Schwül- gewittrig ist die Wetterprognose für unseren Natursteig, den wir an diesem Wochenende Anfang Mai mit weiteren 22,5 Kilometern ausbauen wollen. Wir gehen dabei insgesamt den Rest der 7.Etappe bis Schladern, die 8.Etappe bis Au und den Anfang der 9. Etappe bis Halscheid. Dorothee hat die Strecke bei der Planung geteilt und als Treffpunkt am Samstag den Parkplatz an der Buschmühle im Rosbachtal ausgewählt. Da die östliche Hälfte 2,5 Kilometer länger ist schlägt Dorothee vor diese am Samstag zu gehen, um am Sonntag die Lücke von Windeck-Dreisel bis zur Buschmühle mit dem etwas kürzeren Wegstück zu schließen. Das Höhenprofil ist durchaus sportlich und schlägt insgesamt mit aufsummierten 870 Höhenmetern zu Buche.
Steil geht es von der Buschmühle auch sofort 130 Höhenmeter hinauf auf schmalem Pfad entlang der Hangkante, von der sich neben Talblicken auf die dahin mäandernde Sieg wunderbare Weitblicke über die Höhen nach Süden öffnen. Es geht mehrfach 100 Höhenmeter rauf und runter mit einem abschließenden Aufstieg von 150 Metern von Au hinauf nach Halscheid.
Es ist ein schöner Frühlingstag und die angesagten Gewitter bleiben aus. Einige Schmetterlinge sind unterwegs und wie auch am letzten Wochenende auf dem Hermannsweg blühen viele Sträucher und Bäume und kontrastieren sehr schön mit der grünen Landschaft. Tolle Farbelemente ergeben auch die knallgelben Ginster-Büsche. Mir fliegt ein hübscher orange-gelber Aurora-Falter vor die Linse.
Am Nachmittag erreichen wir das abgestellte Auto in Halscheid und fahren über die Sieg hinüber nach Hamm, wo wir uns auf unser Quartier die „Alte Vogtei“ freuen, in der wir Ende Januar erstmals zu Gast waren. Damals habe ich über das historische Haus, in dem der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen geboren wurde bereits ein paar Zeilen geschrieben. Wir haben die gleichen Zimmer wie beim letzten Mal. Auf der gemeinsamen Terrasse trinken wir ein Radler bis erste Regentropfen vom Himmel fallen.
Beim Abendessen sitzen wir wieder an dem gemütlichen runden Tisch in dem stilvoll dekorierten Gastraum, an dem wir mit den guten Sachen aus der Küche verwöhnt werden. Mit handwerklich gut gemachter Küche und dem Einsatz regionaler Produkte ist die „Alte Vogtei“ eine der kulinarischen Oasen der Region. Auch das Frühstück lässt keine Wünsche offen und deswegen sind wir uns alle einig, dass wir auch beim nächsten Mal wieder herkommen wollen. Wir verabschieden uns von den Wortelkamps und loggen direkt für unser nächstes Wochenende am Natursteig Sieg Ende Juli ein.
Am Sonntag wollen wir die Lücke zwischen Windeck-Dreisel bis zur Buschmühle im Rosbach-Tal schließen. Auf dem Parkplatz in Dreisel direkt an der Sieg steht ein Maibaum. Das Hochwasser hat sich deutlich zurückgezogen. Das Sägezahnmuster des Höhenprofils hat auch heute Bestand. Wir überqueren die Sieg und ein steiler Felsenweg bringt uns 100 Höhenmeter hinauf an den Ortsrand von Windeck.
Zwischen blühenden Obstbäumen führt uns der Weg zwischen Pferdekoppeln und Schafweiden über eine Eisenbahntrasse zum nächsten Aufstieg zur Burgruine Windeck. Über die Erbauung der Burganlage ist wenig bekannt. Im 12. Jahrhundert war die Burg im Besitz von Kunigunde von Bielstein. Tochter Hedwig heiratete den hessisch-thüringischen Landgraf Ludwig. Deren Sohn Graf Heinrich Raspo der Jüngere (von Thüringen) belehnte Burg Windeck an Engelbert von Berg, was von Kaiser Friedrich I. zu Aachen am 24.2.1174 urkundlich bestätigt wurde. Der Name der Burg in dieser Urkunde lautete „Castrum Novum in Windeke“.
1188 ging die Burg in den Besitz des Kölner Erzbischofs über, der die Anlage an einen Vasallen weitergab. Im 13.Jahrhundert stritten die Adelsgeschlechter von Sayn, von Thüringen und Brabant und der Kölner Erzbischof um Burg Windeck. 1247 war Windeck wieder der südöstliche Stützpunkt der Grafschaft und des späteren Herzogtums Berg an der Grenze von Westerwald und Bergischem Land. Nach Zerstörungen im 30-jährigen Krieg verkam Windeck als Steinbruch. Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte der Landrat Danzier den Burgberg und baute ein romantisches Schloss auf den Burgruinen. 1945 wurde das Schloss zerstört und danach abgetragen.
Der Blick nach Süden fällt auch hier auf eine ehemalige Siegschleife bei Schladern, deren Verlauf man im Oberflächenrelief durchaus erkennen kann. Die grabende Erosion einer Flussschleife bewirkt irgendwann den Durchbruch des Wassers an der engsten Stelle, wobei das alte Flussbett verlandet. Mit diesem Prinzip werden Landschaften und Flussverläufe über Jahrhunderte ständig verändert.
