Sherman-Tank mit Einschuss im WWII- Museum Bastogne

Historischer Eifelpfad N°66 Hürtgenwald- Vossenack- Kall-Trail 2024

Historischer Eifelpfad N°66 Vossenack- Kall-Trail 2024

Am letzten Wochenende des Jahres 2024 kehren wir zurück in den Hürtgenwald in der Eifel. Wir parken am „Museum Hürtgenwald 1944 und im Frieden“ in Vossenack. Einen kurzen Besuch haben wir dem kleinen Museum, das nur sonntags geöffnet ist Anfang Dezember abgestattet. Am heutigen Samstag reisen wir bei unfassbar grandiosem Wanderwetter an. Ein stahlblauer Himmel mit winterlichen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt lädt zu einer Runde über die Höhen dies- und jenseits des Kall-Tals ein.

Weihnachts- Krippe in der Kirche von Vossenack
Weihnachts- Krippe in der Kirche von Vossenack

Weihnachten 2024 war nach wochenlangen Spekulationen um ein weißes Fest wieder einmal grau und verregnet. So waren wir schon am Freitag froh, dass Marc die Alpenvereinsallrounder der Sektion Essen zu einer strammen Nachtwanderung vom Sofa geholt hat. Am Morgen erinnern uns schmerzende Beine an die gestrige Aktion. Einen Bericht zu der nächtlichen Runde am Baldeneysee habe ich unter „DAV Essen Allrounder“ auf meiner Webseite eingestellt. Was den Hürtgenwald als Schauplatz der Befreiung Nazideutschlands in der Endphase des zweiten Weltkrieges angeht, habe ich bereits einige Zeilen in meinem Bericht zur letzten historischen Rundwanderung bei Simonskall geschrieben.

Eifel-Idyll
Eifel-Idyll

Unsere Schuhsohlen erwarten heute knapp 11 Kilometer, aus denen am Ziel 360 auf- und abgestiegene Höhenmeter resultieren. Vor dem Museum liegen einige Artefakte von Kriegswaffen, mit denen sich die Kriegsparteien in den dichten Wäldern des Hürtgenwaldes erbitterte Gefechte geliefert haben. Da stehen ein Kettenrad eines deutschen Tiger-Panzers und auch ein Radgestell eines amerikanischen Sherman-Panzers in der Vormittagssonne.

Granate am Museum Hürtgenwald
Granate am Museum Hürtgenwald

Der schnelle Vorstoß der Amerikaner zum Rhein, der fehlende Nachschub und das schwierige Gelände des Hürtgenwaldes entwickelten sich für die hier kämpfenden Soldaten zum Desaster. Generäle der Befreiungsoffensive planten den Vorstoß am „grünen Tisch“, wohl ohne Detail-Kenntnisse der Verhältnisse vor Ort. Das bewaldete Gelände stellte sich mit seinen Schluchten und dem aufgeweichten Boden im Herbst 1944 als kaum passierbar für Fahrzeuge und Panzer dar.

Wandern mit Fernblick
Wandern mit Fernblick

Bevor wir uns auf den eigentlichen Weg machen kommen wir an der Dorfkirche in Vossenack vorbei. Im Inneren zeugt die hübsche Krippenlandschaft inmitten von geschmückten Christbäumen noch vom Wiegenfest Jesu, das wir in diesem Jahr zum 2024.mal gefeiert haben. Nichts erinnert mehr an die erbitterten Kämpfe um Vossenack und die vielen Eifeldörfer im Ausklang des Jahres 1944. Mehrfach wechselte Vossenack die Seiten, bei Gefechten zwischen Orgelempore und Sakristei wurde die Kirche entweiht und zerstört. Am Friedhof hinter der Kirche wurde 40 Jahre nach Kriegsende ein Mahnmal mit der folgenden Inschrift aufgestellt:

