Hohenstein-Route- Weserbergland 2021
Die zweite Unternehmung unserer ersten Urlaubswoche Mitte Mai führt uns in das westliche Weserbergland. Wir haben uns Christi- Himmelfahrt ausgesucht und haben darauf gehofft, dass diese Region trotz des zu erwartenden Ausflugsverkehrs nicht zu stark frequentiert wird. Die Zahlen der Neuinfektionen während der noch immer bestehenden 3. Welle der Corona Pandemie ebben zwar langsam ab und es besteht zunehmend Aussicht auf eine weitere Normalisierung der Lage nicht zuletzt durch die zunehmende Durchimpfung der Gesellschaft. Eine Aufhebung oder Missachtung der bisherigen Hygieneregeln kann diesen errungenen Erfolg allerdings immer noch gefährden.
Der heutige Feiertag ist allerdings bei vielen noch besser bekannt als „Fattatach“, dem höchsten Feiertag ambitionierter Kampftrinker. Der Tradition folgend zelebrieren illustre Männer-Gruppen den Vollrausch als Gruppenerlebnis an der frischen Luft. Ob Bollerwagen oder Plastiktüte- Hauptsache es geht blau durchs Grüne. Die Alkohol- Standarten vorbeiziehender Gruppen nehmen wir heute wiederholt zur Kenntnis. Na gut- ich möchte auch nicht intolerant erscheinen, denn die Sache mit Traditionen ist halt Geschmackssache.
Eine erlebte und nicht erfundene Anekdote nehme ich schon einmal vorweg bevor ich zu unserer heutigen Wanderung komme. An einer belebteren Stelle des heutigen Weges durfte ich auf das Hinterteil eines knieenden jungen Mannes blicken, dessen Hose es nicht vermochte das gesamte Gesäß zu verbergen. Ein gut lesbarer Schriftzug wie „ Hier könnte Ihre Werbung stehen“ hätte dort leicht Platz gefunden. Auf seinem Shirt prangte aber tatsächlich in großen Lettern der folgende Text: „Drinking-Team Dick & Doof“ stand dort geschrieben. Ironie oder Selbsterkenntnis?- Ich wollte das auch nicht herausfinden.
Recht früh sind wir zu Hause losgefahren, so dass wir den Startpunkt unserer heutigen Wanderung auf einem Waldparkplatz nördlich von Hessisch Oldendorf zeitig erreichen. Vom Parkplatz Baxmannbaude laufen wir heute einen Rundweg von insgesamt 17 Kilometern, der uns an den spektakulären Klippen des Hohensteins entlang führt. Teile des Wegs überschneiden sich mit dem Weserbergland- Weg der in 13 Etappen 253 Kilometer von Hannoversch Münden nach Porta Westfalica führt.
Es hat geregnet und die Wege sind teilweise recht rutschig. Einige Weinbergschnecken sind mit uns auf der mit einer „7“ markierten Hohensteinsteinrunde unterwegs. Der Wald hat sich bereits ein dichtes Blätterdach zugelegt und am Wegesrand blüht neben Waldmeister und Bärlauch so einiges. Der erste Aufstieg bringt uns an die Moosköpfe, von wo wir nach Süden auf die hohen Felsabbrüche des Hohensteins mit Namen wie „Grüner Altar“ und „Teufelskanzel“ blicken.
Der Weg wendet sich nördlich an den Rand eines riesigen Tagebaus, in dem Kalkstein abgebaut wird. Um einen Blick in das riesige Loch zu werfen erweitern wir die eigentliche Runde mit einem Abstecher, der uns am Nordrand der Grube entlangführt. Nur an einer Stelle erhaschen wir einen Blick hinein und haben dabei auch schon das Gelände der Schillat-Höhle erreicht, die allerdings Corona-bedingt derzeit noch verschlossen ist.
Am Ortsrand von Langenfeld kommen wir an einem idyllischen Hof mit Groß- und Kleinvieh entlang. In östlicher Richtung gelangen wir zurück in bewaldetes Terrain. An der Blutbachquelle entlang gelangen wir auf das Dachtelfeld. Recht langweilig und gerade zieht sich der asphaltierte Weg durch das als Dachtelfeld bezeichnete Gelände. Tachteln bedeutet in altem Sprachgebrauch Schlagen und ist sprachlich ein Hinweis auf eine kriegerische Auseinandersetzung. Tatsächlich hat sich im Jahr 782 an dieser Stelle eine große Schlacht zwischen den Franken und den Sachsen ereignet.