Auf über 260 Höhenmeter steigt der Weg in nordöstlicher Richtung an, um dann über 200 Höhenmeter auf Sieg-Niveau an die B256 zwischen Schladern und Rosbach abzufallen. Weiter geht es rauf und runter mit einem letzten langen Aufstieg über ein zurückgelassenes Schlachtfeld nach Rodungsarbeiten zur Ortschaft Langenberg. Von hier folgt der letzte Abstieg entlang eines plätschernden Bachs hinunter ins Rosbach-Tal zurück zur Buschmühle. Das hiesige Lokal ist leider nicht auf Kaffee und Kuchen eingerichtet und so lassen wir das Wochenende an der Sieg mit einem kalten Getränk ausklingen.
Ende Juli freuen wir uns auf das nächste Wochenende mit unseren Freunden auf dem Siegsteig und treffen uns auf dem Parkplatz des Kopernikus- Gymnasiums in Wissen. Wir legen unseren Zettel aufs Armaturenbrett, mit dem wir um Verständnis bitten den verwaisten Parkplatz am Wochenende als Wanderparkplatz zu nutzen. Mit Monis Auto fahren wir nach Halscheid, wo wir unsere Wanderung auf der Etappe 9 des Natursteigs Sieg in östlicher Richtung wieder aufnehmen. Das letzte Stück nach Wissen verläuft ein Stück gegenläufig auf der Etappe 10, die wir bereits im Oktober 2022 gegangen sind. Es sind 12,3 Kilometer bis Wissen und das Wetter ist für den heutigen Tag erneut schwül-warm- gewittrig gemeldet.
Übernachten werden wir am Abend ein drittes Mal in der alten Vogtei in Hamm. Am Sonntag bringt uns die Etappe 11 mit 14,1 Kilometern Sieg- aufwärts nach Scheuerfeld. Wir arbeiten an diesem Wochenende ein Höhenprofil von über 830 Höhenmetern ab und ich bin froh, dass Dorothee wieder voll einsatzfähig ist. Sie ist selbst überrascht wie gut sie die Anstiege mit den neu gebildeten roten Zellen im Blut wieder bewältigen kann, nachdem das immunologische Problem ihrer Blutbildung erkannt und behandelt ist.
Der Regenschirm bleibt am Samstag bei mäßigem Regen nicht ganz ohne Aufgabe. Die Sonne schafft es nicht so recht die Farben und Schatten der Landschaft hervorzubringen. Es ist trotzdem eine sehr abwechslungsreiche Wanderung, auf der die Beine mit einem undulierenden Höhenverlauf zwischen 170 und 300 Höhenmetern gut zu tun bekommen. Auf der ersten Anhöhe hat der Bauer Blumenwiesen stehen lassen in denen das laute Brummen unzähliger Insekten zeigt, wie wichtig solche Flächen für die Bienen und alle anderen Insektenarten sind. Es sind die Bestäuber, deren Bedeutung für unsere Nahrungskette gern unterschätzt wird.
Das feuchte Klima lässt Pilze sprießen und auch Weinbergschnecken kommen aus dem Haus. Feldern und Streuobstwiesen auf der Höhe folgen steile Abstiege in Täler. Vor dem Abstieg nach Dünebusch haben wir von der Kanzels-Ley Tiefblick auf Etzbach im Siegtal. Mit dem zweiten Aufstieg erreichen wir Bitzen. Am Ortseingang wirbt eine Keramikmanufaktur mit hübschen Figuren und an einem Haus lädt die Aufschrift zum Besuch des Luis-Biermuseums ein. Was es hier zu sehen gibt?- wir werden es heute nicht erfahren…
Mitten in der Ortschaft finden wir einen Unterstand mit Bänken und Tischen vor. Ein Schild weist unseren Pausenplatz als „Milchbude“ aus. Kohlenlore und Seilscheibe erinnern an die Bergbautradition in der Region, die uns auch an diesem Wochenende in Form von Abraumhalden, Pingen und ehemaligen Zechen begegnet. Der Abstieg hinter Bitzen führt uns hinab an den gut gefüllten Holpebach, an dem der Blick am Ende des Weges direkt auf das muntere Bächlein fällt. Wir sehen uns schon die Schuhe abstreifen, als uns die zum Furten in den Bach gelegten Felsquader diese vermeintliche Hürde vergessen lässt.
Am letzten Aufstieg auf die nordwestlichen Höhen vor Wissen kommen wir an der Stelle vorbei, an der Etappe 10 eine nördlich ausladende Schleife über Birken-Honigsessen zurück nach Wissen beschreibt. Da wir diesen Teil ja bereits gegangen sind schneiden wir diese Schleife ab und gehen nun direkt zum Gymnasium am nordwestlichen Zipfel von Wissen. Mit Abschluss der heutigen Wanderung knallt uns die Sonne ins Gesicht, was wir einen Moment genießen, bevor wir uns auf den Weg zu unserer bereits vertrauten Unterkunft in Hamm machen.
Die Chefin selbst empfängt uns diesmal und übergibt uns die Schlüssel für unsere beiden Stamm-Zimmer. Nach einem Durstlöscher auf der gemeinsamen Terrasse bleibt vor dem Abendessen noch ausreichend Zeit die Beine hochzulegen und für ein Nickerchen. Ich habe diesen Hort der Gastlichkeit bei unseren bisherigen Aufenthalten ja bereits gebührend erwähnt. Das alte Fachwerkhaus ist ein Ort mit Geschichte, in dem die vielen Museumsstücke in die Zeit von F.W. Raiffeisen entführen.
