eine Siedlung im Stil des amerikanischen Wilden Westens gelangen. Holzhäuser mit typischen Verandas, Kutschen und Aufschriften wie „Sheriff“ oder „Undertaker“ vermitteln den Eindruck einer Filmkulisse für einen Kinoklassiker dieses Genres. Die Lösung ist, dass es sich um ein originelles Motel handelt, dem auch ein „Tex-Mex“- Restaurant angeschlossen ist.

Kuriositäten auf dem Urwaldsteig
Kuriositäten auf dem Urwaldsteig

Wir überqueren die abfließende Eder über eine Brücke hinter der sich der Fluss auf seinem weiteren Weg zur Fuldamündung noch einmal im Affoldener See aufstaut. Nach einem Stück entlang des Ufers erreichen wir das Pumpspeicherkraftwerk Waldeck, wo sich unser Weg dann gut 140 Höhenmeter zum großen Hegekopf aufschwingt. Das Kraftwerk erzeugt mit einem ersten Oberbecken (Waldeck I) seit 1933 bis zu 145 Megawatt, mit einem größeren Becken (Waldeck II) seit 1973 zusätzliche 480 Megawatt Strom zu Spitzenlastzeiten- Erweiterungen sind in der Planung. Zu Schwachlastzeiten wird Energie aufgewendet um die Speicherbecken wieder auf zu füllen. Wir verlassen den Weg an einem Wanderparkplatz, an dem wir morgen anknüpfen und erreichen von hier zeitig unser Dornröschenquartier an der K35.

Wegzeichen im Kellerwald
Wegzeichen im Kellerwald

Wir haben ausreichend Zeit den Tag mit einem Besuch der Sauna ausklingen zu lassen. Im Restaurant gibt es etwas Zünftiges auf den Tisch. Zufrieden mit dem heutigen Tag finden wir uns zeitig auf dem Kopfkissen unseres gemütlichen Zimmers wieder. Wir blicken aus unserem Fenster hinunter auf ein Wildgehege, in dem nur wenige Tiere zu sehen sind. Der Sonntag beginnt fast sonnig, obwohl der Wetterbericht ab Mittag Regen prophezeit. Ein Auto deponieren wir auf einem Wanderparkplatz bei Bringhausen, wonach wir am Großen Hegekopf an den gestrigen Weg anknüpfen.

Aufstieg zum Großen Hegekopf
Aufstieg zum Großen Hegekopf

Es ist zwar mit 20 Kilometern an diesem Wochenende keine besonders lange Wegstrecke, mit 624 auf- und 710 abgestiegenen Höhenmetern allerdings ein sportliches Höhenprofil. So schwingt sich der Weg zunächst weitere 100 Höhenmeter hinauf an den Großen Hegekopf, um von hier nach einem kurzen Abstieg noch einmal auf 525 Meter um den Ochsenwurzelskopf 542m herum anzusteigen. Wir befinden uns in dieser Höhe unmittelbar unter dem Hochspeicherbecken des Pumpkraftwerks auf dem Peterskopf. Im Sommer führt vom Kraftwerk eine Standseilbahn hier hinauf.

Baumpilz
Baumpilz

Durch herrlichen Mischwald erreichen wir den Sauermilchplatz mit einer Schutzhütte und dem Grab des legendären Försters Kruhöffer (1821-1893), der wegen seiner lauten Stimme in der Gegend als „Waldbölker“ in die Annalen eingegangen ist. Um den 465 Meter hohen Daudenberg mit seiner eiszeitlichen Blockschutthalde herum erreichen wir bald unser heutiges Etappenziel am Parkplatz Kirchweg. Mit dem Erreichen des Autos beginnt es zu regnen, wir sind an diesem Wochenende trocken geblieben. Das Museum zur Staumauer des Edersees können wir wegen der Winterpause nicht besuchen. Wir verabschieden uns von unseren Freunden, mit denen wir terminlich leider erst im Juni weiter auf dem Urwaldsteig unterwegs sein können.

