Mitte Januar gibt es in Wuppertal reichlich Sonnenschein bei kühlen Temperaturen nahe am Gefrierpunkt. Wir freuen wir uns nach einer mit Arbeit gefüllten Woche darauf das Projekt Hermannsweg weiter voran zu bringen. Der Wetterbericht stellt unser Verständnis für den Wettergott aber auf eine harte Probe. Ein Tiefdruckgebiet bringt Sturmböen und Dauerregen von den britischen Inseln über den Atlantik zu uns. Das ist nicht fair!
Unsere Unterkunft ist ein weiteres Mal der Gasthof zum Freden in Bad Iburg, wo uns die am Abend gereichten Köstlichkeiten aus der Küche die Wetterkapriolen erst einmal vergessen lassen. Familie Eichholz und Team gibt uns wieder das schöne Gefühl als Gast willkommen zu sein. Die Herzlichkeit der Chefin des Hauses, die sich gern mit ihren Gästen unterhält erscheint uns aufrichtig, sie lacht gern und das ist ansteckend.
Am Samstagmorgen haben wir dann den Wecker gestellt und mit Blick nach draußen bestätigt sich die düstere Wetterprognose. Es wird gar nicht richtig hell und kurz kommt der Wunsch auf einfach liegen zu bleiben. Das Frühstück lockt uns aber dann doch aus dem Bett und ja- man könnte Regenzeug aufrödeln und…- muss man aber nicht. Eine alternative Idee ist es im Kontext mit dem Hermannsweg den Ort der Varusschlacht bei Kalkriese aufzusuchen. Im Jahr 9 n.Chr. erlitt das römische Imperium hier die Niederlage, mit der die römische Besatzung Germaniens jenseits des Rheins endete.
Unsere Tochter war 5 Jahre alt, als wir 2002 das noch junge Museum in Kalkriese besucht haben. Erst 1989 gab ein Münzfund mit nachfolgenden weiteren Funden auf dem Gelände zwischen dem Kalkrieser Berg und den angrenzenden Mooren einen ersten Hinweis auf den tatsächlichen Ort der Varusschlacht. Der römische Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus (geb. 55 n.Chr.) hat in seinen Aufzeichnungen den genauen Ort leider nicht lokalisiert, an dem er später selbst die bleichen Knochen auf dem Schlachtfeld beschrieben hat ….Lange wurde um den Ort gerätselt, heute ist man sich sicher, das sich die Schlacht hier am Nordrand des Wiehengebirges, am Kalkrieser Berg ereignet hat.
Die Spuren der damaligen Ereignisse bergen Archäologen heute aus bis zu 5 Metern Tiefe, da Plaggen-Düngung (Eschkultur) das Niveau der Grasnarbe im Laufe der Jahrhunderte entsprechend angehoben hat. So blieben viele Gegenstände unversehrt von äußeren Einflüssen erhalten- Ein besonderer Fund hat Kalkriese ein Gesicht gegeben, es ist die Maske eines römischen Offiziers, die der Boden preisgegeben hat. Die didaktisch gut gemachte Ausstellung vermittelt dem Besucher die Zusammenhänge wie es zur Niederlage der römischen Streitmacht kam. Arminius, ausgebildet in der römischen Legion, Vertrauter des Stadthalters und Feldherrn Varus war es, der die zerstrittenen germanischen Stämme gegen Rom anführte.
Wir sehen einen Film zum jüngsten Sensationsfund, einem römischen Schienenpanzer, der bei einem Metalldetektor-Kurs gefunden wurde. Um den Fund nicht zu gefährden wurde der in einem Erdblock eingeschlossene Panzer im Computertomographen sichtbar gemacht. Zukünftig soll das Exponat nach jahrelanger, aufwendiger Konservierung der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Bisher resultiert alles was wir über die typische Rüstung römischer Legionäre wissen aus einem Fund in Großbritannien.
Ein Aussichtsturm öffnet den Blick auf das Gelände, auf dem vor über 2000 Jahren die Hölle los war. Die Taktik des Arminius ging im hiesigen „Flaschenhals“ zwischen Berg und Morast auf. Die schwerfällige Formation des römischen Heers brach in diesem schwierigen Gelände auseinander, die wendigen Krieger der Germanen griffen von allen Seiten an. Der resultierende Verlust von 3 römischen Legionen (1 Legion = 3000-6000 Soldaten) war für das römische Reich, das in seiner Blütezeit über insgesamt 30 Legionen auf 3 Kontinenten verfügte schlichtweg eine Katastrophe.
„Quinctilius Varus- Gib mir meine Legionen zurück!“ rief Kaiser Augustus entsetzt in Rom aus…
Jedes Schlachtfeld wirft Fragen auf, denn eines steht fest- Krieg ist immer der Offenbarungseid der Diplomatie. Der Drang nach Freiheit und kultureller Integrität hat in der Geschichte schon viele Großmächte zerbrechen lassen- unsere Generation in Europa ist in dem Glauben herangewachsen, dass das Zeitalter des Imperialismus längst hinter uns liegt. Ob die Menschheit auf diesem Planeten eine Chance hat ist keine Frage von Grenzen, sondern der Zusammenarbeit. Der Imperator des russischen Reichs hat da ziemlich genau vor 1 Jahr anders entschieden- seitdem tobt eine Schlacht auf dem souveränen Territorium der Ukraine mit unklarem Ausgang für die Welt. Gespräche und Diplomatie liegen jetzt auf Eis- auf ganz dünnem Eis!