„Gedenket der Toten- Sie mahnen zum Frieden“

Auf den Feldern bei Vossenack
Auf den Feldern bei Vossenack

Ich muss an den derzeitigen Konflikt in unserer Nachbarschaft denken. Fast 80 Jahre nach den beiden Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts stehen alle Zeichen wieder auf Aggression statt auf Entspannung in Europa und der Welt. An einem Tag wie heute möchte man eigentlich lieber über die Dinge nachdenken, die das Leben lebenswert machen. Die Zivilbevölkerung der Ukraine leidet seit fast drei Jahren unter der Kriegsgreul eines Aggressors mit manischer Phobie vor Informations- und Meinungsfreiheit. Die russische Gegendarstellung und Propaganda sieht allerdings die Nazis des „Westen“ in der Verantwortung für die Abkühlung der Beziehungen mit Russland.

Blätter mit Raureif
Blätter mit Raureif

Die Wintersonne steht tief und erzeugt bereits mittags lange Schatten auf unserem Weg über die Felder. An der Wegkapelle, dem „Stumms Krüzche“ kann man noch gut die Spuren der damals eingeschlagenen Geschosse erkennen. Wir gehen heute den Kall-Trail, über den der amerikanische Vorstoß auf das Dorf Schmidt erfolgte. Schmidt hat den Zugang zur Staumauer des Rursees, dessen Kontrolle im Verlauf der damaligen Offensive immer mehr an strategischer Bedeutung gewann. Wir können Schmidt bereits auf der anderen Seite der Kall-Schlucht sehen, in die sich die Kall gut 170 Höhenmeter tief eingegraben hat.

Engstelle mit Felsnase auf dem Kall-Trail
Engstelle mit Felsnase auf dem Kall-Trail

Es ist ein schmaler Pfad, über den wir in das tiefe Tal absteigen und dabei Stellen passieren, an denen wir uns nur schwer vorstellen können, dass hier tatsächlich Sherman-Panzer langgefahren sein sollen. (Das Titelbild zeigt einen Sherman-Tank im WWII- Museum in Bastogne/Belgien) Wir lesen, dass einige der Panzer am Steilhang in die Tiefe gestürzt sind, beim passieren von Engstellen, wie einer von Pionieren abgetragen Felsnase. Nach einem gescheiterten Vorstoß auf Schmidt im Oktober 1944 begann am 2.November die 10-tägige als „Allerseelenschlacht“ in die Geschichtsbücher eingegangene Schlacht. Als Höhepunkt der Kämpfe um den Hürtgenwald erlitt die US-Army hier die wohl schwerste Niederlage auf europäischem Boden.

Verletztenversorgung während der Allerseelenschlacht
Verletztenversorgung während der Allerseelenschlacht

Tatsächlich hat die US-Army die Ortschaft Schmidt erreicht, wurde aber mit dem deutschen Gegenschlag ab dem 4.November bis in die Ausgangssituation zurückgedrängt. Ganze Züge und Kompanien wurden ausradiert. Ein wenig Menschlichkeit inmitten der erbitterten Kämpfe brachte ein kurzer Waffenstillstand, bei dem beide Seiten ihre Verletzten vom Schlachtfeld holen und versorgen konnten. Bei frostigen Temperaturen nähern wir uns dem Talgrund mit den raureifbelegten Uferauen der Kall an der Mestrenger Mühle.

Gedenk-Skulptur "A Time for Healing" an der Kall-Brücke
Gedenk-Skulptur „A Time for Healing“ an der Kall-Brücke

Auf der Steinbrücke über die Kall erinnert eine Skulptur an die humanitäre Aktion des deutschen Stabsarztes Dr. Stüttgen, der die Versorgung der Verwundeten beider Seiten initiierte. Genauso steil wie wir ins Kall-Tal abgestiegen sind geht es auf der Gegenseite nun hinauf Richtung Kommerscheidt. Tatsächlich liegt hier noch die Panzerkette eines Sherman-Tank im Boden des Weges eingebettet. Am Waldrand blicken wir oberhalb eines Hochstandes in die weite offene Gavin-Wiese. Diese Wiese war bei der Rückkehr der Amerikaner Anfang Februar noch mit toten Soldaten und Kriegsschrott übersät, wie es die Aufzeichnungen des Kommandeurs Gavin beschreiben. Auf etwa 370 Höhenmetern erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem wir einen großartigen Tief- und Weitblick in das Kall-Tal genießen können.

