Pfalz 2024 Part V Weinsteig- Besuch unserer Freunde in Ilbesheim und eine weitere (10.) Etappe auf dem Pfälzer Weinsteig
Unsere Freunde Kuky und Jürgen haben vor geraumer Zeit die Entscheidung getroffen nach dem Ausscheiden aus ihrem Berufsleben die Zelte in Mülheim an der Ruhr abzubrechen und am Rande des Pfälzer Waldes neu zu errichten. Wir können das gut nachvollziehen, denn es ist die Region in Rheinland-Pfalz in der wir uns auch gerne immer wieder aufhalten. Die herrlichen Mischwälder des Mittelgebirges, die roten Sandsteinfelsen und Burgen über den sonnendurchfluteten Weinbergen sind einfach eine tolle Gegend zum Wandern und Radfahren zu jeder Jahreszeit.
Auch wir denken immer mal wieder darüber nach, wo wir wohnen möchten, wenn wir den Ruhestand erreicht haben. Die dörfliche Region an der Weinstraße hat sicher ihren Reiz, aber Familie und Freunde in NRW, da ist unsere Heimat. Die Pfalz ist für uns die Toskana Deutschlands, in der wir seit 2020 immer wieder Zeit verbracht haben und dabei die Etappen des Pfälzer Weinsteigs vom Hambacher Schloss bei Neustadt bis Klingenmünster gegangen sind. Auch die Schwester meiner Mutter hat sich mit ihrer Familie vor vielen Jahren in Otterstadt bei Speyer in der Pfalz niedergelassen. Meine Cousine Birgit mit ihrem Mann Walter haben wir hier mehrfach besucht.
Wir freuen wir uns jetzt sehr über die Einladung von Jürgen und Kuky, die sich in Ilbesheim am Fuße des kleinen Kalmits ein feines Häuschen gebaut haben. Es ist das erste Oktoberwochenende und nach der Arbeit am Freitagnachmittag kann ich etwas früher vom Hof reiten. Dorothee holt mich mit dem gepackten Auto ab, über A3 und A61 läuft der Verkehr und es sind etwas mehr als 3 Stunden reine Fahrzeit, die wir für die 338 Kilometer bis Ilbesheim bei Landau brauchen. Um 18:40h erreichen wir das Haus von Kuky und Jürgen. Es ist eine ganze Weile her, dass wir einen gemeinsamen Termin gefunden haben. Sowohl unsere Freunde, als auch wir sind gerne auf Reisen und auch das Umzugsprojekt hat sicher Zeit und Energie gekostet.
Kuky hat sich viel Mühe gemacht und beköstigt uns mit leckeren Sachen aus ihrer brandneuen Küche, wobei es beim einen oder anderen Glas Wein vom benachbarten Winzer an diesem Abend viel zu erzählen gibt. Wir kennen Jürgen bereits aus meinen frühen Zeiten in der Jugendgruppe und Jungmannschaft des Alpenvereins. Jürgen hat Kuky in den USA kennengelernt, wo sie Medizin studiert hat. Unsere Freundschaft hat damals durch die Geburt unserer Kinder Fahrt aufgenommen, Sohn Arman ist 5 Tage jünger als unsere Tochter Anne. Die dreieinhalb Jahre ältere Schwester Lara ist wie ihre Mutter ebenfalls Ärztin geworden. Insgesamt sind es mehr als 30 Jahre, in denen wir uns gegenseitig besuchen und auch immer mal wieder etwas zusammen unternehmen.
Der Samstag steht im Zeichen der 10. Etappe des Weinsteigs, die wir in Nord-Süd- Richtung von Klingenmünster nach Bad Bergzabern gehen. Das Wetter ist perfekt und am Vormittag machen wir uns mit dem Auto auf den Weg nach Bad Bergzabern, wo wir ein Auto parken. Von Klingenmünster steigen wir unter der Burgruine Landeck in die Weinberge auf, die teilweise bereits abgeerntet sind. Es hängen aber noch späte Trauben, die noch etwas Sonne einfangen an den Rebstöcken, deren Blätter sich schon rot verfärben. Weinberge im Herbst sind für mich immer wieder pralle Fotomotive.
