Ausflug nach Monreal in der Eifel-
Burgen, Ritterschlag und Kometenjagd
Es ist ein Sonntag nach einem langen geselligen Abend bei Freunden aus Studientagen, an dem wir lange ausschlafen. Was tun an einem solchen Rest- Sonntag, an dem weder die Pflicht noch ein Freizeitprojekt ansteht? In der letzten Nacht haben wir bei der Rückfahrt aus dem Ruhrgebiets- Norden immer wieder Ausschau gehalten nach dem Kometen Neowise, der sich derzeit im Sternbild „Großer Bär“ am Nachthimmel zeigt. Sowohl am Freitag bei einem Besuch auf der Halde Haniel in Oberhausen, als auch in der gestrigen Nacht blieb er hinter Wolken verborgen. Ein Wetter- Check gibt Hoffnung- Es ist die Eifel, wo sich zum Abend der Himmel öffnen soll. Aber- macht es Sinn erst mittags und nur dafür in die Eifel zu fahren? Nein- sicher nicht, wir machen es trotzdem.
Wir finden auf der Webseite der „Traumpfade im Rhein-Mosel-Eifel-Land“ ein interessantes Ziel. Es ist der Ort Monreal an der Elz im Landkreis Mayen-Koblenz. Nach dem Mittags- Frühstück geht es also los, mit großem Foto- Equipment nach Monreal. Gegen halb vier stellen wir unser Auto am Bahnhof ab. Hier haben wir am Abend einen Tisch im Restaurant „Stellwerk“ im alten Bahnhofsgebäude reserviert.
Der ausgewählte Traumpfad der Webseite lautet „Monrealer Ritterschlag“, hat eine Wegstrecke von fast 14 Kilometern, mit einer Höhendifferenz von 500 Höhenmetern und ist als schwer ausgewiesen. Dafür ist der Nachmittag leider schon zu fortgeschritten, denn wir möchten uns Monreal mit seinen beiden Burgen, der Philippsburg und der Löwenburg auch gerne ansehen. Wir kürzen die Runde zum 4,2 Kilometer langen „Knappenschlag“ (hab‘ ich mir gerade ausgedacht) 🙂 und haben so ausreichend Zeit Monreal zu erkunden.
Vom Bahnhof laufen wir westlich ein Stück durch das Elztal an einem Sportplatz vorbei, bis uns ein knackig- steiler Pfad durch Laubwald rasch auf Höhe bringt. Auf dem etwa 100 Meter höher liegenden Plateau führt der Weg entlang großer Rapsfelder. Schon bald haben wir einen ersten Blick auf die beiden Burganlagen von Monreal.
Siedlungsspuren stammen bereits aus vorchristlicher Zeit, urkundlich erwähnt wurde der Ort 1193 noch als „Cunisberch“ (Königsberg). Anfang des 13. Jahrhunderts weiteten die Grafen von Virneburg ihren Einflussbereich aus und fanden den Namen Monreal ansprechender. Um 1220 begann Hermann III. von Virneburg mit dem Bau der großen Burganlage ohne entsprechende Grund- Rechte dazu inne zu haben. Eigentlich war Bruder Phillip von Virneburg als Verwalter des Trierer Erzbischofs benannt- die Virneburger Grafen allerdings unterhielten immer schon gute Beziehungen zum Erzstift Köln, was häufige Konflikte nach sich zog. Monreal erhielt 1306 Stadt- und 1642 Marktrechte. Hermanns Kalkül ging mit der Anbindung an die landwirtschaftlichen Gunstgebiete und die vulkanischen Gesteinsvorkommen im mittelrheinischen Becken auf. 1545 starb das Virneburger Grafengeschlecht aus und das Lehen Monreal ging letztlich an die Stadt Trier.
Monreal und seine Burgen wurden 1632 im Dreißig- Jährigen Krieg von schwedischen und 1689 im Pfälzer Erbfolgekrieg von französischen Truppen zerstört. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine bedeutende Tuchindustrie, die Monreal Wohlstand brachte. Der Niedergang der Tuchmacherei führte dann Ende des Jahrhunderts zur Verarmung, von der sich Monreal nur langsam erholte.
Ein leicht ausgesetzter Felsweg führt hinüber zu den Burgen. Wir passieren die Reste der Philippsburg mit ihrem noch erhaltenen, aber nicht begehbaren Bergfried. Darüber liegt die mächtige Löwenburg, deren Strukturen und Räumlichkeiten noch gut zu erkennen sind. Auch die Mauern der Burgkapelle mit angrenzendem Wohnraum lassen sich zuordnen. Der 25 Meter hohe Bergfried mit seinen drei Meter dicken Mauern ist begehbar und bietet Rundblick auf das Elztal, auf die benachbarte Philippsburg und die umliegenden Höhen.
Es ist bis heute nicht geklärt, ob die Philippsburg eine Vor- Burg der Löwenburg, oder gar eine im Rahmen des Bruderzwistes entstandene Festung als Antwort auf den unerlaubten Bau der Löwenburg ist. Favorisiert wird vor Ort die sicher spannendere zweite Version.