Texte auf den Eisenplatten am Boden regen zum Nachdenken an- so ein Textauszug von Erich Kästner (1899-1974) zum WWI-Schlachtfeld von Verdun:
„….Auf den Schlachtfeldern von Verdun wachsen Leichen als Vermächtnis- Täglich sagt der Chor der Toten: Habt ein besseres Gedächtnis!“
Mit einer Runde über das Kalkrieser Schlachtfeld im Nieselregen schlägt uns immer wieder eine feuchte Gischt ins Gesicht, wobei uns die zunehmende Durchfeuchtung Lust auf die Sauna im Hotel macht. Auf dem Rückweg nach Bad Iburg besuchen wir noch in Belm die St.Dionysius-Kirche. Grundmauern und Turm stammen aus dem 11., das Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert. Möglicherweise wurde die Frau des Sachsenkönigs Widukind in Belm bestattet.
Nach der Sauna freuen wir uns auf unserer Abendessen das auch an diesem Abend begeistert. Der Regen wird das Wochenende auch weiter begleiten und so halten wir uns mit der Planung erst einmal alle Optionen offen. Nach dem Frühstück verlassen wir das Haus nicht ohne einen letzten Plausch mit der Chefin und dem Versprechen bald wieder einmal hier zu Gast zu sein.
Wir gehen auch am Sonntag nicht weiter auf dem Hermannsweg. Wir besuchen die Gedenkstätte Augustaschacht in Ohrbeck südlich von Osnabrück. Millionen von Menschen aus ganz Europa wurden von den Nationalsozialisten zu Zwangsarbeit verpflichtet. Diese Arbeit war bereits unmenschlich und Versuche sich dieser zu entziehen führten zur Inhaftierung in einem Arbeitserziehungslager (AEL) der Gestapo. Ohrbeck war ein solcher Ort, an dem Menschen durch unmenschliche Behandlung gefügig gemacht werden sollten. Neben Willkür, Folter und Quälerei brachten Krankheiten und Hunger vielen Insassen den Tod. Die dargestellten Einzelschicksale und die Berichte der Inhaftierten berühren tief- der Besucher blickt an diesem „Lost-Place“ direkt in den dunklen Abgrund der menschlichen Natur.
Am Mittag zeigt sich die Sonne und wir fahren zurück nach Bad Iburg. Auf unserer Agenda steht nun der Besuch des Iburger Schlosses, an dessen Stelle sich bereits eine Burg aus dem 9./10.Jh. befand. 1080 gründete Benno II. das Benediktinerkloster. Vom 11.-17.Jahrhundert residierten die Bischöfe von Osnabrück in der Doppelanlage aus Schloss und Kloster. Mit Kurfürst Ernst August I. von Hannover endet 1673 die Geschichte der bischöflichen Residenz auf dem Iburger Schloss, sie wurde in das neue Schloss in Osnabrück verlagert.
Nach einem Rundgang durch das Schlossmuseum nehmen wir an einer sehr kompetenten Führung teil. Wir erfahren eine ganze Menge Wissenswertes über die Geschichte des Schlosses. Die Ehe von Ernst August I. mit Sophie von der Pfalz brachte 1668 Sophie Charlotte, die spätere Königin von Preußen hervor. Der älteste Sohn wurde 1714 aufgrund der Bestimmungen des „Act of Settlement“ König George I. von Großbritannien. Die Nachfahren der Welfen besetzen somit bis heute den britischen Thron. Nach dem alten Königssitz Windsor legte George V. am 17.07.1917 einen neuen Namen für das britische Königshaus fest- ein Artefakt, um sich so im I. Weltkrieg namentlich von seinen deutschen Wurzeln zu befreien.
Der Rittersaal der Burg ist der älteste erhalten gebliebene illusionistische Prunkraum nördlich der Alpen. Die erste Gestaltung geht auf das Jahr 1606 zurück, es folgten Neuausstattungen vor allem nach Zerstörungen des 30-jährigen Krieges Mitte des 17.Jahrhunderts. Im Bergfried der Anlage sollen die Wiedertäufer inhaftiert gewesen sein. Wir besuchen die 1664 eingeweihte evangelische Kirche und die katholische Klosterkirche St. Clemens. Um 1080 begannen die Mönche unter Benno II. mit dem Bau der dreischiffigen romanischen Basilika. Benno II., der den frühen Papst Clemens I. verehrte hat hier seine Ruhestätte.
Wir rollen am Nachmittag nach einem erfüllten Wochenende heim, zwar mit wenigen Kilometern in den Beinen, aber mit dem Kopf voller neuer Eindrücke und Erkenntnisse. Wir hoffen beim nächsten Mal auf günstigere Bedingungen für unser Streckenprojekt, den Hermannsweg.
Ja- und das Hoffen hat sich am langen Wochenende Ende April mit dem 1. Mai, der auf einen Montag fällt gelohnt. Es soll am Sonntag und Montag Sonne satt geben mit Temperaturen, die tagsüber an der 20-Grad-Marke kratzen. Wir können das Wochenende leider nicht komplett dem Streckenwandern widmen, da ich bis Samstagnachmittag den deutschen Anästhesiekongress besuche, der diesmal praktischerweise in Düsseldorf stattfindet. Mit dem Kopf voller fachlichem Input haben wir nun wegen des Feiertags noch 2 volle Tage Gelegenheit unsere Lungen im Teutoburgerwald mit Luft zu füllen.
