“ Wie jetzt ?- Wandern am Rhein ?- ja toll ! „- das war meine erste Reaktion als mir mein Schwager von seinen Eindrücken auf dem Rheinsteig berichtete. Von spektakulären Ausblicken, ausgesetzten Passagen, anstrengenden Etappen und sogar Klettersteigen erzählte er mit deutlicher Begeisterung.
Also klickte ich mich mit meiner Frau durch die informative Homepage des Rheinsteig- ein ausseralpines Projekt war spontan geboren- das ziehen wir durch ! Durch das Siebengebirge, das untere und obere Mittelrheintal und das Rheingau führt der Rheinsteig in insgesamt 21 Etappen von Bonn nach Wiesbaden.
Von Königswinter führt uns im März 2013 die 2. Etappe des Rheinsteig durch das Siebengebirge nach Bad Honnef. Die noch wenig zum Einsatz gekommenen Beine bekommen überaschenderweise einiges zu tun, denn der Weg an diesem Tag durch das Siebengebirge hält mehr als 600 aufsummierte Höhenmeter An- und Abstieg bereit. Am Drachenfels war ich zuletzt als Kind und stehe nun bei noch winterlichen Temperaturen hier oben und bin durchaus beeindruckt von dem größten Strom unseres Landes. Zumindest die Quellgebiete dieses Flusses liegen in den Schweizer Alpen, wo man sich ja als Bergwanderer sonst eher wiederfindet . An der Ruine Löwenburg stehen wir auf stattlichen 360m. Immer wieder laufen wir völlig einsam – nur wenige Wanderer sind unterwegs. Ein Schlüsselerlebnis auf dieser, unserer ersten 14 km- langen Etappe ist die Erkenntnis- „hey das war anstrengend und hat Spaß gemacht“.
Bereits im April finden wir Zeit um weiterzumachen mit der nächsten Etappe von Bad Honnef nach Linz. Die Obstblüte beginnt bereits und an den noch kahlen Laubbäumen erkennt man dicke Knospen. Die höchste Erhebung auf dieser Etappe ist das Auge Gottes mit 311m und wie so oft auf dem Rheinsteig reihen sich Auf- und Abstiege bis hinunter zum Vater Rhein gerne aneinander. Aussichtsfelsen am Rhein werden als Ley bezeichnet- die Erpeler Ley ist solch ein Aussichtsfelsen mit einer wunderbaren Aussicht hoch über dem Rheintal. Genau unter der Erpeler Ley stehen mahnend die 2 düstere Brückenköpfe der ehemaligen Ludendorff-Brücke von Remagen. Am 7. März 1945 gelang den alliierten Streitkräften hier der strategisch wichtige Rheinübergang über diese letzte noch nicht zerstörte Rheinbrücke- 10 Tage später stürzte die Brücke ein . Vorbei an Burg Ockenfels steigen wir hinab in den hübschen Fachwerkort Linz .
Auf dem Weg nach Wiesbaden liegen nun weitere 18 Etappen an zahlreichen Wochenenden vor uns. Der kommende Abschnitt des unteren Mittelrheintals von Linz bis Koblenz wird in 6 Etappen unterteilt. So einmal im Monat schaffen wir es eine der Etappen zu gehen. Wegpunkte auf den nächsten Etappen nach Rengsdorf sind die Rheinbrohler Ley und die Ruine Hammerstein.
Kurz hinter Leutesdorf beim Aufstieg durch die Weinberge zu Beginn der 6. Etappe bietet sich uns auf der anderen Rheinseite ein besonderes Naturschauspiel. Der Kaltwassergeysir von Andernach erzeugt, angetrieben von Kohlendioxid regelmäßig eine Wasserfontäne von bis zu 60 Metern . Letztlich entstanden durch Anbohrung ist er der größte Kaltwassergeysir der Welt.
Etappe 6, 7 und 8 wenden sich vom Rhein ab und machen einen großen Bogen um das dichtbesiedelte Neuwieder Becken mit dem von überall sichtbaren Kühlturm des AKW Mülheim- Kärlich. Immer wieder treffen wir auf Relikte des Limes, der hier die rechtsrheinischen Barbarenwälder vom Imperium Romanum trennte . An mehreren Standorten wie zum Beispiel in Oberbieber wurden Grenztürme des Limes detailgetreu rekonstruiert. Etappe 7 endet in Sayn- die darüber liegende 800 Jahre alte Burg ist die Stammburg der Sayner Grafen. Es wird Oktober bis wir
mit der 9. Etappe den Streckenabschnitt des unteren Mittelrheintals an der Festung Ehrenbreitstein über Koblenz hinter uns lassen. Die gigantische Festungsanlage gehörte einst zu den größten miltärischen Bollwerken Europas . Bei fantastischer Fernsicht bis zur Eifel und dem Hunsrück liegt unter uns das “ Deutsche Eck “ mit dem Zusammenfluß von Rhein und Mosel bewacht von unserem letzten Kaiser.
