Historischer Eifelpfad N°86- Westwall Hürtgenwald 2024
Es ist der erste Dezembertag am ersten Adventswochenende 2024, an dem wir das sonnige Winterwetter für eine Wanderung in der Eifel nutzen wollen. Vor 2 Wochen haben wir eine Runde am ehemaligen Westwall in der Nähe von Monschau, am sogenannten Hollerather Knie unternommen. Wir sind dabei in die dunkle Vergangenheit Deutschlands zum Ende des zweiten Weltkriegs eingetaucht und haben dabei die Schauplätze der erbitterten Gefechte besucht, die durch die Gegenoffensive Nazi-Deutschlands hier Mitte Dezember 1944 entbrannten. Dieser Ausflug hat unser Interesse an den Geschehnissen geweckt und so haben wir uns mit der 10- teiligen Verfilmung „Band of Brothers“ mit der Easy Company der 101. Luftlandedivision der US-Army auf den Weg aus der Normandie nach Deutschland gemacht.
An diesem Wochenende wollen wir das Thema in der Eifel weiter nördlich bei Simonskall mit dem Besuch eines weiteren Schlachtfeldes erkunden, wo die Kampfhandlungen schon Anfang Oktober 1944 begannen. Nach raschem Vormarsch auf Aachen durchbrachen die alliierten Truppen die Siegfriedslinie bei Roetgen bereits am 12. September 1944. Mit stockendem Nachschub auf Seiten der US-Army bekam die Wehrmacht Gelegenheit neue Kräfte an der Westfront zu mobilisieren. Der siegessicheren deutschen Propaganda folgten alte und junge Soldaten als sogenannter Volkssturm an die Front. Bei den Soldaten der Wehrmacht schwand der Glaube an den „Endsieg“ zunehmend. Die Kämpfe auf dem Gebiet des Hürtgenwaldes zählen zu den schwersten Kämpfen der US-Army im zweiten Weltkrieg.
Neben Nachschubproblemen stellte das Gelände die damaligen Befreier vor enorme Schwierigkeiten. Die tief eingeschnittenen Täler und die morastigen steilen Berghänge der Nordeifel bereiteten vor allem den Fahrzeugen große Schwierigkeiten. Die weiten Waldgebiete stoppten auch den Vorstoß von Panzern. Bei den Gefechten in den Wäldern waren die Soldaten in rasch ausgehobenen „Fuchslöchern“ kaum geschützt vor den Schrapnellen, die auch von zerberstenden Bäumen ausgingen.
Während der 4 monatigen Schlacht bezahlten die Kriegsparteien für das Ringen um den Hürtgenwald einen hohen Preis. Auf jeder Seite bezifferte sich der Anteil der Gefallenen auf etwa 12000 Mann. Der prominente Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961) begleitete die US-Army seit der Landung in der Normandie als Tourist und Kriegsreporter. Tief traumatisiert erfuhr der kriegsbegeisterte Geschichtenerzähler und trinkfeste Haudegen Hemingway, der in zahlreichen Kriegen mitwirkte hier eine „Läuterung“. Die folgenden Zeilen schrieb er nach 18 Tagen in der Hölle des Hürtgenwaldes:
„Eine Gegend in der es äußerst schwierig war, am Leben zu bleiben, selbst wenn man nichts weiter tat, als dort zu sein.“
Ein wunderbarer Wandertag beginnt, nachdem wir das Auto in Simonskall abgestellt haben. Der Ort mit einer Burg aus dem 17. Jahrhundert hatte während der damaligen Schlacht im Hürtgenwald mehrfach die Seiten gewechselt. Unsere etwa 8 Kilometer lange Runde führt uns auf die bewaldeten Berghänge südlich des Kalltals. Bei den frostigen Temperaturen hat sich Raureif auf den Weg und die schattigen Nordhänge gelegt. Auf den Blättern sind dabei faszinierende Eiskristalle gewachsen, die im zunehmend einfallenden Sonnenlicht funkeln. An einer steil ins Kall-Tal abfallenden Schieferklippe blicken wir nach Norden auf Peters- und Ochsenkopf (492m und 485m).