Das noch regnerische Wetter am Samstag öffnet sich bei unserer Anfahrt nach Norden zunehmend. Wir haben unser Quartier diesmal in Hagen am Teutoburger Wald festgemacht und sind so früh vor Ort, dass wir sogar noch ausreichend Zeit für die Sauna finden. Das Haus ist ein Familienbetrieb, der gerade von einem Trauerfall erschüttert wurde. Von anderen Gästen erfahren wir, dass der Seniorchef im hohen Alter von 90 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben ist. Gerade am Freitag fand die Beisetzung statt. Wir lernen auch die rüstige Senior-Chefin kennen, die ihren Gästen allerdings nichts anmerken lässt.
Die erste Spargel-Ernte findet sich neben vielen guten Sachen in der Speisekarte. Wir essen ganz vorzüglich im Gastraum des Hotels und freuen uns nun endlich auf 2 Wandertage, mit denen wir auf der Etappe 3 den Hermannsweg bis an den östlichen Ortsrand von Lengerich nach Westen ausbauen.
Am ersten Wandertag stellen wir unser Auto an einer Tankstelle am Raiffeisenmarkt am westlichen Ortsrand von Lienen ab. Von hier fahren wir mit dem Bus nach Lengerich-Intrup, von wo uns der aufsteigende Zuweg über die Höhen des Hermannswegs führt. Wir überschreiten dabei mit einem Aufstieg von 150 Höhenmetern den höchsten Berg des Münsterlandes, den Westerbecker Berg mit 235 Metern Höhe. Der Abstieg durch die Felder von Westerbeck führt uns nach 15 Kilometern zuletzt über die Gleise der Eisenbahnstrecke zu unserem Auto in Lienen.
Am zweiten Wandertag ist es dann noch ein Rundweg von 10 Kilometern, mit denen wir vom Parkplatz des Waldschwimmbads von Lienen die Lücke zwischen dem Abstieg vom Vortag und dem Punkt an dem wir den Hermannsweg im November zwischen Bad Iburg und Lienen verlassen haben schließen. Es geht wieder an die 150 Meter hinauf auf den Höhenrücken.
Nach einem sehr guten Frühstück machen wir uns auf den Weg. Direkt vor dem Haus stehen Zier- Kirschbäume, die in einem rosaroten Farbenrausch erblühen. In knalligen Farben strahlen auch die gelben Rapsfelder in einer grünen Landschaft. Darauf stehen Obstbäume in ihrem weißen Blütenkleid. Der erste Bus zu unserem Startpunkt in Lengerich fährt erst nach 11 Uhr und so können wir erst recht spät von Intrup starten. Beim Verlassen der Siedlung am Rand von Lengerich informiert uns eine Tafel über die Geschichte des Eisenbahntunnels Lengerich.
Mit dem nördlichsten Eisenbahntunnel Deutschlands durchbricht die Trasse der Cöln-Mindener Eisenbahn seit 1871 hier auf einer Länge von 765 Metern den Teutoburger Wald. In der Folge entstand eine neue Tunnelröhre über 581 Meter Länge mit dem Plan einen 4-Gleisbetrieb aufzunehmen. Im 2. Weltkrieg fehlten dazu jedoch die Mittel. Was man allerdings benötigte waren geschützte Produktionsstellen für Kriegswaffen, es entstand das Geheimlager „Rebhuhn“ als Außenlager des KZ-Neuengamme. Zwischen März 1944 und März 1945 waren hier 200 Häftlinge mit der Produktion von Flugzeug-Tragflächen beschäftigt. Viele kamen durch die unmenschlichen Bedingungen und durch Hinrichtungen zu Tode. Am 14.März 1945 wurden alle Häftlinge auf den Todesmarsch nach Neuengamme geschickt.
Im Wald hat man förmlich den Eindruck, dass alles auf Hochdruck ergrünt. Die Bäume beginnen damit ihr Blätterdach zu entfalten und am Boden finden sich Buschwindröschen und duftender Bärlauch. Auf sonnigen Löwenzahnwiesen stehen Kirschbäume in voller Blütenpracht und über Allem tiefblauer Himmel. Es macht wirklich Laune mal wieder bei solchen Bedingungen unterwegs zu sein. Gut 100 Höhenmeter führt uns der Weg am Galgenknapp vorbei auf den Intruper Berg. Hier befindet sich das Gelände eines historischen Kalksteinbruchs, das seit 1992 der Natur zurückgegeben wurde. Es bildete sich ein Biotop aus Magerrasen und Kalksümpfen als Lebensraum für geschützte Tier- und Pflanzenarten.
Wir werden heute aber von der Abbruchkante nach Süden gigantische Abbaukrater in der Landschaft sehen, in denen die Lengericher Firma Dyckerhoff das Grundmaterial für den nicht nachlassenden Hunger nach Baustoffen aus dem Boden holt. Der Kalkstein hat sich vor 95 Millionen Jahren aus Meeresablagerungen gebildet und ist reich an Fossilien. Der Lengericher Kalkstein ist hier mit einer Mächtigkeit von 350 Metern aufgeschlossen und findet sich in großen Bauvorhaben weltweit wieder. Die damaligen Lengericher Portland-Cement & Kalkwerke lieferten auch das Material für den Sockel der Miss Liberty in New York.