Panzerkette eines Sherman-Panzers auf dem Kall-Trail
Panzerkette eines Sherman-Panzers auf dem Kall-Trail

Das tun wir auf der bereitgestellten Bank ausgiebig mit einer Brotzeit. Tief unter uns liegt im schattigen Talgrund die Mestrenger Mühle, im Verlauf der mäandernden Schlucht kann man auch ein paar Häuser von Simonskall erkennen. Die Sonne scheint uns wunderbar aufs Haupt, bei einem Drohnenflug fange ich das Gelände unseres heutigen historischen Rundweges noch aus der Vogelperspektive ein. Ein Stück gehen wir nun parallel des Weges durch einen Wald, in dem bis heute die zahlreichen Schützenlöcher im Boden zu erkennen sind.

Kall-Tal mit Mestrenger Mühle
Kall-Tal mit Mestrenger Mühle

In Kommerscheidt erreichen wir auf 430 Metern den höchsten Punkt unserer Runde. Auch hier steht eine Gedenktafel mit den jugendlichen Gesichtern amerikanischer Soldaten, die der Hürtgenwald noch in allerjüngster Zeit von 1998-2010 preisgegeben hat. Die Aussicht reicht von hier bis in die Rheinebene. Wir sehen die Spitze des Burgturmes von Nideggen. Unsere Runde über Kommerscheidt führt uns nun mit unseren langen Schatten zurück in den Wald und zum Teil über den gleichen Weg wie im Aufstieg hinab zur Brücke über die Kall. An der Mühle vorbei gehen wir jetzt direkt entlang der Kall bis zum Aufstieg durch das nach Norden abzweigende Bachtal der Morlesief.

Schützenlöcher bei Kommerscheidt
Schützenlöcher bei Kommerscheidt

Bei schwindendem Tageslicht erblicken wir den Kirchturm von Vossenack, wo wir abschließend noch am „Splitterkreuz“ vorbeikommen. Jesus hängt hier an einem aus Schrapnellen gefertigten Kreuz- es ist ein weiteres Mahnmal, das an das unfassbare Leid erinnert, das aus der einfachen Frage „Wollt ihr den totalen Krieg?“ resultierte. Inklusive Rassenwahn und Holocaust gehen Schätzungen bezüglich aller zivilen und militärischen Toten des 2. Weltkriegs von 85-103 Millionen aus, eine grausige Bilanz die durch ein klares „Nein!“ vermeidbar gewesen wäre.

Flashmob mit langen Schatten bei Kommerscheidt
Flashmob mit langen Schatten bei Kommerscheidt

Unsere europäischen Parlamente rücken immer weiter nach rechts, Populisten agieren geschickt mit gestreuten Fake-News und locken Wähler mit vermeintlich einfachen Lösungen. Sofern wir als Wähler unser Kreuz nicht denen geben, die uns diese Entscheidung liebend gerne abnehmen würden haben wir noch eine Wahl. Schwierige Fragen lassen sich eben nicht mit einfachen Phrasen beantworten.

Das "Splitterkreuz" in Vossenack
Das „Splitterkreuz“ in Vossenack

Nach einem letzten tollen Wandertag vor dem Jahresende 2024 fahren wir nach Hause und kehren bei Burscheid noch in einem netten griechischen Restaurant ein.

Arnd & Doro mit den besten Wünschen für das neue Jahr!
Arnd & Doro mit den besten Wünschen für das neue Jahr!

A. Korbmacher

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