Friedlich wirken die Wälder, die wir heute durchstreifen und auf den ersten Blick erinnert nichts an die furchtbaren Ereignisse, die die Menschen in dieser Gegend zum Jahreswechsel 1944/1945 erlitten haben. Bis heute werden noch Kampfmittel in den Wäldern gefunden. Der Name >Hurt<-genwald (hurt=verletzt) wurde für die amerikanischen Soldaten zum Trauma, „Todesfabrik“ nannten sie den Hürtgenwald. Die Schilderungen und Erlebnisse der letzten Zeitzeugen beider Seiten machen beim Ansehen einer Reportage einfach nur Gänsehaut. Obwohl der Weg als historischer Eifelpfad an die Relikte des Westwalls führt gibt es keine Ausschilderungen. Nach Karte verlassen wir den Weg und gelangen auf etwa 500 Höhenmetern an einige Bunkeranlagen im Wald.
Wir treffen nur wenige Leute und kommen mit Bart aus Belgien ins Gespräch. Er hat 1992 seinen Wehrdienst auf dem Truppenübungsplatz bei Wollseifen abgeleistet und ist mit seinen netten Irish-Setter- Hundedamen unterwegs. Wir belächeln heute die Zeit, in der wir unseren Militärdienst abgeleistet haben und sind uns einig, dass Krieg in Europa etwas fürs Museum ist. Wir haben in Deutschland mit dieser Einstellung militärisch ja förmlich die „Hosen runtergelassen“ und unsere Militärinfrastruktur weitestgehend abgeschafft. Vor fast drei Jahren wurde mit dem Überfall des EU-Beitrittskandidaten Ukraine aber eine neue Lunte gelegt. Augenzwinkernd verabschiede ich mich von Bart mit dem Hinweis, falls der Belgier kommt haben wir ja wenigstens hier noch ein paar Bunker 🙂
Die Natur hat nach 80 Jahren den Hürtgenwald zurückerobert und ihr ist es völlig egal wer hier seine Fahne hisst. Die zum Teil mit Gittern verschlossen Bunker bieten heute als künstliche Bruthöhlen den Fledermäusen Schutz. Wir genießen den weiteren Weg, der uns nach dem Wendepunkt unserer Runde nun in nordöstlicher Richtung hinab ins Kalltal führt. Auf einer Relaxliege am Weg essen wir unsere Brote und trinken heißen Tee. Der weiter sanft abfallende Weg hinunter zur Kall wird von einigen Schieferfelsen flankiert. Unten angekommen treffen wir auf einen weiteren freundlichen Gesellen mit Hund, der besonders gerne im Winter aus Holland über die Grenze in die winterliche Eifel kommt.
Die tiefe Sonne schickt noch etwas Licht auf die dahinfließende Kall. Ein letzter Aufstieg führt uns hinauf zu der Klippe, wo wir am Morgen auf den oberen Weg abgezweigt sind. Hier lassen wir uns noch eine Weile die warme Sonne ins Gesicht scheinen, bevor wir uns an den Abstieg nach Simonskall machen. Drei Jungs sind auf der Suche nach Bunkern und fragen nach dem Weg dorthin. Einen Unterstand, an dem wir am Morgen vorbei gelaufen sind schauen wir uns noch zusammen an. Einer von ihnen ist zu Gast und kommt aus den USA. Mit einem „Welcome to Germany- and have a good time!“ verabschieden wir uns und kehren zurück zum Auto.
Wir kommen auf der Heimfahrt noch am >Museum Hürtgenwald 1944< vorbei. Obwohl es im Winter geschlossen sein soll brennt Licht. Wir erhalten zwar Einlass, müssen uns aber mit einem raschen Rundgang begnügen. Das Museum lebt von Ehrenamtlern, die um 17 Uhr gerne pünktlich Feierabend machen möchten. In 15 Minuten mache ich noch ein paar Fotos von den zusammengetragenen Gegenständen und den liebevoll gestalteten Dioramen. Das was sich hier damals im Hürtgenwald ereignet hat diente dem Ziel die Welt von Nazi-Deutschland zu befreien.
Was in Deutschland passiert ist kann sich in jedem Land der Welt wiederholen. Selbst in Demokratien finden Despoten und Populisten mehr Gehör, die Stühle in den europäischen Parlamenten rücken immer weiter nach rechts. Zunehmend wird die Welt von Ego-Trips gewissenloser Psychopathen regiert. Wie leicht lassen sich mündige Bürger einer Demokratie eigentlich hinters Licht führen? Mit dumpfer Aggression und Ansagen wie „Unser Land zuerst“ wird der Mensch auf diesem Planeten nur ein vorübergehender Gast sein. Albert Einstein hat es nach der Entdeckung der Kernspaltung eigentlich schon auf den Punkt gebracht.
„Ich bin nicht sicher mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“
A. Korbmacher
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