Es ist heute ein Tag zum Genießen und da kommt uns eine Hängematte als Pausenplatz wie gerufen. Es ist ein tolles Gefühl eine Weile in der warmen Sonne zu liegen, obwohl die Lufttemperatur die 20 Grad- Marke im Schatten gerade erreicht. Überall summt es in den Blüten und die ersten Schmetterlinge flattern von Strauch zu Strauch. Auf der Höhe entlang klettert der Weg an einem weiteren Steinbruch aufwärts zum höchsten Berg des Münsterlandes. Es ist mit 235 Metern Höhe der Westerbecker Berg, von dem sich auch ein weiter Blick nach Norden öffnet.
Hinter dem Westerbecker Berg verlassen wir den Höhenzug und steigen am westlichen Rand eines weiteren Steinbruchs am Aldruner Berg ab in ein Tal, in dem wir unter einer Felswand auf die Brüggelieth-Quelle stoßen. Der Brüggelieth-Bach fließt über den Lienener- und Ladberger Mühlenbach und über die Glane in die Ems. Am Fuß des Höhenzugs hat man den Bach zu Fischteichen aufgestaut.
Wir passieren ein ganz besonderes Gebäude, das mir als damaliges Wochenend-Quartier der Alpenvereins-Jugend noch gut in Erinnerung ist. Neben der Funktion als Stützpunkt für unsere Kletter-Aktivitäten an den nahen Dörenther-Klippen war die Hütte eine ideale Party-Location. Das hübsche Fachwerkhaus mit seinem offenen Kamin ist heute in Privatbesitz. Es ist nun noch ein Stück zu unserem Auto am Raiffeisenmarkt in Lienen. Mit den ausgedehnten Pausen an diesem herrlichen Frühlingstag erreichen wir heute das Hotel in Hagen mit einem kleinen Zeitfenster bis zum Abendessen.
Am 1. Mai fahren wir zum Waldschwimmbad bei Lienen, wo sich der Parkplatz bereits mit zahlreichen Ausflüglern füllt. Der heutige Zuweg von hier bietet einen langen Anstieg von gut 150 Höhenmetern und trifft gegenläufig auf den gestrigen Abstieg am Steinbruch am Aldruner Berg. Mitten in dem Abbaugebiet steht ein Rudel Rehe. Wir gehen heute das noch fehlende Stück auf dem Hermannsweg zwischen Bad Iburg und Lienen.
Mir fehlen heute mehrfach die Worte bezüglich Begegnungen mit einigen Zeitgenossen. Mitten auf unserem Premium-Wanderweg kommen uns sogenannte „Quads“ entgegen. Es sind Kraftfahrzeuge mit großem Nummernschild, deren Fahrer das schöne Wetter für eine Ausfahrt in die gute Luft der heimischen Wälder nutzen. Durch Staub und Abgase blicken wir kopfschüttelnd hinterher. Wir begegnen heute feiernden Horden, die Bierflaschen fest im Griff, nebst Nachschub im mitgeführten Bollerwagen, dazu Ballermann- Hits aus dem Ghetto-Blaster für Alle. Beim Anblick der abgeworfenen Flaschen im Gelände schwillt mir dann endgültig der „Kamm“….
Außer Hörweite der Zwangsbeschallung genießen wir noch ein paar schöne Ausblicke bis wir die Westschulter des Kahler Bergs erreichen, womit der Lückenschluss auf dem Hermannsweg erreicht ist. Mit gut 150 Höhenmetern Abstieg verlassen wir die Erhebung des Teutoburger Waldes nach Süden und setzen uns in der Nachmittagssonne noch eine Weile auf eine Bank. In voller Blüte stehen die Streuobstwiesen hinter denen der Kirchturm von Lienen zu sehen ist. Am Parkplatz am Schwimmbad von Lienen, zu dem es nun nicht mehr weit ist schließt sich die heutige Runde. Zeitig machen wir uns nach diesem tollen Wanderwochenende an die Rückfahrt nach Hause.
In der 2. Junihälfte finden wir uns für ein weiteres Wochenende auf dem Hermannsweg ein. Der Sommer hat in diesem Jahr schon früh Einzug in unser Land gehalten mit Temperaturen, die an diesem Wochenende die 30-Gradmarke überschreiten werden. Am Donnerstag bringt die aufgeheizte Atmosphäre allerdings vielerorts erst einmal Extremwetterlagen hervor. Wirbelstürme und Starkregen auf viel zu trockene Böden zeigen uns auch in diesem Jahr, dass die Klimaerwärmung längst kein Hirngespinst mehr ist, wie ewig gestrige aber immer noch behaupten. Unsere Bauern melden bereits erhebliche Einbußen bezüglich der anstehenden Ernten.
Forcierte Bemühungen unserer Regierung die dafür verantwortlichen Ursachen anzugehen, um auch in Zukunft lebenswerte Bedingungen auf diesem Planeten zu erhalten führen zu spürbarer Unzufriedenheit im Volk. Innenpolitisch profitieren Parteien außerhalb unserer demokratischen Grundfesten und infiltrieren zwar ohne Konzept, aber mit einfachen Antworten unsere Landtage. Die Frage, ob die Motorisierung für den SUV-Spähpanzer mit 300 PS für die tägliche Fahrt ins Büro ausreicht beschäftigt viele Menschen einfach mehr als jegliche Konzepte zur Klimaentlastung. Besser sind da vielleicht doch 400 PS- man will ja kein Looser sein und so wird es wohl auch kein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen geben.