Das köstliche Abendessen wird diesmal von Marcel zubereitet, dem Sohn von Kellnerin Dana. Da der Chef gerade Urlaub in Schweden macht erntet er heute von uns den Applaus für die guten Sachen auf unserem Tisch. Wie schön ist es wenn der Koch sein Handwerk versteht und das Erlebnis Essen mehr ist als nur ein gut gefüllter Bauch. Im eigenen Betrieb in der Gastronomie ist ein gemeinsamer Urlaub nicht selbstverständlich erzählt uns die Gastgeberin. Marcel muss als gestandener Koch auch schon mal den Service übernehmen. Wir sind jedenfalls sehr zufrieden und werden Gründe finden wiederzukommen, denn auch abseits des Natursteigs Sieg gibt es interessante Wegvarianten.
Die Glocken der gegenüber liegende Kirche läuten uns bereits um sieben Uhr unbarmherzig aus dem Schlaf. Ganz einladend ist das regnerische Wetter draußen nicht. Nach dem reichhaltigen Frühstück der alten Vogtei machen wir uns auf den Weg zum heutigen Etappenende nach Scheuerfeld und fahren mit Moni nach Wissen zum Wanderparkplatz gegenüber des Schlosses an der Sieg, von wo wir heute auf die 14 Kilometer lange Etappe 11 starten. Von oben ist es nun trocken und nach Überquerung der Sieg geht es am Schloss vorbei gut 200 Höhenmeter hinauf auf die Anhöhe bei Blickhausen.
Der Weg läuft ein Stück gemeinsam mit dem Auenlandweg, mit hölzernen Figuren aus der Tolkien-Welt. Verschiedene Pilze und der knallrote Fruchtstand des Aronstabs laden zum Fotografieren ein, Brombeer- und Himbeerhecken locken zum Pflücken der ersten reifen Früchte. Die Sonne setzt sich immer mal durch. Der Weg führt uns an eine Abraumhalde mit Tiefblick und wendet sich dann mit einem steilen Abstieg hinunter in das Tal des Dunstbachseifen.
Der Gegenaufstieg führt hinauf auf die Felder um Röttgen, wo Tafeln an die ehemaligen Bergbauaktivitäten rund um die Zeche Glücksstern erinnern. Nach den ersten Pingen im 18. Jahrhundert wurde von 1800-1900 im Stollenbetrieb Eisenstein abgebaut. Die Firma Krupp aus Essen weitete den Erzabbau 1940/41 mit einem neuen Tagesschacht in Röttgen aus. Mit Anbindung an die benachbarte Grube Eupel wurde bis zur 300 Meter- Sohle abgeteuft. Mit der Erzbergbau Siegerland AG wurden 1953 alle Gruben zur „Eupel-Rasselskaute-Glücksstern“ Verbundgrube zusammengefasst. Der Schacht „Glücksstern“ wurde erst zur Bewetterung und Materialzufuhr genutzt, später bis 1960/61 als Förderschacht.
Es folgen abenteuerliche und abwechslungsreiche Passagen, die uns auf teilweise matschigem Untergrund steil hinunter an die Sieg führen. Da sind uns die entschärfenden Drahtseilversicherungen sehr willkommen. Kurz nach dem Hinweis „Achtung Viecher“ gelangen wir an eine recht baufällig erscheinende Hütte mit einem Kräutergarten und einigen Hühnervögeln. Hinter einem Fenster sitzt eine Frau mit feuerroten Haaren, auf der Fensterbank im Obergeschoß eine schwarze Katze. Hat sich hier die Geschichte von Hänsel und Gretel zugetragen?
Ein Schild klärt auf… Nach der Völkerwanderung im 5. und 6. Jahrhundert fand auch hier die Besiedlung durch germanische Stämme statt. Es waren die Osen und Quaden, die den dichten Urwald rodeten (Ortschaft Roddern) und deren Stammesnamen sich in historischen Namen wie Osenbachseifen und Quadenhof wiederfinden. Letztlich ist vielleicht auch das „Hexenhaus“ hier an der Sieg eine solche Ansiedlung, denn eine solche ist seit 1528 urkundlich erwähnt.
Der schmale Steig verläuft nun im Steilhang des Osenbacher Siefentals wildromantisch unter grün vermoosten Felsklippen. Wir erreichen die Landstraße K175 in Steckenstein, der wir ein Stück folgen, um dann gegenläufig im Südhang der Sieg zum Steckensteiner Kopf aufzusteigen. Nun blicken wir aus 180 Metern Höhe hinunter zur Sieg.
Eine Glocke am Baum hat Bezug zu dem hier auch verlaufenden Räuberweg. Der legendäre Räuberhauptmann Mathias Weber, genannt „der Fetzer“ unternahm in der Region bis 1803 zahlreiche Raubüberfälle mit seiner Bande. Mit einer solchen Glocke wurde im Lager Alarm vor Verfolgern gegeben, so dass sich die „Outlaws“ in den weiten Wäldern des Westerwaldes verstecken konnten. Es nahm aber ein frühes Ende mit dem Fetzer, der mit nur 25 Jahren in Köln der Guillotine zugeführt wurde.
Kurz vor Streckenstein führt ein schmaler Pfad zwischen den Weidezäunen zweier Felder hindurch. Genau auf diesem Durchgang steht ein muskelbepackter Bulle mit einem großen Nasenring, der uns schon aus der Distanz argwöhnisch ins Visier nimmt. Es ist einfach den mutmaßlich von ihm niedergetrampelten Elektrozaun zu übersteigen, um das Tier in großem Bogen zu umgehen. Die Wanderer von der anderen Seite tun es uns gleich. Im Ort angekommen informieren wir den Bauern über diesen Umstand und können von unserem weiteren Weg noch eine ganze Weile die Maßnahmen auf der Weide beobachten.