Noch im November 2013 wenden wir uns mit Etappe 10 dem oberen Mittelrheintal zu. Zwischen Bingen und Koblenz befinden sich über 40 Burgen, Festungen und Schlösser. Seit 2002 steht das Kulturerbe des oberen Mittelrheintals unter dem Schutz der UNESCO. Es ist nun schon später Herbst und die Tage kurz. Beim Abstieg nach Lahnstein durch die rutschig moosige Ruppertsklamm ist durchaus Trittsicherheit von Vorteil. Düstere Geschichten ranken sich um Burg Lahneck, die hoch über der Lahnmündung auf einem Felssporn liegt. Man fand dort Mitte des 19.Jh. in der Ruine der Burg das Skelett und das Tagebuch von Idilia Dubb aus Edinburgh. Eine morsche Treppe war eingestürzt, die junge Frau konnte sich nicht befreien und fand hier den Tod.
2014 ändern wir unsere Strategie und planen unsere Excursionen an den Rhein nun 2-tägig, da die Anfahrt mit jeder Etappe länger wird. So können wir an einem Wochenende 2 Etappen gehen. Für die Übernachtung stehen gemütliche Gasthäuser zur Auswahl. Das obere Mittelrheintal gliedert sich wiederum in 8 Etappen . Im Januar 2014 führt uns Etappe 11 nach Braubach wo wir im „Weissen Schwan“ übernachten. Diese alte Mühle ist ein solcher Ort, an dem man einen Wandertag mit einem guten Essen und einem guten Tropfen ausklingen lassen kann. Früh geht es am nächsten Tag dann an Etappe 12 die mit 16,7 km aufsummierte 1008 Höhenmeter abverlangt. Stolz liegt über Braubach die Marksburg. Sie ist die einzige unzerstörte Höhenburg am Rhein und ist als Sitz der deutschen Burgenvereinigung der Prototyp einer deutschen Burg- Reinschauen ein Muss !
Im Februar geht es mit Etappe 13 vorbei an Boppard auf der anderen Rheinseite , wir passieren 2 Burgen, die „Feindlichen Brüder“ . Immer wieder führt der Weg nah an die Klippen der steil aufragenden Felsen des Rheintals. So geht es auch nach einer Übernachtung in Kestert am nächsten Tag weiter. Reste der Grube „Gute Hoffnung“ zeugen vom Erzbergbau bis Mitte des 20.Jh. Auf der 14. Etappe liegt Burg „Maus“ auf unsererem Weg. Ein „alpinistisches Highlight“ ist die Abstiegsvariante über einen luftigen Klettersteig, den Rabenacksteig oberhalb von St. Goarshausen.
Bei voller Obstblüte befinden wir uns im März auf Etappe 15 und auf dem Weg nach Kaub. Direkt am Anfang bietet sich der „Dreiburgenblick “ auf die Burgen Katz und Maus und auf die gegenüber-liegende Burg Rheinfels. Diese 22 km lange Königsetappe mit 800m Auf- und Abstieg bringt uns an den berühmtesten Felsen am Rhein. Lore, die einst mit wehenden Haaren auf dieser Ley saß und somit die Schifffahrt gefährdete wurde offensichtlich ihres Platzes verwiesen. Trotzdem kommen jeden Tag Leute in Schaaren- tja Pech für die Leute- Glück für die Schiffahrt !
Nichtsdestotrotz ist der Ausblick von der Loreley und vom Spitznack, einer ebenso grandiosen Klippe einzigartig. Wir haben diese lange Etappe geteilt um uns die Pfalzburg in Kaub und das Blüchermuseum anzusehen. Nach Übernachtung in einem Weingut in Dörscheid steigen wir am nächsten Morgen in das malerische Kaub ab. Schon von weitem sieht man die mitten im Rhein stehende Burg Pfalzgrafenstein. Der Besuch dieser vollständig restaurierten Zollburg, deren Gründung auf den Beginn des 14. Jh. zurückgeht ist nur mit dem Boot möglich.
In der Neujahrsnacht 1813/14 setzten hier die Truppen des Feldmarschall Blücher über den Rhein, um den nach der Völkerschlacht von Leipzig im Rückzug befindlichen napoleonischen Truppen nachzusetzen. Möglicherweise wird aufgrund dieses Ereignisses heute nicht „La Marseillaise“ am Rhein gesungen. Der kleine Korse scheiterte dann wenig später endgültig mit seinem „Waterloo“ im gleichnamigen Ort gegen Blücher. Über die Geschichte informiert das kleine Blüchermuseum in Kaub.
Im Mai gehen wir von Kaub weiter in 2 Tagen bis nach nach Assmannshausen. Von Kaub geht es auf Etappe 16 wieder steil hinauf vorbei an Burg Gutenfels teilweise bewaldet, teilweise oberhalb der Weinberge immer Richtung Süden. Die Fruchtstände der Rebstöcke sind bereits gut zu erkennen. Durch die tiefstehende Nachmittagssonne steigen wir ab durch Hänge mit sattgrünem Weinlaub nach Lorchhausen und übernachten an einem Weingut.