Auf der Fahrt nach Norden am Freitagabend kommen wir gut durch und erreichen unser Hotel in Ibbenbüren zeitig am späten Nachmittag. Bei einem guten Abendessen legt mir Doro die von ihr ausgearbeitete Streckenplanung für die beiden Wandertage dar. Wir werden am Samstag unser Auto im Ortsteil Intrup in Lengerich abstellen, mit dem Bus nach Tecklenburg fahren und so die 11,5 Kilometer lange 3. Restetappe von West nach Ost vervollständigen. Am Sonntag ist es ein Rundweg von Tecklenburg aus, der uns unterhalb des Höhenzugs an den diesmal westlichsten Punkt bei Brochterbeck hinauf auf die 2. Etappe des Hermannswegs bringt. In Gehrichtung West-Ost schließt sich von hier die Runde nach 13,2 Kilometern in Tecklenburg.
Es ist bereits am Samstagmorgen recht warm und bei hoher Luftfeuchte ist es ratsam ausreichend Trinkwasser mitzuführen. Wir verlassen den hübschen Stadtkern von Tecklenburg nach Süden und kommen am Königsteich vorbei, wo zwei Gänsefamilien auf dem Wasser unterwegs sind. Der westliche Uferbereich ist dicht von Seerosen, die allerdings schon verblüht sind bewachsen. Der Weg wendet sich nun nach Südosten und unterquert die Autobahn A1, worauf wir mehr und mehr an Höhe gewinnen und am Kleeberg auf 175 Höhenmetern einen weiten Blick nach Süden ins Münsterland haben.
Das Gelände unterhalb des Weges ist rechterhand eingezäunt, auch hier wurde Kalk abgebaut. Tief im Tal befindet sich ein langgestreckter Kalkstein-Canyon mit einem türkisblauen See. Der Gedanke an ein Bad ist naheliegend, allerdings ist das gesamte Gelände Naturschutzgebiet und das Betreten strengstens verboten. Die Magerwiesen werden von einer aus vielen verschiedenen Rassen zusammengesetzten Ziegenherde abgegrast.
Für den besten Blick auf den See müssen wir zu einem Aussichtspunkt absteigen. In dem klaren blauen Wasser können wir einen Fischschwarm erkennen, auch ein großer Wels zieht im See seine Kreise. In dem Gelände brüten Vögel wie auch der Uhu, unbehelligt von menschlichen Störungen.
Überall summt es in den Pflanzen und Blumen am Wegesrand. An einem Getreidefeld kann man die Schäden gut sehen, die die Wettereinwirkungen der letzten Tage hinterlassen haben. Ein Teil der Ernte liegt niedergedrückt auf dem Feld. Wir erreichen den Wald oberhalb von Lengerich-Intrup. Hier kommen wir noch einmal an der Stelle vorbei, wo ein eisernes X an die Zwangsarbeiter des Geheimlagers in der stillgelegten Tunnelröhre zwischen Lengerich und Osnabrück erinnert.
Wir sind neugierig und wollen das Portal aufsuchen, das wir flüchtig unterhalb an der Eisenbahnlinie im Hang erkennen können. Beim Erreichen der Eisenbahnlinie am Ortseingang müssen wir dafür einen parallel verlaufenden Pfad ein ganzes Stück zurücklaufen um an das alte Portal zu gelangen. Zu unserer Überraschung ist der Eingang passierbar und wir wollen zumindest einen Blick hineinwerfen, in diesen „Lost Place“ mit seiner dunklen Vergangenheit. Wir sehen in einen ersten Raum, dessen hintere Wand ebenfalls eingerissen wurde. Ein dunkles Loch führt von dieser Stelle weiter in den Tunnel hinein. Bei aller Neugier verzichten wir aber lieber auf eine weitere Inspektion.
Wir erreichen unser Auto in Intrup und haben noch Zeit uns auf dem Weg das Motorrad-Museum bei Ibbenbüren anzuschauen. Es ist eine private Sammlung, deren Exponate der Vater des heutigen Inhabers zusammengetragen hat. Auf einem Zeitstrahl von 100 Jahren Motorradgeschichte finden sich einige Ikonen der ehemals zahlreichen Hersteller von 2-Rädern, allen voran eine 1200 ccm- Münch-Mammut mit einem monströsen 4-Zylinder NSU-Prinz Automotor von 1974- ein wahres Mammut.
Nach einem Aperitif aus der Minibar im Liegestuhl suchen wir uns einen sonnigen Tisch auf der Terrasse unseres Hotels aus. Die Abendsonne bleibt uns jetzt ein paar Tage nach Mittsommer noch eine ganze Weile erhalten. Ich trinke einen herrlich gekühlten badischen Auxerrois zu einem schmackhaften Essen. Es kühlt heute bei offener Terrassentür im Zimmer erst spät in der Nacht leicht ab.