Unterwegs im Urwald
Unterwegs im Urwald

In der Zwischenzeit führt uns Mitte Mai über den „Muttertag“ ein Wochenend- Ausflug in die Vergangenheit meiner Mutter, ins Waldecker Land. In Essen war ihr Elternhaus im 2. Weltkrieg den Bombenangriffen der Alliierten zum Opfer gefallen. Zusammen mit Mutter, Schwester und dem schwerkranken Vater wurde sie im Rahmen einer Evakuierungs- Maßnahme aus der Stadt in die Nähe von Korbach verschickt. Sie verbrachte so einen Teil ihrer Kindheit bei den dort lebenden Verwandten auf einem Bauernhof in Vasbeck, wo sie auch zur Schule ging.

Muttertag am Edersee
Muttertag am Edersee

Über die vielen Erinnerungen an diese Zeit spricht sie oft mit uns. Am Samstagabend kommen wir einer Verabredung mit ihrer Cousine und deren Tochter und Schwiegersohn nach, mit denen wir einen geselligen Abend in einem Restaurant in Korbach verbringen. Es ist ein sonniges Wochenende und wir besuchen mit ihr unter anderem Schloss Waldeck, die Staumauer des Edersees und den schönen mittelalterlichen Altstadtbereich von Korbach.

Mittelalterliches Korbach
Mittelalterliches Korbach

Am Hof ihrer Kindheit in Vasbeck treffen wir nur die alte Dame des Hauses an, die eine Weile braucht um unseren Besuch einordnen zu können. Die Landwirtschaft auf dem ehemaligen Bauernhof ist längst von Großbauern übernommen worden. Ich selbst erinnere mich an einen Besuch in meiner Kindheit, als es hier noch einen Stall gab in dem ich damals ein süßes Kälbchen bewundert habe. Es war auch ein bleibendes Erlebnis für mich bei der Rübenernte zu helfen, dabei durfte ich als Knirps sogar einmal den Traktor fahren.

Digitalis (Fingerhut)- Schön und giftig
Digitalis (Fingerhut)- Schön und giftig

Mitte Juni kehren wir zurück an den Edersee und treffen uns mit Moni und Bernhard in der Nähe von Kirchlotheim auf einem Wanderparkplatz, wo wir die Autos parken. Am Südufer des Sees macht der Urwaldsteig seinem Namen alle Ehre, denn vom Ende der sich nun anschließenden 3. Etappe wäre eine Autofahrt zum Startpunkt nur mit einem enormen Umweg rund um den Nationalpark machbar.

Erste Rast mit Blick auf den Edersee
Erste Rast mit Blick auf den Edersee

Dorothees Planung sieht daher so aus, dass sie einen 20,7 Kilometer langen Rundkurs ausarbeitet, der uns zunächst von Kirchlotheim nach Osten zum Lückenschluss nach Bringhausen bringt. Von hier geht es mit dem Urwaldsteig im Uhrzeigersinn oberhalb des Sees zurück nach Kirchlotheim und addiert auf dem gesamten Weg etwa 500 Höhenmeter an Auf- und Abstiegen.

Segler auf dem Edersee
Segler auf dem Edersee

Es ist am Vormittag sonnig und von Seiten der Vorhersage erwarten wir keine Niederschläge. Enorme Vorkommen von Fingerhut am Wegesrand fallen uns ins Auge. Mit einem schönen Tiefblick auf dem See geht es entlang von Feldern durch Mischwald, in dem auch häufig Eichen anzutreffen sind. Es gilt immer mal wieder umgestürzte Bäume zu über- oder unterklettern. Schilder weisen uns darauf hin, dass wir uns im Nationalpark befinden. Ich bin gut geschafft, als wir die Runde am späten Nachmittag abschließen.

Urwaldsteig Edersee
Urwaldsteig Edersee

Es gibt nicht viele Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe und so haben wir uns diesmal in der Jugendherberge Hohe Fahrt angemeldet. Die Herberge liegt in der Nähe des Endpunktes der morgigen 4. Etappe und hat eine schöne Lage auf der Nordseite des Sees. Einige Gruppen mit Kindern und Jugendlichen sind hier zu Gast. Es gibt ein reichhaltiges Abendessen in Buffetform, das wir draußen auf der Terrasse in der Sonne einnehmen. Meine Beine sind ganz schön strapaziert und mich plagen Muskelkrämpfe. Ich klettere früh in die obere Etage unseres Doppelstock-Bettes und schlafe nach ein paar Dosen Magnesium bald ein.

