Eifel- Paul Boesch-Weg- historisch-literarischer Weg N°76
Das Wochenende in der 2. Januarhälfte 2025 wartet mit großartigem Wetter auf. Eine stabile Inversionswetterlage hat sich über das Land gelegt, mit Frühnebel in den Tälern und unfassbar blauem Himmel oben drüber. Dabei ist es um den Gefrierpunkt herum unten in den Tälern kälter als auf den Höhen. Bei diesem tollen Wanderwetter habe ich am Sonntag leider einen Krankenhausdienst zu verrichten, so dass wir an diesem Wochenende zu Hause bleiben. Mit einem gemeinsamen freien Tag am Dienstag nutzen wir die anhaltende Wetterlage dann doch noch für einen Ausflug in die Eifel.
Ausgewählt haben wir diesmal den historisch- literarischen Weg N°76, der den Namen des amerikanischen Soldaten Paul Boesch trägt. Geboren in New York, war Boesch in seiner Jugend Rettungsschwimmer an den Stränden von Long Island und wurde zu einem frühen Star der amerikanischen Wrestling-Szene. Mit 32 Jahren landete der deutschstämmige Offizier mit dem 121. Infanterie Regiment der 8. Infanterie Division der US-Army an den Stränden der Normandie. Militärisch hoch dekoriert überlebte er die Gefechte auf dem europäischen Kontinent und starb 1989 in Texas. Die furchtbaren Gefechte in den Wäldern des Hürtgenwaldes habe ich in meinen vorausgegangenen Berichten skizziert. Der verlustreiche Vormarsch der Amerikaner direkt durch den Hürtgenwald wird von einigen Militärhistorikern heute als strategischer Fehler gesehen.
Auch heute erwandern wir einen Schauplatz der Hürtgenschlacht, wo beide Kriegsparteien hohe Verluste erlitten. Unsere Runde über die westlichen Höhen vor Hürtgen führt uns hinab in das Wehebachtal und zurück durch das „Death Valley“ hinauf zum damaligen Minenfeld „Wilde Sau“ und zum deutschen Soldatenfriedhof von Hürtgen. Hier kämpfte Paul Boesch als Kompanieführer mit der 8. US-Division. Diese Einheit löste die in der Allerseelenschlacht „abgekämpfte“ 28. Division beim weiteren Vorstoß auf Hürtgen ab. Ein Offizier der abziehenden 28. Division berichtete Boesch vor seinem Eintreffen im „Forest in Hell“ über das Leid und die Strapazen, die er hier erfuhr. Boesch schrieb seine Erlebnisse später in dem Buch „Road to Hürtgen- Forest in Hell“ nieder.
Am Rand der Eifel passieren wir am Morgen die Nebelfelder, die sich in der Nacht bodennah gebildet haben. Wir parken am „Brandenburger Tor“, einem Holztor durch das wir eine Wegkreuzung erreichen, hinter der sich damals eine Aid-Station befand. Die Wege sind mit einem Eispanzer belegt, der heute Morgen mit Vorsicht zu begehen ist und fast nach „Grödel“ unter den Schuhen verlangt. Deutlich griffiger ist der Schnee am Wegrand, wo sich korallenartige Eiskristalle gebildet haben. In der Sonne funkeln die Kristalle wie Edelsteine. Die Luft ist wunderbar klar und nach Westen blicken wir jenseits des Wehebachtals über die bewaldeten Hänge des Hürtgenwaldes.
Etwa 60 Höhenmeter geht es hinab zu einer Brücke über den Wehebach, der sich mäandernd durch das Tal schlängelt. Vom Talgrund geht es nun durch das „Death Valley“ hinauf zum „Purple Heart- Hollow“, Bezeichnungen die bis heute das Grauen wiederspiegeln, das hier Alltag der Soldaten war. Wir reden gerne von „Gefallenen“, ein Euphemismus mit dem Effekt der Verharmlosung- hier wurden Soldaten zerfetzt und sind an ihren furchtbaren Verletzungen krepiert.