Sonntag meldet sich die Sonne schon beim Frühstück zurück und wird uns den ganzen Tag am wolkenlosen Himmel begleiten. Wir parken unser Auto in Tecklenburg und finden am zentralen Platz die Cafés bereits bis auf den letzten Platz besetzt vor. Offensichtlich erwarten die Leute an den Tischen ein Konzert, zu dem sich gerade die Musiker mit ihren Instrumenten einfinden. Am zentralen Platz befindet sich auch das Otto Modersohn-Museum. Modersohn, einer der bekanntesten deutschen Landschaftsmaler, 1865 in Soest geboren ist Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie. Über den Bruder hatte der Künstler auch einen familiären Bezug zu Tecklenburg. Den Besuch des Museums heben wir uns für einen kühleren Tag auf.
Der heutige Zuweg unterhalb des Hermannswegs führt uns überwiegend über den Hexenpfad, der uns entlang des Südhangs des Teutoburger Waldes durch teilweise verwunschenen Buchenwald führt. Im kühlen Wald passieren wir Felsformationen, wie das Rolands-Grab mit einer in den Fels gehauenen Höhle. Ein anderer Abzweig führt zum Heidentempel. In Brochterbeck kommen wir direkt an einem Hotel vorbei, das uns mit seiner Lage am Hermannsweg ideal als Stützpunkt für unser nächstes Wochenende im September erscheint. Leider sind die Zimmer aber wegen der Tecklenburger Festspiele bereits bis in den September ausgebucht.
Der Weg schwingt sich nun fast 100 Höhenmeter hinauf, am Blücherfelsen vorbei zu einer Bank mit einer schönen Aussicht nach Norden. Hier oben befindet sich eine Kapelle, die ein Pfarrer mit eigenen Mitteln aus dem benachbarten Steinbruch erbaut hat. Am Horizont ragt ein großes Kraftwerk aus der Landschaft. Der Hermannsweg verläuft nun bis Tecklenburg auf gleichbleibender Höhe. Kurz vor Tecklenburg ist der Weg von einer historischen Wallmauer gesäumt. Am Bismarckturm und der Fachwerk- Jugendherberge von Tecklenburg vorbei erreichen wir die ehemalige Burganlage der Stadt.
Von der ehemals größten Höhenburg Norddeutschlands aus dem 11. Jahrhundert sind nur noch Reste erhalten. Die Burg befindet sich strategisch an einem Pass, der hier über den Teutoburger Wald führt. 1184 wurde die Anlage erstmals urkundlich erwähnt, im 17. Jahrhundert zu einem Schloss umgebaut und im 18.Jahrhundert abgerissen. In der Anlage findet gerade eine Veranstaltung im Rahmen der Freilichtspiele statt. Durch ein Stadttor erreichen wir den zentralen Platz mit den Cafés. Wir gönnen uns ein Eis auf die Hand und schauen noch in die Stadtkirche von 1562 hinein. Grabplatten der Grafen von Tecklenburg sind im Innern aufgestellt. Eine Tafel gedenkt dem 1588 verstorbenen Arzt Dr. Johann Weyer, ein Freund der Tecklenburger Grafen, der sich entschieden gegen den Hexenwahn seiner Zeit gestellt hat.
Auf der Rückfahrt halten wir noch an einem Erdbeerfeld an der Landstraße und kaufen uns ein Körbchen mit den reifen süßen Beeren. Das Thermometer zeigt uns eine Außentemperatur von 32,5 Grad an. Möglicherweise können wir unser Projekt mit einem weiteren Wochenende beim nächsten Mal abschließen- wir werden sehen…
…ja- und das Wetter passt auch Ende September, um den Deckel auf das Projekt „Hermannsweg“ zu machen. Es ist das dreizehnte Mal, dass wir Freitagnachmittag das Mittelgebirge anfahren, über das uns der Premiumwanderweg mit seinen 8 Etappen und einer Gesamtlänge von 167 Kilometern nach diesem Wochenende geführt haben wird. Aus den zu Beginn erklärten Gründen haben wir die Etappen von hinten nach vorne sortiert, dabei aber die Gehrichtung durchgehend in West-Ost-Richtung gehalten.
Es sind also nun an diesem Wochenende die Etappen 1 und der erste Teil der 2. Etappe, die uns von Rheine über Bevergern zum Anschluss an den bisherigen Weg in Brochterbeck bringen. Etappe 1 hat dabei am Samstag noch einmal eine Länge von 20,3 und der finale Lückenschluss am Sonntag eine Länge von 17,1 Kilometern. Addiere ich nun alle 23 GPS-Tracks seit Mai 2021 erhalte ich eine Gesamtdistanz von 327 Kilometern. Zu Coronazeiten oder mangels Verkehrsverbindungen haben wir einige Passagen als Rundwanderung durchgeführt, was die annähernde Verdopplung der gegangenen Kilometer erklärt.
Ein Hotel mit feiner Küche haben wir diesmal in Hörstel-Riesenbeck festgemacht. Es ist zuletzt einiges an Regen gefallen, weltklimatisch gibt es verrückte Meldungen. Nach extremen Temperaturen und Trockenheit in Südeuropa werden nun Verwüstungen durch Unwetter und Überschwemmungen in Andalusien und auf Mallorca gemeldet. In der nachfolgenden Woche hören wir von Regenfällen apokalyptischen Ausmaßes aus der Region Thessalien in Griechenland. 754 Liter Regen pro Quadratmeter wurden an Tages-Niederschlag gemessen. Das seltene Phänomen eines kleinen Tornados gab es im Wuppertaler Stadtteil Dönberg, wo es lokal begrenzt zu Schäden an Häusern gekommen ist. Für unsere Wanderung an diesem Wochenende soll es von oben trocken bleiben.