Entlang eines Getreidefelds erreichen wir ansteigend mit über 300 Höhenmetern den höchsten Punkt der heutigen Wanderung. Südlich oberhalb der Siegschleife bei Scheuerfeld gelangen wir an die Bahnstrecke, an der ein Stück weiter unser geparktes Auto für die Rückfahrt auf uns wartet.
Es ist das vorletzte Wochenende im ausklingenden September, an dem der Herbst offiziell an den Start geht. Die Temperaturen liegen nachmittags immer noch über der 20-Grad Marke, nachts kühlt es aber schon auf den unteren zweistelligen Bereich ab. Treffpunkt mit unseren Freunden ist am Samstagmorgen um 10 Uhr der P&R-Parkplatz am Bahnhof von Alsdorf, wo wir ein Auto parken. Moni fährt uns dann nach Scheuerfeld, wo wir am dortigen Parkplatz an der Bahnstrecke mit der 12.Etappe des Natursteigs Sieg bis Alsdorf anknüpfen.
Am Sonntag führt uns die 13.Etappe nach Kirchen und über einen ersten Teil der 14.Etappe weiter nach Katzenbach. Es sind insgesamt 27,5 Kilometer Wegstrecke an diesem Wochenende, in der ein Höhenprofil von knapp 900 Höhenmetern steckt. Der Samstag beginnt etwas verhangen und ein Stück führt uns der Weg auf bekanntem Terrain an der Bahnstrecke entlang bis zu einem Tunnelportal, an dem der Anstieg zum Abzweig des Natursteigs beginnt, der nun auf etwa 300 Höhenmetern einen weiter ansteigenden nach Süden gerichteten Verlauf nimmt und sich so von der Sieg abwendet.
Auch heute „schießen“ die Pilze aus dem Boden und man findet auch eher seltene Gebilde, wie den Tintenfischpilz. Der australische Einwanderer streckt seine roten Arme ähnlich eines Oktopus aus dem Waldboden. Er ist zwar nicht giftig, verströmt aber einen intensiven Aasgeruch, mit dem er Fliegen anlockt. So hat er wahrscheinlich auch mit den Fliegeneiern in der Schafswolle den langen Weg aus Australien in unsere heimischen Gefilde geschafft. Die Mainzer Gift-Notrufzentrale vermeldet derzeit einen deutlichen Anstieg von Vergiftungen durch Pilze. Auch wir treffen Sammler mit gut gefülltem Korb, die aber offensichtlich über ausreichende Expertise verfügen.
An Feldern stehen Apfelbäume, deren wohlschmeckende, reife Früchte zum Pflücken einladen. Der Himmel hat sich etwas mehr geöffnet und immer wieder scheint uns die warme Sonne ins Gesicht, dramatisch kontrastieren die Wolken mit dem blauen Himmel. Oberhalb von Dauersberg erreichen wir auf 400 Höhenmetern einen Pausenplatz mit einer Picknick-Bank, wo wir unsere Mittagspause genießen.
Hinter der Ortschaft Steineroth steigt der Natursteig noch weiter bis auf etwa 455 Meter an und beschreibt mit der Umrundung der Ortschaft Molzhain eine Schleife um die Erhebung des Steinerother Kopfs 478m. Mit der Überquerung der L288 wendet sich der Weg nun in nördlicher Richtung an Steineroth vorbei Richtung Nordost nach Alsdorf. In Alsdorf stehen schmucke Fachwerkhäuser in der Nachmittagssonne, deren Erbauung auf das 17.Jahrhundert zurückgeht.
Ein besonders hübsches Haus ist das Hüttenschulzehaus von 1680 in dem der Verwalter der Grünebacher Hütte mit seiner Familie gelebt hat. Der Schriftzug über dem Eingang bezeugt:
„Das Haus hatt gebautt Antthon Etdenneuer Margretta Eheleut!
Gott behütte es vor Feuersbrand“
Seit 1471 ist eine Eisenhütte in Alsdorf dokumentiert, später kam eine Kupferhütte hinzu. Der Kupferbergbau endete bereits 1780, der Eisenbergbau florierte bis 1885. Die 1738 im benachbarten Grünebach errichtete Eisenhütte erlangte durch den Anschluss an die Eisenbahn einen Standortvorteil und führte zur Schließung der Alsdorfer Hütte. Erst am 12.Juli 1963 besiegelte die Schließung der Grünebacher Hütte die Tradition der Hüttenschulzen in Alsdorf und letztlich auch den Niedergang der Siegerländer Eisenindustrie.
Unser Nachtquartier ist ein Hotel in Katzenbach, einem Ortsteil von Kirchen. Das Gebäude hat auch eine lange Tradition und geht auf das Jahr 1663 zurück. Der Eingangsflur ist im alten Stil erhalten und erinnert an die Erbauungszeit vor 360 Jahren. Wir verbringen einen geselligen Abend mit unseren Freunden nach diesem sonnigen ersten Herbsttag des Jahres. Nach dem guten Abendessen sind nicht nur die Beine müde und wir gehen früh schlafen, denn mit dem Wecker um 8Uhr wartet der nächste Wandertag auf uns. Wir können ein Auto am Hotel stehen lassen, denn nach den heute zu gehenden 11,5 Kilometern bringt uns der Natursteig direkt an unserem Hotel vorbei.