Abendessen auf der Terrasse der JH Hohe Fahrt
Abendessen auf der Terrasse der JH Hohe Fahrt

Auch das Frühstück findet nach dem Gewusel am Buffet gemütlich in der Sonne auf der Terrasse statt. Heute lassen wir ein Auto am Endpunkt der heutigen Etappe 4 in Asel. Vom Wanderparkplatz bei Kirchlotheim aus umrundet diese Etappe den westlichen Teil des Edersees und führt uns mit 15,3 Kilometern am Nordufer entlang, an der Jugendherberge vorbei in die Asel-Bucht, wo das zweite Auto steht.

Eder-Panorama
Eder-Panorama

Der Tag beginnt wieder sonnig, als wir uns auf der Anhöhe oberhalb von Kirchlotheim auf den Weg machen. An einem Kornfeld machen wir Bilder von den zahlreichen Mohn- und Kornblumenblüten, die als wunderschöne Farbkleckse in der Landschaft stehen. Vor dem Abstieg von etwa 400 Höhenmetern hinunter auf Seeniveau bei etwa 250 Meter haben wir ein tolles Panorama mit Fernblick auf die letzten Kilometer der Eder vor der Einmündung in den Stausee. Ein Zitat des Lyrikers Joseph von Eichendorff (1788-1857) auf einer Holztafel unterstreicht diesen Ausblick:

„Schau von dem Berg auf Waldesgrün und auf der Stromes Silberbänder, die sich durch Ährenfelder ziehen“

See-Idyll bei Herzhausen
See-Idyll bei Herzhausen

Am Seeufer bei Herzhausen kommen wir an einer alten Linde vorbei, in deren Blüten sich unzählige Bienen am Nektar bedienen. Herzhausen hat durch den Bau der Staumauer 1908-1914 und der Aufstauung des Sees 130 ha wertvolles Land und 23 Gebäude verloren. Mit wunderschönen Blicken über den See geht es eine ganze Weile am Ufer entlang. Der Edersee ist ein idyllisches Wassersportrevier, wo sowohl Paddler und Ruderer, als auch Segler unterwegs sind. Angler werfen ihre Ruten aus und ziehen gelegentlich Fische aus dem Wasser.

Gedenkstätte Polenkreuz
Gedenkstätte Polenkreuz

Immer wieder bringen uns Anstiege vom Ufer weg durch den Wald am Nordhang des Sees. Bei Herzhausen gelangen wir an die Gedenkstätte „Polenkreuz“. Hier ließ die SS am 19.Dezember 1942 sechs polnische KZ-Inhaftierte des KZ-Breitenau vor den Augen versammelter Zwangsarbeiter erhängen. Ein Vergeltungsakt für einen Hilfspolizisten, der von einem polnischen Zwangsarbeiter getötet wurde. Der geflüchtete Micolay Gluczko versteckte sich einen weiteren Monat lang in einer Erdhöhle bei Asel, bis er durch eine Handgranate schwer verletzt wurde und in Korbach verstarb.

Beobachtungen auf dem Urwaldsteig
Beobachtungen auf dem Urwaldsteig

An einer Stelle hat ein Erdrutsch einen Teil des Weges mitgerissen. Steil aufwärts müssen wir den Hangrutsch umgehen. Mit zunehmender Bewölkung wird es immer schwüler, aber es bleibt trocken von oben. Wir erreichen den Parkplatz in Asel und bringen unsere Freunde noch zu ihrem Auto nach Kirchlotheim. Beim Abgleich unserer Terminkalender steht das nächste Wochenende am Edersee erst Mitte August an. Auf der Heimfahrt umfahren wir die Staus auf der A44 über den Hellweg, der uns über Soest und Werl auf die A1 bringt.