Wir genießen den sonnigen Nachmittag, es ist schwül- heiß, der Himmel ist bewölkt und von wolkenlos noch weit entfernt. Der Abstieg entlang der Reste der ehemaligen Burgmauer und der Wachtürme führt uns hinunter in die Altstadt von Monreal. Es sind nicht viele Leute unterwegs in dem schmucken Fachwerk- Ort. Ich denke an den Massenandrang und die vollen Reisebus- Parkplätze in Monschau. Hinter der „Perle der Eifel“ muss sich Monreal unseres Erachtens nicht verstecken.
Eine doppelbogige Steinbrücke über die Elz liegt inmitten des Fachwerk- Idylls historischer Häuser. Ein Löwendenkmal und eine Statue des Heiligen Johannes Nepomuk zieren die Brückenmitte. Auf ihrem weiteren Weg zur Mündung in die Mosel passiert die Elz die Burgen Pyrmont und Elz. Die spätgotische Pfarrkirche „Kreuzerhöhung“ ersetzte einen Vorgänger- Bau aus dem 13. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammt noch der Kirchturm. Aus dem 15. Jahrhundert sind Kunstschätze wie der geschnitzte Apostel- Altar (1420) erhalten.
Pünktlich um sechs Uhr sind wir zurück am Bahnhof in Monreal. Die Corona- Pandemie ist und bleibt eines der weltbeherrschenden Themen. Bei weltweit 15 Millionen Infizierten sind 615 Tausend Menschen dem Virus bereits zum Opfer gefallen. Der Mundschutz ist neben grundlegenden Hygieneregeln und Distanz ein längst etablierter Standard, mit dem wir in Deutschland wieder Restaurants und öffentliche Bereiche mit Einschränkungen besuchen können. Das ist leider nicht überall so, denn markige Staatsführer heben lieber Massengräber aus, als sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten zu lassen. Traurige Anführer der Gesamt- und Neuinfektionen in der Welt sind die USA.
Verschwörungsphantasien im eigenen Land stellen investigativen Journalismus als „Lügenpresse“ in Frage. Ein Vegan- Koch begeistert johlende Horden als Hassprediger und Corona- Leugner. Zu all dem lassen Party- Bilder vom Ballermann meinen letzten Glauben an die eigene Spezies schwinden.
Also Mundschutz auf und rein in die gute Stube des „Stellwerks“. Uns erwartet ein Ambiente aus einer Sammlung von historischen Eisenbahn- Accessoirs und einer geschmackvollen Einrichtung. Eine große Weinpresse steht mitten im Raum. Das Essen ist schmackhaft und von der Chefin mit ihrem Team werden wir freundlich versorgt.
Nach dem Essen fahren wir mit dem Auto noch einmal über einen Wirtschaftsweg hinauf zur Löwenburg. Mit dem Versinken der Sonne lasse ich meine Drohne aufsteigen und für ein Video- Take um die Burg kreisen. Tatsächlich hat sich der Himmel deutlich gelichtet, was Hoffnung macht auf eine mögliche Kometen- Sichtung. Es ist noch recht hell und wir beschließen uns einen idealen Ort für unser Unterfangen zu suchen.
Da wir in der unmittelbaren Umgebung nicht so ganz fündig werden, arbeiten wir uns langsam in Richtung Norden vor, um eine nicht bewaldete Bergkuppe mit einem offenen Nord- Blick zu finden. Bei Niederzissen fahren wir über einen Feldweg an eine solche Stelle. Mittlerweile schwindet das letzte Tageslicht Richtung Westen und erste helle Sterne demarkieren sich aus der blauen Stunde. Der Komet C/2020 F3 Neowise steht laut meiner Sternen- APP im unteren Bereich des Sternbildes Großer Bär, unterhalb des Großen Wagens.
Ich finde den Schweifstern erst im Sucher meiner Kamera mit einem Teleobjektiv und bin etwas enttäuscht von der Helligkeit des Kometen. Zum einen ist der Himmel nicht absolut klar, zum anderen soll er zum Monatsende hin auch mehr und mehr an Leuchtstärke verlieren. Am 23. Juli erreicht der Asteroid mit 103,5 Millionen Kilometern die größte Annäherung an die Erde. Auch bei weiter zunehmender Dunkelheit fällt es mir schwer den Schweif mit bloßem Auge zu erkennen. Die Kamera belichtet einige Sekunden und leistet da schon deutlich mehr als das Auge. Der letzte mit bloßem Auge sichtbare Komet war im April 1997 Hale- Bopp. Ich kann mich gut erinnern, das Hale- Bopp recht hell und gut sichtbar über viele Monate zu sehen war.
Es wird Mitternacht und wir machen uns auf den Weg nach Hause. Erst gegen 2 Uhr Morgens krachen wir ins Bett, aber wir haben Neowise gesehen. Bald wird er in den Tiefen des Alls verschwinden um nach astronomischen Berechnungen irgendwann Ende des 9. Jahrtausends zur Erde zurückzukehren- vielleicht sind dann auch noch Menschen da, die dieses Ereignis erleben können.
In der Gewissheit einen verrückten Trip zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht zu haben fallen wir in einen tiefen Schlaf.
Arnd Korbmacher
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