Moni fährt uns nach ausgiebigem Frühstück nach Alsdorf. Der Frühnebel hat sich rasch aufgelöst und wir starten gegen 11 Uhr bei Sonnenschein. An der Neo-Romanischen Kirche fallen uns die an der Turmfassade angebrachten Kletterrouten ins Auge, die zu den Top-Rope- Sicherungen an den oberen Turmfenstern hinaufführen. Am Friedhof vorbei passieren wir auch eine Gedenk-Stehle zu Ehren der im Deutsch-Französischen Krieg gefallenen Alsdorfer Soldaten. Auch heute beginnen wir auf etwa 200 Höhenmetern und steigen auf den ersten 6 Kilometern bis auf etwa 450 Höhenmeter langsam bergan.
Ich fange einige Bilder von Bienen und Hummeln ein, die immer noch eifrig damit beschäftigt sind den Nektar aus den Blütenkelchen zu holen. Manche Hummel, die tief in die Blüte eintaucht erweckt fast den Eindruck sich mit dem Hinterteil im Kelch einzuklemmen. Seit gestern sind wir auf unserem Steig parallel mit dem Druidensteig unterwegs, der als Georoute den Westerwald in 6 Etappen durch eine geologisch interessante Region mit ihrer alten und bedeutenden Bergbautradition führt.
Ein geologisches Highlight ist der Druidenstein, den wir am Ende eines Kreuzweges, am höchsten Punkt unserer heutigen Wanderung auf etwa 450 Höhenmetern erreichen. 20 Meter erhebt sich der Basaltkegel über das Bergplateau. Das Grundgebirge besteht aus 400 Millionen Jahre alten devonzeitlichen Sandsteinen, Grauwacken und Tonschiefern. Der Basaltkegel entstand vor 25 Millionen Jahren bei einem Vukanausbruch, bei dem das 1200 Grad heiße Magma unter hohem Druck in das Deckgebirge eindrang und zu den typischen 5- und 6-kantigen Basaltsäulen abkühlte.
Erosion des weicheren Deckgebirges führte im Laufe der Erdgeschichte zum Hervortreten des Druidensteins, der durch Menschenhand erheblich verkleinert wurde. Heute ist nur noch ein Drittel der ursprünglich zu Tage getretenen Höhe erhalten. Im Dreißigjährigen Krieg geschah dies aus strategischen Gründen, auch als Steinbruch musste das seit 1920 geschützte Naturdenkmal herhalten. 1979 mussten Stahlbetonanker angebracht werden, nachdem ein gewaltiger Blitzeinschlag das Gefüge erschüttert hat. Sagen und Mythen ranken sich um den Druidenstein. So soll „Herke“, die Tochter eines keltischen Stammesfürsten hier geopfert worden sein. Bei Vollmond soll man das Jammern und Wehklagen der Geopferten hören- „Huuuuh“….
Es ist heute ein großartiger Wandertag und vom Druidenstein führt uns der Weg gut 100 Höhenmeter ins Tal und mit Querung der K101 am Gegenhang hinauf zum Kahlberg 406m, an dessen westlicher Schulter sich seit 1911 der Ottoturm befindet. Tausend Mark spendete der Kirchener Millionär Herr Gewerke Otto Stein für den Baufonds, die aber die Kosten bei weitem nicht decken konnten. Da er sich entschloss auch den Restbetrag zu stemmen erhielt der Turm 1912 seinen Namen.
2 Weltkriege überstand der bei Ausflüglern beliebte Turm bis er einsturzgefährdet im Jahr 2009 abgerissen werden musste. Am 5.09.2010 wurde der neue Ottoturm unter großer Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht. 50000 Euro kamen allein durch Spenden und Patenschaften zusammen. Mit 18,59 Metern ist die verzinkte Stahlkonstruktion 2 Meter höher als vorher und hat eine größere Aussichtsplattform. Weit fällt der Blick von hier über Westerwald und Siegerland.
Satte Farben zaubert die junge Herbstsonne in die Landschaft und sanft absteigend erreichen wir unser Hotel in Katzenbach. Wir bringen unsere Freunde noch zu ihrem Auto nach Alsdorf und machen vor der Heimfahrt auch gleich das nächste gemeinsame Wochenende Mitte November aus.
So machen wir uns Mitte November ein weiteres Mal auf die Socken, um den offiziellen Teil des Natursteigs Sieg mit dem Abschluss der 14.Etappe bis Mudersbach zu komplettieren. Da uns nicht ganz einleuchtet, warum der Weg bereits hier enden soll planen wir am Sonntag die Fortführung unserer Wanderung bis Siegen ein, um an einem künftigen Wochenende unser Vorhaben zu realisieren die Sieg von der Mündung bis zu ihrer Quelle im Rothaargebirge erwandert zu haben.
Wir treffen uns mit unseren Freunden in Mudersbach auf einem Parkplatz an der Bahnstrecke, wo wir ein Auto deponieren. Startpunkt und Übernachtungs-Refugium ist ein weiteres Mal das Hotel in Kirchen-Katzenbach. Am Samstag führt uns unsere 18 Kilometer lange Strecke zunächst in westlicher Richtung entlang der Sieg bis Freusburg. Hier überschreiten wir den Fluss, um dann in einem ausladenden Bogen in nordöstlicher Richtung über bewaldete Höhen nach Mudersbach zu gelangen.