Umlgehung des Erdrutsches
Umlgehung des Erdrutsches

Bei der Dusche zu Hause bemerke ich, dass es trotz Zeckenmittel ein paar Zecken geschafft haben ihre Köpfe in die Haut zu bohren. In Anbetracht des gestrigen vegetarischen Abendessens in der Jugendherberge bereiten wir uns zu Hause eine feine Currywurst auf dem Grill und zittern am Abend mit unserer Nationalmannschaft beim EM- Vorrundenspiel gegen die Schweiz, bei dem Füllkrug kurz vor Abpfiff noch den 1:1 Ausgleich raus holt.

Currywurst mit Fußball
Currywurst mit Fußball

Das Finale für die letzten 28 Kilometer auf der Etappe 5 und 6 zurück nach Waldeck, wo wir im Februar gestartet sind läuten wir Mitte August ein. Es wird ein sehr sonniges Wochenende und der Wetterbericht prophezeit Temperaturen bis über 30 Grad. Wir fahren am Samstag früh morgens vor 8 Uhr los, denn wir sind mit unseren Freunden um 10 Uhr am Endpunkt der 5. Etappe, auf einem Wanderparkplatz am Seitenarm des Edersees bei Nieder-Werbe verabredet. Ein Auto lassen wir hier stehen und begeben uns mit dem anderen zum Anknüpf-Punkt in der Asel-Bucht. Knapp 16 Kilometer laufen wir heute mit gut 450 Höhenmetern aufsummierter Anstiege.

Auf dem Knorreichensteig
Auf dem Knorreichensteig

Der Urwaldsteig schwingt sich gleich hinauf zu schönen Tiefblicken auf den Edersee. Der Wald hat sich zu dieser Jahreszeit ein dichtes Blätterdach zugelegt und spendet uns an einem solchen Sommertag willkommenen Schatten. Es sind Bergeichenwälder, durch die uns der oft schmale Pfad als „Knorreichensteig“ führt. Wir sehen heute weiße Flechten, die den Boden bedecken und dort wo die Sonne auf den Boden fällt den Eindruck von Schnee erwecken. Eingebettet in den grünen Urwald liegt der See, dessen Farbschattierung je nach Lichteinfall und Tiefe irgendwo zwischen grün und blau wechselt. Auch heute betätigen sich viele Wassersportler wie Segler, Paddler und Ruderer auf dem weitläufigen Gewässer. Mehrfach muss ich mit Schweißperlen auf der Stirn über die Möglichkeit eines Sprungs in den See nachdenken.

Entdeckungen im Naturpark
Entdeckungen im Naturpark

Nach einem fantastischen Wandertag beziehen wir unser Hotel in Waldeck. Wir haben hier ein schönes Zimmer mit einer weiten Aussicht über das Waldecker Land und erhaschen sogar einen Blick auf den Edersee. Eine Weile genießen wir diesen Blick und trinken ein kühles Bier aus der Mini-Bar. Leider hat das Hotel kein eigenes Restaurant und wir werden nach dem Duschen beim Italiener am Platze erwartet. Doro hat hier vorsorglich reserviert und das bewährt sich in Anbetracht der Schlange mit Gästen ohne Voranmeldung.

Dolcefarniente- Ein italienischer Abend in Waldeck
Dolcefarniente- Ein italienischer Abend in Waldeck

Der sardische Chef präsentiert eine übersichtliche Karte, in der mich der Frevel einer Pizza- Gyros in Erstaunen versetzt. Für einen waschechten Italiener doch eigentlich ein Sakrileg, bei dem er sich wie bei einer Pizza Hawaii gewöhnlich bekreuzigt, ist dieses Angebot möglicherweise dem Wunsch der Waldecker Bevölkerung geschuldet. Auch bei uns in Wuppertal ist der Belag einer Pizza mittlerweile multikulturell und nur noch an wenigen Orten ein echtes italienisches Kulturgut.

Waldecker Schloss unter Mond und Sternen
Waldecker Schloss unter Mond und Sternen

Wir verbringen auf der Terrasse der „Isola Sarda“ einen lauen Sommerabend und sind erstaunt über die leckeren Sachen auf unseren Tellern, die uns der Familienbetrieb hier bietet. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Caprese, dem Scaloppina con finferi und der gut gekühlte toskanische Vermentino vermittelt einen Hauch von Dolcefarniente im Waldecker Land, über dem die Sonne ihre Abschiedsvorstellung gibt.