Jeder Aufenthalt im Laufe des Jahres am Rhein ist anders. Im Winter geht man bei Regen oder Schnee über die Höhen. Bei ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr ist der Waldboden bedeckt mit Buschwindröschen. Dann kann man fast wöchentlich die Veränderungen der Vegetation miterleben- natürlich auch die Entwicklung der wohlmöglich wichtigsten Kulturpflanze des Rheins, des Rebstocks. Man gewinnt aus den Früchten mit Hilfe der alkoholischen Gärung ein berauschendes Getränk, den Wein. Der mäßige Genuß eines zum Beispiel Rieslings ist durchaus ein wunderbarer Brauch- manche Menschen schmecken die mannigfaltigsten Geschmacksnuancen aller erdenklichen Obstsorten heraus- der eine oder andere sogar das „Terroir“.
Hinter Lorch laufen wir durch Weinberge soweit das Auge reicht. Mit dem Ende der Etappe 17 steigen wir durch die Hanglage des „Assmannshäuser Höllenberg“ hinab in die Gassen von Assmannshausen.
Von Assmannshausen geht es Ende Mai mit der 18. Rheinsteigetappe steil hinauf auf über 300m vorbei am Jagdschloß Niederwald. Alternativ zum Fußweg gibt es eine Sesselbahn hier hinauf. Auf dem weiteren Weg blickt man hinunter zur Ruine Ehrenfels und auf den Binger Mäuseturm auf einer Insel im Rhein. Unmittelbar in Bingen mündet die Nahe in den Rhein. Auf dem weiteren Weg nach Rüdesheim gelangt man zum Niederwalddenkmal. Das gewaltige 38m hohe Denkmal ist nach dem deutsch- französischem Krieg von 1870/71 als Symbol der Wiedereinrichtung des deutschen Kaiserreiches errichtet worden. Die dralle Germania genießt von hier einen Ausblick über Rüdesheim hinweg bis weit in rheinland- pfälzisches Gebiet. Es ist Ende Mai und wir steigen hinab nach Rüdesheim.
Rüdesheim ist ein hübscher, aber auch touristisch begehrter Ort in dem es schon mal schwierig werden kann einen Übernachtungsplatz zu bekommen. Ein echtes „Ballermannerlebnis“ hat man bei einem Gang durch die weltberühmte Drosselgasse in Rüdesheim. Schade- authentisch geht anders. Entfernt man sich nur wenig von derartigen Hotspots und dem letzten erreichbaren Parkplatz geht man auch zur Hochsaison relativ einsam auf dem Rheinsteig.
Hinter Rüdesheim beginnt nun das Rheingau und durch Weinberge steigen wir in der Morgensonne auf zur Abtei St. Hildegard. Dieses erst zu Beginn des 20. Jh. eingeweihte Benediktinerkloster trägt den Namen der Heiligen Hildegard von Bingen. Die im Jahr 1098 geborene Frau vefaßte zu ihrer Zeit wissenschaftliche Werke mit Abhandlungen aus Religion, Musik, Ethik, Medizin und Kosmologie. Bereits zu Lebzeiten als Heilige verehrt findet ihr niedergeschriebenes Wissen über Heilpflanzen auch heute noch Beachtung.
Der weitere Weg führt durch ein Meer von Weinbergen bis wir dann wieder dichten Eichenwald erreichen und zu einem weiteren Kloster absteigen. Kloster Marienthal war über Jahrhunderte hinweg eine bedeutende Wallfahrtsstätte. Am Ende dieser Etappe liegt dann das Schloss Johannisberg. Neben dem Schloss zeugt die Basilika St. Johannes der Täufer aus dem 11. Jh. vom Mittelalter und von der hier einst angesiedelten ersten Benediktinerabtei des Rheingaus.
Für die Etappen 19 und 20 finden wir erst Mitte September wieder ein Wochenende. Auf dem Weg von Johannisberg nach Kiedrich liegt das weltberühmte Kloster Eberbach. Die Zisterzienserabtei wurde um 1136 von burgundischen Mönchen gegründet. Die Abtei hat als Spiegelbild abendländischer Geschichte die Jahrhunderte überstanden und war für den Film „Der Name der Rose“ die perfekte Location. Ein gesonderter Besuch an diesem besonderen Ort ist unbedingt empfehlenswert. Über den netten Ort Kiedrich weiter durch Weinberge gelangen wir zum Kurort Schlangenbad mit seinen Thermalquellen.
Die Schlußetappe 21 laufen wir Anfang Oktober bei wolkenlosem Himmel zunächst durch dichten Herbstwald. Schon von weitem öffnet sich dann der Blick über weitläufige Weinberge auf Wiesbaden. Die Weinernte hat begonnen und überall wird in den Weinbergen gearbeitet. Durch die Rheinwiesen am Rhein entlang ereichen wir das Ziel des Rheinsteigs am Schloß in Wiesbaden- Biebrich.
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