Durch den hübschen Weinort Gleiszellen-Gleishornbach steigen wir auf in den Pfälzer Wald. In der Sonne sind die Tische vor den Weinstuben in den schmucken Fachwerkhäusern am Mittag gut besucht. Mit gut 170 Metern Aufstieg erreichen wir heute etwa 350 Höhenmeter. Am Wegesrand finden wir viele Pilze und die zahlreichen Kastanien werfen ihre Früchte ab.
n den Mischwäldern der Pfalz findet man sehr häufig die Edelkastanie (Castanea sativa), die als Mittelmeerpflanze mit dem Wein von den Römern hierher gebracht wurde. Die Maronen haben einen festen Platz in der Pfälzer Küche und werden auch gerne im traditionellen Saumagen verarbeitet. Die rotbraunen „Keschde“ blinzeln aus ihren stacheligen grünen Hüllen und schmecken geröstet sehr gut. Mit den kühlen Temperaturen haben auch die Bäume damit begonnen den Herbst einzuläuten.
Wir steigen ab an den Waldrand nach Pleisweiler-Oberhofen, wo wir an einer Radarkuppel der Bundeswehr vorbei kommen und auf einer Bank am Hirtenbach Brotzeit machen. Für den letzten Teil des Weges nach Bad Bergzabern geht es noch einmal 100 Höhenmeter hinauf durch Weinberge mit Fernblick auf Oden- und Schwarzwald. Auf der Anhöhe des Liebfrauenberges erreichen wir an Pferdekoppeln vorbei ein Gehöft. Seltsame Plakate wettern in höchst respektloser und despektierlicher Art über die aktuelle Politik, die wohl den hier ansässigen Besitzer nach seiner Ansicht in den Ruin treibt.
Mich interessiert die Person, die hier Stimmung macht gegen Politik und Eliten und mein erster Eindruck ist, hier wohnt ein wohlhabender Reichsbürger. Ein aufgeschütteter Wall aus großen Felsen nimmt dem Vorbeiwandernden den Blick auf das historische, teilweise unter Denkmalschutz stehende Ensemble einer ehemaligen Klosteranlage mit Klosterkirche. Die aufgeschüttete „Panzersperre“ aus Felsen nebst Videoüberwachung lassen mich zumindest schlussfolgern, dass hier ein sehr seltsamer Vogel zu Hause ist. Die Internetrecherche führt ad-hoc zu einem Herrn Gerd Ruby, Unternehmer und Betreiber einer Waschanlage, der das Anwesen hier auf dem Liebfrauenberg erworben hat.
Sein Feindbild gegen Grüne und Linke geht sogar so weit, dass er dieser Wählerschaft kategorisch die Fahrzeugwäsche verweigert. Hochproblematisch finde ich dabei, dass er im Netz dafür sogar Applaus erhält. Auf einem der Plakate erfahre ich mehr über seine Gesinnung, da heißt es:
“Ich habe es so satt, dass ich durch Versager und Schmarotzer in den Ruin getrieben werde. Ich will endlich wieder eigenständig und frei sein. Ich will, dass mein schwer verdientes Geld mir gehört und mir nicht die Hälfte geklaut wird.“
Ja Gerd, das wollen wir alle gern, was Du aber meinst das nennt man Steuern, die jeder Bürger in einem demokratischen Solidarsystem für gemeinsame Aufgaben unseres Landes abgeben muss und Dir scheint es ja sehr gut zu gehen, wenn Du Dir Deine Kunden nach Deiner politischen Gesinnung aussuchen kannst 😉
Nach 12 Kilometern und etwa 300 Höhenmetern in Auf- und Abstieg erreichen wir durch den Kurpark von Bad Bergzabern das Auto. Von hier fehlt uns nun im Süden nur noch die letzte Etappe des Weinsteigs bis zu französischen Grenze bei Wissembourg. Mit unseren Freunden, deren Auto wir noch in Klingenmünster abholen fahren wir zurück nach Ilbesheim und verbringen hier einen weiteren schönen Abend. Kuky hat vom Metzger ihres Vertrauens Leberknödel eingekauft, eine Pfälzer Köstlichkeit, die uns mit ihrer lockeren Konsistenz geschmacklich in Erstaunen versetzen- für uns ein neues Pfälzer „Must Eat“
Am Sonntag unternehmen wir nach dem Frühstück noch eine Runde durch den historischen Ortskern von Ilbesheim und hinauf zum kleinen Kalmit. Das um 1558 erbaute Rathaus hat während des Spanischen Erbfolgekrieges 1701-1714 Weltgeschichte geschrieben. Der römische König Josef I. von Österreich bezog während der französischen Besatzung Landaus sein Hauptquartier im Haus gegenüber des Rathauses. Im Ilbesheimer Vertrag von 1704 wurden von ihm und der Kurfürstin Theresa Kunigunde von Bayern bis zum späteren Frieden von Rastatt die Verhältnisse zwischen Österreich und Bayern festgelegt. Wegen einer Belästigung des Österreichischen Regenten auf der engen Wendeltreppe des Rathauses wurde kurzerhand eine Brücke von seinem Quartier ins Rathaus gebaut- why not?- schließlich ist man ja König.