Die Truppen Karls des Großen erlitten eine vernichtende Niederlage im Kampf gegen die Streitmacht des sächsischen Herzogs Widukind. Obwohl es historisch nicht sicher geklärt ist ob sich die Schlacht genau hier ereignet hat ist überliefert, dass der talwärts fließende Bach sich mit dem Blut der Erschlagenen rot gefärbt hat, was den Namen des Blutbachs erklären würde. Noch im selben Jahr nahm Karl der Große Rache und richtete 4500 Sachsen in der niedersächsischen Stadt Verden an der Aller hin.
Die gerade Wegführung endet beim Erreichen der östlichen Schulter des Hohensteins und der Weg beginnt sich an die steil nach Süden abfallende Hangkante anzuschmiegen. Der nördlich des Hohensteins verlaufenden Blutbachs bringt zusammen mit dem Langeföhbach das Wasser als Hollenbach Richtung Weser. Als mächtigste Klippe Niedersachsens fallen die Felsvorsprünge mit mehr als 40 Metern nach Süden ab. An Plätzen wie dem „Grünen Altar“ huldigten die alten Germanen ihrer Frühlingsgöttin Ostara.
Am heutigen Tag huldigen Männer dem Gott, der Hopfen und Malz erschaffen hat. 2 Herren genießen ihr Kaltgetränk am Rand der luftigen Teufelskanzel. Hier oben stehen auch Gedenk-Kreuze über deren Bedeutung wir nur mutmaßen- hoffentlich keine Relikte vergangener Vatertage. Diesen schönen Ort nutzen Familien und größere Gruppen auch zum geselligen Picknick, allerdings unter Missachtung jeglicher Corona- Basisregeln, als wäre das Thema Corona bereits Schnee von gestern.
Bald wendet sich der Weg nach Westen zum Abstieg vom Hohenstein. Über einen Treppenweg gelangen wir am Hirschsprung vorbei auf einen Waldweg, auf dem reger Ausflugsverkehr herrscht. Plötzlich schießt mit hoher Geschwindigkeit ein Fahrrad an meinem linken Ellenbogen vorbei. Mit aggressiven Haken und unvermindertem Tempo werden lästige Fußgänger wie Pylone umfahren- dieses hazardöse Verhalten entlockt mir den Ausruf „Idiot“.
Was nun folgt ist unglaublich, denn dieser Downhill- Kamikaze leitet eine Vollbremsung ein um sein Sportgerät zur Seite zu legen. Dem Adrenalinspiegel dieses Zeitgenossen und der Androhung einer Prügelei kann ich mich nur durch Deeskalation entziehen. Ein konstruktives Gespräch ist leider unmöglich, denn mit äußerste Aggression hagelt nun ein Feuerwerk von Beschimpfungen auf mich ein, denen gegenüber die Bezeichnung „Idiot“ fast nett klingt. Es gibt leider Menschen, deren Gefährdungspotential weder am Steuer eines KFZ, noch auf einem Fahrrad sozial akzeptabel ist.
Nach dieser unangenehmen Begegnung erreichen wir den Talgrund mit dem Blutbach an dem einige Eltern ihren Kindern beim Spielen im Wasser zuschauen. Eine Tafel erinnert an Cord Baxmann und erzählt die Sage um seine Person. Baxmann lebte von 1599-1690 in Oldendorf. Er war Wirt des Ratskellers am Marktplatz, erfolgreicher Kaufmann und Stadtmusicus. Er wachte im Amt des Tornemanns ferner über die Sicherheit in der Stadt. Er war erfolgreich und zog viele Neider auf den Plan.
Der Sage nach erschien er nach seinem Tod wieder in der Stadt. Er wurde in die Wälder am Hohenstein verbannt mit der Aufgabe eine Quelle mit einem Sieb leer zu schöpfen. Den Bann konnte er im Winter brechen, als die Quelle zu Eis erstarrte. Er wurde erneut mit einem Bann belegt und erhielt als Aufgabe die Quelle mit einem Fingerhut zu leeren, was ihm bis heute nicht gelang. Die Moral?- keine Ahnung- möglicherweise ist er ja noch nicht fertig mit seiner Aufgabe. Immerhin erinnert ein Brunnen in Hessisch Oldendorf an diese Story. Wir essen hier noch unsere Brote und gehen mit einem seichten Aufstieg am Gegenhang zurück zu unserem Auto am Parkplatz Baxmannbaude.
Arnd Korbmacher
©Copyright 2021