Boesch hat in seinem Buch auch über Absurditäten an der vordersten Front geschrieben. So befahl die Regimentsführung zu Thanksgiving den Soldaten in vorderster Linie ihren Truthahn zu bringen, was dem aus mehreren Soldaten zusammengestellten Lieferdienst den Tod brachte. Ohne erhoffte Hilfe lag Boesch mit seiner Einheit 48 Stunden unter deutschem Dauerfeuer, mitten im Kugelhagel wurden dabei per Befehl zwei Soldaten zum Urlaub nach Paris abkommandiert.
Wir erreichen auf 400 Höhenmetern an einer Klippe die Bank am „Drei Eichen- Aussichtspunkt“. Es ist heute mit 7,3 Kilometern keine große Tour und auch 140 Meter Höhenunterschied lassen die Runde fast als Spaziergang erscheinen. So haben wir alle Muße die Mittagssonne auf der Bank mit unseren Pausenbroten ausgiebig zu genießen. Für die Schönheit der Landschaft der Nordeifel hatte Boesch mit seinen Soldaten damals sicher keine Augen. Sogar ein Schmetterling flattert durch die Luft an uns vorbei.
Was könnte an einen solchen Tag aufs Gemüt drücken, Deutschland wurde vor 80 Jahren von einem Tyrannen befreit und der Boden der Hügel auf die wir blicken war mit dem Blut der jungen Männer getränkt, die hier gekämpft haben. Deutschland genießt seit 80 Jahren Einigkeit und Frieden mit seinen Nachbarn in der Europäischen Union und mit seinen transatlantischen Verbündeten im Militärbündnis der NATO. Mitten im kalten Krieg mit dem „Warschauer Pakt“ habe ich selbst meinen Wehrdienst abgeleistet. Mit dem Zerfall der UDSSR, dem Abbau des Atomwaffensperrgürtels quer durch Deutschland und zunehmender Entspannung zwischen Ost und West hat Deutschland seine Militärinfrastruktur weitestgehend abgebaut. Einsätze zur Friedenssicherung brachten neue Aufgaben der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen.
Leider gehören Krieg und Aggression ganz und gar nicht der Vergangenheit an. Der russische Aggressor hat vor drei Jahren den Ukrainekrieg vor unserer Haustür entfacht, die Kämpfe im Nahen Osten und die vielen Kriege und Konflikte auf unserem Planeten sprechen nicht für die Fähigkeit des Menschen zur Entspannung auf dem Boden der Diplomatie. Seit gestern, dem 20. Januar geht mit Donald Trump der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika mit einer 2. Amtszeit an den Start.
Mit einer großen Anzahl von Dekreten beginnt er an seinem ersten Tag einen Feldzug unter dem Motto „America first“gegen den Rest der Welt. Mit Aufkündigung von Verträgen, wie der Mitgliedschaft in der „World Health Organisation“ und dem Ausstieg aus der Weltklimakonferenz geht es nun auf einen amerikanischen Ego-Trip, bei dem international mühselig erarbeitete Verträge reihenweise wie Luftblasen zerplatzen. Scheinbar reduzieren sich die Ziele des „Best President Ever“ nur noch auf Profit und Abrechnung mit der demokratischen Opposition.
Klimaschutz war gestern, mit „Drill Baby Drill“ kehren die USA zurück zur klimaschädlichen fossilen Verbrennung. Neben der Verbrüderung mit Tech-Milliardär Musk als Berater erhalten nur noch verdiente, aber nicht zwingend qualifizierte Gefolgsleute Ministerposten in der Regierung Trump. Unser „Big Brother“ will mit drastischer Erhöhung von Zöllen in einen Wirtschaftskrieg gegen uns und den Rest der Welt ziehen und gefährdet mit der Androhung eines NATO Ausstiegs auch unsere Sicherheit in Europa.
Ja- Gedanken an all das können einem auch einen solchen Tag wie heute versauen. Auch innenpolitisch geben die aktuellen Entwicklungen kurz vor den vorgezogenen Bundestagswahlen Anlass zur Sorge. Mit vermeintlich populistischen Lösungen gehen unsere Parteien auf Stimmenfang, denn Populismus kommt einfach besser rüber als sorgfältiges Abwägen. Das Elend, das die Schlachtfelder Europas den Menschen eingebracht hat verschwindet langsam aus dem kollektiven Gedächtnis der Jugend Europas. Zeitzeugen verstummen zunehmend. Der Grat der Demokratie in den Parlamenten Amerikas, Europas und Deutschlands ist seit 80 Jahren so schmal wie nie. Wir müssen aufpassen nicht wieder vom Weg abzukommen und genügend Abstand vom drohenden Abgrund halten- noch haben wir die Wahl der Wahl.