Der Himmel ist am Morgen noch recht verhangen, Nebelschwaden hängen tief an den Bergrücken, es ist recht frisch und die Bäume haben bereits einen Teil ihres Blätterdachs verloren. Nach den Regenfällen der letzten Woche liegt reichlich nasses Herbstlaub auf dem Weg. Schon aus der Entfernung sehen wir die Freusburg auf einem Bergrücken liegen. Wir überqueren die Sieg an der Freusburger Mühle. Mit der Wasserkraft der Sieg wurde hier seit 1437 Korn gemahlen, was in einer Schenkungsurkunde des Grafen Diederich zu Sayn verbrieft ist. Bis 1845 war die Mühle eine Bannmühle, in der alle Untertanen der Herrschaft Freusburg ihr Korn mahlen lassen mussten. 1978 wurde der Mahlbetrieb eingestellt.
Wir kommen am Mundloch des 1270 Meter langen Stollens der Eisenerzgrube Vereinigte Wilhelmine & Hymensgarten vorbei, deren Betrieb 1928 mit einem Schachteinsturz endete. Gut 100 Höhenmeter führt uns unser Weg nun hinauf zur Freusburg, wo sich heute eine Jugendherberge befindet. Die Freusburg ist eine frühmittelalterliche Höhenburg deren Entstehungszeit auf einen Herrensitz um das Jahr 913 zurückgeht. Die eigentliche Burg wurde um 1100 gebaut und 1048 erstmals urkundlich erwähnt. Als Lehen des Kurfürstentums Trier seit 1378 waren auch die Grafen von Sayn hier Burgherren. Im Dreißigjährigen Krieg war die Anlage von kurtrierischen Soldaten besetzt und kam später in den Besitz des preußischen Forstfiskus mit einer langjährigen Nutzung als Forstwohnung.
Von der Burganlage haben wir einen schönen Blick über die Sieg bis zurück nach Kirchen. Sportlich geht es nun gut weitere 200 Höhenmeter hinauf, auf etwa 500 Höhenmeter an die Südflanke des Giebelbergs 527m. Im Giebelwald finden wir unsere Bank für die Mittagspause vor, hier wo vom 5.-7. April 1945 zahlreiche deutsche und alliierte Soldaten ihr Leben verloren. Der Kampf um Nazi-Deutschland ist bald 80 Jahre her. Eine Mahnstätte gedenkt mit Namen und Bildern einiger der hier gefallenen Soldaten.
Aktuell fordert der Verteidigungsminister offen die Rückkehr der Kriegsfähigkeit unserer Bundeswehr ein. Internationale Einsätze der Streitkräfte im Ausland lösten die klassische Aufgabe der Landesverteidigung zunehmend ab. In den letzten Jahren hat sich die Bedrohungslage in der Welt und auch vor der eigenen Haustür allerdings massiv zugespitzt. Die Verteidigung der Freiheit am Hindukusch war ein Luftschloss, genauso wie Völkerverständigung ohne militärische Abschreckung. Die Bewältigung der großen Zukunftsfragen in der internationalen Gemeinschaft ist nicht so einfach zu lösen, weil der Mensch so nicht tickt. Die wachsende Community der Despoten auf diesem Planeten setzt auch im 21. Jahrhundert lieber auf Zerstörung, Leid und Elend statt auf Dialog und Annäherung.
Ein langer Abstieg führt uns über 300 Höhenmeter hinunter nach Mudersbach. Obwohl die herbstliche Szenerie vom Novemberlicht überschattet ist, ergeben sich reichliche Fotomotive am Wegesrand. Ein Schauer zwingt uns zum Aufrödeln von Regenzeug. Es sind allerlei Pilze, die teilweise ringförmig als „Hexenkreise“ am Waldboden in Erscheinung treten. Gelegentlich bricht die Sonne durch und zaubert gegen den dunklen Himmel noch einmal etwas vom „Indian Summer“ in die Landschaft.
Vor Mudersbach passieren wir ein weiteres vergittertes Stollenloch. Im 18. Jahrhundert wurde hier im Stollen „Junges Eichhorn“ Erzbergbau betrieben. Wegen geringen Ertrages erwarb die Brauerei Erzquell den Stollen nach seiner Schließung, denn das zu Tage tretende weiche und mineralfreie Wasser eignet sich hervorragend zum Bierbrauen. Die Erzquell Brauerei Siegtal ist durch eine vier Kilometer lange Leitung mit dieser Quelle verbunden.
Ich bin immer wieder erstaunt wie viele Erzgruben im Siegerland betrieben wurden. Bis in die 1960er Jahre wurde in hunderten von Gruben über 150 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert. Mit Anschluss des Siegerlandes an die Eisenbahn zwischen Rhein und Ruhr fand das Eisenerz reißenden Absatz im Ruhrgebiet. Mengenmäßig konnte der wachsende Stahlhunger nicht lange vom aufwendig abgebauten Eisenerz aus dem Siegerland bedient werden. Der Bergbau ist heute Vergangenheit und wurde durch stahlverarbeitende Industrie ersetzt.
An einer Mariengrotte vorbei erreichen wir am späten Nachmittag den Parkplatz in Mudersbach. Einige Kinder mit ihren Eltern versammeln sich hier gerade mit ihren bunten Laternen. Es ist das Fest zu Ehren des heiligen St.Martin, der uns bei der Fahrt zum Hotel auch noch hoch zu Pferd begegnet.