Urwaldsteig Finale
Urwaldsteig Finale

Nach dem Essen drehen wir noch eine kleine Runde durch das historische Städtchen Waldeck, in dem viele Tafeln Erläuterungen über die mittelalterliche Stadt geben. Seit 1250 verfügte die erstmals 1232 erwähnte Siedlung Waldeck über eine Stadtmauer mit 3 Stadttoren. Mit dem Bau der heute evangelischen Kirche wurde bereits um 1300 begonnen, das Schiff aber erst im 16.Jahrhundert ausgebaut. Gegenüber liegt erleuchtet unter dem Sternbild des großen Wagens Schloss Waldeck, hervorgegangen aus einer Burganlage des 12. Jahrhunderts.

Ein russischer Bär- als Schmetterling völlig ungefährlich
Ein russischer Bär- als Schmetterling völlig ungefährlich

Wir sitzen vor dem Schlafengehen noch eine Weile auf der Terrasse unseres Hotelzimmers, es ist die Zeit der Perseiden, verglühender Teilchen des Kometen 109P/Swift-Tuttle, deren Bahn die Erde jährlich rund um den 12. August kreuzt. Einen langen hellen Lichtblitz sehe ich noch von meinem Kopfkissen aus und na klar- mit meinem Wunsch schlafe ich zufrieden ein. Am Morgen haben wir ein tolles Frühstück, bevor wir uns unserem vorerst letzten Wandertag am Edersee zuwenden. Wir befinden uns hier in Waldeck ja bereits am Endpunkt des Urwaldsteigs und können ein Auto am Hotel stehen lassen.

Auf See- Niveau in Nieder-Werbe
Auf See- Niveau in Nieder-Werbe

Fotografisch werde ich gleich auf dem ersten Kilometer von einer Schmetterlingsart beschäftigt, die am Sonntagmorgen in großer Zahl am Wegesrand zu beobachten ist. Es sind Falter aus der Bären-Familie, wie hier der Russische Bär, auch als spanische Flagge bekannt. Er kann seine Flügel zweimal ausbreiten und nachdem bei der Aufsicht zunächst nur seine schwarzen Flügel mit hellgelben Streifen sichtbar sind strahlt bei weiterem Aufschlagen ein rotes Dreieck mit schwarzen Punkten auf. Die Warnfarbe soll im Sinne von Mimikri Giftigkeit signalisieren und so Vögel abschrecken. Der Falter hat ein Faible für rosa Blüten und mit seinem langen Saugrüssel holt er sich daraus den begehrten Nektar.

Aussichtspunkt hoch über dem Edersee
Aussichtspunkt hoch über dem Edersee

Nach einem ersten Aufstieg geht es wieder runter auf Seeniveau und bei Nieder-Werbe mit einer Brücke über den nördlichen Seitenarm der Talsperre. Vom anderen Ufer blicken wir auf den Ort, der sich auf der Wasseroberfläche spiegelt. Nun geht es insgesamt über 125 Höhenmeter hinauf in die knorrigen Eichen- und Buchenbestände, unter denen sich als Bodenbedeckung Erikakraut ausbreitet. An einem lichten Felssporn im Wald lasse ich meine Kameradrohne hoch über dem See aufsteigen und fange auch aus dieser Perspektive die Landschaft des Edersees ein.

Der Blick auf den See aus 100 Meter über Grund
Der Blick auf den See aus 100 Meter über Grund

Mit einem ständigen Auf und Ab nähern wir uns langsam dem Ende unserer Unternehmung, bis wir mit einem letzten Schlussanstieg die Urwaldsteig- Runde um den Edersee beschließen. Gut 1000 Höhenmeter haben unsere Schuhsohlen an diesem Wochenende bezwungen. Glücklich, mit schmerzenden Beinen und den Bildern dieser herausragend schönen Landschaft im Naturpark Edersee- Kellerwald treten wir die Heimfahrt an.

Wieder ein Projekt fertig- Was machen wir als nächstes?
Wieder ein Projekt fertig- Was machen wir als nächstes?

Arnd Korbmacher

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