Wir beziehen am Freitagabend unser Zimmer in dem schick renovierten Hotel, dass in früheren Zeiten eine Poststation war. Aus dem alten Gebäude stammt der Grundstein mit Jakobsmuschel aus dem Jahr 1758, der zusammen mit einem antiken Posthorn hinter der Rezeption in Szene gesetzt ist. Chefkoch und Inhaber Jürgen Sziegoleit versorgt uns an diesem Abend und an diesem Wochenende mit guten Sachen aus der Küche.
Samstagmorgen geht es zeitig los nach Bevergern, wo wir unser Auto abstellen um mit dem Bus nach Rheine zu fahren. Am eigentlichen Startpunkt des Hermannswegs am Marktplatz vor der Dionysus-Kirche in Rheine halten wir kurz inne und schauen uns die teils historischen Häuserfronten an. Das Beilmannsche Haus wurde nach Zerstörung im 30-jährigen Krieg 1648 wiederaufgebaut. Schwedische Truppen unter General Königsmarck haben die Stadt mit schwerem Artellerie-Beschuss fast vollständig zerstört. 7 Kanonenkugeln und ein Textband unter dem Giebel geben davon Zeugnis. Ein steinernes Relief mit einem Fabelwesen, das einen Menschen verschlingt steht für die Kriegs-Gräuel, die ganz Europa verwüstet haben.
Die Hallenkirche westfälischen Stils wurde im Jahr 1400 auf einer bereits im Jahr 838 erwähnten Kirche erbaut. Im Inneren spielt ein Organist gekonnt Bachs Toccata, ein Ohrenschmaus in dem monumentalen gotischen Innenraum. Wir verlassen die Innenstadt zum Ufer der Ems und werden über 2 Brücken zunächst an das rechte, dann an das linke Ufer zurückgeführt. Zweitere, die Nepomukbrücke war bis 1930 der einzige Zuweg über die Ems nach Rheine. Die 1945 gesprengte Brücke wurde wieder hergestellt, die Statue des verlorenen Brückenheiligen von 1735 wurde 1980 durch eine Rekonstruktion ersetzt.
Entlang der Ems begegnen wir paddelnden und rudernden Wassersportlern. Die Sonne lässt sich leider noch nicht blicken. Südöstlich von Rheine durchwandern wir das Gelände eines Truppenübungsplatzes. Einige Gewässer in der Umgebung scheinen reichlich Mücken-Nachwuchs zu produzieren. Sobald ich stehen bleibe werde ich sofort von den Plagegeistern belagert. Am Fichtenvennteich lauern Angler mit ihren Ruten auf den „Catch Of The Day“.
Ein wenig lockern die Wolken gegen Mittag auf unserem Weg durch die Agrarlandschaft der Region zwischen Rheine und Bevergern auf. Die Maisfelder sind bald erntereif, hier und da werden wir von Kühen neugierig betrachtet. Apfelbäume verlieren bereits ihre reifen Äpfel, wir stecken gerne ein paar davon in unseren Rucksack. Bei dem feuchtwarmen Wetter finden sich am Waldboden allerlei Pilze. Bei Elte fällt uns der sandige Boden auf, der letztlich ein Relikt der letzten Eiszeit vor 10000 Jahren ist. Durch Waldrodungen im Mittelalter kam es zur Ausbildung von Dünen, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts immer wieder vom Wind auf- und umgeschichtet wurden.
Der Weg zieht sich heute und immer wieder gehen wir auf Asphalt, was sehr ermüdend für die Beine ist. Es gibt kaum Höhenprofil unter die Schuhe, es ist flaches Land bis zu unserem Etappenziel in Bevergern. Entlang der Bevergerner Aa erreichen wir das historische Zentrum dieses hübschen Ortes, der 1272 urkundliche Erwähnung fand. Eine Burganlage von 1300 wurde 1680 zerstört und als Steinbruch genutzt. Mit dem Bau der Kirche wurde 1366 begonnen, im gleichen Jahr wurde das Stadtrecht verliehen. Die heutige spätgotische Kirche geht aus dem Jahr 1499 hervor, wobei das Turmerdgeschoß der alten Kirche erhalten blieb.
Inmitten historischer Fachwerkhäuser steht das Kirchgebäude, in das wir natürlich einen Blick werfen. Wir kommen an einer ehemaligen Walk- und Ölmühle vorbei, die wahrscheinlich auf einem Bastionsturm der 1680 geschleiften Burg erbaut wurde. Von hier folgen wir einem weiteren Wasserlauf, dem Merschgraben, in dem sich einige Bisamratten tummeln. Auf dem Stadtsiegel von 1366 ist es aber der Biber, der letztlich auch im Namen des Ortes steckt.
Über den wassergefüllten Graben führt eine Klappbrücke hinüber zum Garten eines Hausgrundstücks. Bei der Errichtung der Brücke 1850 war der damalige Besitzer inspiriert durch seinen langjährigen Aufenthalt in Holland. Man entschied sich bis heute die Brücke zu erneuern und instand zu halten. Wir erreichen unser Auto mit schmerzenden Beinen und Füßen und freuen uns auf die Dusche im Hotel.