Im Hotel verbringen wir einen kulinarischen Abend unter dem Motto „Wilder geht nicht“. Es ist ein Buffet mit verschiedenen Wildspezialitäten von Hirsch, Reh und Wildschwein. Wir genießen die guten Sachen in mehreren Gängen in Begleitung eines Doppio-Passo- Primitivo und fallen danach zufrieden in die Federn und in den Schlaf. Ob die bis in unsere Breiten sichtbaren Polarlichter tatsächlich über uns geleuchtet haben?
Der Sonntag beginnt mit einem reichhaltigen Frühstück und Nebel in den Tälern. Offiziell haben wir am Samstag den Natursteig Sieg abgeschlossen. Dorothee hat für heute eine Route mit der Outdooractive-App nach Siegen geplant. Dafür bringen wir ein Auto in Bahnhofsnähe ins Zentrum von Siegen. Wir knüpfen mit der heutigen 14,5 Kilometer langen Etappe am Parkplatz in Mudersbach an und gehen mit insgesamt drei Auf- und Abstiegen über die Höhen südlich der Sieg nach Siegen.
Gleich der erste Aufstieg von annähernd 200 Höhenmetern bringt uns über den Schiefer-Erz-Eisenweg an das Gipfelkreuz der hohen Ley auf 365m. Ähnlich wie an der gestrigen Mariengrotte stellt auch hier an den Felsen eine Figurengruppe die Marienerscheinung der Bernadette von Lourdes dar. Wir erklettern die Nordseite der glatten Felsen für ein Gipfel-Selfie und werden belohnt mit einem Überblick über unseren gestrigen Wegverlauf. Am Gipfelkreuz befindet sich eine Gedenktafel, auf der die besonderen Verdienste von Schwester Edmundine (1897-1973) im katholischen Altenheim in Mudersbach bekundet werden.
Kurz scheint es, als hätten wir den rechten Weg im Farn-Dickicht verloren bis wir wieder auf den Schiefer-Erz-Eisenweg zurückfinden. Ein Mountainbiker schießt mit seinem Lenker dicht an Dorothee vorbei. Das Ausmaß einer Bauchverletzung in Höhe von Leber und Milz möchte ich mir besser nicht ausmalen. Den Abstand, den Radfahrer zu Recht von Autofahren einfordern ist auch der Abstand den ich als Fußgänger von ungebremsten Radfahrern erwarte.
Wir steigen ab nach Eiserfeld und kommen am hiesigen Heimathaus vorbei, vor dem ein großer Limonit oder Glaskopf aufgestellt ist. Der Felsen beinhaltet das begehrte Eisenerz aus der Oxydationszone des Siegerländer Erzganges. Mit verdeckten Blicken auf die Talbrücke der Sauerlandlinie A45 über die Sieg unterqueren wir die Trasse bei unserem Weg nach Hengsbach. Dahinter erreichen wir eine Höhe von etwa 380 Höhenmetern. Eine Weile leuchtet jetzt noch einmal die Sonne auf die herbstlichen Höhen.
Der nächste Abstieg führt nach Hengsbach, wo uns eine Bergbau-Lore mit einer Tafel über die lange Bergbautradition des Ortes aufklärt. Im über 700 Jahre alten Hengsbach konnten antike Schmelzöfen aus einer Zeit von 100-50 v.Chr. nachgewiesen werden. Ab 1800 gab es hier 3 Bergwerke mit Schachtbetrieb, 20 Stollenbetriebe und zahlreiche Tagebauten. Die Schächte wurden Anfang des 20.Jh. stillgelegt.
Südlich der Sieg geht es mit Panoramablick über das Siegtal ins Stadtgebiet von Siegen. Mit einer letzten Überquerung der Sieg gelangen wir durch die Innenstadt zu unserem Auto. 32 Kilometer mit 987 auf- und 1030 abgestiegenen Höhenmetern sind die Bilanz an diesem insgesamt recht trockenen Herbst-Wochenende. Am Parkplatz in Mudersbach setzen wir noch unsere Freunde ab, ein weiteres Wochenende mit Fortführung des Natursteigs bis zur Siegquelle haben wir für das erste Februar-Wochenende vereinbart.
An diesem Wochenende Anfang Februar hat Dorothee die Strecke von 26 Kilometern von Siegen bis zur Siegquelle in 2 Etappen geteilt. Es erschließt sich uns einfach nicht, warum die Wegplaner die Fortführung des Natursteig-Sieg bis zur Quelle nicht offiziell festgelegt haben. Wir treffen uns mit unseren Freunden am Samstagmorgen am Bahnhof Netphen-Deuz und stellen hier am Ende unserer inoffiziellen 16. Etappenvariante die Autos ab. Der stillgelegte Bahnhof ergibt mit einem abgestellten Eisenbahnwagen älterer Epoche ein adrettes Ensemble. In einem Glaskasten ist der Nachbau des angeblich ältesten Omnibusses der Welt ausgestellt.
Was zunächst wie eine Kutsche aussieht ist ein Motorwagen der Firma Benz aus Mannheim, der am 18. März 1895 im Linienverkehr auf der Strecke Siegen-Deutz die bisher eingesetzten Pferdegespanne ablöste. Die Netphener Omnibusgesellschaft konnte so 6-8 Personen in der beheizbaren Kabine plus 2 Personen auf dem Führerstand befördern. Am Heck und auf dem Dach wurde das Gepäck untergebracht, die Fahrkarte kostete 70 Pfennige. Der Einzylinder Benzinmotor mit Kettenantrieb leistete 5 PS, womit das Gefährt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 14 Km/h etwa 1 Stunde und zwanzig Minuten für die 15 Kilometer lange Distanz auf der schlechten Piste benötigte. Wegen Häufung technischer Schwierigkeiten wurde ein zweiter Wagen (5000 Mark) angeschafft um Ausfälle zu vermeiden. Bereits im November des gleichen Jahres wurde das Pionier-Projekt dann aber doch aufgegeben und die Wagen an den Hersteller zurückgegeben.