Auf unserem Weg nach Hürtgen zurück halten wir in der Nähe des Parkplatzes Ausschau nach den hier beschriebenen Schützenlöchern, die von den US-Soldaten beim Angriff auf Hürtgen gegraben wurden. So richtig können wir diese im verschneiten Waldboden nicht erkennen. In einem dieser „Foxholes“ hatte sich auch Boesch verschanzt. Das verminte Waldgebiet „Wilde Sau“ hatte bereits mehreren hier kämpfenden amerikanischen Regimentern hohe Verluste eingebracht. Ende November 1944 gelang der 8. US-Division die Einnahme von Hürtgen und wenige Tage später von Bergstein. Am 7.Dezember 1944 erstürmte das 2. Ranger- Bataillon den Burgberg auf dem „Hill 400“. Aufgehalten durch die deutsche Gegenoffensive in den Ardennen gelang die Einnahme der nahen Stadt Nideggen erst am 1.März 1945. Mit dem weiteren Vormarsch Richtung Rhein rückt das Ende des Krieges mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8.Mai 1945 in Sichtweite.
Für die zurückgekehrte Bevölkerung in die Eifeldörfer waren die Eifelwälder ein gefährlicher Ort, denn sie waren übersät mit Kampfmitteln und Minen. Viele Todesopfer resultierten auch nach dem Krieg noch aus dieser Tatsache. Entzündet von Phosphorgranaten entstanden im Sommer 1947 großflächige Waldbrände in den knochentrockenen, zerschossenen Wäldern der ehemaligen Kampfgebiete. So wurden viele Blindgänger und Minen zwar zur Explosion gebracht, die Gefahr war aber noch lange nicht gebannt.
Wir besuchen den deutschen Soldatenfriedhof an der B399 in Hürtgen. Amerikanische Soldaten wurden grundsätzlich nicht auf deutschem Boden beigesetzt. Idyllisch und friedlich wirken die Reihen von Kreuzen im Schnee, wobei jedes Kreuz die Grablege von 6 Soldaten markiert. 3000 Soldaten liegen hier in Hürtgen, etwa 500 Soldaten konnten auch nach späteren Recherchen nicht identifiziert werden. Eine Steele am Rand des Friedhofs setzt dem deutschen Leutnant Friedrich Lengfeld ein Denkmal. Am 12. November 1944 rettete er einen schwerverletzten amerikanischen Soldaten aus dem Minenfeld „Wilde Sau“ und kam dabei selbst ums Leben.
Staatsführer auf nationalem Ego-Trip haben in der Geschichte schon viele junge Menschen auf dem Feld der Ehre „verheizt“. Sowohl amerikanische, als auch deutsche Jungs hatten sicher andere Pläne als für Gott und Vaterland den Heldentod zu sterben. Damals war unbestritten Deutschland der Aggressor, was auch die Erinnerungskultur in unserem Land so schwierig macht. Mit der Großmacht- Fantasie eines Fanatikers wurde die Jugend systematisch durch ein perfides System verblendet. Deutsche Soldaten hatten keine Wahl, denn wer sich verweigerte beging Hochverrat und wurde erschossen. Die Vergangenheit erhebt auf den Soldatenfriedhöfen hier, in ganz Europa und der Welt drohend den Zeigefinger. Man könnte aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts lernen.
Am Parkplatz erhalten wir die Info, dass es einen Laden im Forstamt der Gemeinde Hürtgenwald gibt, in dem portioniertes Wildfleisch aus den hiesigen Wäldern verkauft wird. Wir nehmen das Angebot gerne an und erwerben zwei wunderbare Steaks aus der Hirschhüfte, die wir uns auf dem heimischen Grill zubereiten. Mit Kartoffelklößen, Salat und einem großartigen „Sassella-Riserva“-Rotwein aus dem Valtellina ist es ein krönender Abschluss eines schönen Wintertages in der Eifel.
A. Korbmacher
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