Sowohl an einem Haus, als auch an einer Wassermühle ist der Pegelstand des Hochwassers vom 9.05.1927 vermerkt, den der unscheinbare Bachlauf damals in Ilbesheim erreicht hat. Ich hätte demnach bis zur Schulter im Wasser gestanden. Noch ist es bedeckt, beim Aufstieg durch die Weinberge hinauf auf den kleinen Kalmit blinzelt die Sonne mehr und mehr durch die Wolken. Immer weiter öffnet sich der Blick über die Ebene hinüber zum Pfälzer Wald.
Dicke, pralle und reife Schlehen hängen an den Sträuchern und wollen gepflückt werden. Um damit einen guten Aufgesetzten zu machen fehlt zwar noch der Frost, mit dem Trick des Einfrierens im Eisschrank erreicht man aber den gleichen Effekt um die Zellstruktur aufzubrechen. Rasch kommt die zusammengeklaubte Beute in die mitgeführte Tupper-Dose.
Auf dem Kalkfelsen des kleinen Kalmits, der höchsten Erhebung im Rheingraben steht auf 271m seit 1851 eine Kapelle mit einer großartigen Aussicht über eines der größten Weinanbaugebiete Deutschlands. Mons Calvus, der Kahle Berg entstand vor 30 Millionen Jahren durch Absenkung der Rheinebene. Der weißgraue Tertiärkalk ist nur von einer dünnen Humusschicht bedeckt und wurde früher auch abgebaut. In Ilbesheim und Arzheim wurde der Kalk in Brennöfen gebrannt und als Baustoff für die Festung Landau eingesetzt. Im Naturschutzgebiet des Gipfelbereichs wachsen Orchideen und seltene Pflanzen. Auch der Wein hat auf diesem Boden sein besonderes Terroir.
Eine Weile genießen wir die späte Sonne des Jahres hier oben, bevor wir uns an den Abstieg nach Ilbesheim machen. Wir kommen an einer Mosterei vorbei, wo Berge von reifen Äpfeln weiterverarbeitet werden. Kuky erzählt uns von voll hängenden Apfelbäumen zwischen den südlich gelegenen Weinbergen und so drehen wir auch hier noch eine Runde. Wir werden belohnt mit weiteren schönen Fotomotiven und Blicken hinüber nach Leinsweiler mit Burg Münz, unter der ich auch den Leinsweilerhof erkenne, wo wir 2020 gewohnt haben.
Wir kommen an reich behängten Apfelbäumen vorbei, unter denen sich bereits reichlich Fallobst angesammelt hat. Wir füllen unsere Taschen mit den wohlschmeckenden Äpfeln und kommen auch noch an einem Birnbaum vorbei. An den Walnussbäumen platzen die dicken Nüsse aus der Kapsel. Es ist später geworden als gedacht, gegen 15:00h verabschieden wir uns von Kuky und Jürgen und machen uns auf den Weg nach Hause. Mit meiner idealen Beifahrerin Dorothee, die mich um jeden Stau herum lotst, sind wir trotz des langen Feiertagswochenendes in dreieinhalb Stunden zu Hause. Seltsamerweise scheint sich die Blechlawine von Norden deutlich zäher zu bewegen. Wir hatten ein tolles Wochenende zusammen mit unseren nun Pfälzer Freunden.
Arnd Korbmacher
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