Das Wetter, soviel ist gewiss wird uns an diesem Wochenende nicht wirklich begeistern. Es ist für beide Tage Dauer- Nieselregen angekündigt, der nicht immer von oben nach unten fällt. Die Lust endlich mal wieder zu Fuß unterwegs zu sein kompensiert allerdings die melancholische Stimmung die sich über die Landschaft gelegt hat. Dorothee hat eine Busverbindung rausgesucht und nach kurzer Wartezeit fahren wir mit einem modernen Omnibus ins Stadtzentrum von Siegen.
Mit erhobenen Regenschirmen verlassen wir das urbane Stadtgebiet Siegens nach Norden und steigen mit insgesamt 270 Höhenmetern auf die Höhen südlich von Netphen auf. Im dichten Nebel hören wir ein rhythmisches Rauschen, das immer lauter werdend plötzlich vor uns ein großes Windrad preisgibt- irgendwie gespenstisch. Auf dem pampigen Fahrweg begegnet uns ein LKW des THW. Nach insgesamt 14,6 Kilometern bringt uns unsere heutige Tagesetappe absteigend zum Bahnhof von Deuz.
Das Nachtquartier dieser letzten beiden Etappen ist das Forsthaus Lahnquelle, an dem uns vor ungefähr 7 Jahren ein Taxi zum Startpunkt des Lahnsteigs gebracht hat. Den Lahnsteig haben wir damals von der Quelle bis zur Rhein-Mündung in Lahnstein erwandert. Der Quelltopf der Lahn befindet sich direkt auf dem Grundstück unseres Forsthauses. Unweit der Lahnquelle entspringt auch die Sieg auf den Höhen des Rothaargebirges und beide Flussläufe drainieren westwärts Richtung Rhein. Während die Sieg über Siegen das Siegerland durchläuft nimmt die Lahn einen südlicheren Verlauf über Marburg, Gießen, Wetzlar und Limburg zu ihrer Mündung. Auch die Eder entspringt hier im Rothaargebirge, deren Fließrichtung verläuft allerdings nordöstlich.
Es wird ein schöner Abend in unserem Hotel, das über eine finnische Sauna verfügt. Ein idealer Ort das nasskalte Wetter draußen auszublenden. Was die Gaststube zu bieten hat gefällt uns ebenfalls gut. Wir gehen früh schlafen, denn nach der ersten Streckenwanderung des Jahres mit den nachfolgenden Saunagängen lässt sich ein gewisses Maß an Müdigkeit nicht verbergen.
Zur beständigen Niesel- Gischt gesellt sich am Sonntag noch mehr Wind und wir parken nach dem Frühstück ein Auto am definitiven Endpunkt des Natursteig-Sieg an der Siegquelle auf 603m. Die Sieg entspringt hier aber nicht als einzelner Quell, sondern es ist ein Quellgebiet, an dem das Wasser an zahlreichen Stellen aus dem Berg tritt, um sich bald zu einem munteren Bächlein zu versammeln.
Wir knüpfen an das gestrige Wegstück am Bahnhof Deuz an und überqueren die Sieg unmittelbar an der Einmündung der Werthe. Möglicherweise steht der Ortsname von Deuz im Zusammenhang mit dem Zusammenfluss der beiden Bäche (dotzen=anstoßen), der sich auch im Wappen des Ortes wiederfindet. Deuz hieß um 1250 Düce oder Dütze, im Siegerländer Platt spricht man bis heute von Dücce. Immer leicht ansteigend folgen wir heute der Sieg gut 300 Höhenmeter hinauf zu ihrem Quellgebiet auf über 600 Meter. Auf den 11,4 Kilometern summieren sich insgesamt 417 aufgestiegene Höhenmeter.
Es ist zuletzt ein schönes, von hügeligen Weiden eingefasstes Tal entlang der jungen Sieg, die sich hier noch eher als plätschernder Bach in den Wiesen präsentiert. An einer umzäunten Weide stehen einige Schafe zusammen mit einem Esel in einem Unterstand. Bei dem Wetter suchen selbst die Tiere etwas Schutz vor der Nässe. Als sich jedoch ein Auto nähert, verlassen alle rasch den Unterstand, denn zwei Damen bringen willkommenes Futter. Wir erfahren, dass die Schafe der alten nordischen Rasse der „Skudden“ angehören, die bei eher kleiner Gestalt schneckenförmige Hörner tragen. Bereits zur Wikingerzeit war diese Rasse bekannt. Der nette Esel hört übrigens auf den Namen Hermann 🙂
An der Quelle schließen wir nun endgültig unser Projekt ab, das wir vor 2 Jahren im März zusammen mit Moni und Bernhard begonnen haben. Wir treten am Nachmittag zeitig die Heimfahrt an, nachdem wir unsere Freunde an ihrem Auto in Deuz verabschiedet haben. Ein neues Projekt haben wir bereits beschlossen. Es ist der Urwaldsteig rund um den Edersee im Waldeckschen Land, wofür die hiesige Eder-Quelle ja eine gute Überleitung bietet.
Arnd Korbmacher
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