Auch heute Abend sind wir sehr zufrieden mit dem was aus der Küche kommt. Am Morgen haben sich die immer noch schmerzenden Beine etwas erholt. Wir haben ein sehr abwechslungsreiches Frühstück und fahren zeitig nach Brochterbeck, wo wir um 10:15 h auf unser bestelltes Taxi treffen. Das Auto lassen wir dort auf dem Wanderparkplatz neben dem Hotel stehen. Hier befindet sich auch ein Bahnhof, Haltepunkt der Dampffahrten des Teuto- Expresses.
Unser Taxi bringt uns nach Bevergern, wo wir an den gestrigen Weg durch die Parkanlagen anschließen. Entlang des kleinen Weihers mit Trauerweiden verlassen wir den Ort in nördlicher Richtung wo wir das nächste Gewässer, den Dortmund-Ems-Kanal erreichen. Wir verweilen eine ganze Weile an der hiesigen Schleuse, in der gerade ein größeres Lastschiff und eine kleine Motorjacht auf das deutlich höhere Niveau des Kanals Richtung Dortmund verbracht wird. Bei jeder Durchschleusung werden 13500 Kubikmeter Wasser zur Hälfte aus sogenannten Sparbecken und zur Hälfte aus dem Oberwasser entnommen. Das Lastschiff füllt das 10 Meter breite Schleusenbecken fast vollständig aus.
Nach einem Stück über Asphalt bekommen die Stiefel endlich Waldboden unter die Sohlen und es geht bergan, wenn auch nur langsam und keine 100 Höhenmeter. Es sind die ersten von Westen merklichen Erhebungen des Mittelgebirges. An einem großen Kruzifix haben wir einen Blick hinab auf das „Nasse Dreieck“. Hier mündet der Mittelland-Kanal in den Dortmund-Ems-Kanal. Die Sonne scheint heute durch das Blätterdach des Mischwaldes, in dem mal die Birken, mal die Buchen und Eichen und mal die Kiefern dominieren. Der sandige Untergrund ist teilweise bedeckt von Farnen, Spinnennetze und Pilze ergeben hübsche Fotomotive.
Der weitere Weg unduliert an der 100 Meter-Marke und führt uns am Soldatenfriedhof des Brumleytals vorbei. Auf allen Kreuzen der Gedenkstätte befindet sich das gleiche Sterbe-Datum. Allein hier im Brumleytal ereilte in den letzten Wochen des 2. Weltkrieges am 3.4.1945 die 45 hier beigesetzten deutschen Soldaten im Gefecht das gleiche Schicksal wie 114 englische Soldaten. Ein Schild mit den Versen des Riesenbecker Heimatfreundes Johannes Oechtering ging leider verloren. Darauf waren die folgenden Zeilen zu lesen, deren Inhalt niemals an Bedeutung verliert:
„Was Irrsinn zerstörte, dem Volk gehörte, erneuert jetzt ist.
Nie sollst Du vergessen, wie teuflisch vermessen ein Krieg immer ist.“
Eine großartige Landschaft erreichen wir an den Dörenther Klippen, an die ich Erinnerungen habe als eines der Mittelgebirgs- Klettergebiete, die wir vor vielen Jahren mit der Alpenvereins-Jugend angefahren haben. Vor 120 Millionen Jahren entstanden die Klippen als Osning-Sandsteinfelsen, die hier um etwa 45 Grad aufgebogen sind. Das „Hockende Weib“ ist einer der markanten Felsen, der als Ibbenbürener Wahrzeichen in Verbindung mit einer Legende steht. Dabei rettet eine am Wasser sitzende Frau ihre Kinder aus den Fluten und wird dabei selbst zu Stein.
Es ist sehr viel Ausflugstreiben an den Felsen, die heute Teil eines Naturschutzgebietes sind. Unter Auflagen ist das Klettern auch heute noch erlaubt. An der Gaststätte „Die Almhütte“ vorbei führt der Weg entlang weiterer Klippen, an denen Kletterer „Top-Rope“ an den Schwierigkeiten der Vertikalen arbeiten.
Auch hier befindet sich ein Soldatenfriedhof mit den im Bereich der Dörenther Klippen gefallenen deutschen Soldaten, die den schweren Angriffen der vorrückenden alliierten Truppen zum Opfer gefallen sind. Von knapp 170 Höhenmetern steigen wir nach Brochterbeck ab. Bevor wir unser Auto erreichen kommen wir noch an einer abgezäunten Wiese mit prachtvollen erntereifen Apfelbäumen vorbei.
Wieder einmal haben wir ein Wanderprojekt abgeschlossen. An den 13 Wochenenden, die uns an den Teutoburger Wald geführt haben sind es die vielen Begegnungen und Entdeckungen auf, aber auch in der Nähe unseres Weges gewesen, die uns am Ende ein wertvolles Gesamtpaket an Erinnerungen bescheren. Unser Dank gilt den freundlichen Gastgebern der von uns besuchten Unterkünfte, in denen wir uns allesamt sehr wohl gefühlt haben. Der Hermannsweg hat uns mit all den gegangenen Runden und Varianten viel Spaß gemacht- Der Weg ist das Ziel!
Arnd Korbmacher
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